Zu Hause

Als Bilbo am späten Abend wiederkam, war das Glas auf Thorins Nachttisch leer und der Schlüssel verschwunden.

Es war ein kalter Abend. Die Luft war klamm und stach in seiner Lunge, die grauen Wolken vor dem Fenster ließen auf baldigen Regen schließen und auf eine schwarze und sternenlose Nacht, in der Bilbo keinen Schlaf finden würde. Er konnte es in seinen Knochen spüren, in seinen Adern. Es war der Grund, aus dem er in Thorins Zimmer gekommen war; um diese einsamen, langen Stunden noch ein wenig heraus zu zögern und den Abend mit jemandem zu verbringen, dem es gelang, ihn davon abzulenken.  

Zu sehen, dass Thorin noch wach war, erleichterte ihn. Er saß in seinem Bett, aufrecht, so als hätte er ihn bereits seit einer Weile erwartet. Bilbo trat näher, benommen von seinen Gedanken und dieser falschen Müdigkeit, die ihn in langen Nächten in den Wahnsinn trieb, doch als er in Thorins Gesicht sah, wich sie etwas anderem. 

"Wie geht es dir?" fragte er, nachdem er auf dem Hocker Platz genommen hatte.

Ihre Hände berührten sich. Der Schwarzhaarige schenkte ihm ein müdes Lächeln, das seine Züge sanfter werden ließ. "Besser, jetzt wo du da bist", raunte er mit verschlafener Stimme. "Ist alles gut verlaufen?"

"Ich bin einfach nur froh, wieder hier zu sein."
Er sagte es leise, in einem kurzen, unbetonten Seufzen, das verbergen sollte, wie schwer der Weg für ihn gewesen war. Er sah Thorin nicht an, als er es sagte, denn der bloße Gedanke an die vergangenen Stunden ließ ihm Tränen in die Augen steigen und machte ihm die Lider schwer; er wusste nicht recht, weshalb es geschah. Wusste nicht recht, wieso er versuchte, es zu verbergen.

Der Zwergenkönig spürte Bilbos Schmerz, noch ehe er ihn sah oder hörte. Sachte nahm er seine Hand von der des Halblings, stützte sich auf der Matratze ab, um sich aufzurichten und widerstand dem Drang, nach seinen Narben zu tasten, die plötzlich wieder brannten, denn das Brennen in seinem Herzen war bei weitem das stärkere. Er wusste, dass Bilbo kein Interesse an einer Unterhaltung hatte, und das konnte er ihm nicht verübeln; er wusste selbst, wie schwer es war, über Gefühle zu reden. Er wollte ihm etwas sagen, doch seine Lippen öffneten sich ohne ein Wort, als verfolgten sie ein anderes Ziel.

Langsam lehnte er sich nach vorn, nahm das Gesicht des Halblings in seine warmen Hände und lächelte. Dann küsste er seine Stirn. Während er es tat, konnte er fühlen, wie Bilbo zu zittern begann, und als er spürte, wie etwas Warmes, Nasses auf seine Hand traf, senkte er den Kopf, küsste Bilbos Nasenspitze und schließlich seine Lippen. 

Für ein paar Sekunden verharrten sie so, mit geschlossenen Lidern, lauschten ihrem Herzschlag, bis er den Rhythmus änderte und sich die Bewegung ihrer Lippen aufeinander abstimmte. Thorin erstarrte, als er eine Hand in seinem Nacken spürte, denn sie war so kalt wie der Winter, genoss das Gefühl, das ihn erfüllte, als Bilbo sich erhob und sich an ihn drängte, ließ seine Arme hinter seinen Rücken wandern und zog ihn zu sich auf das Bett, als er sich sicher war, dass sich der Halbling nicht wehren würde.

Ihm wurde heiß. Für einen kurzen Moment unterbrach er den Kuss, schnappte nach Luft, sah in Bilbos glasige Augen, stellte fest, dass sie anders wirkten als sonst. Tiefer, dunkler. Intensiver. Er erlag ihrem Bann und küsste ihn erneut, spürte, wie er in der Berührung versank, wie sie verlangender wurde. Seine Narben glühten. 

Sie sanken gemeinsam nieder, ohne ihre Lippen voneinander zu trennen, ohne nachzudenken. 

Bilbo wusste nicht, wie ihm geschah, hörte nichts als seinen Herzschlag und diese kleine Stimme in seinem Kopf, die ihn hieß, es geschehen zu lassen. Er wusste nicht, was sie meinte und es war ihm egal. Benommen ließ er seine Hände über die nackten Schultern des Schwarzhaarigen wandern, fühlte, wie Thorin ihn ein Stückchen näher zog. Er tat es in einer Weise, die Bilbo spüren ließ, dass sich in diesem einen Moment irgendetwas zwischen ihnen veränderte.

Es steckte in der Art, wie Thorin ihn berührte. In der Art, wie seine Lippen schmeckten. In der Art, wie seine Hände ihn erforschten, wie er sie in seinen Locken vergrub. Er spürte eine süße, warme Schwere in seine Glieder steigen, so als wäre er müde, doch das war er nicht. Nicht mehr.

Sie gerieten zeitgleich außer Atem, lösten sich voneinander und blieben auf dem Rücken liegen, sahen sich an, und lächelten, während sich ihre Lungen mit Luft füllten. Und sie schwiegen, mit offenen Mündern und rasenden Herzen, versuchten, sich langsam an den Gedanken zu gewöhnen, dass das hier kein Traum war, dass das hier tatsächlich passierte. Und dass es wieder passieren würde. Und wieder. Und wieder. Es gab nichts mehr, was sie jetzt noch trennen könnte; sie würden zusammen bleiben, zusammen leben. Zusammen altern. Momente wie diese würden zum Alltag werden, und sie konnten es kaum erwarten.

Das hier war kein bloßer Kuss. Es war der Beginn von etwas Neuem, etwas Großem, etwas, was eine Ewigkeit halten würde. 

Thorin schloss die Augen. "Ich will mein ganzes Leben lang nichts anderes mehr tun", hauchte er, so leise, dass es Bilbo kaum hörte. 

Erschöpft ließ der Halbling seinen Kopf zur Seite fallen, und ließ seinen Blick über Thorins Gesicht wandern; über seine vollen Brauen, seine geröteten Wangen, seine leicht geöffneten Lippen, die durch den Kuss noch bebten. Es fühlte sich gut an, so neben ihm zu liegen, und gleichzeitig so verboten. Fast schon intim. Sie lagen eine Handbreit voneinander entfernt, und doch fühlte es sich so an, als wäre er ihm nie näher gewesen. Es mochte an der Trance liegen, in die ihn der Kuss versetzt hatte, dass er erst jetzt die Matratze unter sich spürte, dass er erst jetzt realisierte, wie groß sich dieser Schritt anfühlte; nicht nur in Thorins Schlafzimmer zu sein, sondern auch in seinem Bett zu liegen.
Es war der Moment, in dem ihm klar wurde, dass es wohl nicht nur bei einem Kuss geblieben wäre, hätten Thorins Wunden sie nicht zur Vernunft gezwungen. Er konnte spüren, wie die Röte in seine Wangen stieg, biss sich auf die Unterlippe, und verspürte den plötzlichen Drang, sich aufzurichten und die verführerische Wärme dieses Bettes zu verlassen. Die Gefühle, die Thorin und ihn verbanden, hatte er immer als etwas Wundervolles empfunden, doch mit einem Mal fühlte er sich von ihnen überwältigt. Er blieb still und rührte sich nicht, wartete darauf, dass dieser Drang verebbte und das merkwürdige Gefühl in seinem Bauch verschwand. Versuchte, zu begreifen, weshalb ihn der Gedanke derart nervös werden ließ.

Von draußen drang das Geräusch der ersten Tropfen, die auf die Felsen fielen. Ein dünnes, sanftes Rauschen, so sachte, als wäre es ein Schlaflied. Thorins Atem entspannte sich, wurde flacher, leichter.

Der kleine Hobbit ließ seine Hand über das Laken zu der seinen wandern, und verschränkte ihre Finger ineinander, um zu sehen, ob er bereits in den Schlaf gesunken war. Er spürte, wie sich die Finger des Zwergen bewegten; er war noch wach.

Bilbo zögerte. "Thorin?"  

Der Schwarzhaarige lächelte, ohne die Augen zu öffnen. "Ja?"

"Warum ich?"
Er wartete, bis Thorin ihn ansah. Es schien fast, als schämte er sich für die Frage, die ihm auf der Zunge lag, denn als er fortfuhr, war seine Stimme nicht lauter als ein Windstoß.
"Warum hast du dich ausgerechnet in mich verliebt? Du hast mich zu Beginn gehasst."

Das Lächeln auf Thorins Lippen verschwand für einen kurzen Moment, so als dachte er nach. Als es nach einigen Sekunden wieder erschien, war es ein wenig blasser als zuvor. 

"Ich habe dich nicht gehasst", sagte er leise, und ließ den Blick auf ihre Hände gleiten.
"Ich sah keinen Sinn darin, jemanden mitzunehmen, der der Welt da draußen nicht gewachsen ist, ahnte nicht, dass ich dir später mein Leben verdanken würde. Ich hätte es früher sehen müssen, doch unsere Mission hat mir Scheuklappen aufgesetzt."
Er ließ die Lippen geöffnet, als Zeichen, dass er noch nicht fertig war, strich mit dem Daumen über Bilbos Handrücken und überlegte. Bilbo hatte ihn selten so gedankenverloren erlebt, so konzentriert, es war so, als würde irgendetwas von seiner Antwort abhängen, als hätte er Angst, ihn mit seiner Antwort zu enttäuschen. Wie sollte er ihm erklären, weshalb er ihn liebte? Das Problem war nicht, dass er den Grund nicht kannte; er hätte ihm tausend Gründe nennen können. Das Problem war, dass Worte dazu nicht ausreichten. Sie schienen so nichtssagend neben dem, was er fühlte.

Thorin löste seine Hand von der des Halblings, um mit den Fingerspitzen über seinen Arm zu fahren. Schließlich seufzte er.
"Ich fand in dir einen Freund, bis zu dem Moment, in dem es geschah. Ich weiß nicht mehr, wann es geschah. Ich glaube, es war in der Nacht, in der du dich für mich verbürgt hast, in Esgaroth, doch ich war zu blind es zu sehen, und erkannte es erst, als es schon fast zu spät war. Wenn ich mich recht entsinne, war es an dem Tag, an dem ich dich verdächtigte, den Arkenstein gestohlen zu haben. Als ich in deine Augen sah, wurde es mir klar. Plötzlich dachte ich darüber nach, wie sehr ich unsere Berührungen vermisste, und die Stimme in meinem Kopf sprach über die Farbe deiner Augen, über die Art, wie du lachst. Die Worte, die über deine Lippen kamen, hatten mehr Gewicht als die der anderen. Deine bloße Anwesenheit ließ mich mit dem Wunsch zurück, dich zwischen meinen Armen zu spüren.
Du fragst mich, warum ich mich in dich verliebt habe? Weil du mir keine Wahl gelassen hast."

Das Rauschen vor dem Fenster wurde lauter. Bilbo hörte es nicht.
Er wollte den Mund öffnen, etwas erwidern, ihn küssen; irgendetwas tun, um ihm zu zeigen, wie viel ihm diese Worte bedeuteten, wie sehr sie ihn berührten, doch er brachte nichts über die Lippen. Was hätte er auch sagen sollen. Worte schienen so nichtssagend neben dem, was er fühlte.

Thorin lächelte.
"Du musst nichts sagen",  flüsterte er, legte seinen Arm um den kleinen Hobbit und zog ihn ein wenig näher, sodass die Lücke zwischen ihnen verschwand. Bilbo hob seine Hand, suchte nach der des Zwergen und fand sie schließlich auf der Höhe seiner Brust. Als sich ihre Finger ineinander verschränkten, hörte er Thorin seufzen.

"Wären wir nur nicht so blind gewesen... vielleicht... vielleicht hätten wir schon eher-" 

"Vielleicht, ja", unterbrach ihn Bilbo, überrascht, wie schnell er seine Stimme fand. "Wir waren wohl zu sehr damit beschäftigt, uns mit Drachen anzulegen."
Er schloss die Augen, atmete tief ein und wieder aus, und senkte seine Stimme zu einem Wispern, das der Regen fast verschluckte. "Es wäre sinnvoller, nach vorn zu sehen, Thorin."

Er konnte spüren, wie der Schwarzhaarige nickte. "Ohne Frage."
Für einen kurzen Moment ließ er diese Worte im Raum stehen, strich zärtlich über Bilbos Hand und ließ den Blick zum Fenster gleiten, doch der Halbling in seinen Armen wusste, dass ihm noch etwas auf der Zunge lag. Er täuschte sich nicht.
 "Aber ich muss es wissen. Hätte ich dir schon auf dem Rabenberg gesagt, was ich fühle, wärst du dann geblieben? Hättest du schon dort eine Antwort gewusst? Oder ist es gut, dass ich bis jetzt geschwiegen habe?"

Er gab Bilbo Zeit, über seine Frage nachzudenken; Zeit, die der kleine Hobbit auch brauchte. Ein Teil von ihm meinte zu verstehen, worauf Thorin hinauswollte, doch er kannte die Antwort nicht. Er wusste, dass er ihn seit einer langen Zeit liebte, dachte an all die Momente zurück, an all die Tage und Nächte, in denen er ihn geliebt hatte und stumm gewesen war. Stumm, weil er sich nicht getraut hatte, den Mund zu öffnen und ihm zu sagen, dass er etwas zwischen ihnen spürte. Stumm, weil er nicht gewusst hatte, dass es Liebe war. 
Hätte sich Thorin ihm auf dem Rabenberg anvertraut, wäre er zwar nicht davon gelaufen, doch es wäre zu früh für ihn gewesen. Zu unerwartet. Zu unverhofft. Denn es wäre zu einem Zeitpunkt geschehen, in dem er das Band zwischen ihnen missdeutet hatte. Dass er ihn liebte, hatte er erst Monate später erkannt, am Tag, bevor er aufgebrochen war. Am Tag, an dem er die falsche Entscheidung getroffen und nach dem Blick in Thorins Augen geschwiegen hatte. 

"Du... du möchtest wissen, wann ich mich in dich verliebt habe?" fragte er mit kratzender Stimme, hob den Kopf und bemerkte, dass Thorin ihn ansah, und dass er ein Lächeln auf den Lippen trug.

"Ich will wissen, was ich getan habe, als es geschah. Ich will wissen, was ich getan habe, um dich zu verdienen. Damit ich es wieder tun kann." Und wieder. Und wieder...

Der kleine Hobbit öffnete die Lippen, denn ihm lagen Worte auf der Zunge, doch nach kurzem Zögern schluckte er sie herunter und schloss den Mund, ohne etwas gesagt zu haben. Sein Kopf wurde schwerer. Mit einem tonlosen Seufzen lehnte er sich an Thorins Schulter, versuchte, nicht allzu schüchtern zu wirken, auch wenn er es war, ließ seinen Blick zu ihren Händen gleiten und spürte, wie ihm wärmer wurde.
"Ich kann dir nicht sagen, wann es passierte, oder wie es geschah", begann er schließlich. "Es geschieht jeden Tag aufs Neue. 
Wenn du den Raum betrittst. Wenn du zu mir siehst. Wenn du plötzlich lächelst, ohne es zu bemerken. Es steckt in der Art, wie sich deine Lippen bewegen, in der Art, wie deine Augen leuchten, wenn du von früher erzählst.
Ich liebe dich nicht wegen irgendeiner Tat oder irgendeinem Wort oder irgendeiner Erinnerung, die wir uns teilen, ich liebe dich, weil du so bist, wie du bist. Tag für Tag. Um es mit deinen Worten zu sagen, du... lässt mir keine andere Wahl. Und wenn wir beide keine Wahl hatten, dann... dann kann man wohl von Schicksal sprechen."

Als er den letzten Satz beendet hatte, war für ein paar Sekunden nichts zu hören, außer dem Regen und dem Wind, der mit den Wassertropfen spielte. Als Bilbo den Kopf hob, um die Reaktion des Schwarzhaarigen zu sehen, spürte er Thorins Lippen auf den seinen, spürte, dass sie lächelten. Benommen schloss er die Augen und erwiderte den Kuss, bis auch er zu lächeln begann. 

"Du machst mich so glücklich", flüsterte Thorin nach einer Weile.
Bilbos Lächeln wurde breiter. Du mich auch, formten seine Lippen. Du mich auch. 
Er wusste nicht, ob Thorin ahnte, wie viel ihm diese Worte bedeuteten, wie unfassbar schön es war, sie aus seinem Mund zu hören. Wie hatte er jemals glauben können, er sei über diesen Zwerg hinweggekommen? Wie? Es gab einen Moment in seinem Leben, da hatte er gemeint, es geschafft zu haben, auf der sicheren Seite zu sein. Wie dämlich er doch gewesen war.

"Hast du das auch manchmal?", begann er, als er sich daran erinnerte. "Dieses Bedürfnis, in die Vergangenheit zu reisen und deinem früheren Ich ins Gesicht zu schlagen?"

Thorin grinste. "Hin und wieder. Aber dann erinnere ich mich an die Worte eines gewissen Hobbits, der mir einmal sagte, es wäre sinnvoller, nach vorn zu sehen." 

Er fuhr dem Halbling durch das Haar, und eine Zeitlang verharrten sie so, lauschten dem Wind und dem Regen, genossen die Wärme des jeweils anderen. Versanken in Erinnerungen und Zukunftsvisionen. Der Schwarzhaarige spürte, wie das Herz des Kleineren an seiner Seite schlug und folgte seinem Rhythmus.

"Was bedrückt dich, Amrâlimê?" fragte er nach einer Weile. 

Bilbo hob den Kopf, so als wollte er fragen, wie Thorin auf den Gedanken kam, er wäre bedrückt, doch er war es in der Tat, und als er das erkannte, ließ er sich wieder sinken. Erschöpft schloss er die Augen und öffnete die Lippen, um nach einer Antwort zu suchen, doch Thorin erriet sie, noch ehe sie ihm selbst in den Sinn kam.
"Du hast Angst vor morgen."

Der kleine Hobbit dachte kurz darüber nach. Schließlich seufzte er und nickte. "Ich mache mir Sorgen, dass... dass sie uns nicht verstehen werden."

"Ich werde ihnen sagen, dass du an meine Seite gehörst. Dass ich dich liebe. Wie sollten sie das missverstehen?"

Bilbo schüttelte den Kopf. "Das ist nicht das, was ich meinte", murmelte er, obwohl es nicht ganz stimmte. Ja, er hatte Sorgen, dass sie ihre Beziehung für einen Witz halten würden, dass sie nicht begreifen würden, wie ernst es ihnen damit war. Doch das, was ihn am meisten beschäftigte, war die Frage, ob sie ihn akzeptieren würden. Ob er es in ihren Augen würdig war, an der Seite eines Herrschers zu stehen. Sie wussten nichts über ihn; er war ein Hobbit aus dem Auenland. Ein Fremder.
"Ich... bin keine Frau", flüsterte er schließlich. "Ich bin nicht einmal ein Zwerg."

Für einige Sekunden sagte niemand etwas. Er konnte förmlich spüren, wie Thorin nachdachte; er hörte es in seinem Herzschlag, in seinen Atemzügen. In seiner Art, zu schweigen. Letztendlich öffnete der Schwarzhaarige die Lippen. "Worauf willst du hinaus?" Etwas in seiner Stimme verriet Bilbo, dass er die Antwort schon kannte.

"Du... du bist..." Der kleine Hobbit zögerte, löste sich sanft aus den Armen des Zwergen, um sich aufzusetzen und ihm ins Gesicht zu sehen. Versuchte, zu ignorieren, wie kalt ihm auf einmal wurde.
"Thorin, du bist ein König, falls du das vergessen hast. Du hast Pflichten. Ich... ich kann dir keinen Thronfolger schenken, wenn du verstehst, was ich meine."

Als er den letzten Satz sagte, begann der Zwerg zu lächeln und Bilbo musste gestehen, dass es ihn verwirrte. Er war im Begriff, ihm genau das zu sagen, als Thorin die Lippen öffnete und ihn mit einem einzigen Blick dazu brachte, die seinen zu schließen. Bilbo schluckte, denn ertrug den Geschmack auf seiner Zunge nicht. Bevor Thorin zu sprechen begann, beschloss er, sich aufzurichten, um mit dem Halbling auf einer Augenhöhe zu sein, spürte, wie seine Wunden protestierten und versuchte, den Schmerz zu ignorieren, ein wenig bestürzt darüber, wie schwer es ihm fiel.
"Nun...", seufzte er mit erschöpfter Stimme, "... dann sollte sich Fili wohl schon einmal darauf einstellen, früher oder später die Krone zu tragen." Er begann wieder zu lächeln, als er sich in den Augen seines Meisterdiebs verlor. "Ich habe bereits einen Thronfolger, Bilbo."

Der kleine Hobbit nickte, ein wenig beschämt über sich selbst, doch es beruhigte ihn zu sehen, dass Thorin ihn nicht verurteilte. Wofür auch? Für seine Eigenheit, Probleme zu sehen, wo keine sind? Das war eine Eigenheit, die sie sich teilten.
Vorsichtig streckte der Zwerg die Arme aus und nahm Bilbos Hände in die seinen.
"Sie sind so kalt", hauchte er, führte sie an seine Lippen und küsste sie. "Frierst du?"

Bilbo schüttelte den Kopf, auch wenn ihn das zum Lügner machte. Er hätte gerne etwas gesagt, doch Thorins Nähe ließ ihn vergessen, wie man das tat. Ein Donnern unterbrach die Stille und ließ ihn erzittern.

"Es ist recht spät", meinte der Schwarzhaarige mit einem Blick zum Fenster. "Wir werden morgen sehr früh aufstehen müssen..."
Es schien, als wollte er daraufhin noch etwas sagen, doch er hielt inne, hielt die Worte in seinem Kopf davon ab, seinen Mund zu verlassen. Bilbo sah es nicht. 

Vorsichtig zog er seine Hände aus Thorins Griff und wandte den Blick von ihm ab, um sich davon abzuhalten, in seinen Augen zu versinken und sich den Abschied nur noch schwerer zu machen. "Du hast recht", meinte er, hob die Füße über den Rand des Bettes und fröstelte, als sie den Boden berührten. "Ich... sollte langsam rüber gehen."

Er sah aus dem Augenwinkel, wie sich Thorin durch das Haar fuhr, so als wäre er verlegen, so als bekämpfte er den Drang, etwas zu sagen und ihm am Gehen zu hindern. Er starrte auf seine Zehenspitzen, biss sich auf die Unterlippe, wartete darauf, dass der Schwarzhaarige etwas sagen würde, und als er es schließlich tat, erfüllte Bilbo eine Erleichterung, die er nicht verstand.

"Du..." Thorin räusperte sich. "Du kannst gerne bleiben. Dieses Bett ist groß genug für zwei."
Als der kleine Hobbit den Kopf hob, schluckte der Zwerg und sah zur Seite, so als würde er sich plötzlich schämen, es gesagt zu haben. "N-natürlich nur, wenn du willst." 

Bilbo brauchte einen Moment, ehe er die Worte vernommen hatte. Er zögerte, ohne es zu wollen, spürte, wie ihm ein kleines bisschen wärmer wurde, wie glücklich ihn diese Worte machten. Spürte, wie er schüchtern wurde. Er öffnete die Lippen, um etwas zu erwidern, doch irgendetwas hielt ihn zurück. 
Natürlich nur, wenn du willst. Selbstverständlich wollte er, er wollte es schon lange. Nur weshalb zögerte er dann? Weshalb konnte er nichts sagen? Weshalb zitterte er bei dem bloßen Gedanken, in Thorins Armen einzuschlafen? Als er in Thorins Augen sah, realisierte er, dass es Angst war. Die Art von Angst, die er schon einmal gespürt hatte, kurz vor ihrem ersten Kuss. Die Angst vor etwas Neuem. 

Er schloss den Mund und schluckte sie herunter.
In den nächsten Sekunden wusste er nicht, was er sagen sollte, also lächelte er und spürte sein Herz ein wenig höher schlagen, als Thorins Mundwinkel zuckten, als er bemerkte, wie verunsichert der Schwarzhaarige ihn ansah, so als verstünde er nicht, was Bilbos Lächeln bedeutete.

Er erkannte es in dem Moment, in dem der Halbling seinen Mantel öffnete, ihn abstreifte und über den Hocker legte. Er tat es langsam, sodass Thorin das Verlangen verspürte, sich aufzurichten und ihm dabei zu helfen, doch er hatte genügend Verstand um zu erkennen, dass es wohl das beste wäre, es nicht zu tun. Nichts zu überstürzen, nichts zu erzwingen. Sein Blick fiel auf Bilbos Hände, die er so oft in den seinen gehalten hatte, dass er sie blind erkennen würde. Er verfolgte ihre Bewegungen mit schwerer werdenden Lidern, bis er sie in der Dunkelheit verlor.

Bilbos Finger zitterten, als er sich die Hose herunterzog und sie zu seinem Mantel legte, doch sie waren so taub, dass er es kaum spürte. Er trug noch immer das Hemd, als er die Distanz zum Bett überwand und zu dem Schwarzhaarigen unter die Decke krabbelte.
Thorin wusste nicht, ob er jemals glücklicher gewesen war als in dem Moment, in dem Bilbo in seine Arme sank. Als er am ganzen Körper zu spüren begann, dass sie nun wirklich nichts mehr voneinander trennen konnte. Dass die grauen Tage vorüber waren.

Sie küssten sich ein letztes Mal, mit müden, lächelnden Lippen, ehe sie die Augen schlossen und versuchten, ihr Glück zu begreifen, doch sie waren zu überwältigt, um es zu verstehen. Zu ergriffen. Zu verliebt.

Der Wind riss an den Fenstern, der Regen wurde stärker.
Bilbo hörte ihn nicht mehr.
Für einen kurzen Moment war ihm, als spräche jemand zu ihm. Es war nicht mehr als ein Flüstern, nicht lauter als Windstoß im Sommer. Nur eine Stimme in seinem Kopf.

Du bist zu Hause, wisperte sie.

Und er beschloss, ihr zu vertrauen.





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Okay, womit fang ich an...

Ich hab in letzter und in nächster Zeit ziemlich viel um die Ohren und irgendwie fällt es mir im Moment schwer, zu verstehen, dass mir das Schreiben mal Spaß gemacht hat. Diese Fanfiction ist in ihrer Grundhandlung praktisch schon vorbei, ich werde sie aber in zwei weiteren Kapiteln ausklingen lassen, die leider leider leider wieder sehr spät erscheinen werden. Es wird nicht mehr viel passieren, aber die Geschichte hier zu beenden würde sich zu abrupt anfühlen, für mich jedenfalls. Dís wird auch noch eine kleine Szene bekommen, aber nur ne sehr kurze (I'm sorry).
Kurzum; falls ihr abspringt, kann ich des verstehen, falls nicht, dann freut mich das. 

Danke, dass ihr so viel Geduld mit mir habt. Und danke für 20K Reads, das ist krass, wirklich krass. 
Mein 16-jähriges Ich hatte diese Fanfiction nur aus Spaß angefangen, auf einer Autofahrt nach Dänemark, und jetzt bin ich 18 und sie ist zu nem richtigen Hobby geworden. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll, wenn sie fertig ist. 

Ich verabschiede mich mal, denn ich habe vor, für den Rest des Tages in Selbstmitleid, heißem Kakao und meiner Coldplay-Playlist zu versinken. Vielleicht kombiniere ich das noch mit einem Sherlock-Marathon, ich weiß noch nich.

Fühlt euch gedrückt! <3


P.S.: Out of context, aber fällt euch ein guter Name für einen Kaktus ein? Ich hab zwei Stück und mein erster heißt Greg, aber ich weiß nicht, wie ich den zweiten nennen soll.

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