Silberflüsse

"Hey, warte!"

Fili drehte den Kopf und sah, wie sein kleiner Bruder auf ihn zugerannt kam. "Wie, du bist noch nicht bei den anderen?"

Der Jüngere kam vor ihm zum Stehen, rang erschöpft nach Atem und stützte die Hände auf den Knien ab. "Nein, ich... ich hab verschlafen." Er grinste entschuldigend.

Der Blonde lachte kurz auf. "So siehst du auch aus." Er beugte sich zu ihm herunter und betrachtete ihn tadelnd von oben bis unten. "Lass dir für Thorin lieber eine bessere Ausrede einfallen."

Kili richtete sich wieder auf und verschränkte grinsend die Arme. "Beruhig dich, du bist ja auch noch nicht in der großen Halle. Was ist deine Ausrede?"

"Keine Ausrede, Brüderchen. Im Gegensatz zu dir habe ich einen guten Grund für mein verspätetes Auftauchen." Er setzte eine wichtigtuerische Miene auf und hob seinen rechten Arm, um seinen Bruder auf das Bündel in seiner Hand aufmerksam zu machen. "Onkel hat mich angewiesen, das hier zu holen."

"Sind das etwa..." Kili wollte nach dem Bündel greifen, doch der ältere von beiden war schneller und wich der Handbewegung aus. 

"Ja, das sind die Pfeile. Vier von ihnen zumindest. Die anderen befinden sich schon in der Halle, bei ihm, die anderen haben sie dorthin gebracht. Und genau dorthin werde ich sie jetzt auch bringen und ich würde dir raten, mich nicht weiter davon abzuhalten und mitzukommen, wenn du dir keinen Ärger einhandeln willst."

Der Jüngere hob unschuldig die Hände und folgte seinem Bruder, der nun weiter den Gang entlangging. "Woher die schlechte Laune?" 

"Ich habe keine schlechte Laune."

"Ja, genau, und ich bin die Königin des Waldlandreiches. Mal im Ernst, was ist los?"

Fili blieb abrupt stehen und sah ihn verzweifelt an. "Ich habe einfach kein gutes Gefühl bei der Sache."

"Wir werden heute gegen einen Drachen kämpfen, natürlich hast du da kein gutes Gefühl, das hat keiner von uns."

"Diesen Drachen gibt es nicht, Kili. Hast du das noch immer nicht verstanden?"

"Das kann jeder sehen, wie er will. Ich glaube ihm. Und du solltest das auch tun."

Der Blonde erwiderte nichts, sondern schnaubte nur genervt. Wie konnte sein kleiner Bruder nur so denken? Nichts, wirklich nichts - mit Ausnahme von zwei Versteinerungen, deren Auftauchen für ihn mehr als nur fragwürdig schien - sprach für die Existenz einer zweiten Feuerschlange. Wie konnte er nur jemandem glauben, dessen Verstand eindeutig von Krankheit zerfressen, vernebelt und missbraucht war? Konnte er denn nicht hinter diese Maske sehen?

"Wenn du sowieso nicht an ihn glaubst, dann verstehe ich deine miese Laune um kein bisschen mehr."

"Ich... ich... ich habe Angst, verdammt! In Ordnung? Ist es das, was du hören wolltest?"

Kili fuhr erschrocken und verwundert zurück. "Angst? Aber... aber das haben wir doch alle. Was ist los mit dir?"

Fili seufzte verzweifelt, schloss die Augen, klemmte sich das Bündel unter den Arm und vergrub sein vor Wut glühendes Gesicht in den Händen. "Von dieser Angst rede ich nicht. Ich... ich habe Angst um ihn. Um dich. Um uns alle."

Er schüttelte den Kopf und setzte sich wieder in Bewegung, ging in so großen Schritten, dass sein Bruder Mühe hatte, mitzuhalten.

"Fili, ich verstehe nicht..."

"Heute Morgen ist ein Rabe gekommen. Dreimal darfst du raten, von wem."

"Oh."

"Ja, oh."

"Was hat Bard geschrieben?"

"Kannst du dir das nicht denken?"

"Verdammt, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen."

Der blonde Zwerg blieb erneut stehen und sah ihm in die Augen. "Er hat von Bedrohung gesprochen. Die Menschen von Thal fühlen sich bedroht. Von uns."

"Wie, von uns?"

"Ihnen ist zu Ohren gekommen, was wir hier treiben. Sie haben viel gehört, jedoch nicht genug, um zu verstehen, dass die Bedrohung nicht von uns ausgeht."

"Wie meinst du das?"

"Vor ein paar Tagen bat er um Unterredung mit dem König, erinnerst du dich noch?"

"Natürlich. Thorin hat ihn weggeschickt. Worum ging es da noch gleich?"

"Sie haben gespürt, dass hinter diesen Mauern nicht alles so läuft, wie es laufen sollte. Die Luft im Tal hat sich verändert. Die Bäume und Pflanzen gehen ein, das Wasser der Brunnen fault und färbt sich schwarz. Und das alles nur wegen dieser dicken, schweren Nebelsuppe, die scheinbar zurselben Zeit wie Thorins Krankheit aufgetaucht ist und bis heute im Tal hängt und an dessen Leben zehrt wie ein Parasit. Bard wollte mit ihm reden, weil die Einwohner Thals an den Folgen dieses plötzlichen Wetter- und Stimmungsumschwungs leiden. Jedes Kind würde erkennen, dass der Einsame Berg im Zentrum dieses Übels steht, umso verständlicher ist sein Handeln. Doch Thorin hat ihn weggeschickt. Er hat ihm gedroht. Und Bard hat seine Schlüsse daraus gezogen. Was Onkel mit seiner Reaktion auf die nur allzu verständliche Bitte nach Hilfe angerichtet hat, ist ihm noch heute nicht bewusst. Ohne, dass er es beabsichtigt hat, hat er die Einwohner Thals gegen sich aufgebracht. Du fragst mich also, was Bard in diesem Brief geschrieben hat? Nun, pass auf. Er schrieb, er habe von unseren geheimen Plänen erfahren. Er hat mitgekriegt, dass wir Waffen geschmiedet haben, extrem tödliche Waffen. Thorins offene Drohung hat ihn in dem Glauben bestärkt, diese Waffen wären zu dem Zweck geschmiedet worden, gegen sie eingesetzt zu werden. Gegen sie. Die Menschen dieser Stadt haben Angst vor ihm, viele spielen mit dem Gedanken, zu fliehen, doch der Großteil von ihnen schlägt vor, sich zu wehren. Und sie werden nicht lange mit diesem Entschluss zögern. Schon bald werden wir wieder Menschen vor unseren Toren haben. Nur wird es sich diesmal nicht um Hilfesuchende handeln, nein. Es werden viele sein. Gegen uns aufgebracht und angestachelt, Bard hat sie nicht länger unter Kontrolle. Es werden wirklich viele sein, mehr als wir derzeit verkraften könnten. Wir sind in Gefahr."

Kili sagte nichts. Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch weder fielen ihm angebrachte Worte ein, noch erlaubte es seine trockene Kehle.

"Aber das schlimmste weißt du noch gar nicht."

Jetzt lachte der Jüngere. Bitter und freudlos. "Schlimmer geht es doch gar nicht mehr."

Fili schüttelte nur den Kopf und fuhr fort. "Noch ist Bard auf unserer Seite. Das schreibt er zumindest. Seine Worte und Versuche, Ruhe unter seine Leute zu bringen, sind auf taube Ohren gestoßen, weshalb er uns diese Warnung zukommen ließ, denn als Warnung war dieser Brief gemeint. Weil er auf unserer Seite steht, so schrieb er, sei auch er nicht untätig gewesen. Er hat um Hilfe gebeten. Für seine Untertanen und unsere Vernunft. Und diese Hilfe ist auf dem Weg hierher."

"Du... du meinst doch nicht..."

"Doch, Kili, genau das meine ich. Auch Thranduil hat einen Brief erhalten. Die Waldelben sind auf dem Weg zum Einsamen Berg."

Wieder Stille. 

Der Jüngere schluckte, zog scharf die Luft durch die Zähne ein und stieß sie gut hörbar wieder aus. "Weiß... er schon davon?"

Fili schüttelte energisch den Kopf. "Nein. Ich war es, der den Brief entgegengenommen hat, und bei mir wird er auch bleiben. Er darf nichts davon erfahren, zumindest nicht heute." 

Kili lachte erneut bitter auf, trat einen Schritt auf ihn zu und blickte ihm verständnislos in die Augen. "Er muss davon erfahren! Wie wird er reagieren, wenn auf einmal seine alten Freunde hier aufkreuzen, unterstützt von den Scharen aufgebrachter Thal-Menschen?"

"Ich sagte doch schon, er wird es erfahren, nur eben nicht heute. Heute zählt einzig und allein der wahre Grund, aus dem die Pfeile geschmiedet wurden. Der Drache."

"An den du nicht glaubst..."

"Das hat absolut nichts damit zu tun. Lass ihm den heutigen Tag, Kili. Er... er ist gerade auf dem Weg der Besserung." Er griff in seine Manteltasche und zog einen zerknitterten, vergilbten Umschlag hervor, hielt ihn seinem Bruder vor die Nase und wedelte damit herum. "Wenn du anderer Meinung bist, nimm ihn dir. Gib ihn unserem Onkel, Thorin wird stolz auf dich sein und wütend auf mich. Los, nimm ihn dir schon!"

Kurz schien es, als spielte der Kleinere mit dem Gedanken, diese Chance zu ergreifen und diese Idee Realität werden zu lassen, doch er fing sich schnell wieder und starrte grimmig zurück. "Sei nicht albern. Du weißt, dass du recht hast."

Fili nickte zufrieden und trotzig zugleich und steckte das schmuddelige Stück Papier zurück in seine Tasche. "Gut, dass du das einsiehst."

"Du musst verrückt sein, den überhaupt dabei zu haben. Stell dir vor, Thorin entdeckt ihn bei dir."

Der blonde Zwerg grinste nur. "Das wird er nicht. Und selbst wenn, dann habe ich ja glücklicherweise meinen kleinen, ehrgeizigen Bruder, der mit aus der Patsche hilft."

"Darüber solltest du keine Scherze machen. Du weißt, wozu er fähig sein kann."

"Wenn er von dem Brief vorzeitig erfährt, dann nur durch dich. Und du wirst mich nicht verraten, Kleiner." schloss er halb seufzend, wobei er das Wort "Kleiner" besonders provozierend hervorhob. Er wusste, wie sehr sein kleiner Bruder diese Bezeichnung hasste.

"Nein, das werde ich nicht. Nun ja, kommt drauf an. Wenn du mich zum Beispiel noch ein einziges verdammtes Mal 'Kleiner' nennst, dann könnte es sein, dass ich mich vergesse und es mir seltsamerweise einfach so vor Thorin rausrutscht." Er grinste.

"Das würdest du nicht wagen, Kleiner."

"Ich warne dich."

"Vor wem denn, Kleiner?"

"Vor mir!" 

"Als ob du eine Chance gegen mich hättest..."

"Ich würde es nicht darauf ankommen lassen." Kili grinste herausfordernd, doch sein Bruder tat dies nur mit einer lässigen Handbewegung ab.

"Wir sollten jetzt wirklich gehen. Wir sind die letzten." Er setzte sich wieder in Bewegung, doch der Jüngere hielt ihn am Ärmel fest.

"Hast du schon mit Bilbo gesprochen?"

Fili sah in seine Augen, löste sich aus seinem Griff und nickte schließlich traurig. "Nur kurz, für länger als ein paar Minuten war keine Zeit. Das... war bevor Thorin zusammengebrochen ist und er ihn gefunden hat."

"Und?"

"Er ist natürlich nicht blind. Er hat gesehen, was wir gesehen haben. Er denkt so wie wir. Und er wollte handeln, doch dann kam der Vorfall mit Thorin dazwischen."

"Wie meinst du das, er wollte handeln?"

"Frag mich was leichteres. Aber sagen wir so, hätte er seinen Plan in dieser Nacht wirklich ausgeführt, dann hätte ich heute Morgen nicht diesen Brief bekommen. Er wollte zur Stadt und mit Bard reden..."

"Wie hat er sich das vorgestellt? Niemand verlässt diesen Ort, ohne dass er davon Wind kriegt."

"Das sagte ich ihm auch, doch... er wiederholte nur, dass man ihn nicht sehen würde. Irgendetwas verheimlicht er, Kili, ich habe nur keinen blassen Schimmer, was das sein könnte. Und - ganz ehrlich, ein gutes Gefühl hab ich nicht bei der Sache."

Er lachte. "Das hast du doch nie. Jetzt hör bitte auf, die ganze Zeit schwarz zu sehen. Gerade heute solltest du das lassen. Du hast doch gemerkt, dass es Thorin schon erheblich besser geht, und das merkt man von Tag zu Tag mehr." 

"Ja, du hast recht... Moment, hab ich das gerade wirklich gesagt?" 

"Auch kleine Brüder dürfen mal recht haben. Jetzt komm, wir verpassen noch alles."

Fili grinste und setzte sich erneut in Bewegung. "Das musst du gerade sagen. Hast du mich nicht noch gerade davon abgehalten?"

Er ignorierte die Frage. "Ich fühle mich heute in Höchstform. Ich würde sogar wetten, dass ich es schaffe, den Drachen im Alleingang zu töten."

"Es ist mir schleierhaft, wie du etwas töten willst, was gar nicht existiert..."

"Tja, unterschätze niemals deinen kleinen Bruder..."

~~~

"Dürften wir den Grund erfahren, weshalb ihr als einzige zu spät seid?"

Als Fili und Kili in der großen Halle ankamen, wurden sie von einem zornig dreinblickenden Thorin empfangen, der inmitten der laut diskutierenden Zwergenmenge stand, den Kopf schief gelegt und die Arme vor seiner Brust verschränkt hatte. Er war blasser als sonst, hatte dunkle Augenringe. Verständlich, wenn man bedenkt, was in dieser Nacht geschehen war - dennoch. In diesem Moment wirkte er kränker und schwächer denn je.

Der Halbling stand etwas abseits, hatte sich gegen eine der Säulen gelehnt und wirkte alles andere als kampfeslustig und motiviert. Als Fili ihn sah, nickte er kurz zur Begrüßung und zwang sich ein gequältes Lächeln auf das Gesicht, ließ dann allerdings wieder den Kopf hängen und starrte auf seine Fußspitzen.

Dass irgendetwas geschehen war, merkte der blonde Zwerg schnell, er vermochte jedoch nicht zu erkennen, um was genau es sich dabei handelte. Er konnte ja auch nicht ahnen, was sich vor wenigen Minuten in dieser Halle abgespielt hatte...

Nach einigen Sekunden, in denen er vergeblich versuchte, einen Sinn in der Niedergeschlagenheit des Meisterdiebs zu erkennen, wandte er seinen Blick wieder seinem Onkel zu, der ihn noch immer tadelnd ansah und auf eine Antwort wartete.

"Verzeih bitte, wir..." Er blickte aus dem Augenwinkel zu seinem kleinen Bruder, hoffte inständig, dass ihm eine rettende Ausrede zuflog, doch ihm fiel nichts ein. "Wir... ähm..."

"Ach, was spielt das jetzt für eine Rolle, ihr seid hier und das ist die Hauptsache."

Thorin drehte sich um und sah in die Augen des Halblings, der diesen Satz ausgesprochen hatte. Offenkundig hatte er dem jungen Zwerg sein Unbehagen angesehen und eingegriffen, auch wenn er nicht so recht wusste, um was es eigentlich ging. 

Fili nickte ihm dankbar und fast unmerklich zu, setzte aber wieder eine ernste Miene auf, als sich sein Onkel wieder ihm zuwandte. 

Schließlich räusperte sich der Schwarzhaarige und nickte. "Ja, das ist die Hauptsache, vergessen wir das. Habt ihr die Pfeile?"

Als hätte der Blonde auf diese Frage gewartet, reichte er ihm auf beiden Handflächen die vier benannten schwarzen Pfeile, die in ein dunkelrotes Tuch eingeschlagen worden waren. Thorin entfernte es und umschloss das kalte Metall mit seinen Händen, nahm sie an sich und ging ein paar Schritte zurück, wo er sie schließlich neben die restlichen vier an die Wand lehnte.

Bilbo löste sich von der Säule und gesellte sich zu den anderen, die noch immer laut diskutierend um ihren König standen und nun die beiden eben erst eingetroffenen Zwerge begrüßten. 

Dwalin murrte über das schlechte Wetter, Bombur schimpfte, dass sie an diesem Morgen viel zu wenig Zeit zum Frühstücken gehabt hatten, und auch der Rest blies Trübsal an diesem Tag. Motivation sah anders aus.

Hatten sie noch gestern von Triumph gesprochen und Lieder von heroischen Taten gesungen, so waren sie an diesem Morgen übermüdet, träge und alles andere als bereit, einer Feuerschlange gegenüberzutreten.

Die eine Hälfte glaubte an ihre Existenz, die andere verweigerte sie, doch alle hatten sie ihrem König ihre volle Unterstützung zugesichert und zugestimmt, dieses letzte Mysterium gemeinsam zu lösen. Das Wort Mysterium hatte Balin als Bezeichnung für die Drachendame in die Runde geworfen, denn nichts anderes war sie schließlich. Der weißbärtige Zwerg war aus der Gemeinschaft der einzige, der eine neutrale Sicht auf die Situation hatte, so erinnerte sich Bilbo, er hatte schließlich vor wenigen Minuten, als Kili und Fili noch gefehlt hatten, mit ihm gesprochen, wenn auch nur kurz. Er verstand diejenigen, die an die Feuerschlange glaubten und gab denen, die es nicht taten, die gleiche Zustimmung. Das hatte zur Folge, dass er es war, zu dem die meisten kamen, wenn sie sich einer Sache unsicher waren oder Rat brauchten. Und Bilbo war sich sicher, dass die meisten ihm im Moment sogar mehr vertrauten als Thorin. 

Ebendieser räusperte sich nun, woraufhin die wild diskutierende Menge augenblicklich verstummte und sich wie auf Befehl in einer Reihe vor ihm aufstellte. 

Er nickte, blickte einen nach den anderen an und blieb schließlich bei Bilbo hängen, der am Ende der Reihe stand und sich durch seine geringe Größe vom Rest der Gemeinschaft abhob.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen und der Halbling erwiderte es zaghaft. Der Schwarzhaarige spürte die Blicke der anderen auf seinem Gesicht und schüttelte schließlich den Kopf, wandte sich wieder den anderen zu und räusperte sich erneut.

"Es gibt vieles, was wir nicht geplant haben. Vieles, womit wir nicht gerechnet hätten. Dass es einmal so weit kommen würde, konnte niemand von uns ahnen."

Er machte eine kurze Pause und ließ seinen Blick wieder der Reihe nach entlang gleiten. "Ich habe euch die letzten Wochen und vielleicht sogar die letzten Monate nicht immer leicht gemacht und bitte euch daher inständig um Vergebung. Doch ihr habt nicht nur meine Entschuldigung, sondern auch meinen Dank. Ihr hättet gehen können, doch ihr seid geblieben. Wahrer Kampfgeist und wahre Treue zeigt sich in den meisten Fällen doch erst, wenn man droht, den Halt zu verlieren und zu fallen. Denn treue Kämpfer und wahre Freunde stehen einem in Phasen wie diesen bei und das habt ihr getan, ihr alle." Er schenkte ihnen ein Lächeln, welches ein Großteil von ihnen erwiderte, dann fuhr er fort.

"Phase ist das richtige Stichwort. Denn Phasen halten für keine Ewigkeit, da man sie überwinden und hinter sich lassen kann. Lasst uns diese Phase, diese Ära der Drachen nun gemeinsam überwinden, die alten Schatten der Vergangenheit hinter uns lassen. Ich frage euch, heute, im Angesicht des Feuers, der Asche und des Todes: Wollt ihr mir folgen? Ein letztes Mal?" (A/N: Hehe, ein weiteres letztes Mal...)

Die Gemeinschaft, die ihm bis zu diesem letzten Satz gebannt gelauscht hatte, brach in Jubel und kampfeslustige Rufe aus. Siegessicher schwangen sie ihre geballten Fäuste durch die Luft, in denen sie Äxte und Schwerter für den bevorstehenden Kampf hielten.

Bilbo war der einzige, der stumm blieb. Er war berührt, ja. Von den Worten und dem unerschöpflichen, unerwarteten Stimmungswandel, den diese Worte bewirkt hatten. Doch... er teilte sie nicht. Diese glühend heiße Vorfreude. Denn anders als die meisten der Gemeinschaft hatte er eine Ahnung, auf was sie stoßen würden.

Er lächelte traurig, als er die hoch empor gehobenen Äxte und Schwerter sah. Waffen, die ihnen im Kampf gegen eine Feuerschlange nicht viel bringen würden, vielleicht sogar gar nichts.

Langsam kam wieder Ruhe in die Gruppe, die sich nun aus der Reihe gelöst hatte und zu einem wild diskutierenden Haufen geworden war. Thorin ließ sie mit einer Handbewegung schließlich ganz verstummen.

"Ich möchte denjenigen sehen, der es wagt, nach diesem Tag noch an Durins Volk zu zweifeln! Möge diesen einen dasselbe ereilen, was heute diesem Drachen zum Verhängnis wird! Du bekâr!"

Als wäre dies ein vereinbartes Zeichen, setzte sich die Zwergengruppe plötzlich in Bewegung, griff nach den Pfeilen und den dazugehörigen Bögen und machte sich auf den Weg, kampfeslustige und siegessichere Worte auf den Lippen.

Auf den Weg in die Tiefe.

~~~

Es war nicht leicht, sich in der alten, von Spinnenweben bedeckten und teilweise zersplitterten... Gondel aufrecht zu halten. Ob man es wirklich als Gondel bezeichnen konnte, darüber war sich der kleine Hobbit noch im Unklaren, denn das, worin sie sich befanden, hatte diese Bezeichnung nicht verdient, er wusste nur, dass ihm dieses Gefährt missfiel.

Von den über ihren Köpfen hängenden Seilen rieselte rostroter Staub auf sie hinab und brannte in Bilbos Augen. Die Seile waren alt und sahen alles andere als vertrauenserweckend aus, doch er versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken und krallte sich krampfhaft an den mit Metall versehenen Rand der Holzkiste, denn dies war der einzige Halt, den er haben konnte.

Seine Finger schmerzten von der Berührung, denn das Metall war spröde, scharfkantig und rau vom Rost der vergangenen Jahrzehnte, doch er hatte keine Wahl, wenn er nicht auf die Nase fliegen und vor die Füße seines Freundes fallen wollte. 

Dieser besah ihn mit einem schiefen Lächeln. "Wird es gehen?"

Er nickte schwach und blinzelte den metallischen Staub weg, der sich vom Herunterrieseln auf seinen Wimpern abgesetzt hatte und nun drohte, ihm in die Augen zu rutschen.

Die alte, morsche Holzkiste knarrte durch die Bewegung unter ihren Füßen und erzeugte das mulmige Gefühl, jederzeit nachgeben zu können und die Freunde ins Bodenlose stürzen zu lassen.

Dass dieser Transportweg seit unzähligen Jahren schon nicht mehr verwendet worden war, ließ sich nicht schwer erkennen, und wahrscheinlich hatte dies auch einen guten Grund. 

Bilbo schloss die Augen und spürte den Fahrtwind, der ihm durch die Locken strich, den rüttelnden Boden unter seinen baren Füßen, der ihn bei jedem Ruck fast das Gleichgewicht kostete. Sie sprachen nicht viel. 

In einer Gondel war Platz für etwa sechs Zwerge. In dieser hier standen nur vier, denn Thorin war weise genug gewesen, um zu erkennen, dass der dünne Holzboden das Gewicht von sechs nicht tragen könnte und hatte die Besatzung pro Kiste um zwei von ihnen verringert. Der kleine Hobbit hingegen war sich nicht einmal sicher, ob dieses Gefährt auch nur einen einzelnen sicher ans Ziel bringen würde. 

Er tat etwas, was er nicht hätte tun sollen und blickte über den Rand. Ein leichtes Schwindelgefühl überkam ihn, als er die abgerissenen, in die Tiefe hängenden Seile sah, an denen sie in einer beunruhigend schnellen Geschwindigkeit vorbeizogen. Auf ihrer Reise hatte er sich schon fast an unfassbare Höhen gewöhnt, doch diese hier war eine Ausnahme.

Wie der gierige Schlund eines undefinierbaren Tieres erstreckte sich ein bodenloses Loch unter ihnen. Sie befanden sich in einer Art von Tunnel, die einzige Lichtquelle waren die Fackeln in ihren zitternden Händen, und selbst diese brachten nur wenig Licht. Genug jedoch, um des Schreckens, des Grauens gewahr zu werden, das dieser tiefe, schwarze Schlund unter ihnen auslöste.

Das Ende war nicht einsehbar, wenige Meter unter ihnen verschwand die Welt im Schwarz, wie ein dicker, nebelartiger Sirup, der sich an den kargen, kalten Felswänden emportastete und seine gierigen Klauen nach ihnen ausstreckte, bereit, alles zu verschlingen, was dieser Tiefe nur zu nahe kam.

Bilbo riss sich von diesem Anblick los, schnellte nach Luft schnappend zurück und schüttelte den Kopf, versuchte, zu vergessen, was er gesehen hatte. Natürlich vergeblich.

Fili und Kili standen auf der einen Seite der Gondel, Thorin und er auf der anderen, um sie nicht durch Ungleichgewicht ins Schwanken geraten zu lassen. Würde man hier fallen, so würde es mit Sicherheit Minuten dauern, ehe man auf dem Grund aufschlägt und zerschellt. Würde man hier fallen, so wäre das letzte, was die anderen von einem hören würden, die verzweifelten Schreie der Angst, die laut und grausam kehlig an den massiven Gesteinswänden widerhallen würden, bis schließlich auch sie von der Tiefe und der Dunkelheit verschluckt wären. Man würde einsam sterben, ungehört und ungesehen von denjenigen, die man seine Freunde nannte und von denen man nichts mehr spüren würde, nicht einmal ihre Gegenwart in mehreren tausend Metern Höhe. Man würde ihre lodernden Fackeln in der zunehmenden Schwärze verschwinden sehen, bis man schließlich von dem schwarzen, nebelartigen Sirup umschlossen und verschluckt würde. Das letzte, was man spüren würde, wäre ein kurzer, brennend stechender und stumpfer Schmerz. Das Brechen von Knochen. Und dann vollkommene Dunkelheit, in der man für immer liegen würde. Für immer.

Ganz ruhig, Bilbo, ganz ruhig. Das wird nicht passieren.

"Ist alles in Ordnung?"

Oh, fragte er das jetzt ernsthaft? "Den Umständen entsprechend, ja. Ich... ich hätte nur nicht in die Tiefe sehen sollen, das ist alles." Er zwang sich ein Lächeln auf das Gesicht, doch schüttelte dann nur wieder den Kopf über sich selbst, da der schwache Schein der Fackeln nicht stark genug war, um dieses Lächeln sichtbar zu machen. Vor wenigen Minuten war es heller gewesen, bemerkte er innerlich.

Auch seinem Freund schien das nicht entgangen zu sein, denn er fuchtelte mit der Fackel herum und fluchte. "Wir werden sie bald erneuern müssen. Lange werden sie nicht mehr brennen."

Bilbo schluckte erneut. Das also auch noch. 

Schon bald sahen sie fast nichts mehr, vernahmen nur noch das Quietschen und Rütteln der hölzernen Gondel und hörten schon bald ein seltsam metallisch klingendes Schaben. In mehreren Metern hinter ihnen hörten sie ein Rumpeln, welches von den anderen in der zweiten Gondel stammen musste, auf deren Existenz man nur durch den schwachen Schein des Fackelfeuers schließen konnte.

"Kili! Reich mir bitte die Fackeln, diese Finsternis wird langsam drückend..."

Der junge Zwerg tat wortlos, wie ihm geheißen und stellte sich sofort wieder in dieselbe Position zurück, da die Bewegung ein ungemütliches Schwanken der morschen Gondelkiste verursacht hatte.

Als Thorin die erste entzündet hatte, reichte er sie Bilbo. Dieser nahm sie in seine Hand und richtete sie geradeaus, in der Hoffnung, irgendetwas im schwachen Licht des Feuers zu erkennen, das auf etwas wie ein Ende dieser unangenehmen Gondelfahrt schließen ließ.

Als auch die restlichen eine neu brennende Fackel erhalten hatten, sahen sie etwas.

Es war wie ein Funkeln. Eine silberweiße Reflexion des matten, roten Fackelfeuers. 

Bilbo kniff die Augen zusammen, um zu erkennen, womit sie es zutun hatten.

Die Wände verengten sich, wurden schmaler und ihr Abstand verringerte sich Meter für Meter mehr. Irgendwann führte der Seilzug so nah an der rauen Gesteinswand entlang, dass Thorin eine Hand ausstrecken und sie berühren konnte.

Wie in einer Tropfsteinhöhle liefen kleine, kalte Rinnsale an ihnen hinab. Die Wand war trotz der rauen Oberfläche eisig, glatt und glitschig, weswegen der Zwergenkönig seine Hand schnell wieder zurückzog und etwas in einer fremden Sprache murmelte, von dem sich leicht erkennen ließ, dass es sich um einen Fluch handelte.

Jetzt erkannten sie auch, woher dieses seltsame Funkeln rührte, das noch immer über und unter ihren Köpfen schaurig aufblitzte und ihnen einen Schauer über den Rücken jagte. 

Wie das Netz eines großen, weit verzweigten Flusses bahnten sich gigantische Rinnsale aus purem Silbererz die gesamte Länge der Wand entlang und vermischten sich mit der tiefgrauen Färbung des Felsens. Dass es sich um Silber handelte, konnte Bilbo nicht mit Gewissheit sagen, doch es brauchte nicht unbedingt das Auge eines Kenners um zu erkennen, dass es sich um äußerst wertvolle Metalle handeln musste. Wie Irrlichter im Nebel der Finsternis reflektierten sie in kaltem, bläulichen Schein das warme Flackern ihrer Fackeln. Fast wirkte es, als würden sie von selbst glimmen.

Er stand mit offenem Mund da und betrachtete die unzähligen Netze, die die Erze in den Fels malten und ihn durchsickerten als wäre es lockere, schwarze Erde.

Den anderen schien es ähnlich zu ergehen. Als Bilbo seinen Blick ihnen zuwandte, standen auch sie mit weit aufgerissenen Augen und vor Erstaunen geöffneten Mündern da, schienen alles andere auszublenden und zu vergessen.

Die Erze verdichteten sich umso mehr, je weiter sie in den Berg hineinfuhren. Es war ein beeindruckendes Schauspiel. 

Kili räusperte sich und äußerte schließlich eine Frage, die dem Halbling auch schon auf der Zunge gebrannt hatte, sich aber aus Furcht, diesen Moment zu zerstören, nicht getraut hatte, sie auszusprechen.

"Onkel... sagtest du nicht, hier hätte man die Suche nach Erzen aufgegeben?" 

Thorin riss sich von dem Anblick los, sah seinem Neffen tief in die Augen und senkte schließlich traurig den Kopf.

"Das sagte ich, ja. Hier findet man nichts von Wert und Nutzen. Hier findet man nur den Tod."

Kili lachte ungläubig und streckte eine Hand aus, um eine der silbern schimmernden Adern zu berühren. "Ach, und was ist dann das?"

"Lass das!" Thorin trat einen Schritt auf ihn zu, wodurch die Gondel mächtig ins Schwanken geriet, und zog seinen Arm zurück. Kili sah ihn entgeistert an, doch der Schwarzhaarige fuhr fort. "Fass das nicht an! Bleib an deinem Platz und schweig still."

"Aber wieso? Wieso haben Fili und ich noch nie von diesem Ort gehört? Wieso habt ihr so ein Geheimnis daraus gemacht?"

"Weil es die einzige Möglichkeit war, diesen Ort zu vergessen. Ich hätte ihn weiter verschwiegen und dieses Geheimnis mit ins Grab genommen, hätten wir nicht die Dracheneier gefunden." 

Jetzt meldete sich Fili zu Wort. "Zu welchem Zweck? Was ist so gefährlich an diesem Ort, dass du seine Existenz geheim gehalten hast?"

Thorins Blick verfinsterte sich. Er schloss für einen kurzen Moment die Augen, als müsse er sich beherrschen, als müsse er sich darauf konzentrieren, nicht die Fassung zu verlieren. Dann öffnete er sie wieder, atmete tief ein und wieder aus und richtete seinen Blick erneut auf seine Neffen auf der anderen Seite der Gondel. Bilbo sah sie für den Bruchteil einer Sekunde zurückschrecken, als ihre Augen die seinen trafen und schloss daraus, dass sich etwas geändert hatte. Sein Verdacht wurde bestätigt, als auch er seinen Kopf in die Richtung des Schwarzhaarigen drehte.

Es ist unnötig, zu beschreiben, was er sah. Unnötig, zu beschreiben, was er dabei fühlte. Er senkte traurig den Kopf, da er sich dieses tobende Feuer in dem kalten Blau dieser Augen nicht erneut antun wollte. Es erstaunte ihn, dass Fili und Kili diesem Feuer standhielten. Fast schien es, als wetteiferte dieses kranke Feuer mit dem Glimmen der Silberflüsse.

"Schweigt still. Auf eure Fragen sollen Antworten folgen... doch manche Antworten werden zu spät gegeben und manche zu früh. Ich weiß nicht, welcher Moment der richtige ist. Ich kann nur Vermutungen anstellen, doch etwas sagt mir, dass dieser Moment noch nicht gekommen ist." Seine drachengleiche Stimme brach kurz ab und auch der Blickkontakt wurde unterbrochen, denn nun hob er den Kopf und ließ seinen Blick die steilen Felswände entlanggleiten.

"Sagt mir, was seht ihr hier?"

Fili und Kili wechselten kurze und verständnislose Blicke, ehe der Ältere begann, zu flüstern. "Ich... ich würde sagen, es handelt sich um S-silber."

"Um verdammt viel Silber, um genau zu sein", ergänzte sein Bruder mit leuchtenden Augen, als er das schimmernde Metall betrachtete, dessen Adern geschwind an ihnen vorbeizogen. Zum Greifen nahe. 

"Das ist wahr. Es ist viel mehr, als man in solch einer unberührten Tiefe vermuten würde..." Fili schüttelte kurz den Kopf, als er den Fehler in seinem Satz bemerkte. "Nun ja, unberührt ist dies alles nicht. Diese Gänge und Schächte wurden vor langer Zeit hier angelegt. Ich dachte nur, sie wären zu dem Zweck in den Fels geschlagen worden, um die Sicherheit des Schatzes zu gewährleisten. Du sagtest gestern selbst, das wäre der Grund für ihre Existenz. Aber was du uns hier vor Augen führst, ist kein stillgelegter Schacht. Es ist eine komplett neue Welt..." Sein Blick glitt kurz träumerisch ab und er räusperte sich. "Du hast uns eine Lüge erzählt."

Thorin legte den Kopf schief und blickte ihn an. Er antwortete nicht. Es war schließlich eine Feststellung und keine Frage gewesen. Er griff seinen Neffen allerdings auch nicht unter die Arme, um ihnen auf die Sprünge zu helfen.

Als Kili bemerkte, dass sein Onkel wollte, dass sie von allein auf die Wahrheit kamen, begann auch er, nachdenklich zu flüstern. "Nein, Fili. Nicht ganz. In einem Punkt hat er die Wahrheit gesprochen. Hier wurde wirklich vor langer Zeit das Schürfen nach Silber aufgegeben. Der Grund dafür erschließt sich mir nur noch nicht so ganz."

Fili zog fragend eine Braue hoch und sah seinen kleinen Bruder an, ließ seinen Blick gleich danach jedoch wieder zu Thorin wandern. "Was ist dieser Grund? Was bitte veranlasst jemanden, solche Schätze einfach so aufzugeben?"

Thorin blieb ruhig und senkte seine Stimme zu einem eindringlichen Raunen."Wäre dir der Wunsch, am Leben zu bleiben, vielleicht Anlass genug?" 

Das Schleifen, Quietschen und Rumpeln der Gondel unterstützten die Dramatik in seinen Worten und in seinem Blick auf gespenstische Weise. Bilbo spitzte die Ohren und sah ihn erwartungsvoll an. Auch Fili und Kili hatten ihre Blicke nun auf den Schwarzhaarigen gerichtet, und dieser sah dies als Aufforderung, weiterzusprechen.

"Was, wenn ich euch sagen würde, dass wir diese alten Seilzüge nicht aus dem Grund, das Gold tiefer in den Berg zu bringen, sondern als Mahnung haben stehen lassen? Als Mahnung davor, keinen Fuß mehr an diesen Ort zu setzen... Würdet ihr mir dann glauben oder es als reine Fantasie abstempeln, wie es ein Großteil von euch auch mit dem Drachen getan hat, als sie glaubten, ich hätte mir seine Existenz nur ausgedacht? Wenn ich euch die Wahrheit erzählen würde - obgleich ich nicht weiß, ob es tatsächlich die Wahrheit ist, denn ich habe sie aus keiner verlässlichen Quelle erfahren - würdet ihr mir dann Gehör schenken? Werdet ihr mir versprechen, mein Wissen nicht zu hinterfragen und mir zu glauben?"

Niemand sagte etwas. Die beiden Zwergenbrüder wechselten erneut nachdenkliche Blicke, zuerst untereinander und dann auch mit Bilbo. Schließlich begann Fili, sachte zu nicken und die anderen beiden stimmten mit ein.

Thorin zog scharf die Luft durch die Zähne ein. "Dann bin ich euch wohl eine Erklärung schuldig..."

Er ließ kurz den Blick wieder nach vorn gleiten und Bilbo erschauderte. Der Schwarzhaarige ließ sich Zeit mit der angekündigten Erklärung und die Spannung und all die Fragen, die in den Köpfen der Unwissenden umherspukten, waren schier unerträglich. 

Die Felswände schoben sich näher aneinander und verengten sich Meter um Meter ein Stückchen mehr.

Sie fuhren weiter, untermalt von rasselnden Ketten, schleifenden Seilen und rüttelndem, knarzendem, morschen Holz. Und von dem bedrückenden Schweigen, welches schlimmer war als all diese Geräusche zusammen. Begleitet vom silbernen Schein der reinen, schimmernden Flüsse, die den Fels durchbrachen, fuhren sie durch die Finsternis.

Gerade, als Thorin den Mund öffnete, um etwas zu sagen, endete ihre Fahrt so plötzlich, dass Bilbo nicht genug Zeit hatte, sich festzuhalten und ins Taumeln geriet.

Die Gondel war inzwischen so nah an den Felswänden, dass es zu einem hässlichen, schabenden Geräusch kam. Das Holz begann, zu splittern, die Seile wurden lockerer.

Der Ruck, den die Vollbremsung ausgelöst hatte, gab Bilbo den Rest. Er wedelte mit den Armen, um sein Gleichgewicht zurück zu erlangen, doch es gelang ihm nicht. Ohne etwas dagegen tun zu können, fiel er rückwärts.

Starke Arme umschlossen ihn von hinten und hielten ihn fest. "Alles gut, Bilbo, ich hab dich." 

Er spürte lange Locken in seinem Gesicht kitzeln, öffnete die Augen - er hatte sie in Erwartung des schmerzvollen Aufpralls fest zusammengekniffen - und sah nach oben, in das Gesicht seines Freundes.

Auf dessen Lippen zeichnete sich ein herzerwärmendes Lächeln ab. "Gerade noch mal gut gegangen, was?"

Sein Herz klopfte wie wild und versuchte, zu verarbeiten, dass sein Freund ihn soeben vor einem ziemlich schmerzvollen Sturz bewahrt hatte.

Zögerlich erwiderte er das Lächeln, noch etwas verlegen und verwirrt, da sich ihre Gesichter durch die Rettungsaktion ziemlich nahe gekommen waren. Nahe genug zumindest, um den kleinen Hobbit erröten zu lassen.

"D-danke..." stammelte er und drohte wieder, sich in den blauen Augen des Größeren zu verlieren, der ihn noch immer fest von hinten umschlossen hielt und auf ihn herablächelte.

Kili räusperte sich, Fili sah ihn tadelnd an. Thorin, der sie bis zu diesem Moment, so schien es zumindest, völlig ausgeblendet hatte, riss sich von den Augen des Kleineren los und blickte unschuldig und wütend zugleich zu seinen Neffen.

Ohne ein weiteres Wort half er Bilbo, sich wieder aufzurichten und nahm schließlich die Arme zurück, als dieser wieder auf sicheren Füßen stand.

Er drehte den Kopf und starrte in die Dunkelheit.

"Wir sind da."






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Sie sind da.

Und bevor jemand auf die Idee kommt, es mir unter die Nase zu reiben - Ja, ich weiß, dass Silbererze nicht so aussehen wie ich sie hier beschrieben habe. Trotzdem, so klang es einfach ein bisschen schöner.

Ich wollte an diesem Punkt jetzt einfach mal DANKE sagen. Ich meine - über 2600 Views und auch über 250 Sternchen, das... das ist wirklich krass! Ihr seid krass. :)

Danke. <3 


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