27. Betrunken
Allwissender Erzähler
Es ist bereits fast vier Stunden her seit Melody auf diese Gala gefahren ist, und Jim klappt nun mit einem Seufzen seinen Laptop zu. Anschließend steht er auf, streckt sich und wirft einen Blick auf die Uhr. Er hat Melody nicht gehört falls sie bereits nach Hause gekommen ist, aber einen Anruf hat er auch nicht bekommen.
Ein Blick ins Schlafzimmer zeigt ihm, dass seine Ehefrau noch nicht zurück ist: das Bett ist leer.
"Wenn sie nicht bald wieder nach Hause kommt, werde ich sie definitiv abholen müssen", murmelt er zu sich selbst während er die Treppe herunter geht. Bei dem Gedanken, dass Melody mit ihrem ungehobelten Klotz von Chef alleine auf dieser Gala ist, greift er fast nach seinem Mantel an der Garderobe.
Allerdings würde das nichts bringen, er kann ja schlecht einfach in das Gebäude stürmen um seine Frau herauszuholen, sollte sie nicht rauskommen.
Gerade überlegt er aber, ob er Seb anrufen und das doch machen soll, da klingelt plötzlich sein Handy. Sofort fischt er es aus seiner Hosentasche, schaut auf die Nummer und atmet erleichtert auf.
"Melody?"
Zuerst ist nur leises Kichern zu hören, dann antwortet die junge Frau am anderen Ende erst.
"Hi Jim."
Ihre Stimme klingt komisch, so als wäre sie sich nicht bewusst was sie genau sagt.
"Bist du etwa betrunken?", stutzt Jim und nimmt mit einer Hand bereits seinen Mantel vom Haken.
"Ein bisschen vielleicht."
Sie kichert erneut und Jim muss ein genervtes Seufzen zurückhalten.
"Soll ich dich abholen?"
Eigentlich ist die Frage überflüssig, denn er ist bereits aus der Haustür und auf dem Weg zum Auto. Die Luft ist kalt um ihn herum, obwohl es die Tage über recht warm war.
"Ja."
"Okay, ich komme zu dir. Warte draußen vor dem Hotel und beweg dich nicht von der Stelle."
"Klar."
Erneutes Kichern, dann bricht die Verbindung ab. Ein wenig unruhig schließt Jim das Auto auf, steigt ein und startet den Motor, der zum Glück sofort anspringt. Während er losfährt, schnallt er sich an und beginnt leise zu summen. Staying Alive, von den Bee Gees.
Die Fahrt dauert nicht lange, lässt ihm aber genug Zeit um darüber nachzudenken, wie es dazu kommt dass Melody so betrunken ist, dass sie nur noch rumkichert. Allein der Gedanke, dass etwas passiert sein könnte, veranlasst seine Hände sich fest um das Lenkrad zu klammern.
Schließlich kommt er am Hotel an, wo einige Gäste gerade das Hotel verlassen. Einsam am Straßenrand steht eine junge Frau in einem silbrigen Kleid, den Mantel über dem Arm. Sie scheint sich nicht mehr so ganz gut auf den Beinen halten zu können.
Jim hält neben ihr an, steigt aus, und geht um das Auto herum zu ihr.
"Melody!"
"Jim!"
Ein wenig schwankend stürmt sie auf ihn zu, schlingt ihre Arme um seinen Hals und kichert schon wieder.
"Oh Mann, wie viel hast du denn getrunken? Du weißt doch dass du nicht so viel verträgst."
"Echt?", fragt sie nach, während Jim ihre Hände von sich nimmt und einen Arm um sie schlingt um sie zu stützen.
"Ja echt. Und warum hast du eigentlich deinen Mantel nicht an? Du bist ganz kalt."
Besorgt nimmt er ihr den Mantel ab und legt ihn ihr um die Schultern, obwohl sie protestiert.
"Mir is nich kalt!"
"Jaja, bestimmt. Komm, ich bring dich nach Hause."
Irgendwie schafft er es, seine Frau in den Wagen zu bringen, ohne dass sie sich den Kopf stößt, dann setzt er sich wieder hinters Lenkrad. Bevor er losfährt, mustert er Melody einmal prüfend, wobei ihm auffällt, dass sie trotz ihrer Betrunkenheit nervös scheint. Ihre Hände zittern leicht und die Finger krallen sich unbewusst in den Stoff ihres Mantels.
"Alles okay?"
Sofort nickt sie eifrig.
"Alles super!"
Ein heftiger Schluckauf unterbricht sie dabei beinahe, gefolgt von einem leisen Kichern. Zum Glück beginnt sie nicht laut zu singen, wie Seb als er einmal komplett betrunken war und Jim ihn abgeholt hat.
"Wenn dir schlecht wird, sag Bescheid."
Damit fährt Jim los, auf schnellstem Wege nach Hause.
Nur wenig später hat er es geschafft, Melody aus dem Auto, ins Bad und danach ins Bett zu bekommen, obwohl er ihr beim Kleid ausziehen helfen musste und sie kaum noch stehen kann. Allerdings dürfte nun nicht mehr nur der Alkohol daran Schuld sein, sondern auch die Müdigkeit.
So kommt es, dass Melody sich endlich im Bett unter der Decke zusammenrollt und sofort einschläft. Erschöpft lässt Jim sich neben sie sinken, fährt sich mit einer Hand durch die Haare und beugt sich dann über seine Frau. Champagner, ein recht teurer, sowie etwas fruchtiges, wahrscheinlich Fruchtpunsch.
Liebevoll streicht er ihr über die Haare, bevor auch er sich ins Bett legt. Doch schlafen kann er nicht. Seine Gedanken sind viel zu aufgewühlt, sie drehen sich um seine Arbeit, um Mister Wulf und die Frage warum Melody so nervös gewirkt hat. Müde reibt er sich mit beiden Händen übers Gesicht. Morgen kann er sie fragen, dann ist wenigstens ein Problem gelöst. Hoffentlich.
~×~×~×
Melody
Kopfschmerzen, unerträgliche.
Mit einem gequälten Stöhnen drehe ich mich vom Fenster weg und ziehe mir die Decke über den Kopf. Schlecht ist mir auch noch, aber das ist nicht ganz so schlimm.
"Na, bist du endlich wach?", fragt da die Stimme von Jim hinter mir.
"Leider", murmele ich, was ihn zum lachen bringt. Sofort vergrabe ich mich tiefer in meiner Decke, denn durch sein Lachen tut mein Kopf noch mehr weh.
"Hast du etwa einen Kater?", fragt er belustigt nach, und ich merke wie er sich direkt hinter mich legt.
"Ja", grummele ich in meine Decke, da wird sie mir weggezogen, sodass mein Kopf wieder zum Vorschein kommt.
"Wie viel hast du gestern eigentlich getrunken?"
Nun klingt Jim gar nicht mehr belustigt, sondern eher besorgt.
"Weiß nicht genau, vielleicht vier Gläser Champagner, danach bin ich zum Fruchtpunsch übergegangen. Kann aber nicht so viel gewesen sein."
"Sagt die Frau die mir gestern kichernd um den Hals gefallen ist."
Augenblicklich werde ich rot und versuche mich wieder in der Decke zu vergraben, doch Jim lässt das nicht zu.
"Das ist sowas von peinlich", jammere ich.
"Ach was, ich hab schon schlimmeres mit Seb erlebt. Dagegen warst du einfach nur niedlich", meint mein Mann und kuschelt mit meiner Decke.
"Vielen Dank auch."
"Komm schon, als dein Ehemann ist es doch fast schon mein Job, dich egal wann niedlich zu finden."
Mit einem Seufzen drehe ich mich zu ihm um.
"Ich liebe dich auch Jim."
Er grinst, doch dann wird sein Gesicht wieder ernst.
"Warum hast du eigentlich so viel getrunken?"
"Anfangs hat es einfach gut geschmeckt, außerdem hat mein Chef mich allein gelassen."
"Mistkerl", murmelt Jim.
"Und was war nachher?"
Augenblicklich erinnere ich mich an die unangenehme Begegnung mit Charles Augustus Magnussen und schmiege mich an Jims Körper.
"Ich hab jemanden getroffen", nuschele ich in sein T-shirt.
"Und wen?"
Ich seufze.
"Magnussen."
Als hätte ich gesagt, dass jemand versucht hat mich umzubringen, spannt Jim sich sofort an und zieht mich enger an sich.
"Jim, bitte, es ist nichts passiert. Du kannst mich loslassen."
"Was hat er gesagt?", will Jim wissen, ohne meine Bitte zu beachten.
"Nichts besonderes."
"Sicher?"
Nun lässt er doch locker, aber dafür schaut er mir unverwandt in die Augen, sodass ich schlucken muss. Wenn ich jetzt lüge, merkt er es.
Seine dunkelbraune Iris wirkt im Schatten fast schwarz.
"Naja... er wusste dass ich keine Zeitung lese. Und er hat von der letzten Gala mit Amanda gesprochen", antworte ich nun zögernd, da runzelt Jim die Stirn.
"Amanda?"
Ich seufze und merke, dass meine Kopfschmerzen schlimmer werden.
"Sie war mal mit dir zusammen. Die rote Frau, die ziemlich viele Leute auf der Gala erschossen hat und anschließend selbst getötet wurde."
"Ach die... hatte ich gelöscht", murmelt Jim leise, da winde ich mich aus seinen Armen.
"Schön für dich, ich muss jetzt erstmal meine Kopfschmerzen löschen."
Damit stehe ich auf, Jims gemurmelten Protest hinter mir ignorierend.
Mein Gang nach unten ins Bad ist etwas unsicher, außerdem werden meine Kopfschmerzen nun stärker. Innerlich verfluche ich die Tatsache, dass ich nicht besser aufgepasst habe als ich angefangen habe den Champagner zu trinken.
Ich hole mir Kopfschmerztabletten und gehe in die Küche, doch essen will ich nichts. Mir ist noch immer leicht übel, schon der Gedanke an Essen lässt mich schaudern.
Kaum habe ich die Tablette mit einem Glas Wasser runtergeschluckt, höre ich Jims Füße auf der Treppe.
"Übrigens hat dein Vater angerufen. Und Katie", meint er beiläufig während er in die Küche kommt.
"Was? Warum hast du mich nicht geweckt? Und warum gehst du an mein Handy?"
Erschrocken schaue ich auf die Uhr.
"Ist das dein Ernst? Es ist halb zwei!"
Doch mein Mann zuckt nur mit den Schultern und grinst dann.
"Deine Kopfschmerzen wären nicht besser gewesen."
Mit einem erneuten Seufzen stelle ich das leere Glas auf die Ablage.
"Und was wollten die zwei?"
"Katie wollte plaudern, aber als ich ihr erzählt habe dass du gestern getrunken hast, meinte sie, es wäre besser dich ausschlafen zu lassen."
"Okay, und was ist mit meinem Vater?"
Nach wie vor ist es seltsam von Sam als 'mein Vater' zu sprechen.
Kaum spreche ich Sam an, wird Jims Gesichtsausdruck wieder ernst.
"Er klang nicht gut. Er hat gefragt ob du zu ihm kommen kannst, da hab ich ihm gesagt dass ich dich wecken werde. Das war vor einer halben Stunde, nur deswegen bin ich überhaupt wieder hochgegangen."
Erst jetzt fällt mir auf dass Jim sich schon umgezogen hat, statt seiner Schlaf-Klamotten trägt er eine Jeans und ein blaues T-shirt.
"Wie meinst du das, er klang nicht gut?", frage ich zögernd nach, und unwillkürlich keimt Sorge in mir auf.
"Naja, er klang... müde. Bedrückt", antwortet Jim und legt den Kopf schief.
"Soll ich dich fahren?"
Dankbar lächle ich ihn an und nicke.
"Das ist lieb, gerne. Ich mach mich eben fertig."
Doch bevor ich an ihm vorbei aus der Küche gehen kann, hält er mich mit einem Arm an meiner Taille auf.
"Ich habe dich gestern vermisst", sagt er leise und berührt mit seiner Nasenspitze meine. Dann gibt er mir einen sanften, aber langen Kuss auf die Lippen, bei dem ich die Augen schließe. Für einen kurzen Moment vergesse ich Magnussen, meine Kopfschmerzen, die Übelkeit und die leichte Sorge wegen meines Vaters, aber nur bis wir uns wieder voneinander lösen.
"Ich hätte auch besseres vorgehabt als dort auf der Gala zu sein", meine ich mit einem kleinen Lächeln.
"Aber danke dass du mich abgeholt hast."
"Kein Problem", antwortet er, dann lässt er mich los damit ich mich duschen kann.
Während ich mich fertig mache, beginnt die Tablette zu wirken, sodass ich keine Kopfschmerzen mehr habe und mich generell besser fühle. Aber gleichzeitig mache ich mir Gedanken um meinen Vater. Hoffentlich ist es nichts schlimmes wegen dem er... bedrückt klang.
~~~
I'm so sorry >.< Ich versuchs, aber es klappt nicht :(
Naja, was glaubt ihr ist mit Sam los? Würde mich mal interessieren...
Ich geh mich dann mal in die Ecke stellen, mich schämen und weiterschreiben, bye.
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