Ich bin nicht dein Opa, du Hohlkopf
Gegenwart
Das mehrmalige Klingeln zu hören gab mir die Vorwarnung, die ich brauchte, um mich mental auf das, was bald auf mich zukommen würde, vorzubereiten.
Und schon beginnen die Kopfschmerzen.
»Er ist wieder da, Sir. Soll ich ihn reinlassen?«, fragte mich Phil, meine ständige Begleitung, um den Alltag zu meistern. Ich rieb mir die Stirn. »Lassen Sie ihn einfach rein, er wird sowieso nicht aufhören, bis der Sturkopf bekommt, was er will.« Ich atmete noch einmal tief ein. »Und lassen Sie die Kekse bringen, die er so gerne isst. Ich will nicht, dass er anfängt zu schmollen und mich damit anwidert.«
Phil nickte und verschwand bereits, um die Informationen weiterzugeben. In der Zwischenzeit richtete ich mich in meinem Sessel auf. Manchmal hatte ich das Gefühl, eins mit ihm zu werden. Eigentlich wollte ich aufstehen, doch meine Gelenke machten es mir schwer, sodass ich wieder in die Polsterung sank.
»Opa Mervlyn, sag doch einfach Bescheid, wenn du Hilfe brauchst«, hörte ich plötzlich die laute und fröhliche Stimme neben mir.
Ich prustete auf und blickte zu dem jungen Mann mit Sommersprossen und den grauen Augen.
»Blaze, was willst du wieder? Ich habe dir mehrmals gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst. Und bitte erspare mir die Erklärung, dass Aella und du selbstbestimmte Geschwister seid. Ich kann das echt nicht mehr hören«, schnaubte ich und bemühte mich wieder, aufzustehen. Der nervige junge Mann half mir dabei.
»Ach komm, ich habe nichts vor, und wenn Ale nicht gerade bei dir ist, ist dir sowieso langweilig«, gluckste er besserwisserisch.
Der Junge hatte nicht ganz Unrecht. Es gab für mich nicht viel zu tun, und genauso wenig wollte ich wie alle anderen Rentner Golf spielen. Den Tag damit zu verbringen, mit heranwachsenden Kindern zusammen zu sein, die betonen, dass sie nicht meine Enkelkinder sind, machte sie eher zu meinen Sozialprojekten.
»Ich glaube eher, dir ist langweilig, du Holzkopf. Was willst du tun, wenn du die Kekse wie immer gemampft hast?«, grummelte ich und fühlte mir neben Blaze klein. Mit dem Alter schrumpft man tatsächlich.
Ich seufzte, und das Gesicht des jungen Mannes hellte sich auf.
»Ach, Opa Mervlyn, du denkst immer an mich. Und ja, ich habe nichts zu tun.« Ich verzog den Mund. »Du willst nur vor der Arbeit bei dir zuhause flüchten, die deine Eltern dir aufbürden, sobald sie merken, dass du nichts zu tun hast.«
Blaze grinste breit, und das nicht nur, weil die Karamellkekse gebracht wurden. Der Junge hatte diese kindliche Art an sich, die schon ein wenig trottelig wirkte.
»Spielen wir zusammen irgendwelche Spiele? Mein Opa hat das immer getan, bevor er...«, er verstummte und in seinen Augen zog eine graue Wolke vorbei. In seinem Gesichtsausdruck wollte er jedoch nicht zeigen, dass er traurig war.
»Nur unter der Bedingung, dass du endlich lernst, vernünftige Kreise auszuschneiden. Dass ich deine mit den der beiden Goldlöckchen vergleichen sollte, ist erbärmlich. Welcher Volljährige kann die Schere nicht vernünftig benutzen?!«
Blaze verzog beleidigt den Mund. »Ich mag keine Kunst.«
Und da war er wieder, dieser Schmollmund, der ihn wie ein Kleinkind wirken ließ. Ich verdrehte die Augen, weil das an einem so erwachsenen Mann so lächerlich erschien.
»Nein, keine Ausreden. Das muss doch selbst für deine Eltern peinlich sein«, schüttelte ich meinen Kopf. Blaze zog weiterhin eine Schnute. »Meine Mutter liebt mich trotzdem.«
Blaze krümmelte den Keks in seinen Mund. Ich bemerkte nichts mehr an seinem Essverhalten, weil es sowieso nichts mehr brachte.
Es war seltsam, dass der Junge sich vor Fremden so reif, cool und wie ein Frauenheld darstellte, aber in Wahrheit kindisch und manchmal emotional verhalten konnte.
»Das hört sich aber nach Arbeit an. Hoffentlich wird es nicht zu schwer«, schmatzte Blaze und wir setzten uns gemeinsam an den langen Esstisch.
Die Angestellten brachten uns das Notwendigste. Ich konnte nichts davon ernst nehmen.
Blaze war bewaffnet mit der Schere und begann, mit der Schwere zu schneiden. Seine Zunge war dabei herausgestreckt, ähnlich wie bei einem Hund. Ich konnte nicht glauben, dass ich einem 19-Jährigen beibrachte, wie man ausschneidet. Er schnitt in Wellen.
»Steck deine Zunge rein«, nörgelte ich ihn an, während er sich konzentrierte. Er verschnitt sich.»Mannnnhhh, ich war so gut dabei.«
In deinen Träumen vielleicht.
»Ja, das hast du auch bei den anderen 10 Versuchen gesagt, die wie Ovale aussehen.«
Ich nahm ihm die Kekse weg, damit er nicht so viele aß. Ich wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass er Diabetes bekam. Stattdessen ließ ich Gurken und Tzatziki-Dip bringen. Bei den Karotten meckerte Blaze zu sehr. Ich wollte nicht, dass er mir mein Ohr noch mit seinem Gejaule abschlägt.
Nach einer halben Stunde schaffte Blaze einen vernünftigen Kreis, und um zu verhindern, dass er anfing zu diskutieren, spielten wir Memory. Mein Enkel spielte besser als er. Ich ließ ihn nur einmal gewinnen.
Dann schlief er nach dem Abendessen ein. Ich warf ihm die Decke über und betrachtete das groß gewachsene Kleinkind auf dem Sofa. Er lag dort seelenruhig.
»Holzkopf«, bemerkte ich leise, während Blaze sich an der Decke wurmte. Ich strich den Stoff glatt, als er im Schlaf ›Opa‹ murmelte und dabei lächelte.
Ich seufzte und streichelte ihm über den Arm, noch bevor ich mein Telefon holte und seinen Vater anrief. Kurze Zeit später stand er auch schon vor der Tür. Sein Sohn sah ihm ähnlich, aber taten das nicht alle?
»Es tut mir leid, dass mein Sohn Sie immer stört. Ich sollte Klartext mit ihm reden«, keuchte er, als wäre er rübergeholt. »Er ist volljährig und benimmt sich so kindisch«, ergänzte der Mann vor mir. Ich schüttelte nur den Kopf.
»Ich habe sowieso nichts zu tun, und er leistet mir nur Gesellschaft. Sie haben einen seltsamen, aber anständigen Jungen. Aber sagen Sie ihm nicht, dass ich das gesagt habe.«
Der Mann trat herein und bemerkte die ausgeschnittenen Kreise auf dem Esstisch. Er konnte nicht anders, als zu seufzen. Ich konnte sehen, dass sein Kind ihm Kopfschmerzen bereitete. Doch das taten sie alle, denn man war stets um sie besorgt.
»Kinder zu erziehen, ist nicht einfach. Aber etwas Hilfe zu bekommen, ist keine Schandtat. Ich habe so einige Sozialprojekte... er und seine Freunde, wissen Sie.«
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