- dreizehn -


|Kapitel 13|
S O P H I A

All or nothing -
Naughty boy, RAY BLK, Wyclef Jean

„Folks are usually about as happy as they make their minds up to be."
- Abraham Lincoln -

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Als hätten sie Ramon erst in diesem Moment bemerkt, drehten sich die Köpfe des Ehepaars überrascht zu ihm um. Amüsiert beobachtete ich, wie etwas Schamesröte ihren Weg in Kates Gesicht fand.

Sie hatten ihn also tatsächlich nicht bemerkt, dachte ich innerlich kichernd. Das würde seinem übergroßen Ego hoffentlich einen ordentlichen Dämpfer verpassen.

Schnell räusperte sich William und streckte Ramon seine Hand entgegen.

„Natürlich. Ich bin Senator Price und das"- er legte stolz lächelnd einen Arm um die Hüfte seiner Frau, um sie an sich ran zu ziehen- „ist meine wundervolle Frau."

Kräftig erwiderte Ramon seinen Händedruck und legte dann, genau wie William es zuvor bei seiner Frau getan hatte, einen Arm um mich und zog mich so nah es ging an sich ran.

Es kam mir fast so vor als hätte er Angst ich würde einfach abhauen... Was ich natürlich nicht vor hatte.

Nachher würde sicher ein Handabdruck auf meiner Hüfte zu sehen sein, so fest drückte Mr Sexy-Arschloch zu.

„Ich weiß. Und es scheint, als ob sie meine Begleitung Sophia bereits kennen." Es war keine Frage, es war lediglich eine Feststellung, das war allen Anwesenden klar und doch antwortete Kate mit einem freundlichen Lächeln auf den rot geschminkten Lippen.

„Ja, das ist richtig. Im übrigen, herzlichen Glückwunsch Mr Hernández. Es muss eine große Ehre sein, dass ihr Vater schon so früh gedenkt ihnen die Firma zu überschreiben."

Blablabla...

Urgh.

Dieser beschissene Small talk langweilte mich jedes Mal aufs Neue zu Tode.

Es war einfach so dämlich über Dinge zu reden, die einen überhaupt nicht interessierten, nur, weil sonst peinliches Schweigen herrschen würde oder, weil es von der Gesellschaft als Situiert und Höflich erachtet wurde. Wenn man mit jemandem nicht reden wollte, sollte man sich auch nicht dazu gezwungen fühlen, oder nicht?

Ich würde es selbst am liebsten vermeiden, aber ohne Geld konnte ich mir weder Essen, ein Dach über dem Kopf, oder generell irgendwas kaufen. Und zum sterben war ich definitiv zu jung!

Außer es ging nach meiner Mutter. Dann weilte ich bereits mindestens 24 Jahre zu viel auf dieser Erde.

Meine Brust wurde augenblicklich eng.

Plötzlich schien der große Saal viel zu klein und eng, die gedämpft geführten Gespräche, wie lautes Geschrei, das meine Schläfen zum pochen brachte und die Luft wurde auf einmal so dünn, dass meine Lungen nach Sauerstoff schrien.

Ich musste dringend hier raus.

„Entschuldigt mich bitte, ich gehe mich kurz frischmachen." Erleichtert, dass meine Stimme nicht brach, löste ich mich sanft aus Ramons festen Griff.

„Oh, soll ich dich begleiten?", fragte Kate gleich darauf.

Es war nett gemeint, das wusste ich, doch in diesem Moment raubte es mir den letzten Nerv. Was ich mir natürlich nicht anmerken ließ. Wie immer.

„Nein danke. Den Weg werde ich schon alleine finden. Ihr entschuldigt mich.", erwiderte ich mit einem kleinen Lächeln und ging in Richtung Flur aus dem wir gekommen waren.

Ich wusste nicht genau warum, aber kurz bevor die drei aus meinem Sichtfeld verschwanden, drehte ich mich noch ein letztes mal zu ihnen um. Sogleich wurde mein Blick von zwei schwarzen Augen gefangen. Während Kate und William dabei waren Ramon ordentlich viel Honig ums Maul zu schmieren, löste sich sein dunkler Blick nicht einen einzigen Moment lang von mir, bis ich hinter einer weißen Wand verschwand.

Was war das?
Es war ungewöhnlich für mich, dass sich ein angenehmes Kribbeln in meinem Bauch ausbreitete, wenn ein Kunde mich ansah, doch bei Ramon Hernández überraschte mich rein gar nichts mehr.

Fröstelnd rieb ich mir über die Arme, um die Gänsehaut zu vertreiben. Wann hatte ich die denn bekommen?

Je weiter ich den edlen Flur entlang ging, desto weniger Menschen traf ich an und desto weniger Lichter brannten. An den weißen Wänden waren unbeschreiblich schöne Bilder ausgestellt, für die sich wahrscheinlich nicht einer der Gäste auch nur eine Sekunde Zeit genommen hatte. Sie waren es, die dem ganzen Gebäude seinen gewissen Charme verliehen und doch wurden sie nicht beachtet.

Die vielen Abstrakten Gemälde von namenhaften Künstlern des 20., und aufstrebenden Künstlern des 21. Jahrhunderts, wirkten sowohl Klassisch, als auch Modern. Ich meinte unteranderem sogar Kandinskys das jüngste Gericht und Paul Klees Ancient Harmony gesehen zu haben, höchstwahrscheinlich die Originale. Da war jemand wohl Liebhaber abstrakter Kunst.

Nicht, dass ich sonderlich viel Ahnung von Kunst hatte, aber ein wenig wusste sogar ich. Sowas gehörte doch irgendwie auch zur allgemein Bildung.

Außerdem war es eine perfekte Ablenkung von meiner Mutter und meinem gestörten, oder besser gesagt nicht existenten Familienverhältnis.

Meine Mutter.

Sie schien mich wirklich überallhin zu verfolgen.

Meine Augen blieben an einem Bild hängen. Für diese Verhältnisse war es recht unscheinbar. Kein pompöser, goldener Rahmen, keine Bemalung der Wand dahinter, um das Bild noch mehr hervorzuheben. Doch auf eine verschrobene Art und Weise konnte ich meinen Blick nicht davon lösen.

Ich hatte das Gefühl, als könnte ich mich mit diesem Bild identifizieren. Ich erkannte mich selbst in einem wahllosen durcheinander von Strichen und Punkten.

So weit war es also schon mit mir gekommen.

Auf dem Bild war ein Kreis abgebildet. In seinem Inneren Nichts, einfach Nichts, Schwärze, bis auf einen kleinen weißen Fleck in der Mitte. Außen, um den Kreis herum, war alles farbig, Vollgestopft mit bunten Kreisen, Quadraten und Spiralen. Und es faszinierte mich wirklich.

Unbewusst strich ich mir abermals über die Arme. Ich hatte schon wieder eine Gänsehaut.

Der äußere Kreis war ich. Fröhlich, verrückt und Lebensfroh. Nach außen. Im Innern war das verborgen, was ich zu Hause war, wenn es niemand sah. Traurig und allein. Ungeliebt. Der kleine weiße Punkt war der Lichtblick dieser Einsamkeit. Meine Ablenkung, die ich aber noch finden musste.

Zwei Seiten im absoluten Gleichgewicht und doch war die eine so viel präsenter, als die andere.

In diesem Bild spiegelte sich soviel Leben, aber auch so viel Trauer und Leere, dass ich mich wunderte, warum es so unscheinbar gehalten wurde. Dieses Meisterwerk verbildlichte die Paradoxie und stellte zwei absolute Gegensätze als von einander abhängig dar.

Die Menschen sollten Schlange stehen, um dieses Kunstwerk betrachten zu dürfen.

Mit meinen Gedanken war ich schon so weit weg, dass ich regelrecht einen Satz machte, als jemand mir ein Jacket um meine nackten Schultern legte.

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1028 Wörter

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