Prolog Part 2

Als dieser nicht endende Kuss immer leidenschaftlicher wird und ich auch selbst merke, wie in mir das Verlangen nach mehr steigt, erinnere ich sie daran, dass mein Hotel nur zwei Querstraßen weiter ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob meine Anmerkung jetzt schlecht oder gut war. Aber Morgan beendet den Kuss, setzt sich wieder aufrecht und trinkt einen Schluck ihres Whiskys. Ihr Ausdruck aber ist unverändert amüsiert.
»Du hast das hier angefangen«, gebe ich irritiert von mir und deute zwischen uns beiden hin und her. »Und deine Hand war bereits da, wo sie eigentlich nichts zu suchen hat. Also erzähl' mir jetzt nicht, dass du nicht so weit gehen willst«, plappere ich frustriert weiter.
»Würde ich«, gibt sie zu und grinst. »Aber ich bezweifle, dass du jetzt noch dazu fähig bist.«
»Du hast ja keine Ahnung, was ich noch alles kann«, hauche ich provozierend und nähere mich ihr wieder. »Ich weiß, dass ich betrunken bin, aber ich bin nicht unzurechnungsfähig.«
Wortlos, aber immer noch schmunzelnd, dreht sie sich dem Barmann zu und gestikuliert ihn zu sich, um zu bezahlen. Während er unsere Bestellungen zusammen rechnet, zieht sie aus ihrer Geldbörse ein paar Scheine heraus, die sie ihm auf den Tresen legt, bevor er die Summe nennt. Ich bin fasziniert ... selbst betrunken und benebelt kann sie noch rechnen.
»Sobald wir durch diese Tür gehen«, spricht sie an mich gewandt, steht vom Hocker auf und deutet zum Ausgang, »sage ich dir, ob du noch zurechnungsfähig bist oder nicht.«
Was sie damit meint, verstehe ich erst in dem Moment, als wir die Bar dann verlassen.
Frische Luft schlägt mir entgegen und raubt mir umgehend mein Gleichgewicht, sodass mich Morgan festhalten muss, damit ich nicht umfalle.
Sich in geschlossenen Räumen zu betrinken ist nur so lange lustig, bis man diese verlässt und nach draußen geht.
Den ganzen Weg zum Hotel hat Morgan ihren Arm um mich liegen, um mir zu helfen, relativ gerade zu gehen; obwohl ich ihr sage, dass ich das tatsächlich noch alleine hinbekomme.
»Du hast genauso viel getrunken, wie ich«, brumme ich und nehme einen tiefen Atemzug. »Wieso merkt man dir nichts an?«
»Weil ich Alkohol offensichtlich besser vertrage, als du«, antwortet sie schmunzelnd und folgt mir ins Zimmer, nachdem ich es geöffnet habe und es betrete.
Ich lasse mich aufs Bett fallen, stütze mich auf meine Ellenbogen und sehe sie an.
»Also ...« Ich ziehe das Wort etwas länger und grinse, »ich fühle mich voll und ganz zurechnungsfähig.« Ich zucke auffordernd mit meinen Augenbrauen und hoffe, Morgan so zu mir locken zu können.
Der Weg zum Hotel und der kurze Aussetzer haben meiner Lust nach ihr keineswegs einen Abbruch getan. Mir ist durchaus bewusst, vermutlich den Fehler meines Lebens zu begehen; und mir ist auch bewusst, dass mir der Alkohol gerade jegliche Hemmung nimmt. Aber auch weiß ich, unglaublich neugierig auf diese Erfahrung zu sein, die für mich etwas ganz neues und unbekanntes ist. Noch dazu befinde ich mich noch immer in ihrem Bann. Die Art, wie sie mich ansieht, reizt mich und steigert mein Verlangen nach ihr.

Weil sie auf meine indirekte Aufforderung nicht reagiert, mit verschränkten Armen einfach mitten im Raum stehen bleibt und mich musternd ansieht, strecke ich ihr meine Hand entgegen, damit sie diese ergreift und ich sie zu mir ziehen kann.
Allerdings dreht sie den Spieß um und zieht mich wieder auf die Beine. So schwungvoll, dass ich in ihren Armen lande.
Sanft legt sie ihre Hand auf meine Wange und sieht mir tief in die Augen. Viel zu kurz legt sie ihre Lippen auf meine und schenkt mir nur einen leichten Kuss.
»Ich bin mir nicht sicher, ob du das durchstehst«, gibt sie zu bedenken.
»Was?« Irritiert blinzle ich sie an.
»Eine Nacht mit mir.«
»Du unterschätzt mich«, lasse ich sie wissen. »Wenn ich etwas will, dann will ich es auch.«
Ihr Kopf neigt sich in die andere Richtung. »Und kriegst du auch immer das, was du willst?«
»Ich bin eine erfolgreiche und gefürchtete Anwältin. Ich habe immer gute Argumente, warum ich das kriegen sollte, was ich haben will.«
»Und was willst du?«, fragt sie schelmisch.
»Dich«, gebe ich ebenso wieder.
»Und welche Argumente hast du vorzutragen, um deinen Willen zu bekommen?«, bleibt sie bei diesem Spielchen.
»Argument eins: Du willst mich auch.«
»Hab' nie Gegenteiliges behauptet«, antwortet sie grinsend.
»Argument zwei: Ich bin gerade willig. Sobald mein Pegel sinkt, hast du keine Chance mehr. Nutze sie.«
Sie verzieht scherzhaft beeindruckt das Gesicht und beugt sich zu mir runter. »Ich kriege dich auch ohne Alkohol ins Bett«, flüstert sie mir ins Ohr.
»Begründung?«, kriege ich gerade so heraus und muss mich an ihr festhalten, als sie mit ihren Lippen zu meinem Hals wandert und an diesem knabbert.
»Weil auch ich kriege, was ich will. Immer.« Ihre Stimme ist fest und lässt keinen Zweifel an ihrer Aussage. Zeitgleich packt sie mich und dreht mich mit dem Rücken zur Wand. Fest drückt sie mich dagegen und küsst mich leidenschaftlich; wild, stürmisch.
Sofort beginnt mein Körper darauf zu reagieren und pumpt auch das restlich verbliebene Blut nach unten in meine Leiste.
»Hast du ein Glück, dass ich dich gerade auch will«, raune ich, während ihre Hände an meiner Taille nach unten wandern, dann meine ergreifen und sie diese über meinen Kopf ebenfalls an die Wand drückt; dabei lehnt sie sich fest gegen mich, als wolle sie verhindern, dass ich sie bei ihrer Handlung unterbreche.
Dann aber beendet sie den leidenschaftlichen Kuss und sieht mir in die Augen.
Ihr Blick ist fixierend und musternd, aber dann erkenne ich die kleine Falte in ihrem Augenwinkel und weiß, dass sie lächelt.
Erneut küsst sie mich, aber diesmal mit weniger Härte. Nur langsam lässt sie meine Hände los und wandert mit ihren wieder meinen Körper hinab, bis zum Bund meines Oberteils.
Dieses zieht sie mir über den Kopf, bevor ich meine Arme nach unten sinken lassen kann und entblößt meinen Oberkörper.
Nachdem ich auch sie von ihrem befreit habe, machen wir uns gleichzeitig daran, uns gegenseitig die Hosen auszuziehen.
Sie raunt und ich seufze, als sich unsere nackten Körper berühren. Wobei ihr Raunen auch ein Knurren gewesen sein könnte.
Vollkommen unvorbereitet hört sie mit der Innigkeit auf und zieht mich ins Badezimmer hinterher. Dort dirigiert sie mich in die Dusche und grinst mir dreckig entgegen, bevor sie den Wasserhahn aufdreht.
Geschockt schreie ich auf, als eiskaltes Wasser über mich hereinbricht und will aus der Dusche flüchten. Aber sie hält mich fest und drückt mich gegen die kalten Fliesen.
Ihr Ausdruck ist dabei immer noch frech, aber auch durchdringend und sogar ein wenig diabolisch.
In diesem Moment wird mir bewusst, dass sie wirklich kriegt, was sie will und sie in dieser Kabine gerade das Sagen hat.
Ihre Berührungen und Küsse lassen mich ganz schnell die kalten Fliesen und das Wasser vergessen. Erst recht, als sie nach meinem Bein greift und es um ihre Hüfte legt; ich sie dadurch noch näher an mir spüre - ihren Unterleib an meinem.
Vor Lust bin ich viel zu unfähig dazu, ihr nicht die gänzliche Kontrolle zu überlassen. Etwas, das ich ungerne tue, aber als sie mit ihren Lippen meinen Körper nach unten wandert und zwischen meinen Beinen ankommt, liegt meine ganze Konzentration darauf, meine Muskeln anzuspannen, damit ich nicht umfalle.
Mein Bein, das eben noch um ihre Hüfte lag, liegt jetzt auf ihrer Schulter. Mit meinen Händen greife ich in ihre schwarze Mähne, um wenigstens das Gefühl zu haben, mich irgendwo festzuhalten.

***

Am nächsten Morgen erwache ich, weil es mir vorkommt, als hätte mir jemand mit dem Hammer gegen den Kopf geschlagen. Stöhnend reibe ich mir mit Daumen und Zeigefinger die Augen, ehe ich sie öffnen kann.
Mir tut so vieles weh, ich weiß gar nicht, was am meisten schmerzt. Der Muskelkater in meinem Oberschenkel? Der in meinem Kiefer? Der in meiner rechten Hand? Oder der in meinem Kopf?
»Scheiße«, fluche ich leise, als mir die vergangene Nacht in den Sinn kommt. Vorsichtig drehe ich meinen Blick zum Platz neben mir und seufze erleichtert, diesen leer vorzufinden.
»Scheiße«, fluche ich erneut und setze mich auf.
Verzweifelt reibe ich mir mit beiden Händen durchs Gesicht und wünschte, ich hätte den Blackout meines Lebens.
Nur leider ist mir dies nicht gegönnt. Ich erinnere mich an jede Einzelheit, und auch daran, wie sehr ich es gewollt habe. Obwohl ich es unsagbar bereue mit Morgan ins Bett gegangen zu sein, muss ich gestehen, dass es der beste Sex war, den ich seit Jahren hatte. Ausdauernd, kreativ und dominierend.
»Scheiße« stoße ich erneut aus und erhebe mich, weil nur schon die Erinnerung daran ausreicht, erneut das Bedürfnis nach ihr zu verspüren.
Ich durchwühle meine Handtasche nach meinem Handy und als ich es habe durchstöbere ich meine Kontaktliste.

Amber (10:24 am): »Wir haben einen Fehler gemacht.«

Achtlos lege ich mein Handy auf den Tisch und lege meine Hand nachdenklich auf die Stirn. Wie soll ich das nur rechtfertigen? Vor allem mir selbst gegenüber? Wieso habe ich mich darauf eingelassen? Wieso konnte ich ihr nicht widerstehen? Ich hatte doch gar keinen Grund dazu, mit ihr ins Bett zu gehen. Noch dazu ist sie eine Frau. Ja, sehr attraktiv, aber ...
Erneut nehme ich das Handy, um ihr weitere Worte zu schreiben.

Amber (10:26 am): »Das hätte nicht passieren dürfen!«

Abwartend und ungeduldig starre ich den Chat mit ihr an und warte darauf, eine Antwort von ihr zu bekommen. Als das nicht passiert, greife ich mir frustriert in die Haare und laufe im Raum auf und ab. Dabei vermeide ich den Blick zum Bett und zum Bad, weil beides dafür sorgt, sofort wieder die Erinnerung an letzte Nacht vor meinem inneren Auge zu sehen und erneut Gefallen daran zu empfinden.
Es war unglaublich schön, gar keine Frage, trotzdem hätte ich das nie zulassen dürfen. Was zum Geier war bloß los mit mir?
Hastig entsperre mein Handy, als es vibriert.

Morgan (10:30 am): »Du wolltest mich, ich wollte dich. Wir haben beide bekommen, was wir wollten.«
Amber (10:31 am): »Und trotzdem hätte es nicht passieren dürfen!«
Morgan (10:31 am): »Mach' jetzt kein Problem daraus.«
Amber (10:31 am): »Doch, das tue ich, denn es ist ein Problem.«
Morgan (10:31 am): »Aber nicht meines.«

Diese Situation überfordert mich, weil ich eine solche noch nie erlebt habe. Egal, wie betrunken ich bisher gewesen bin, noch nie hatte ich das Bedürfnis, mit einem Menschen ins Bett zu gehen, für den ich keine Gefühle hege; der mir im Grunde völlig fremd ist.
Das Schlimme an der ganzen Sache ist: Ich war mir vollkommen bewusst, was ich dort tat. Ich war alles andere als unzurechnungsfähig. Ich wusste, es wird ein großer Fehler sein; ich wusste, ich würde es im Nachhinein bereuen, aber all das war mir in diesem Moment einfach egal.
Ich wollte Morgan. Ich weiß noch nicht mal, wieso das so war; wieso ich das so empfunden habe, aber ich war mir dem absolut bewusst.
Selbsthass durchströmt mich, weil ich etwas getan habe, das ich nie tun wollte. Nie.
Ich bin verheiratet und das eigentlich sehr glücklich. Verheiratet mit einem Mann, und das seit über zehn Jahren. Gemeinsam haben wir zwei Kinder.
Nichts rechtfertigt meine Handlung von letzter Nacht; ich hatte überhaupt keine Gründe, meinen Mann zu betrügen

Amber (10:42 am): »Das darf nie wieder vorkommen!«

Sie soll es wissen. Und sie soll wissen, mir auch nie wieder zu nahe zu kommen, oder mir ihre betörenden Blicke zu schenken. Denn ganz sicher sind diese daran Schuld, wieso ich all meine Prinzipien über Bord geworfen habe.
Es wird nicht vermeidbar sein, dass wir uns immer mal wieder begegnen. Immerhin ist sie meine Bank. Noch dazu ist diese ebenfalls Teil von Biscayne Network Security, ebenso wie meine Kanzlei auch.

Morgan (10:55 am): »Ich hatte ohnehin nicht vor, das mit dir zu wiederholen.«

Eigentlich sollte mich diese Antwort freuen, weil sie damit klarstellt, mir nie wieder zum Verhängnis zu werden - und doch verletzen mich diese Worte.

Amber (10:55 am): »Wieso? War ich dir etwa nicht gut genug?«

Wütend werfe ich das Handy wieder auf den Tisch und trinke einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche. Mich über ihre Nachrichten, oder vergangene Nacht aufzuregen, kurbeln meine Kopfschmerzen an. Vor mich hin fluchend durchwühle ich deshalb meine Handtasche, in der Hoffnung irgendwo darin Schmerztabletten zu finden.

Morgan (11:00 am): »Ich hatte dich. Mehr wollte ich nicht.«

Diese Antwort schockt mich. Morgan machte nicht den Anschein, als wäre sie diese Sorte Mensch. Eher als hätte sie auch einfach nur ein wenig Spaß gesucht und sich auf ein kleines Abenteuer einlassen wollen.
Sie hat so viel Mühe und Geduld in mich investiert, und das alles nur, um mich einmal zu haben?
Plötzlich fühle ich mich so schmutzig und entehrt. So dumm und naiv.
Nur eine weitere Trophäe in ihrer Sammlung.

Amber (10:28 am): »Du Miststück! Und dafür habe ich meine Ehe aufs Spiel gesetzt!«

Auch wenn ich froh darüber sein sollte, dass es auch für sie nur eine einmalige Sache war und ich deshalb nicht Gefahr laufe, mit ihr in eine Affäre zu rutschen, die einfach alles zerstören würde, so tun mir ihre deutlichen Worte doch weh. Aber wieso? Weil sie mein Ego ankratzen? Oder weil die Nacht mit ihr für mich nicht ganz so bedeutungslos war?
Auf meine Nachricht erhalte ich jedenfalls keine Antwort mehr von ihr.
Stunden. Tage. Wochen. Monate.

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