# 6. Ein Ball

"So, ich hoffe ihr wisst jetzt was ihr auf dem Ball machen sollt."
Der Tanzlehrer wirkt ein wenig erschöpft und ich lehne mich grinsend zu Henry hinüber.
"Also wir wissen es definitiv. Nur ich glaube dass er es gleich wieder vergisst."
Mein Tanzpartner lacht leise und nickt zustimmend.
"Unser lieber Harry sieht wirklich ganz schön fertig aus."
Mit Harry meint er unseren Tanzlehrer, der verzweifelt versucht seinem Kurs schnell noch eine vollkommen neue Abfolge für den Ball beizubringen, die in den letzten Minuten noch beschlossen wurde.
"Ich verstehe eh nicht warum wir nicht einfach die alte Abfolge machen können", meine ich als wir später unsere Jacken nehmen und aus dem Gebäude nach draußen auf die Straße treten.
"Denkst du ich? Aber die neue Abfolge sieht besser aus als die Alte", antwortet Henry und wir bleiben vor der Tanzschule stehen um auf seine Eltern zu warten.
"Das stimmt. Naja, Hauptsache es klappt alles am Freitag."

***

An besagtem Freitag holt Henry mich bei mir zu Hause ab, damit wir gemeinsam zum Ball fahren können. Er hat sich herausgeputzt, seine schwarzen Schuhe glänzen und sein schwarzer Anzug wirkt ganz neu, was er wahrscheinlich auch ist. Aber auch ich habe mich zurechtgemacht und trage ein dunkelgrünes Kleid, was meine Augen sehr gut betont. Obwohl ich weiß dass ich die Abfolge beherrsche und gut tanzen kann bin ich aufgeregt, denn es ist mein erster Ball und ich habe keine Ahnung was mich genau erwartet.
"Du siehst super aus!", meint Henry als er mich abholt und ich lache nervös.
"Naja, du aber auch. Der Anzug steht dir richtig gut."
"Danke."
Gerade wollen wir gehen, da kommt meine Mutter noch an die Tür.
"Hey, willst du etwa einfach gehen ohne dich zu verabschieden?", entrüstet sie sich und ich lache.
"Nein, natürlich nicht Mum."
Ich umarme sie liebevoll und strahle sie an.
"Tschüß!"
"Bis nachher mein Schatz, und viel Spaß euch beiden!"
"Danke, Ihnen auch Misses Grand!", wünscht Henry meiner Mutter und sie winkt lächelnd, dann schließt sie die Tür während Henry und ich die Treppen heruntergehen.
"Du siezt meine Mutter?", frage ich ihn und er zuckt mit den Schultern.
"Keine Ahnung, ich denke ja."
"Du bist komisch."
Henrys Vater wartet im Auto vor dem Haus um uns zum Ball zu fahren und begrüßt mich freundlich.
"Und dass du sie mir bloß nicht stehenlässt Henry!", ermahnt er seinen Sohn scherzhaft und Henry verdreht die Augen.
"Dad, ich habe dir schon tausendmal gesagt dass ich das nicht machen werde."
Grinsend schaue ich ihn an und er schneidet eine Grimasse.
Schließlich kommen wir vor dem hell erleuchteten Gebäude an, in dem der Ball stattfinden wird und Henry steigt aus, um mir dann ganz Gentleman-like die Autotür zu öffnen.
"Vielen Dank."
"Tschüß Dad", ruft er noch ins Auto bevor er die Tür schließt und mit mir zum Eingang geht. Wir zeigen unsere Eintrittskarten und werden hineingelassen, dann suchen wir uns einen Platz an einem der Tische.
"Also, jetzt werde ich doch ein bisschen nervös was die Abfolge angeht", meine ich als ich sehe wie viele Personen anwesend sind. Vier lange Tische voller Jugendliche und vier weitere für die Erwachsenen, und alle sind schon ordentlich besetzt. Der Saal ist recht groß, und an einem Ende gibt es eine Bühne wo bereits Musikinstrumente für die Live-Band aufgestellt sind.
"Ach was, das schaffen wir schon", beruhigt Henry mich, da macht unser Tanzlehrer die Ansage dass alle Vortanzenden sich vor dem Saal einfinden sollen. Wir reihen uns hinter den anderen Jugendlichen ein und warten auf das nächste Signal, dann laufen wir gemeinsam in den Saal ein. Es gibt milden Applaus von den Eltern, als wir uns auf der Tanzfläche aufstellen und auf den Start der Musik warten. Unruhig kaue ich auf meiner Unterlippe herum.
"Wenigstens kannst du gut führen", murmele ich und Henry beginnt zu grinsen, da startet die Musik und wir werden eingezählt. Schon beginnen wir die ersten Schritte unserer Abfolge, und allmählich entspanne ich mich. Henry und ich haben keine Probleme damit die richtigen Schritte zu machen und führen die Abfolge an Figuren ohne Fehler aus, also kein Grund zur Sorge.
Nach bestimmt fünf Minuten und drei weiteren Tänzen sind wir endlich fertig und verneigen uns vor den nun lauter applaudierenden Erwachsenen.
"Das wäre geschafft. Lust weiterzutanzen?"
Mit hochgezogener Augenbraue schaut Henry mich an und wartet anscheinend auf eine Antwort von mir.
"Klar!"
Da beginnt ein wunderschöner Wiener Walzer zu spielen und wir stellen uns auf um den Tanz mitzutanzen.
"Ich mag das Lied", meine ich wenig später und Henry grinst.
"Aber jetzt brauche ich eine Pause. Wiener Walzer ist anstrengend!"
Ich lache, folge ihm aber.
Den ganzen restlichen Abend tanzen wir, reden, lachen, ruhen uns aus oder trinken etwas. Die anfängliche Aufregung fällt schon bald von mir ab und ich fühle mich hier wohl. Die ganzen Menschen, die lachen, sich unterhalten und tanzen schaffen eine angenehme Atmosphäre und die Live-Band leistet tolle Arbeit. Aber irgendwann bin ich müde und verlasse mit Henry den Ball, da auch er müde ist. Sein Vater holt uns ab und bringt uns nach Hause.
"Tschüß Henry, gute Nacht", verabschiede ich mich und mein Tanzpartner murmelt etwas zurück, dann verschwinde ich im Haus.
Oben in der Wohnung von meiner Mutter und mir gehe ich erschöpft in mein Zimmer und ziehe mich um, dann falle ich in mein Bett. Nur am Rande bekomme ich mit dass meine Mutter einmal hereinkommt und mich zudeckt, dann schlafe ich ein, müde aber glücklich und zufrieden.

#

Zweiter OS über ihre Vergangenheit! Und dieses Mal mit Henry (R.I.P.) :)

Böllern die bei euch auch schon wie blöd rum? .-.

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