- fünfundzwanzig -


|Kapitel 25|
S O P H I A

Escape - Rupert Holmes

„Keep your eyes on the stars and your feet on the ground"
- Theodor Roosevelt -

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Ich gab zu, einen kurzen Moment lang war ich etwas... perplex, doch dann fing ich mich wieder.

„Wow, du hast meine Strafakte rausgekramt, die ich doch unbedingt verbergen wollte! Diese Schwerverbrechen sind auch wirklich Weltbewegend und ich müsste jetzt eigentlich auf den elektrischen Stuhl. Applaus Ramon, deine Handlanger haben es geschafft eine digitale Datei wiederherzustellen, die ich mit ende sechzehn hab verschwinden lassen, um bei meinem mini-Job angenommen zu werden. Wirklich, herzlichen Glückwunsch."

Ich und sarkastisch? Neeeeein.

Genervt pustete ich mir eine lose, schwarze Strähne aus dem Gesicht.

Dachte er wirklich, dass er so leicht an meine schmutzigen Geheimnisse kommen würde und, dass ich diese nicht irgendwie besser versteckte?

Ein Beispiel wäre mein kleines College-Abenteuer mit einer Medizin Studentin im letzten Semester. Es war ganz schön heiß, hat Spaß gemacht und von beiden Seiten war die ganze Sache nicht unnötig verkompliziert worden. Außerdem hatte ich in dieser Nacht festgestellt, dass ich mehr auf, an dieser Stelle entschuldige ich mich für meine Vulgäre Sprache, Schwänze stand. Eigentlich was völlig normales, doch für meine Eltern die Schande schlecht hin. Also, das mit dem Abenteuer, nicht das mit den Schwänzen.
Ein Glück, dass sie von meinen Mottos „Ein bisschen Bi schadet nie" und „Probieren geht über studieren", wobei sich das probieren auf sexuelle Eskapaden und das Studieren sich tatsächlich aufs Studieren bezog, keine Ahnung hatten.

Okay, Mottos war übertrieben, schließlich waren sie für gerade mal sechs Stunden aktuell.

Wie dem auch sei, ich stand zu meiner Strafakte, die höchstens vier bis sieben Einträge umfasste, doch bei Bewerbungsgesprächen und sowas kam die Tatsache, dass überhaupt eine Strafakte auf meinen Namen existierte eher weniger gut an.

Einen Augenblick war er still und sah mich nur verwundert an, bis er den Mund auf machte, um etwas zu sagen, und ihn dann wieder ohne ein Wort zu schließen.

War er ein Fisch?

Ich verdrehte meine Augen.

„Du hast sie noch gar nicht gelesen, oder?", fragte ich.

Kurz dachte ich etwas wie Verlegenheit in Ramons Blick zu sehen, doch dieses Etwas verschwand schnell wieder aus seinen außergewöhnlichen Augen.

„Noch habe ich nicht die Zeit dazu gefunden. Doch deiner Reaktion nach zu schließen ist es weit weniger spektakulär als ich angenommen hatte.", antwortete er trocken.

Da hatte er ausnahmsweise mal recht.

Um ehrlich zu sein war ich schon ein bisschen enttäuscht, dass er nicht ein mal Zeit hatte sich meine Strafakte anzusehen, doch mein angekratztes Ego war, -keine Ahnung- zu persönlich, als dass ich es offen gezeigt hätte. Außerdem ließ mein Stolz solch ein Eingeständnis nicht zu.

„Was ha-"

„Ramon!", unterbrach mich irgendein Idiot schreiend. Keine Manieren.

Ein letztes Mal sah mich Ramon kühl an und richtete seinen Blick dann auf diesen Störenfried hinter mir. 

Er war so ein Arsch.

„Pete.", antwortete er ruhig und sah den Störenfried hinter mir an.

Ein letztes Mal atmete ich tief durch, unterdrückte den Drang Ramon zu erwürgen und das dringende Bedürfnis dem Idioten, anscheinend Pete Patrickson, irgendwas über den Schädel zu ziehen, und wandte mich dann mit meinem üblichen Ich-bin-professionell Lächeln zu dem Clubbesitzer um.

„Schön, dass du gekommen bist! Und wer ist deine hübsche Begleitung, wenn ich fragen darf?"

Mit einem Grinsen scannte er meinen Körper einmal ab, doch gerade als er an meinen Brüsten hängen blieb, unterbrach ihn Ramon schroff und ohne auch nur einen Blick in meine Richtung zu werfen.

„Nein, du darfst nicht fragen."

Was bildete sich dieser... dieser aufgeblasene Hund eigentlich ein schon wieder für mich irgendwelche Entscheidungen zu fällen?

Na gut, dieser Patrickson war mehr als schmierig, was ich nicht auf Grund der Tonnen Gel in seinen Haaren sagte, und insgeheim war ich recht froh über seine Besitzmarkierung oder was das auch immer gewesen war.
Doch ich war nun mal weder der Besitz von irgendwem, noch gefiel mir, dass er mich einfach überging.

Es ging hier ums Prinzip.

Pete sah aus, als wäre er drauf und dran sich seine Flirtversuche in die durchtränkten, blonden Haare zu schmieren, doch diesen Sieg konnte mein Stolz Ramon einfach nicht überlassen. Also setzte ich mein süßestes lächeln auf und streckte Pete Patrickson meine Hand entgegen.

„Mein Name ist Sophia, Mr Patrickson. Es ist eine Freude sie persönlich kennenzulernen, nach dem ganzen Trubel im Fernsehen um ihre Person.", sagte ich charmant lächelnd und sah mit einem sanften Augenaufschlag, durch meine dichten Wimpern zu ihm auf.

Ich sah wie er schluckte.

Der starke Bass wummerte durch meinen Körper und ich hatte das Gefühl, als würde mein Herz sich dem Takt anpassen, als ich im Augenwinkel mitbekam, wie Ramons Miene zwar unverändert blieb, doch jeder Muskel seines Körpers angespannt war. Sie kamen unter seinem schwarzen Hemd besonders gut zur Geltung. Besonders sein Kiefer wurde malträtiert, als Pete meine Hand lächelnd annahm, sie zu seinem Mund hob und einen Kuss darauf hauchte

Die Geste wäre wirklich charmant gewesen, wenn er nicht diesen lüsternen Ausdruck im Gesicht gehabt hätte, der mehr als deutlich verriet, was ihm für Gedanken durch den Kopf gingen. Würg.

Wenigstens war Ramon auf 180.

Wenn man vom Teufel sprach...

Das Räuspern seines potentiellen Geschäftspartners, oder was auch immer Ramon für ihn war, ließ Petes Aufmerksamkeit zu meinem Begleiter wandern.

„Setzten wir uns doch, meine Freunde." Mit einer ausladenden Geste deutete er auf die große Sitzgruppe am Fenster.

Pete steuerte natürlich sofort auf den Zweisitzer zu, auf dem er bereits davor gesessen hatte.

Ich musste zugeben, auch wenn mir weder Pete, noch die Gäste dieses Club wirklich sympathisch waren, war der Ausblick atemberaubend.

Die vielen Menschen im unteren Bereich bewegten ihre Körper individuell und trotzdem sah es aus, als wären sie eine Einheit. Wie ein Algorithmus, der vom DJ kontrolliert wurde. Das blaue Licht von den großen Scheinwerfern an der Decke und hinter dem DJ beleuchtete die Masse und verlieh dem Ganzen etwas unwirkliches, fast schon magisches.
Ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, dass manch einer nach diesem Gefühl der Zugehörigkeit, das dort unten unweigerlich vorhanden sein dürfte, süchtig wurde.

Pete und Ramon hatte schon längst Platz genommen und unterhielten sich gedämpft. Während Ramons Augenbrauen zusammengezogen waren, seine Halsschlagader hervortrat und seine Mimil trotzdem immer die Selbe blieb, lächelte Patrickson schon etwas zu breit.

Was für ein Eisklotz, vor allem jetzt im Kontorast zu Patrickson.  

Ich wusste nicht genau wie lange ich das seltsam fesselnde Schauspiel unter mir genossen hatte, doch es mussten mindestens zwanzig Minuten vergangen sein.

Seufzend wandte ich mich von der großen Glasscheibe ab und ging geradewegs auf die beiden Geschäftsmänner zu. Selbstverständlich nahm ich dicht neben Ramon platz, schließlich war er immer noch mein Job. Auch, wenn ich seit Ramon ganz andere Verhaltensweisen an den Tag legte, als sonst.

Ich ließ mein Temperament raus, das ich sonst so sorgsam hinter den Mauern meiner Gedanken verschloss, ich handelte intuitiv und ohne nachzudenken, wo ich doch sonst so beherrscht, berechnend und objektiv war. Es war mir ein Rätsel.

Er war mir ein Rätsel und doch war diese seltsame Anziehung zwischen uns beiden so stark.

Man merkte es an den kleinen Dingen.

Sein mir-zugewandter Körper, immer wenn ich in der Nähe war. Der Blickkontakt, der erst brach, wenn eine dritte Person dazu kam und für mich bislang immer etwas ziemlich intimes gewesen ist. Die unbewussten Berührungen, sei es nur eine Hand, die die andere streift.

Ja, das alles war mir aufgefallen und trug nicht gerade dazu bei meine Verwirrung zu minimieren.

„...brauche nur noch 50000. Dann ist das System abgesichert. Es wird den Umsatz im Club um ein vielfaches steigern. Komm schon Ramon, es sind nur 50000 Dollar." Petes flehende Stimme hatte etwas an sich, dass mich ungemein nervte. Und meine Vorstellung des selbstbewussten Geschäftsmannes mit wenigstens einem Hauch von Professionalität und Integrität zerstörte sie auch.

Ich wollte nicht das nervige Anhängsel sein, doch den Kampf in mir gewann wie so oft meine Neugier. Eine sehr negative Eigenschaft.

„Von was genau sprechen wir hier?", fragte ich mit einem höflichen Lächeln auf den Lippen.

Sich selbst mit einzubeziehen erhöhte die Chance auf eine Antwort, das wusste ich nur allzu gut.

Petes Überraschter Blick erreichte mich im selben Moment wie Ramons Stimme.

„Es geht um die technische Sicherheit des Systems für die Kameras, die Beleuchtung und sämtliche weiteren Dinge die elektronisch geregelt werden. Ich soll in ihn Investieren damit er das System absichern und verbessern kann. Und er hat mir im Grunde versichert, dass der Umsatz danach konstant steigen wird. Damit natürlich auch mein Anteil. Was meinst du?"

Überrascht riss ich die Augen auf, doch konzentrierte mich dann.

„Hmm... Theoretisch eine gute Sache. Am effizientesten wäre natürlich ein kompletter Schutz der Hardware, doch das ist generell fast unmöglich. Aber die Kosten für das wirkbich teuerste Sicherheitssystem, mit firewall und NOSPY Box inklusive, belaufen sich meines Wissens nach allerhöchstens auf... circa 2500 Dollar.", überlegte ich laut.

„Ich weiß nicht wofür sie 47500 Dollar mehr benötigen sollten."

Ramon neben mir warf mir einen kurzen Blick mit gehobener Augenbraue zu, bevor er sich Mr Patrickson zu wandt, der mich anstierte. Wenn Blicke töten könnten...

„Geh bitte zum Wagen Sophia." Ramons Stimme war zu ruhig, als dass die Ruhe echt sein könnte. Irgendwie gruselig.

„Bist du dir sic..."
„Hör einmal auf das was man dir sagt. Ich bitte dich."

Mit großen Augen sah ich ihn an.

Patrickson war schon längst vergessen.

Seine dunklen Augen leuchteten und sahen mich unnachgiebig an.

Normalerweise war ich weiß Gott niemand, der auf Befehle anderer Reagierte, fragt meine Eltern, doch nun war das erste Mal, dass ich ohne ein weiteres Wort zu sagen aufstand und zwischen den versnobten Gästen der VIP-Lounge in Richtung Wagen verschwand. 

Das erste Mal, dass ich jemand anderem so sehr vertraute, dass ich seiner Bitte widerstandslos folge leistete.
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1572 Wörter

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