# 20. Wahrheiten
Ich habe lange über diese Entscheidung nachgedacht. Sehr lange. Es kostet mich Überwindung und eine große Portion Mut um diesen Schritt zu tun, denn damit gebe ich mich preis. Damit gebe ich mich und mein Leben dem Mitleid und der Rücksicht von Katie preis. Ich vertraue darauf dass sie weiß was sie tun kann und wie viel sie mir bedeutet. Also tue ich es.
Und zwar in der großen Mittagspause, als wir gerade, wie so oft, über den Schulhof gehen und reden.
"Du, Katie?"
"Ja?"
Meine Freundin dreht den Kopf und schaut mich direkt an. Anhand meines Gesichtsausdrucks erkennt sie dass ich mit ihr über etwas ernstes reden möchte und wird sofort ganz still.
"Ich..."
Unruhig suche ich nach Worten und könnte beinahe verzweifeln weil mir nichts gescheites einfällt. Beruhigend legt Katie mir eine Hand auf den Arm und ich atme tief durch.
"Du hast mich ja schonmal gefragt was mit mir passiert ist dass ich so... so geworden bin", fange ich schließlich an und beginne nervös auf meiner Unterlippe herumzukauen.
"Ich denke ich bin jetzt soweit dass ich es dir erzählen kann, sofern du das noch willst."
Nervös schaue ich sie an und erblicke eine überraschte Katie. Sie wirkt überwältigt und gerührt, aber gleichzeitig auch besorgt.
"Okay", meint sie und lächelt kurz und ermutigend.
"Wo kann man ungestört reden?", frage ich und Katie führt mich zu einem Ort auf dem Pausenhof, nahe dem Begrenzungszaun der Schule, wo man die anderen Leute kaum noch hört und scheinbar selten jemand hinkommt. Ich lehne mich gegen einen Baum und Katie bleibt vor mir stehen, während ich all meinen Mut zusammen nehme um zu erzählen.
Sie ist eine Freundin, sie wird mir helfen. Es ist gut dass sie es erfährt.
"Ich bin... ich bin vergewaltigt worden", sage ich leise und hole tief Luft als die Erinnerungen versuchen durchzukommen. Katie starrt mich erschrocken an und ich senke den Blick. Was auch immer sie gedacht hat was mir passiert ist, das war es nicht.
"Es ist nichtmal ein Jahr her. Danach war ich nicht mehr die selbe, i-ich habe mich verändert und dadurch all meine Freunde verloren. Das ist einer der Gründe warum ich dir anfangs nichts gesagt habe."
Unsicher schaue ich Katie an, die mich mit einem traurigen und mitfühlenden Ausdruck ansieht. In ihren Augen scheinen Tränen zu glitzern, aber ich fahre fort zu erzählen, wenn auch zögernd.
"Allerdings ist nur wenige Wochen danach etwas anderes passiert was mich nochmal aus der Bahn warf. Eine Gruppe meiner Klassenkameraden verfolgten mich, drängten mich in eine Gasse und schlugen mich zusammen."
Ich zucke zusammen bei der Erinnerung und bekomme einen Kloß im Hals.
"Ich war halbtot... u-und musste ins Krankenhaus. Danach sind meine Mutter und ich umgezogen und ich kam auf diese Schule", erzähle ich weiter, doch meine Stimme wird erstickt und mir fließen Tränen über die Wangen.
"Oh Gott Melody!"
Katie weint anscheinend auch, und nimmt mich fest in den Arm. Sie wiegt mich hin und her, streicht mir über den Rücken und hält mich fest. Ich erwidere die Umarmung und vergrabe mein Gesicht an ihrer Schulter.
Noch habe ich ihr nicht die ganze Wahrheit erzählt, sie weiß nichts von meinem Stiefvater, was meiner Mutter passiert ist, dass es der Priester der Kirche wo ich gelebt habe war, was man für Dinge zu mir gesagt hat und all das. Aber es tut gut wenigstens das Grobe mit ihr zu teilen.
Irgendwann lässt Katie mich langsam los und schaut mich mit rot geweinten Augen an.
"Es tut mir so leid dass dir sowas passiert ist und dass ich dich gedrängt habe es mir zu erzählen. Und ich verspreche, nein schwöre dir dich niemals im Stich zu lassen, hörst du?"
Ich nicke und Katie nimmt mich erneut in den Arm. Es tut so gut dass ich jemanden habe der zu mir steht, außer meiner Mutter, der mir hilft ohne dass ich danach fragen muss. Vor lauter Erleichterung könnte ich springen und jubeln, und gleichzeitig Katie tausendmal drücken.
Nach einer Weile klingelt es zum Unterricht und wir lösen uns voneinander um gemeinsam zum Schulgebäude zurückzugehen.
"Jetzt verstehe ich auch alles, wieso du so schüchtern bist und immer Angst hast. Ich meine, ich konnte mir schon denken dass du deine Gründe haben wirst, aber dass es solche Gründe sind... und du Ärmste musst mit James zusammenarbeiten."
Katie verzieht das Gesicht und ich zucke unsicher mit den Schultern.
"So schlimm ist er gar nicht. Er ist der Einzige der mit mir so umgeht dass ich keine Angst bekomme, zumindest ab und zu. Er ist sensibler in mancher Hinsicht, und irgendwie mag ich ihn, zumindest ein wenig."
Nun lächelt meine beste Freundin wieder und legt mir eine Hand auf die Schulter.
"Ich werde dir helfen dass du wieder mit Jungs reden kannst, oder wenigstens ihre Anwesenheit erträgst. Und wer weiß, vielleicht kannst du eines Tages einen Freund haben?"
Ich lächle schwach.
"Das bezweifle ich."
Sie nickt nachdenklich.
"Stimmt, es wäre nicht verwunderlich wenn du jetzt lesbisch wärst."
"Ich weiß nicht. Wäre das schlimm?"
"Für mich? Auf keinen Fall! Ich finde das süß und wunderschön, egal wer wen liebt."
Katie lächelt aufmunternd und steckt mich damit an.
"Ich bin froh dass ich dich kennengelernt habe, Mel."
"Ich auch."
Es war eine gute Entscheidung meine Freundin einzuweihen, aber ich hoffe ich werde es im Nachhinein nicht bereuen.
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Ein etwas kürzeres Ding dieses Mal, aber dafür gibt es 'bald' einen neuen Teen!Jamody OS ;)
Bye :P
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