Kapitel 62

Ich erbrach mich hinter einer Ecke, nachdem ich aus dem Labyrinth gelaufen war. Aus irgendeinem Grund musste mir Scarlett mit ihrer Anwesenheit den Tag versauen. Ich wusste nicht, warum sie da war. Ich konnte nur denken, dass meine Mutter dahinter steckte und sie mich für den Streit bestrafen wollte.

Und nun folgte mir dieses Mädchen gegen meinen Willen. Sie hatte mich geküsst und sich mir aufgedrängt.

Ich spuckte den Rest meines Erbrochenen aus und wischte mir mit dem Ärmel den Mund ab. Mir war den ganzen Tag über so unglaublich schlecht.

Mein Handy summte, meine Mutter schrieb mir die ganze Zeit, sodass ich sie schließlich blockierte. Ich wollte nichts mehr von ihr hören.

Ich wollte einfach nur Frieden haben, aber stattdessen fand ich meine Bestrafung.

Ursprünglich war Scarlett, die Blondine, der Versuch, Aella zu vergessen, aber nach zwei qualvollen Dates wurde mir schnell bewusst, dass nichts daraus wurde. Nichts hielt mich davon ab, meine beste Freundin aufzusuchen und sie auf eine Weise anzustarren, die mir nicht erlaubt war.

Ich war erleichtert, als die Albtraum ein Ende fand und wir in der Limousine saßen. Zum Glück hatte Scarlett ihre eigene Fahrtmöglichkeit.

»Also, Bastien, wie lange bleibst du?«, fragte Blaze und betrachtete den dunkelhaarigen Franzosen. Der Angesprochene grinste schelmisch. »Ich bin für das Wochenende fünf Tage hier. Willst du mich als Anstandswauwau loswerden?«

Alle hatten eine ausgelassene Stimmung, außer mir. Sie lachten, als ob hinter den Worten mehr steckte, als ich wusste.

»Wenn du wieder so einen Spruch bringst wie vorhin, dann breche ich dir alle Knochen«, fauchte mein sommersprossiger bester Freund zurück.

Trotz der Unterstützung in den letzten Wochen fand ich, dass zwischen uns etwas nicht stimmte. Vielleicht lag es daran, dass ich so neben mir stand.

Bastien formte ein ›X‹ mit den Armen. »Ich passe, ich will deinen Gestank nicht wieder einatmen. Und zu deiner Enttäuschung werde ich meinen Mund weiter aufmachen«, meinte er dreist und zwinkerte Aella zu.

Es wurde erneut gekichert, und ich wusste nicht, was so lustig war.

»Aella, hast du Lust, in den Winterferien als Ausgleich für die Frühlingsferien zu mir zu kommen?«, fragte Bastien unbeholfen. Mein Blick schnellte zu ihm und ich biss die Zähne fest zusammen.

Aella schien verunsichert über das Angebot. Ihre Reaktion machte mich nur mäßig zufrieden. Eigentlich geht dich das nichts an.

»Ich weiß nicht, ob das möglich ist. Meine Behandlung läuft noch und ich werde erst langsam wieder in den Alltag eingebunden. Ich könnte meine Ärztin fragen. Ja, in den Ferien war es ganz lustig«, antwortete sie etwas überfallen.

Bastien nickte mit einem sanften lächeln. »Wir streichen auch keine Wände, versprochen. Na ja, außer du hast wieder Lust darauf«, scherzte Bastien leichthin. Anna lehnte sich mit einem fragenden Blick nach vorne. »Was hast du in den Ferien gemacht, dass ihr Wände streichen musstet?«

Der grünäugige Schönling suchte bei Aella nach Erlaubnis und sie gewährte es ihm. Um ehrlich zu sein, wollte ich auch wissen, was passiert war. Ich wollte es erfahren, auch wenn es schmerzhaft sein würde.

Bastien rollte seine Schultern, als bereitete er sich für einen Wettkampf vor.

»Okay, ich fange am besten mit dem Anfang an. Also es begann damit, dass mir so elend langweilig war. Ich saß gerade...«, fing er an und wurde von Blaze unterbrochen. »Ja ja, spar uns deine Lebensbiografie.«

Der Redner ließ sich davon nicht beirren.

»Okay, kurz gesagt. Mir war auf jeden Fall immer noch langweilig. Da rief mich versehentlich eine völlig betrunkene Aella an. Zu Beginn wusste sie nicht, dass sie mit mir sprach und redete wirres Zeug. Sie hatte das Anwesen nach dem Videogespräch komplett auseinandergenommen. Sie hatte sogar die Wände beschmiert und lud mich ein, obwohl sie sich später nicht daran erinnern konnte. Aus Sorge, dass sie etwas Dummes machen könnte, weil sie alleine war, flog ich zu ihr«, erzählte Bastien und musste aus dem Nichts heraus lachen.

»Am nächsten Morgen stand ich dann vor der Tür und Aella begriff nicht, warum ich da war. Aella schlug mir sogar die Tür vor der Nase zu.«

Er begann erneut zu lachen. Ich begann langsam, seine Worte aufzunehmen.

»Irgendwann war sie so nett und ließ mich herein. Die Gute nahm mich als Gast auf. Als Gegenleistung half ich ihr sogar, das Chaos zu beseitigen, da sie die Angestellten freigegeben hatte. Und zum Aufräumen gehörte auch das Wände streichen, weil Aella sorglos an die Wand gekritzelt hatte. Da standen Dinge wie ›Knopfauge‹ oder so... War echt lustig.«

Der Wagen hielt an, vermutlich standen wir an einer Ampel.

Knopfauge... Warum hat Aella die Wände mit dem Spitznamen beschmiert? Warum war sie überhaupt betrunken?

»Danach zeigte mir Aella die Gegend und dann kam auch schon der Anstandswauwau, der da«, schob Bastien ein und zeigte mit kreisendem Finger auf Blaue. Dieser äffte ihn nur nach.

»Ich war die ganze Zeit in einem der Gästezimmer, weil ich ein ehrenhafter Mann bin. Außerdem hatte ich schiss vor Aellas Vater, weil er wie der Pate wirkt.«

Mein Gehirn verarbeitete die Informationen erst langsam. Das Gelächter der anderen verblasste für mich.

Und dann traf es mich wie ein Blitz.

Ich habe mich geirrt. Die ganze Zeit lag ich falsch. Es war ein Missverständnis.

Ich starrte zunächst auf meine Hände, dann schaute ich zu Aella. Auch sie sah zu mir. Unsere Blicke verstrickten sich ineinander.

Das wäre alles nicht passiert, wenn ich auf dich gehört hätte, wenn ich nicht immer so an mir zweifeln würde. Ich habe alles vermasselt.

Warum bin ich immer so überzeugt davon, dass ich es nicht wert bin? Warum hinterfrage ich das nicht... Warum hast du getrunken, Aella? Was bedeutet das? Sie hat bei mir übernachtet und danach getrunken. Warum?

Du hast mir erzählt, dass deine Eltern nach dir gerufen haben. Deine Eltern hätten niemals zugelassen, dass du so abstürzt, dass du dich nicht einmal erinnern kannst.

Warum hast du das getan? Wieso hast du mich belogen?

Aella sah mir in die Augen und schien zu ahnen, worüber ich nachdachte. Sie wich mir aus.

Ich muss verstehen, warum du das getan hast. Gerade begreife ich überhaupt nichts. Und ich will alles verstehen, damit es hier weitergehen kann.


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