Kapitel 3
Einige wenige Tage verlief es ruhig und ich war verwundert, Bastien beim Frühstück nicht anzutreffen. Ich nahm das als ein gutes Zeichen und setzte mich in der Mittagspause nach draußen. Brea wollte noch dazustoßen. Aber einige Minuten später, nachdem sie mir mitgeteilt hatte, dass sie sich verspäten würde, sagte sie ab. Das war für mich in Ordnung. Ich konnte mich auch alleine beschäftigen, obwohl ich mich schnell langweilen konnte.
Ich las in einem Pflanzenbuch etwas über den Rittersporn. Das Buch hatte einen Umschlag mit einem Wirtschaftscover von mit bekommen, um zu verbergen, worum es sich wirklich handelte.
Eine Zeit lang lief alles gut, aber dann bemerkte ich einen Schatten vor mir und blickte von meinem Buch auf. Und wie als hätte ich es doch noch heraufbeschworen, stand plötzlich Bastien da.
»Oh nein, nicht dein ernst«, stöhnte ich genervt und warf mich auf die Bank zurück. Der Schüler mit den schwarzen Haaren grinste mich an und setzte sich neben mich. Seine Hände blieben auf seinen Knien gestützt.
»Was ist? Ich bin nur den Campus erkunden, weil mir eine bestimmte Person keine Führung geben wollte. Na, und dabei habe ich ganz spontan ein bekanntes Gesicht gesehen. Ist es nicht normal, jemanden zu grüßen?«, erklärte er mir.
Ich klappte mein Buch zusammen. Ich würde es bestimmt nicht mehr lesen können.
»Lass mich raten, die unglückliche Person, die du ganz zufällig wiedererkannt hast, bin ich. Ich arme Sau.«
Mein Blick schweifte um uns herum. Erneut tuschelten die Jugendlichen und schauten zu uns herüber. Auf Ärger hatte ich derzeit wirklich keine Lust. Ich musste dringend herausfinden, was dieser Typ vorhatte, und dafür musste ich Anna bitten, zu recherchieren, weil ich selbst nicht die Stimmung dazu hatte. Ich hatte strikt einfach besseres zu tun.
Ich nickte in Richtung unserer Beobachter und Bastiens grasgrünen Augen folgten der Bewegung.
»Ah, dir ist also das Gerede aufgefallen«, bemerkte er und lehnte sich unbeeindruckt zurück. »Es ist für mich nichts Besonderes. Nur dass es diesmal an dir liegt.« Ich überkreuzte meine Beine. »Nicht nur an mir, sondern auch an dir«, korrigierte er mich mit einem leichten Akzent.
Ich schaute zur Seite. »Also erzähl mal, was hast du innerhalb der wenigen Tage über mich herausgefunden?«, bohrte ich unberührt weiter. Er schnaubte belustigt und öffnete seinen Blazer schwungvoll, um es bequemer zu haben. »Nichts. Oder eher noch nichts Wichtiges«, antwortete er halbherzig.
Aus seinem Mund hörte sich alles so lustig an, was vielleicht an seinem Akzent lag.
»Wenn du das sagst, hört sich das witzig an«, bemerkte ich und legte das Buch zur Seite. »Warum?« Ich zuckte nur mit den Schultern. »Keine Ahnung, manche Worte sprichst du normal aus, bei anderen hast du einen Akzent«, machte ich Bastien klar. Er schnaubte erheitert. »Machst du dich über meine Aussprache lustig?«
Grundsätzlich nicht, also schüttelte ich meinen Kopf.
»Du ziehst mich auf, das ist gut«, lachte er. »Wieso ist das gut?«
Der schwarzhaarige Junge drehte sich mit dem Oberkörper zu mir und lehnte seinen Arm an die Rückenlehne der Bank. »Das zeigt mir, dass du dich mir gegenüber öffnest. Das schätze ich sehr wert. Mich interessiert jedoch auch, ob du mehr über mich erfahren hast?«, hakte Bastien taxierend nach.
Sein Blick störte mich nicht, da es eher so wirkte, als versuchte er, meine Denkweise zu verstehen, anstatt meine äußere Erscheinung anzugaffen, wie es andere taten.
Ich zuckte desinteressiert mit den Schultern. »Nichts. Hat mich nicht interessiert. Ich bin mir aber sehr sicher, dass du mich zutexten wirst.«
Bastien musste laut auflachen, dabei entfloh ihm ein schluckaufartiges Geräusch, was mich glucksen ließ. Einige Leute sahen zu uns herüber.
»Was war das?«, fragte ich belustigt und mit einem spöttischen Unterton. Fragend schaute er mich an. »Was das war? Ich habe gelacht«, sagte er, während er sich zusammenriss.
»Wenn du meinst. Wer bekommt schon Schluckauf dabei?«, röchelte ich und kniff mir in den Arm, um mich zu sammeln. Ich hustete und setzte mich, nachdem ich mich beruhigt hatte, aufrecht hin.
»Okay, Ms. Perfect, möchtest du etwas über mich erfahren?« Ich schwang meine Haare über meine Schulter und warf ihm einen kalten Blick zu. »Ich bin alles andere als perfekt. Außerdem habe ich bereits gesagt, dass du mich so oder so vollquatschen wirst.«
Bastien fuhr sich durch sein schwarzes Haar und grinste selbstgefällig. »Woher wusstest du das nur?«, meinte er gespielt überrascht, »nein, nachdem ich das ein oder andere über dich gehört habe, gibt es so einiges, wofür ich mich für mein biologisches Geschlecht entschuldigen muss.«
Meine Mundwinkel sanken nach unten und mein Gesichtsausdruck wurde leer. Natürlich hat er mitbekommen, wie einige widerliche Worte über mich verbreiteten wurden. Wer nicht?
Ich seufzte und faltete meine Hände zusammen. »Du bist also doch ein Stalker... Mr. Aufmerksam«, kommentierte ich. Er musste bedrückt schmunzeln. »Ich nehme an, dass du nicht darüber sprichst, besonders nicht mit Fremden«, warf er ohne zu urteilen ein. »Nein, das mache ich nicht«, bestätige ich leicht beklommen. Unerwarteterweise nickte er verständnisvoll. Warum spreche ich überhaupt mit ihm?
Angesichts des Gesprächsthemas zog er seinen Arm von der Rückenlehne zurück. »Lass dir einst gesagt sein, solche Leute sind widerlich. Außerdem bin ich der Meinung, dass du nicht so schlimm bist, wie andere behaupten.« Seine Worte schienen mich trösten zu wollen. Ich brauche keinen Trost... Aber was dann?
»Hör auf zu schleimen und komm zur Sache«, brachte ich nicht gerade zimperlich heraus. Mein Blick glitt zu den Leuten vor uns. Sie waren weit genug entfernt, um unser Gespräch nicht mitzubekommen. Aber dennoch nagte das Gefühl an mir, dass sie mich verurteilten. So wie es jeder immer tat.
Sie saßen auf der Wiese, lachten, schielten zu mir herüber. Wann habe ich zuletzt unbemerkt meine Zeit draußen verbracht?
»Ich schleime nicht. Ich meine es ernst.«
Instinktiv blickte ich Bastien an. Seine grünen Augen logen nicht. Auch wenn ich ihn als Person nicht kannte, schien es sicher, dass er es ehrlich meinte. Er zeigte Emotionen in den Augen, selbst wenn er versuchte, die Fassung nicht ganz zu verlieren.
»Kannst du nicht einfach mit deiner Lebensgeschichte weitermachen? Ich bin hier im Nachteil, da du anscheinend viel mehr über mich weißt. Das ist nicht ganz... fair«, bemerkte ich trocken und zwicke mich in die Finger. Schau nicht zu den anderen, Aella. Ich erschauderte.
»Gut«, meinte Bastien und klopfte auf die Rückenlehne, »dann mache ich das. Ich bin Bastien, 18 Jahre alt. Im Sommer werde ich 19 Jahre alt, aber ich will nicht ins Detail gehen. Wie du schon bemerkt hast, bin ich bei den Frauen beliebt. Außer bei dir. Das möchte ich nur betonen. Meistens wollen die Menschen etwas mit mir anfangen, weil sie das Geld an mir riechen. Doch das ist alles oberflächlich«, erzählte er knapp.
Nicht gerade herausragend. Aber wer bin ich schon, um ihn zu verurteilen? Inwiefern unterscheide ich mich denn von ihm? Eigentlich überhaupt nicht.
»Soll mich das beeindrucken?«, fragte ich schnippisch. Mit hochgezogener Augenbraue schaute er mich an. »Tut es das?« Die Frage schien nicht gerade ernst gemeint. Versuchte er etwa meine Stimmung zu heben? Warum?
»Nein, nicht ein bisschen«, antwortete ich und er lächelte verhalten. »Das habe ich auch nicht erwartet. Ich weiß nicht genau, was ich alles sagen soll. Solche Gespräche liegen mir nicht besonders«, seufzte er und streckte seine Arme aus. Der hat aber Nerven.
Noch einmal tief einatmend drehte ich mich zu ihm um. »Dann frage ich das für mich Wichtigste. Wo ist meine Haarklammer?« Er schüttelte ablehnend den Kopf. »Ich habe sie nicht dabei. Sie ist in meinem Zimmer. Sagen wir es so, ich benutze sie als Pfand und gebe sie dir später zurück. Übrigens ist es ein hübsches Stück. Woher hast du es?«, teilte er mir lässig mit und lehnte sich wieder an die Rückenlehne.
Ich schnalzte genervt mit der Zunge und drückte mich nach hinten. »Das geht dich nichts an. Beschädige es nicht. Ich will es um jeden Preis zurückhaben.« Es ist eines meiner ersten Werke und es bedeutet mir sehr viel - aber das sagte ich ihm nicht.
»Keine Sorge, ich gebe es dir als Pfand zurück.« Pfand wofür?
Ich rieb mir die Stirn, weil ich langsam Migräne von ihm bekam. »Näh... so läuft das bei mir nicht. Ich möchte dann auch etwas«, stieß ich schroff aus und streckte meine Hand aus. Bastien betrachtete sie, als wäre es ein sonderbarer Fremdkörper.
»Was möchtest du haben?«, erkundigte er sich mit zuckenden Mundwinkeln. Ich hatte nichts Bestimmtes im Sinn. Es war mir im Grunde genommen egal.
»Etwas im gleichen Wert und etwas, das du entbehren kannst. Irgendwas, was du dabei hast«, fügte ich schließlich hinzu. Mal sehen, ob du eine gute Lösung dafür findest. Wie weit bist du bereit zu gehen?
Überlegend nickte Bastien und schien tatsächlich mit meinem Einwand einverstanden zu sein. Er wurde mir zunehmend ein Rätsel.
Dann fummelte er an seinem Ring herum, streifte ihn ab und legte ihn in meine Hand.
»Hier, ich habe nur meinen Familienring. Nimm ihn und bewahre ihn auf. Ich denke, wenn wir beide die Wichtigkeit des Gegenstands verstehen, sind wir dann quitt«, behauptete er.
Ich hörte nur ein Aufseufzen von irgendwoher. Mein Mund wurde trocken und ich war kurz davor, ihn offen stehen zu lassen, hielt mich aber davon ab.
»Das geht nicht. Nein, das nehme ich nicht«, stotterte ich und hielt ihm meine Hand mit dem Ring vor die Nase. Das Einzige, was Bastien dazu machte, war, es meine Hand zu schließen.
»Pass einfach gut darauf auf. Ich habe das Gefühl, dass man dir vertrauen kann, Aella. Selbst wenn viele daran zweifeln mögen.«
Dann sprang er auch schon gelassen auf und verabschiedete sich. So schnell, wie er gekommen war, war er wieder verschwunden. Das schien seine Art zu sein. Um ehrlich zu sein, konnte ich sie nicht leiden.
Der Ring mit dem Smaragd lag in meiner Hand. Es war ein Erbstück, das in keiner Weise mit meiner Haarklammer vergleichbar war. Die Verantwortung dafür wurde mir einfach aufgebürdet.
So ein Dreck! So viel Vertrauen in eine fremde Person zu setzen, ist doch nicht normal! Ist der völlig bekloppt?!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top