$ 4. Carl

Die ersten Wochen an der neuen Schule sind anstrengend und gehen mir regelrecht auf die Psyche, beinahe jeden Nachmittag liege ich wie erschlagen auf meinem Bett und starre an die Decke. Es ist viel schwerer als gedacht mit lauter Jungen und Lehrern in einem Raum zu sein, und gleichzeitig doch einfach. Recht schnell haben die meisten mitbekommen dass ich mit Jungs nicht spreche und sie auch ignoriere, sodass das Fragen nach allen möglichen Dingen allmählich aufhört.
Zum Glück habe ich nur in Chemie, Sport, Englisch und Kunst einen männlichen Lehrer, und der Kunstlehrer ist schwul, er ist also der letzte vor dem ich Angst haben müsste. In Sport mache ich sowieso nicht mit, da einige Verletzungen noch nicht verheilt sind und Miss Rufus mir sogar selbst eine Entschuldigung geschrieben hat. Generell kümmert sie sich um mich ohne aufdringlich oder überschwänglich zu werden, und das tut gut. Dazu kommt meine beginnende Freundschaft mit Katie.
Ganz langsam wird es für mich auch leichter mit der Angst und den Jungen umzugehen. Allerdings nur solange bis ein paar Leute auf die Idee kommen mich zu foppen.
Ich sitze gerade auf meinem Platz in der Klasse und schreibe noch schnell die Hausaufgaben von der Tafel ab, als sich plötzlich jemand vor meinen Tisch stellt und mir die Sicht versperrt. Unwillkürlich spanne ich mich an und schlucke, denn es ist ein Junge, und ziehe meinen Block ein wenig näher zu mir ohne aufzuschauen.
"Könntest du bitte auf Seite gehen?", frage ich leise und mit zitternder Stimme, doch der Junge bewegt sich nicht.
"Was hast du gesagt?", erkundigt er sich in einem spöttischen Unterton und beugt sich näher zu mir, sodass ich mich ängstlich klein mache.
"Bitte, geh weg."
"Wieso? Ich mache doch gar nichts."
Da greift er nach meinem Mäppchen und schaut es sich an, dann lässt er es auf den Boden fallen und alle Stifte verteilen sich klappernd auf dem Boden. Ich zucke nur leicht zusammen, rühre mich aber nicht weiter. Unglücklicherweise ist Katie, die in letzter Zeit sehr oft bei mir war, schon weg, zusammen mit allen anderen aus meiner Klasse.
"Du hast ja wirklich Schiss vor Jungs", stellt der Junge lachend fest und ich unterdrücke ein Zittern.
Einen Moment lang passiert nichts, doch plötzlich haut der Junge vor mir auf den Tisch und schreit mich an. Erschrocken zucke ich zusammen und Tränen beginnen über mein Gesicht zu laufen während ich mich bemühe nicht zu schluchzen. Vor Angst zittere ich nun doch, und der Junge lacht.
"Lass den Scheiß Carl", ertönt plötzlich eine andere Stimme, eine mit irischem Akzent, und der angesprochene Junge dreht sich um.
"Was willst du denn?"
"Hau einfach ab."
Carl schnaubt, dann dreht er sich wieder zu mir.
"Du verrückter Freak."
Er packt meine Tasche und geht aus dem Raum, doch vorher lässt er meine Tasche in den Müll fallen. Kaum ist er weg kann ich ein Schluchzen nicht mehr zurückhalten und stehe langsam auf. Ich beginne meine Stifte vom Boden aufzusammeln, als sich plötzlich jemand neben mich kniet und mir dabei hilft. Gepflegte Hände heben meine Stifte auf und legen sie in mein Mäppchen, da schaue ich auf. Ein weißes Hemd, schwarze Haare und dunkelbraune Augen, die mich anschauen. Sein Name ist James, glaube ich. Nun hält er  mir mein Mäppchen hin und ich nehme es zögernd, darauf bedacht ihn nicht zu berühren.
"Carl ist ein Mistkerl der sich ständig jemanden sucht den er runtermachen kann."
Diese Information kommt ohne Zusammenhang und auch danach kommt nichts weiteres, stattdessen steht James auf und streicht sich sein Hemd glatt, dann geht er zum Mülleimer. Er zieht meine Tasche heraus und schüttelt sie kurz um sie danach auf einen Tisch zu legen während ich noch immer neben meinem Platz auf dem Boden hocke, das Mäppchen in der Hand. Ohne ein weiteres Wort geht James aus dem Raum und ich bin alleine.
Langsam stehe ich auf und gehe zu meiner Tasche, die zum Glück nichts abbekommen hat. Es ist mir ein Rätsel warum dieser James da war und eingeschritten ist, obwohl er mich nichtmal kennt. Auch dass er sich die Mühe macht mir beim Aufsammeln meiner Sachen zu helfen und mir etwas über Carl gesagt hat. Aber vorallem dass er danach einfach wieder gegangen ist.
Ich hänge mir meine Tasche um die Schultern und verlasse dann den Klassenraum, um in die Kantine zu gehen. Dort treffe ich auf Katie, die mich besorgt ansieht.
"Wo warst du solange?", fragt sie mich als ich mich zu ihr setze und ich hole mein Brot aus meiner Tasche.
"Ich hatte eine... unangenehme Begegnung mit jemandem namens Carl. Ich glaube er ist in unserer Klasse", antworte ich und packe mein Essen aus.
"Das stimmt. Allerdings gehört er nicht zu den nettesten."
Das habe ich ja bereits feststellen dürfen.
Schweigend esse ich mein Brot und Katie erzählt mir ein bisschen was von ihr zu Hause, während sie ebenfalls eine Kleinigkeit isst. Doch plötzlich hört sie auf zu sprechen und ich schaue sie verwirrt an. Ihr Blick ist auf etwas hinter mir gerichtet und sie kneift ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
"Verschwinde Carl", fordert sie mit eisiger Stimme und ich zucke sofort zusammen.
"Reg dich ab Katie, ich will nur mit deiner Freundin reden."
"Sie will aber nicht mit dir reden", erwidert Katie.
"Carl? Lässt du die beiden bitte in Ruhe?", ertönt da die Stimme von Miss Rufus und ich registriere erleichtert dass er weggeht. Ich schaue auf und sehe meine Lehrerin einige Meter entfernt stehen, aber neben ihr steht James. Er schaut kurz zu mir, dann dreht er sich um und verlässt die Kantine.
"Ich war noch nie so erleichtert einen Lehrer zu sehen, ganz ehrlich", meint Katie und ich schaue sie an.
"Hm. Wobei ich eher glaube dass... dieser James mir geholfen hat. Er... er hat auch schon im Klassenzimmer Carl verscheucht und mir beim Aufsammeln meiner Sachen geholfen", erkläre ich und Katie wirkt überrascht.
"Bist du sicher dass das James war? Ich habe noch nie gehört dass er irgendjemandem geholfen hat."
Ich zucke mit den Schultern und esse weiter, in Gedanken bei meiner Mutter. Sie macht sich Sorgen um mich und versucht mir mein Leben leichter zu machen. Nur wegen mir hat sie keinen Freund.
"Ich finde wir müssen etwas dagegen tun."
Überrascht schaue ich Katie wieder an.
"Wogegen?"
"Gegen deine Angst, wir müssen sie dir abtrainieren."
"Aber-"
"Kein Aber. Oder willst du für den Rest deines Lebens nicht mit Männern reden können?"
Ich schaue sie lange an und schüttele schließlich den Kopf.
"Du hast keine Ahnung warum ich das alles mache."
"Das stimmt, aber ich will dir helfen. Und vielleicht erzählst du es mir ja irgendwann."
Schnaubend packe ich meine Sachen wieder in meine Tasche und stehe auf als es klingelt.
"Ich denke nicht dass du das wissen willst."
Sie steht auch auf, dann gehen wir gemeinsam aus der Kantine zu unserem nächsten Unterrichtsfach.

$

Auf den Wunsch einer ganz bestimmten Leserin, die sehr viel Einfluss auf mich hat und sehr quengelig werden kann wenn sie will (XD), habe ich dann also mit Teen!Jamody weitergemacht, aber als nächstes kommt wieder Jamody im Buch. Allerdings kann ich bei dem Argument "Die kleine Raupe Nimmersatt hat sich entschieden sich nur noch von Teen!Jamody zu ernähren, also lass sie nicht verhungern" doch nicht Nein sagen, oder?

Hope you like it and bye! :)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top