41. Sebs Besuch
Während ich vormittags unterwegs bin um ein paar Sachen für Sonntag einzukaufen, kommt Seb zu uns nach Hause, sodass ich ihn treffe als ich wieder zurückkomme.
Kaum habe ich die Taschen voller Einkäufe in die Küche getragen, marschiere ich durchs Wohnzimmer auf die geöffnete Terrassentür zu, um Seb und Jim zu suchen.
Die beiden stehen auf der Steinterrasse, Sebastian mit einer Zigarette in der rechten Hand, die Linke steckt in seiner Hosentasche, und Jim redet gerade gestikulierend auf ihn ein, als ich nach draußen komme.
"Oh, hey Mel. Bist du schon fertig-"
"Sebby!", unterbreche ich meinen Ehemann und falle dem großen Blonden schon fast um den Hals. Leise lachend erwidert dieser die Umarmung mit einem Arm, der andere hält seine Zigarette auf Abstand.
"Ich freue mich auch dich mal wiederzusehen, Melody", meint er mit einem Grinsen in der Stimme und lässt mich danach los.
"Wie geht's dir?", erkundige ich mich, ohne auf Jim zu achten, der hinter mir steht. Seb allerdings wirft ihm einen kurzen, belustigten Blick zu.
"Ganz gut."
Er zieht einmal an seiner Zigarette und bläst den Rauch von mir weg in die klare Luft.
"Jim hat versäumt zu erwähnen dass du angeschossen wurdest."
Augenblicklich hebt Seb beide Augenbrauen und schaut Jim fragend an.
"Ach, ist das so?"
Nun drehe ich mich doch zu meinem Mann um und sehe gerade noch, wie er die erhobenen Hände fallen lässt.
"Wie soll man sowas denn sagen?", fragt er leicht angesäuert, da drehe ich mich wieder zu Seb.
"Du hättest dich auch selbst mal melden können, ich hab mir Sorgen gemacht."
Mit einem Schmollmund unterstreiche ich die Aussage und der Blonde kratzt sich verlegen am Hinterkopf.
"Da ist was dran. Ich war... beschäftigt während der letzten Wochen. Missionen und... Zeugs."
Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
"Aha, soso. Hat einer von euch Hunger?"
Nun schaue ich Jim an, der beide Hände in seine vorderen Hosentaschen gesteckt hat und nur missmutig mit den Schultern zuckt.
"Also ich könnte was vertragen...", antwortet Sebastian behutsam, da stupse ich Jim leicht an.
"Hey, ich hatte dir gestern etwas gesagt."
Er rollt leise schnaubend die Augen als Antwort, lässt es aber zu dass ich seine rechte Hand nehme.
"Von mir aus können wir gerne eine Kleinigkeit essen", murmelt er schließlich und ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
"Dann gehe ich wieder rein und mache das Essen, in Ordnung?"
Er nickt und ich löse mich von ihm um wieder reinzugehen. Hinter mir höre ich Sebs gedämpftes Lachen und Jim, wie er seinen Sniper anzischt.
"Klappe Moran."
Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen als ich das höre. Mir ist bewusst dass Sebastian und ich die Einzigen sind, die so mit Jim umgehen können, bei jedem anderen wäre er nicht so nachsichtig. Irgendwie fühlt sich diese Tatsache gut an.
Es dauert nicht lange etwas zu essen zu machen, sodass wir wenig später zu dritt an unserem Wohnzimmertisch sitzen und essen. Jim ist noch immer ein wenig gekränkt, beteiligt sich aber trotzdem an unserem Gespräch. Dadurch sind wir einfach drei Freunde, von denen zwei zufälligerweise miteinander verheiratet sind.
Schließlich macht Sebastian sich wieder auf den Weg nach Hause, nachdem Jim immer mal wieder mit dem Zaunpfahl gewunken hat.
"Meld dich mal wieder öfter, und pass auf dich auf", verabschiede ich den Sniper, der sich daraufhin mit zwei Fingern im gespielten Salut an die Schläfe tippt.
"Jawohl, Ma'am."
Kaum schließt Jim die Tür hinter Sebastian, fange ich an leise zu kichern. Mein Ehemann kratzt sich missmutig am Hinterkopf und schaut mich dann beleidigt an.
"Und ich dachte gestern, du würdest scherzen."
"Ach Jim, so langsam müsstest du mich doch kennen", antworte ich und tippe ihm auf die Nase. Sein kurzzeitig verwirrter Blick bringt mich erst richtig zum Lachen, doch er seufzt mit einem Augenrollen.
"Ja, muss ich wohl."
Doch gleichzeitig schleicht sich auch bei ihm ein Lächeln auf die Lippen, bevor er mich mit einem Arm zu sich zieht.
"Allerdings stelle ich immer wieder aufs Neue fest wie sehr ich dich liebe", flüstert er und vergräbt seine Nase in meinen Haaren.
"Obwohl ich dich manchmal ärgere?", erkundige ich mich.
"Ganz besonders dann."
Für einen Augenblick sage ich nichts, sondern bleibe einfach mit Jim hier stehen. Er ist teilweise so niedlich, obwohl er auch ganz anders sein kann. Dann erinnere ich mich an das, was ich gestern Abend zu Jim gesagt habe und löse mich wieder von ihm.
"Da das ja jetzt geklärt wäre, ich gehe etwas lesen."
"Was geklärt?", fragt er verdutzt nach als ich von ihm weg ins Wohnzimmer gehe, doch ich antworte ihm nicht.
***
Das Essen am Sonntag mit meinem Vater läuft super, vor allem da Jim sich komplett so verhält als wäre er nicht der größte Verbrecher Londons, sondern lediglich ein liebevoller Ehemann, der seinen Schwiegervater besser kennenlernen möchte. Bis spät Abends unterhalten wir uns, feiern dass Sams Knochenmarkspende doch noch funktionieren wird und genießen das Leben. Aufgrund seiner anstehenden Chemotherapie hat Sam entschieden, kein Alkohol mehr zu trinken, sodass Jim und ich jeder ein Glas Wein zum Essen trinken und es dann ebenfalls sein lassen.
An diesem Abend fühle ich mich so wohl wie schon lange nicht mehr. Niemals hätte ich gedacht, dass ich heute hier sitzen würde, zusammen mit meinem Ehemann und meinem tot geglaubten Vater. Dass ich den Beiden zuschaue und mich dabei so glücklich fühle, dass ich das Gefühl habe, meine Brust würde anschwellen.
Sam scheint es ebenfalls kaum fassen zu können, denn den ganzen Abend lang hört er nicht auf zu lächeln, er scherzt und erzählt von Dingen, die er als junger Mann angestellt hat. Er vermittelt mir einen Eindruck von dem Mann, den meine Mutter damals kennengelernt und in den sie sich verliebt hat. Fast ist es, als wäre ein Teil meiner Mutter hier bei uns während Sam erzählt.
Doch auch der Abend geht zu Ende, wir bringen meinen Vater nach Hause, räumen das benutzte Geschirr in die Spülmaschine und bereiten uns auf den nächsten Arbeitstag vor. Eine angenehme Müdigkeit ergreift mich und ich umarme Jim von hinten, als wir gerade beide im Badezimmer stehen.
"Na, alles gut?", fragt er mich und ich brumme zustimmend.
"Sehr gut sogar."
"Das freut mich", meint er mit leiser Stimme, bevor er sich in meinen Armen herumdreht. Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn, dann hält er mich einfach nur fest. Seine Wärme, zusammen mit seinem vertrauten Geruch macht mich nur noch schläfriger, bis ich mich mit beinahe meinem gesamten Gewicht gegen ihn lehne.
"Ich bin müde", murmele ich in sein T-shirt, da lacht er.
"Dann geh doch ins Bett."
Seine Finger spielen mit einigen Strähnen meiner Haare, was mich leise seufzen lässt.
"Nur wenn du mitkommst", fordere ich, woraufhin Jim wieder lacht.
"Nur weil du es bist."
Also gehen wir gemeinsam ins Bett, obwohl Jim nicht wirklich müde zu sein scheint. Trotzdem lässt er es zu dass ich ihn als Kuschelkissen benutze und streicht mir so lange über den Rücken bis ich tatsächlich einschlafe.
***
Eine Woche vergeht, in der ich es nach wie vor genieße, auf der Arbeit nicht so gestresst zu sein wie vorher, und meinen Vater am Wochenende besuche. Jim arbeitet wieder etwas länger, aber er übertreibt es nicht und versucht stets zum Abendessen zu Hause zu sein. Falls er es mal nicht schafft, findet er Möglichkeiten, das wieder gut zu machen.
Abgesehen davon läuft zwischen uns alles gut, auch wenn ich teilweise das Gefühl habe, dass er noch immer etwas vor mir verheimlicht.
Heute allerdings wird dieses Gefühl durch ein anderes verdrängt, nämlich das, dass etwas nicht stimmt. Morgens war noch alles okay, Jim und ich sind aufgestanden und haben uns fertig für die Arbeit fertig gemacht, so wie immer. Jim ist dieses Mal ein bisschen früher losgefahren, da er ein recht wichtiges Meeting außerhalb der Stadt vorbereiten wollte, und ich habe wie immer den Bus genommen. Mittags habe ich dann gemerkt, dass etwas seltsam ist. Normalerweise schreibt Jim mir einmal am Tag, entweder um mir zu sagen wann er nach Hause kommt, oder um sich ein bisschen von der Arbeit abzulenken. Oder auch wenn er mich ärgern möchte, weil er weiß, dass ich ihm nicht antworten kann wenn ich arbeite.
Heute kam allerdings kein solcher Text, nicht mal in meiner Mittagspause. Mein Handy bleibt stumm.
Zuerst schiebe ich das auf sein Meeting, vielleicht dauert es länger als gedacht, oder er kann nicht ans Handy gehen. Ich beende meinen Arbeitstag später als gedacht und schicke ihm eine Nachricht, dass ich später komme, da die Busse Verspätung haben. Doch die Nachricht kommt nicht an.
Kaum komme ich zu Hause an, stelle ich fest, dass Jim noch nicht da ist und auch, dass nach wie vor keine Nachricht von ihm gekommen ist. Hinter meinem Text steht nur ein grauer Haken.
Ich entscheide mich dagegen ihn anzurufen, sonst störe ich ihn eventuell nur in seinem Meeting.
Also bereite ich unser Abendessen vor, als ich plötzlich das Geräusch von Reifen auf unserer Auffahrt höre. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich aber, dass es nicht Jims Auto ist, sondern das von Seb. Augenblicklich gehe ich zur Haustür und öffne sie, noch bevor Seb auf dem Weg dahin ist.
Sobald ich den Sniper sehe, halte ich erschrocken die Luft an. Sebs linkes Auge ist blau-rot zugeschwollen, eine Wunde an seiner Schläfe blutet und seine Unterlippe ist aufgesprungen.
"Seb!"
"Hey Mel", meint er mit einem halben Lächeln, das ihm sichtlich Schmerzen bereitet. Ohne zu zögern hole ich ihn ins Haus und gehe los, um den erste Hilfe Kasten zu holen, den Jim stets im Bad aufbewahrt. Dabei überschlagen sich meine Gedanken vor Sorge, denn Jim ist nicht bei ihm. Was ist passiert, dass Seb so aussieht? Und warum ist er jetzt hier, und nicht bei Jim?
"Setz dich in die Küche", weise ich Seb mit leicht zitternder Stimme an und er nickt nur. Da entdecke ich Blut auf seinem Hemd unter seiner Jacke und spüre wie ich blass werde.
"Da ist meins, zumindest teilweise", versucht der Blonde mich zu beruhigen, als er meinen Blick bemerkt.
"Bist du etwa richtig verletzt?", will ich wissen, als ich den Verbandskasten öffne um etwas zu holen, womit ich die Wunden desinfizieren kann.
Anstatt mir eine Antwort zu geben, zieht Seb nur seine Jacke aus. Sein Hemd ist an der Schulter eingerissen und darunter ist das Fleisch blutig.
"Es ist nur ein Streifschuss, nichts Ernstes also. Gib mir das ruhig, ich schaff das auch alleine."
Mit diesen Worten versucht er mir den Verbandskasten abzunehmen, doch ich lasse ihn nicht.
"Zieh dir das Hemd aus, dann halt still und erzähl mir lieber was passiert ist."
Nun zittert meine Stimme noch mehr, was ihn dazu bringt, das zu tun was ich ihm gesagt habe. Währenddessen säubere ich vorsichtig seine Wunden und verbinde seine Schulter so gut es eben geht.
"Wir waren schon wieder zurück im Büro nach dem Meeting, als sie reinkamen. Ich habe keine Ahnung wer die waren, doch sie haben es geschafft eine Bombe in den oberen Bereichen des Gebäudes zu zünden um uns aufzuschrecken und in dem Chaos Jim zu holen. Ich war auf dem Weg zu ihm, als mich drei Männer angegriffen haben. Den einen konnte ich außer Gefecht setzen, doch die anderen beiden schafften es, mich auszuschalten und zu fliehen. Ich war wohl ein paar Stunden bewusstlos, denn als ich aufwachte, waren alle fort oder tot. Die haben kaum Überlebende gelassen, wer auch immer das war."
Sebs Stimme klingt rau als er erzählt, aber gleichzeitig auch bitter. Er, als Jims Bodyguard, hat zugelassen dass diese Leute ihn mitgenommen haben.
"Woher weißt du, dass sie ihn mitgenommen haben?", frage ich, auch wenn ich die Antwort nicht wirklich wissen will.
"Ich habe das gesamte Gebäude durchsucht, also da wo ich hinkonnte. Vor Jims Büro lag seine Sekretärin, erschossen, aber er selbst war nicht da. Stattdessen lagen da zwei der Typen, die ins Gebäude eingedrungen sind, jeder von ihnen mit einer Kugel im Kopf. Jim muss sie erwischt haben, bevor man ihn mitgenommen hat", meint Seb mit einem kleinen Lachen, dann beginnt er zu husten. Sofort mache ich ihm ein Glas Wasser, das ich ihm mit zitternden Händen reiche. Seine Wunden sind mittlerweile alle versorgt, auch wenn er noch einige übel aussehende Blutergüsse an den Seiten hat.
Schockiert von seinem Bericht schlinge ich meine Arme um mich selbst und lehne mich gegen die Ablage, ohne Seb anzusehen. Es klingt ganz nach Jim, dass er zwei seiner Entführer erschossen hat, aber eins verstehe ich nicht.
"Wie kann das sein, dass diese Leute in Jims Büro eingedrungen sind? Ich dachte, Jim sei der Meister des Verbrechens oder so etwas."
Nun schaue ich den Sniper wieder an, während ich auf eine Antwort warte. Dieser dreht das Wasserglas zwischen den Fingern und schaut gedankenverloren zu Boden.
"Ich weiß es nicht", antwortet er leise.
"Es muss ein Maulwurf im Gebäude gewesen sein, der unsere Sicherheit kannte oder sie hatten einfach Glück. Was mich nur verrückt macht, ist die Tatsache, dass ich hätte da sein müssen um Jim zu beschützen."
Daraufhin sage ich nichts, aus Angst, dass ich ihm zustimmen würde. Wenn Seb dagewesen wäre, wäre Jim vielleicht nicht entführt worden. Aber vielleicht wäre Seb auch tot.
Erst jetzt realisiere ich, was das bedeutet. Irgendwelche fremden Menschen haben meinen Mann aus seinem eigenen Gebäude entführt und dabei so gut wie keine Überlebenden gelassen. Was auch immer sie von Jim wollen, sie werden vor nichts zurückschrecken um es zu bekommen. Vor gar nichts. Und ich kann nichts tun.
Krampfhaft versuche ich die Tränen zurückzuhalten, die sich in meinen Augen sammeln. Zu weinen bringt jetzt überhaupt nichts, es nervt eher. Da steht Seb auf.
"Es tut mir leid Mel. Ich war ein beschissener Bodyguard."
"Das war nicht deine Schuld. Du konntest das ja schlecht vorhersehen", erwidere ich mit einem Schniefen und wische mir einmal über die Augen.
"Allerdings solltest du heute Nacht hierbleiben, nur zur Sicherheit. Und damit ich nach deinen Wunden sehen kann", bestimme ich und schaue Seb in die Augen. Nur schwer kann ich das Zittern in meiner Stimme und meinen Händen unterdrücken, aber ich glaube er hat es auch so bemerkt.
"In Ordnung", stimmt er mir mit sanfter Stimme zu, so als wolle er mich damit beruhigen. Aber wirklich beruhigen kann ich mich nur, wenn Jim wieder da ist. Falls er wiederkommen kann.
~~~
Hey Leute :D
Ich melde mich mal wieder, wenn auch extrem spät. Das tut mir sehr leid, ich wünschte dem wäre nicht so. Aber mit dem Abi hatte ich recht viel zu tun, dann hat mich die Motivation verlassen, dann kamen Dinge wie Uni-Bewerbung und Fahrschule dazu und ich habe einfach vergessen weiterzuschreiben :( Dafür ist dieses Kapitel ein bisschen länger als sonst, und dadurch dass ich das Essen am Sonntag verkürzt habe, kommen wir zum Action-Teil des Buches, der mich hoffentlich wieder dazu animiert, zu schreiben.
Auf jeden Fall vielen Dank an alle, die nach wie vor weiterlesen, Voten und Kommis schreiben, das bedeutet mir unglaublich viel ❤️
Bis hoffentlich bald!
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