43. Handys
Da wir nun endlich an Jims Laptop können um die Software zu benutzen, die die Handys entsperren kann, kommen wir schneller voran. Nachdem Seb mir erklärt hat, wie ich sie benutze, überlässt er mir das Entsperren der Handys während er den zweiten Laptop von Jim durchsucht. Wir haben uns auf diese Arbeitsverteilung geeinigt, damit ich auch etwas tun kann, aber nichts mit den besonders speziellen Geheimnissen der Firma zu tun haben muss.
Sobald die Handys entsperrt sind, setzt Seb sich daran um relevante Informationen rauszufinden. Währenddessen sorge ich für etwas zu essen und koche noch eine Kanne Kaffee. Tatsächlich haben wir es geschafft, innerhalb kürzester Zeit die Erste auszutrinken, obwohl ich bei jedem Schluck die Nase kraus machen musste.
"Hast du was gefunden?", erkundige ich mich bei Seb, als ich mit zwei Tellern Spaghetti wiederkomme und ihm einen hinstelle. Überrascht hebt er den Kopf und schaut mich an, dann fällt sein Blick auf den Teller.
"Wow, das ist das erste Mal dass ich bei Recherchen etwas zu essen bekomme ohne zum Supermarkt gehen zu müssen", meint er mit einem halben Lächeln und nimmt von mir das Besteck entgegen. Kurz muss ich auch lächeln, dann setze ich mich neben ihn hin. Wirklich Hunger habe ich nicht, aber ich esse trotzdem. Seb scheint sich nun an meine Frage zu erinnern, denn er schluckt schnell die Nudeln herunter und deutet auf den Bildschirm.
"Also ich habe auf keinem der Handys irgendwelche Informationen über ihren Boss oder Auftrag gefunden, nichtmal bei einer gründlicheren Suche. Was ich aber gefunden habe, oder eher versucht habe, ist rauszufinden wo die Besitzer der Handys in der letzten Zeit waren."
Er dreht den Laptop zu mir und zeigt mir eine geöffnete Karte von London, auf der einige Linien in verschiedenen Farben eingezeichnet sind. Auf den ersten Blick sehe ich nur wenige Punkte, an denen sich die Linien treffen und keinen Einzigen an dem alle Linien einmal waren.
"Es gibt keinen Ort an dem alle waren", murmele ich niedergeschlagen.
"Schlimmer noch, die Handys waren die meiste Zeit lang ausgeschaltet. Das heißt, dass die meisten Orte an denen sie waren, gar nicht auf der Karte angezeigt werden können", meint Seb und kratzt sich am Hinterkopf.
"Also eine Sackgasse", stelle ich fest und er nickt.
"Leider ja, aber ich habe ein paar Handynummern gefunden, die ich noch überprüfen kann."
"Geht das denn?"
"Ja klar, ich brauche da nur eine Weile für."
Schweigend essen wir weiter, ab und zu macht Seb am Laptop irgendetwas, doch sonst durchbricht nur das Klirren der Gabeln auf den Tellern die Stille. Ich spüre, dass er mich immer wieder mustert, so als würde er sich Sorgen machen aber nicht genau wissen was er mir sagen soll.
Egal was er mir sagen will, ich kann nicht aufhören mir Gedanken um Jim zu machen. Die Angst um ihn krallt sich in mein Herz wie ein hungriges Tier, das zu lange nicht gefüttert wurde.
"Mach dir nicht zu viele Sorgen um Jim, Melody", meint er plötzlich mit sanfter Stimme und ich schaue ihn an. Er versucht zu lächeln, doch es erreicht seine Augen nicht. Auch er sorgt sich um Jim, obwohl er versucht es sich nicht anmerken zu lassen um mich nicht weiter zu beunruhigen. Dafür bin ich ihm zwar dankbar, aber gleichzeitig weiß ich, dass die Sache ernst ist. Wenn jemand es schafft, das größte Verbrechergenie Englands aus seinem eigenen Gebäude zu entführen, ist derjenige mehr als nur gefährlich.
"Er hat schon ganz andere Sachen überstanden, da schafft er das hier auch", spricht der Sniper da weiter und legt zögernd seine Hand auf meinen Arm.
"Ich habe nur Angst, dass sie ihm etwas antun was ihn für immer verändert, oder dass sie ihn..."
Ich schaffe es nicht weiterzusprechen, meine Kehle schnürt sich zu bei dem Gedanken, was noch passieren könnte. Meine Augen fangen an zu brennen und ich reibe mit meinem Ärmel darüber.
"Tut mir leid", meine ich zu Seb, doch er schüttelt den Kopf.
"Hör auf dich dafür zu entschuldigen. Du hast jedes Recht traurig zu sein, nur wie bereits gesagt, du darfst dich davon nicht lähmen lassen."
Er mustert mich besorgt, bevor er wieder beginnt zu sprechen.
"Mel, den Rest schaffe ich schon alleine, du kannst und musst mir dabei nicht helfen. Versuch ein bisschen Ruhe zu finden, immerhin hast du heute Nacht nicht gut geschlafen."
Unwillkürlich habe ich das Gefühl, dass er mir damit vorsichtig mitteilen möchte, dass ich furchtbar erschöpft aussehe. Für einen Moment sitze ich nur da, ohne etwas zu sagen, innerlich mit mir ringend. Ich fühle mich so nutzlos und will eigentlich etwas tun um zu helfen, aber wenn Seb mir das so bestimmt sagt, scheint er es ernst zu meinen.
Widerstrebend nicke ich schließlich leicht und stehe auf.
"Ich setze mich aber nur ein bisschen aufs Sofa, schlafen kann ich trotzdem nicht", meine ich zu ihm und er nickt. Als ich jedoch die Teller nehmen will, wehrt er das ab.
"Keine Sorge, ich mach das schon."
Nun steht er ebenfalls auf und schiebt mich sanft, aber bestimmt zum Sofa hin, bis ich mich von alleine bewege.
"Ist ja schon gut", beruhige ich ihn mit einem kleinen Lächeln angesichts seiner Hartnäckigkeit.
Eigentlich will ich mich nicht ausruhen, nicht während mein Mann nach wie vor verschwunden ist. Doch als ich mich aufs Sofa setze, spüre ich plötzlich meine Erschöpfung am ganzen Körper. Der Schlafmangel, gemischt mit meiner ständigen Sorge und Angst um Jim macht mich müde. Deswegen dauert es nicht lange bis ich mich dann doch hinlege um meine Augen ein wenig zu entspannen.
Bevor ich aber noch etwas zu Sebastian sagen kann, spüre ich wie mir die wache Welt bereits entgleitet.
×××
Allwissender Erzähler:
Sobald Sebastian sieht, wie Melody sich doch hinlegt, obwohl sie das erst nicht wollte, weiß er dass er das Richtige getan hat. Kurz unterbricht er seine Arbeit, steht auf und geht zu ihr herüber. Auf einem Sessel neben dem Sofa liegt eine weiche Decke, diese nimmt der Blonde und breitet sie vorsichtig über der jungen Frau aus, die bereits eingeschlafen ist. Dann setzt er sich wieder an den Tisch um die Suche nach seinem Boss fortzusetzen.
Auch wenn er versucht es vor Melody zu verbergen, macht Seb sich genauso viele Sorgen um Jim wie sie. Schon gestern Abend wollte er anfangen nach ihn zu suchen, am liebsten sogar ohne technische Hilfsmittel, aber um ihr keine Panik zu machen, hat er es gelassen.
Nun bereut er es, auch wenn er das niemals zugeben würde.
Als er noch im Büro war und nach Spuren gesucht hat, wollte er ursprünglich gar nicht zu Melody fahren, die Idee kam ihm nichtmal. Erst als ihm klar wurde, dass sie Jim mitgenommen hatten, wanderten seine Gedanken zu ihr. Da er verletzt war und sie Jims Ehefrau ist, lag es nahe zu ihr zu fahren um es ihr persönlich zu sagen. Allerdings zweifelt er jetzt daran, ob das die richtige Entscheidung war.
Mit einem leisen Seufzen lehnt er sich zurück, frustriert wegen der Tatsache, dass Jims Entführer so peinlich genau darauf geachtet haben, keine Fehler zu machen. Egal welche der Nummern er versucht zu überprüfen, jedes Mal stößt er auf Dinge, die die Nummer nutzlos machen.
Einige Nummern sind deaktiviert, andere gibt es nicht mehr und der Rest gehört zu Wegwerfhandys die ihm sowieso nicht weiterhelfen.
Mit beiden Händen rauft er sich die blonden Haare, darum bemüht kein Geräusch zu machen obwohl er am liebsten schreien möchte. Sein Instinkt sagt ihm dass er losmuss, dass er sich eigenständig auf die Suche machen muss um Jim zu finden. Und wenn er dabei jedes einzelne Gebäude dieser Stadt durchsucht.
Doch dann fällt sein Blick auf Melody, die er von seinem Sitzplatz gerade so erkennen kann. Das kann er ihr nicht antun und Jim wäre ebenfalls nicht erfreut wenn Sebastian sie alleine ließe.
Leise steht er auf und beginnt die Teller von ihrem Mittagessen wegzuräumen, in der Küche stellt er sie in den Geschirrspüler. Dann macht er sich ein Glas Wasser, welches er sofort austrinkt, bevor er ins Wohnzimmer zurückkehrt.
Er schaltet den Laptop aus und holt sein Handy heraus. Als Nächstes fällt ihm nur ein, zu überprüfen wie viel von Jims Netzwerk noch intakt ist, vielleicht kann er ein paar Fäden ziehen, Gefallen einfordern und Verbindungen spielen lassen. Generell sollte er den Anschein erwecken, dass in Jims Firma nichts vorgefallen ist, auch wenn das schwierig sein sollte. Vielleicht sogar schon zu spät.
Zum telefonieren öffnet er die Terrassentür und geht nach draußen, die Tür lässt er angelehnt.
Tatsächlich ist das Meiste des Netzwerks unversehrt geblieben, bis auf einige misstrauische Fragen von Klienten und Verbündeten. Es wurde nur das Bürogebäude angegriffen, und das auch noch sehr unauffällig.
Einige Anrufe und Gespräche später hat Sebastian zwar noch immer keine Ahnung warum Jim entführt wurde, aber immerhin hat er es geschafft, Jims Anwesenheit vorzutäuschen. Außerdem hat er die wenigen Leute erreicht, die noch übrig sind und nicht mitbekommen haben, was im Büro passiert ist oder rechtzeitig wegkonnten. Seb weiß, dass wahrscheinlich der Maulwurf dabei ist, oder es ist jemand von denen, die verschwunden sind.
Sobald er fertig ist, zündet er sich eine Zigarette an und bläst den ersten Rauch nachdenklich in die klare Luft. Unruhig spielt er mit dem Feuerzeug in seiner Hand, in Gedanken bei den Dingen, die er noch versuchen könnte um Jim zu finden. Fürs Erste muss er nur dafür sorgen, dass es Melody einigermaßen gut geht, das hat er seinem Freund versprochen.
+++
Er weiß nicht wo er ist. Alles ist dunkel, man hat ihm einen Sack über den Kopf gestülpt und kein Licht dringt durch den Stoff. Es ist stickig, beinahe bekommt er keine Luft, aber seine Handgelenke wurden festgebunden, sodass er den Sack nicht abnehmen kann. Das Seil schneidet in seine Haut, so fest presst er seine Hände nach oben. Vielleicht kann er es schaffen, aus den Schlingen zu rutschen wenn er genug blutet.
Doch insgeheim weiß er, dass es damit nicht getan ist. Wo auch immer er ist, es befinden sich bewaffnete Wachen in den Gängen, er hat sie gehen hören als man ihn hierhin brachte.
Plötzlich hört er wie sich eine Tür leise öffnet - die Scharniere sind geölt – und das Geräusch von Schuhen nähert sich ihm. Er hört sofort, dass es sich um mehrere Männer handelt, wenn einer von ihnen auch sehr sanft auftritt.
"James Moriarty, es ist mir eine Freude Sie begrüßen zu dürfen."
Er kennt diese Stimme. Da wird ihm der Sack vom Kopf gezogen.
+×+×+×
Seid ihr jetzt stolz auf mich?
Immerhin musstet ihr nicht zwei Monate auf den nächsten Teil warten :3
Joa, also, irgendwelche Theorien? XD
Ich meine, ich weiß ja schon was Sache ist, aber es interessiert mich zu wissen was ihr so denkt.
Ansonsten mache ich mich mal schnell an den nächsten Teil, bevor die Motivation mich wieder verlässt.
By the way, vielen vielen Dank dass ihr diese Geschichte noch lest ❤️
Es berührt und freut mich immer wieder wenn Menschen dass was ich schreibe toll finden, egal was ich selbst davon halte 🙈
Bye :3
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top