# 14. Allein

Die Straßen und Gassen von London sind dunkel und kalt. Zumindest abseits der Hauptstraßen. Dort ist die Luft erfüllt von Stimmen und Gerüchen, Lichter strahlen von überallher und es ist ein lebendiges Treiben auf den Straßen. Doch hier ist es leblos und einsam. Ab und zu kommt eine streunende Katze vorbei oder eine dunkle Gestalt, dessen Geschäfte man lieber nicht stören möchte, aber ansonsten durchbricht nichts die Stille.
Ich habe mich zusammengekauert, in einen Mantel gewickelt gegen die Kälte, und harre aus. Laufen kann ich nicht, ich habe es versucht und bin sofort wieder zu Boden gefallen vor Schwindel. Gerade bereite ich mit zitternden Fingern und tränenüberströmten Gesicht eine neue Injektion vor, denn die Erinnerungen werden zu stark. Erleichtert fühle ich wie die Flüssigkeit in meinen Blutkreislauf gelangt und ihre Wirkung entfaltet. Eine praktische Sache ist es dass ich dadurch auch die Kälte nicht mehr spüre.
Mit geschlossenen Augen liege ich da, ohne zu wissen wie spät es ist oder wo ich genau bin und ohne irgendetwas zu fühlen. Das ist angenehm, diese Gefühlslosigkeit, sie tut mir gut. Zu viele Erinnerungen, zu viel Schmerz der in mir ist und mich jeden Tag droht zu ersticken. Dazu die Angst, die mich verfolgt und nie loslässt.
Doch jetzt habe ich keine Angst mehr. Ich fühle auch keinen Schmerz mehr. Ich bin frei von allem und meine Gedanken sind zügellos. Es fühlt sich ein bisschen so an als wäre man tot, aber trotzdem höre ich meinen eigenen Atem. Mein Körper ist schwer, so als würde er nicht zu mir gehören, während ich doch leicht und frei bin.
Warum sterbe ich nicht einfach?
Dann wäre ich meine Probleme los und hätte nie wieder Angst, nie wieder. Aber irgendwo, tief in mir drin, weiß ich dass ich es nicht könnte, mich selbst umbringen. Einige Male habe ich schon überlegt mir einfach eine Überdosis zu geben, doch dann habe ich es nicht fertig gebracht. So will ich nicht enden, als Drogenopfer, irgendwo in einer dunklen Gasse, vergessen und verlassen solange bis mich irgendjemand findet. Irgendjemand meinen kalten Körper umdreht und mir ins Gesicht schaut, unwissend wer ich bin. Irgendjemand die Polizei ruft und nach meinen Angehörigen gesucht wird. Dass sie niemanden finden werden, außer Katie.
Lange Zeit liege ich hier und denke nach. Ein Haufen Elend in einer Ecke, namenlos für den Rest der Welt und einsam. Langsam lässt die Wirkung nach und die Erinnerungen kommen schmerzhaft zurück.
Erinnerungen an die Polizisten, die letztens vor unserer Wohnung standen, an ihre ernsten Gesichter. An das schlimmste Ereignis meines Lebens, an den Schmerz und die Angst, gemischt mit Abscheu und Leid. An meine Mutter.
Heiße Tränen laufen mir über die Wangen und ich lasse sie fließen, denn ich habe keinen Stoff mehr. Keine Möglichkeit dem zu entfliehen.
Leise Schluchzer sind von mir zu hören und durchbrechen die Stille während ich mich zusammenrolle um nichts mehr sehen und hören zu müssen. Irgendwann schlafe ich ein, ungeachtet der Kälte und dem leisen Nieselregen der nun einsetzt.

~~~

Als ich wieder aufwache ist mir eiskalt und ich fühle einen Schmerz im Bauch, so als hätte ich dort ein Loch. Meine Kleidung ist klamm vor Feuchtigkeit und Kälte und ich zittere am ganzen Körper. Es dauert eine Weile bis ich den Schmerz als Hunger identifiziere, doch dann ist mir dies egal.
Ich brauche Nachschub.
Mühsam rappele ich mich auf und stütze mich an der Wand ab, dann gehe ich langsam und schwankend die Gasse entlang. Alles dreht sich und mir ist ein bisschen schlecht, aber ich blinzele nur öfter und schleppe mich weiter. Die kalte Luft brennt in meinem Lungen und mein Atem geht keuchend, so als wäre ich einen Marathon gelaufen. Immer wieder stolpere ich über meine eigenen Füße und muss mich an der Wand festhalten um nicht zu fallen.
Doch plötzlich können meine Beine mich nicht mehr tragen und ich stürze auf den harten Boden. Das Zittern ist schlimmer geworden und ich bleibe auf dem kalten Stein liegen. So kalt.
Nach einer Weile versuche ich mich wieder aufzurichten, aber es geht nicht. Alles dreht sich, Lichter scheinen vor meinen Augen zu tanzen und ich blinzele heftig um das wegzubekommen, aber das nützt nichts.
Plötzlich höre ich Schritte in der Gasse vor mir die schnell auf mich zugerannt kommen und bleibe erschöpft liegen. Die Schritte bleiben neben mir stehen und irgendjemand dreht mich herum. Meine Sicht ist zuverschwommen um genau zu erkennen wer es ist, aber ich sehe ein Gesicht und helle Haare, bis meine Augen zufallen und ich keuchend atme.
"Mel? Mel!"
Die Stimme kommt mir bekannt vor, aber ich kann nicht zuordnen zu wem sie stammt. Meine Gedanken vermischen sich zu einem einzigen, lauten und zähen Brei, sodass ich mich einfach fallen lasse, in die angenehme Dunkelheit die sich mir anbietet. Nur am Rande bekomme ich mit dass jemand mich schüttelt, dann bin ich schon weg. Allein in der undurchdringlichen Dunkelheit, fern von allem. Fern von Licht, von Schmerz, von Angst. Fern vom Leben.

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Ein etwas anderer OS. Ich hoffe ihr seid jetzt nicht zu deprimiert :(

Als nächstes kommt mal wieder Teen!Jamody, aber danach brauche ich eure Hilfe, also was ich als nächstes machen soll. Ideen? Wünsche?

Bye :3

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