Hoher Besuch
"Weshalb habt ihr mir nichts gesagt?!"
Laute, hastige Schritte hallten in den Gängen des Einsamen Berges wider. Thorins Stimme donnerte vor Wut, sein Gesicht war vor Zorn verzerrt. Ohne seine Schritte zu verlangsamen, wartete er auf eine Antwort von Kili, der neben Bilbo ging und wie er selbst kaum fähig war, mit seinem Onkel Schritt zu halten.
Der junge Zwerg zögerte. "Wir dachten..."
"Oh, ich denke nicht, dass ihr nachgedacht habt, als ihr die Entscheidung fälltet, mir einen Brief von dieser Priorität vorzuenthalten!"
Kili senkte seine Stimme, wohl wissend, dass nichts, was er nun sagen würde, den Zorn seines Onkel würde schmälern können. "Wir haben nicht geahnt, dass diese Situation so schnell eintreten würde. Wir wollten warten, bis du wieder vollständig genesen bist, und... Onkel, bitte lauf nicht so schnell, denk an deine Verletzungen."
"Meine Verletzungen dürften gerade unser geringstes Problem sein, Kili."
Nun war es der Angesprochene, der plötzlich zornig wurde. "Niemandem ist geholfen, wenn du schon wieder dein Bewusstsein verlierst. Ich wette, Oin ist es langsam müde, dich immer wieder zusammenzuflicken." Thorin zeigte mit Ausnahme eines wütenden Knurrens keine Reaktion, und der junge Zwerg ließ den Zorn in seiner Stimme einer tiefen Besorgnis weichen. "Onkel, ich bitte dich! Bilbo, sag doch auch mal was..."
Er sah zu dem kleinen Hobbit, der um einige Schritte zurückgefallen war. Als er in Kilis verzweifeltes Gesicht blickte, öffnete er kurz die Lippen, doch er spürte, dass seine raue Kehle keinen Ton erlauben würde, und schloss sie wieder. Er konnte nichts sagen. Nicht jetzt.
Was gerade dort oben auf dem Berghang geschehen war, oder besser; was geschehen wäre, hätte Kili sie nicht unterbrochen, erschloss sich Bilbo beim besten Willen nicht. Sein Brustkorb schmerzte bei dem Gedanken daran, wie es sich angefühlt hatte, von Thorins warmen Händen auf so neue und ungewohnte Art berührt zu werden, wie sich die Worte angehört hatten, die sein Freund mit bebenden Lippen gesprochen hatte. Wie egal ihm alles mit einem Mal geworden war. Wie unbedeutend, wie belanglos. Und wie leer er sich plötzlich gefühlt hatte, als der Moment vorüberging. Und er spürte diese Leere noch, und sie gestattete es ihm nicht, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen.
Nun ja, bis auf einen Gedanken, wenn auch keinen klaren. Denn mit einem Mal glaubte er zu verstehen, was "Amrâlimê" bedeuten könnte.
Die beiden Zwerge eilten weiter, und Bilbo folgte ihnen, was blieb ihm auch anderes übrig? Kili sagte nichts mehr. Er war dafür gewesen, dass Thorin den Brief sofort erhielt, und er sah, dass er im Recht gewesen wäre. Doch Zeit ließ sich nicht zurückdrehen. Die Welt wäre ein sehr viel unkomplizierterer Ort, wenn so etwas möglich wäre.
Der Brief, den er seinem Onkel vor wenigen Minuten gegeben hatte, war nicht der, den Fili vor dem Kampf mit dem Drachen in seiner Manteltasche verwahrt hatte. Diesen Brief hatte Thorin nie zu Gesicht bekommen. Das Siegel dieses neuen Briefes war dasselbe, und sein Inhalt war recht eindeutig. Die Menschen von Thal hatten um Hilfe gebeten. Und diese Hilfe war am Morgen dieses Tages in der Stadt angekommen.
Der Gang machte eine Kurve, und mit eiligen Schritten kam ihnen Dwalin entgegen. Sein Gesicht wirkte besorgt, als er in das von Thorin sah. Er blieb stehen, sah zu Kili, und als dieser nickte, räusperte er sich.
"Sie haben eine kleine Gruppe Reiter ausgesandt. In weniger als fünf Minuten dürften sie das Tor erreicht haben."
Thorin knurrte, und ging an Dwalin vorbei. "Wer ist unter ihnen?"
Der Zwerg zögerte und senkte den Blick, während er versuchte, mit den anderen Schritt zu halten. "Das dürfte dir jetzt weniger gefallen..."
"Sprich!"
"Der Elbenkönig. Das Banner war recht gut zu erkennen."
Thorin zeigte keine Reaktion. Seine Schritte verlangsamten sich kurz, doch schon im nächsten Moment setzte er seinen Weg fort, in dem selben Tempo und mit dem selben Zorn wie zuvor.
"Wo ist Balin? Ich muss mit ihm reden." Dwalin murmelte eine Antwort, und der Schwarzhaarige gab sich damit zufrieden. Er befahl Kili, seinen Mantel zu holen, und Dwalin, die anderen zu versammeln, solange sie es nicht schon getan hatten. Bilbo erhielt keinen Befehl.
Als Dwalin und Kili den Gang verlassen hatten, blieb Thorin plötzlich stehen, und der kleine Hobbit tat es ihm verwundert gleich. Er sah, wie der König sein glühendes Gesicht kurz in den Händen vergrub, sich zweimal durch die offenen Haare fuhr, tief ein- und wieder ausatmete, und sich dann langsam zu ihm umdrehte.
Er bemerkte, dass Thorins Hände zitterten, und das hatte er nur selten bei ihm beobachtet. Er sah, dass Thorins Gesicht blasser geworden war, seine Augen glasiger. Thorins Brust hob und senkte sich in raschen, schwachen Atemzügen, als bekäme er kaum Luft. Seine Narbe leuchtete rot auf seiner blassen Haut.
Mit seinen zittrigen Händen tastete er nach denen Bilbos und schloss sie in die seinen ein. Der Halbling fuhr kurz zusammen, denn mit einem Mal fühlten sie sich anders an als vor wenigen Minuten. Kälter. Schwächer.
"B-bilbo..."
Er blickte in die fiebrig glimmenden Augen eines Kranken. Besorgt erwiderte er den Druck seiner Hände. "Du solltest das hier nicht tun müssen...", hauchte er, erstaunt darüber, dass er nun doch des Sprechens fähig war. "Doch was auch immer gleich geschehen mag - ich bin mir sicher, du wirst das Richtige tun."
Der Schwarzhaarige sah ihm tief in die Augen, als er antwortete. Seine Stimme wirkte schwächer, als wollte er sie für etwas schonen. "Ich brauche dich jetzt an meiner Seite."
Bilbo öffnete kurz den Mund, doch irgendetwas in dem Blick seines Freundes hielt ihn von einer Antwort ab. Er nickte, stumm und mit vor Sorge aufeinandergepressten Lippen. Er spürte, dass Thorin seine Hände ein wenig fester als zuvor hielt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und sein Griff lockerte sich erst nach einigen Sekunden.
Der Schwarzhaarige ließ kurz seinen Blick auf ihre ineinander verschränkten Finger wandern und atmete noch ein wenig flacher. "Vi-vielleicht reden wir... später... noch einmal?" fragte er mit zögernder Stimme, als würde er daran zweifeln, dass Bilbo zustimmen würde.
Der kleine Hobbit nickte, und traute sich, kurz mit dem Daumen über Thorins Hand zu streichen. "Ich hoffe nur, dass bei diesem nächsten Mal nichts dazwischen kommt."
Die Mundwinkel des Schwarzhaarigen zuckten, und in dieser Regung lag ein Hauch von Trauer. Er drückte Bilbos Hand ein letztes Mal, bevor er sie losließ. Sie brauchten einige Sekunden, ehe sie die Blicke voneinander lösten, und als sie es schließlich über sich brachten, setzten sie ihren Weg mit Unbehagen fort.
Sie sprachen kein Wort, während sie weitergingen. Sie sahen sich nicht an. Denn sie waren in Selbstzweifel versunken, wussten nicht, was der jeweils andere dachte, oder ob sie gar dasselbe dachten, wussten nicht, was die eigenen Gedanken in diesem Moment für ein Spiel spielten. Sie schwiegen sich an, als würden sie sich schämen, während sie einen Fuß vor den anderen setzten und darüber nachrätselten, wie viel sie in den letzten Minuten über ihr wahres Selbst preisgegeben hatten. Auf welche Bahn sie das Schicksal wohl rufen würde.
Und ob diese Bahn vielleicht eine gemeinsame sein könnte.
~~~
Sie trafen Balin in einem Zimmer, in dem Bilbo zuvor noch nie gewesen war. Der lange Tisch in der Mitte, die große Zahl an Stühlen und die alten, mit Spinnenweben und Rost überzogenen Kronleuchter ließen ihn zu dem Schluss kommen, dass es ein weiterer Raum für Versammlungen war, denn er war dem recht ähnlich, in dem sie sich vor dem Kampf gegen den Drachen zusammengefunden hatten.
Der weißbärtige Zwerg saß auf einem der Stühle, den Kopf auf seiner rechten Hand abgestützt, und im schwachen Licht der wenigen Fenster wirkte er älter und fahler denn je. Eine tiefe Sorgenfalte hatte sich in sein Gesicht gegraben, sein Blick war auf ein zerknittertes Pergament gerichtet, nervös und mit zitternden Fingern strich er über die vergilbten, weichen Ränder. Als er sah, dass Thorin den Raum betreten hatte, fuhr er hoch, als sei er bei etwas ertappt worden, doch es gelang ihm, ruhig zu bleiben. Bilbo konnte erkennen, dass seine Hände zitterten, und das verriet ihm, dass der Zwerg vor seinen Augen trotz dieses falschen Scheins aufgebracht war.
"Ist das der Brief?" Thorin deutete auf das Pergament, mit dem sich Balin bis zu diesem Zeitpunkt beschäftigt hatte, der weißbärtige Zwerg nickte schwach und reichte es ihm.
Er sah kurz zu Bilbo, während der Schwarzhaarige mit zusammengekniffenen Lidern die Zeilen überflog, und in seinen Augen erkannte der Halbling eine Besorgnis, die auch ihn selbst um die Ruhe brachte.
Nach einigen Sekunden ließ Thorin das Blatt sinken. "Wusstest du davon?"
Der Weißbärtige öffnete seine schmalen Lippen, zögernd. Der Zwergenkönig war dieses Zögern bereits Antwort genug, und er nickte, den Blick auf den Boden gerichtet. "Seit wann?"
Balin räusperte sich, sichtlich angespannt. "Als wir damit beschäftigt waren, das Tor freizulegen, machte einer deiner Neffen eine Bemerkung über diesen Brief. Und-"
"Das heißt, ihr alle wusstet, dass Elben auf dem Weg nach Thal sind. Und ihr habt darüber geschwiegen? Ihr habt über den Kopf eures Königs entschieden, obwohl ihr um die Konsequenzen wusstet?" Es wirkte, als sei Thorin ein Stückchen größer und der Raum ein wenig finsterer geworden, denn seine Stimme war tief und scharf und voller Zorn. Ein seltsames Lodern in seinem Blick ließ Bilbo instinktiv einen Schritt zurückweichen. Die Ruhe, mit der diese Worte über seine Lippen gekommen waren, war nur ein Zeichen dafür, dass sich Thorin Mühe gab, die Worte in seinem Zorn nicht hinaus zu donnern, denn er brauchte jedes Bisschen seiner schwindenden Kraft. Doch er sprach durch aufeinandergepresste Zähne.
Dann änderte sich sein Blick. Es war der Moment, in dem er in die verschreckten Gesichter der beiden anderen sah und es wirkte, als sähe er in einen Spiegel. Schockiert über sich selbst senkte er den Kopf, schüttelte ihn langsam, und sprach nach wenigen Sekunden weiter, und dieses Mal klang seine Stimme schwächer, sanfter. Gebrochener als zuvor.
"Ihr hattet Angst." Er sagte es mit der Stimme von jemandem, der beginnt, etwas nach langer, langer Zeit in Blindheit zu begreifen. "Deshalb habt ihr nichts gesagt. Ihr hattet Angst vor mir."
Langsam hob er den Kopf wieder und sah in Balins Gesicht. Sein rechtes Auge wirkte im schwachen Licht ein wenig weißer, und seine Narbe dunkler. Als er weitersprach, klang seine Stimme trocken und staubig.
"Aber ihr hättet es mir sagen können, als ich wieder ich selbst war. Weshalb habt ihr das nicht getan?" Er senkte den Blick um wenige Zentimeter, als ihm bewusst wurde, dass er die Antwort auf seine Frage schon kannte. Er schloss den Mund, schluckte, und nickte langsam. "Sag nichts, ich weiß es längst. Ich hätte nie gedacht, dass diese... diese Krankheit so weit gehen würde, dass dieser Tag einmal kommen würde. Und hier stehe ich. Alles, was mir an Vertrauen gegeben wurde, habe ich zerstört. Selbst du. Selbst du traust mir nicht." Er sah wieder zu Balin. "Selbst du zweifelst daran, dass wirklich ich es bin, der gerade vor dir steht. Ich kann es in deinen Augen sehen."
Der Weißbärtige schüttelte den Kopf. "Ich sehe vor mir denselben Zwerg, dem ich einst beschloss, zu folgen."
Bilbo räusperte sich und stellte sich neben Balin. "Und damit ist er nicht allein." Auf seinen schmalen Lippen erschien ein kleines, blasses Lächeln. "Was immer dieser Tag auch bringen mag, an dieser Tatsache wird sich nichts ändern."
Thorins blaue Augen schimmerten matt. Nicht feurig. Nicht lodernd. Es war ein dankbares, trauriges Schimmern, das von einer Tiefe rührte, die der Schwarzhaarige in den vergangenen Wochen gelernt hatte, zu ignorieren. Doch langsam verlernte er seine Ignoranz gegenüber dem Richtigen, gegenüber dem, was wirklich zählte. Das Schimmern in seinen müden Augen wirkte aufrichtig, und als Bilbo das sah, wusste er, dass Thorin stark genug sein würde. Alles, was er jetzt brauchte, das war Vertrauen. Und der Schwarzhaarige konnte genau das in den Augen des Halblings erkennen.
Die Lippen des Königs öffneten sich zu einem schmalen Spalt, doch er sprach noch nicht. Die Sonne war ein wenig tiefer gesunken, langsam und golden verschwand das Licht vom Himmel. In den letzten Strahlen des einfallenden Lichts tanzten kleine Staubkörner, von weitem sahen sie aus wie wirbelnde Nebelschwaden. Bilbo und Balin sahen Thorin erwartungsvoll an.
Er atmete langsam und betont die milde, kühle Abendluft. Nach einigen Sekunden senkte er den Blick. "Ich... ich danke euch", hauchte er. Und seine Stimme klang ein wenig kräftiger als zuvor.
Bilbo lächelte. Er hörte Balin neben ihm aufatmen, als würde ihm eine schwere Last von den Schultern fallen.
Sie hörten hastige Schritte auf dem Gang, die lauter wurden, und richteten ihre Blicke auf die Tür, wussten, sie würde gleich geöffnet werden. Die Klinke wurde nach unten gedrückt und sie schwang auf.
Es war Kili, dem Thorin befohlen hatte, seinen Mantel zu holen, und hinter ihm konnte der Schwarzhaarige auch seinen blonden Neffen erkennen. Sie wirkten angespannt, erstaunt über die Tatsache, dass Thorin nun gefasster wirkte als zuvor.
Sie sahen ihn an und der Zwergenkönig nickte. Mit schnellen Schritten eilten Fili und Kili zu ihm und legten ihm einen schweren Mantel mit langen Ärmeln um. Bilbo erkannte ihn. Er war aus schwarzem, schweren Stoff gefertigt, verziert durch dunkelblaue Stickereien. Es schien, als würde sich ein mildes Glimmen durch die gestickten Muster bahnen, denn sie waren von silbern schimmernden Fasern durchzogen, die im letzten Licht des Tages funkelten. Thorin hatte diesen Mantel schon einmal getragen, als sie in einem ähnlichen Zimmer Versammlung gehalten hatten.
Die Königskrone lag noch immer zerbrochen neben dem kalten Körper des Drachen, tief, tief unter ihnen, in den alten, vergessenen Hallen aus Stein und Silber. Doch sie fehlte nicht. Thorin sah aus wie ein König, mit Krone oder ohne, das spielte keine Rolle.
Langsam drehte er sich in die Richtung seiner Neffen. Ihre Augen weiteten sich, als sie die Narbe und das gräuliche Weiß seines rechten Auges das erste Mal aus der Nähe betrachteten.
"Ich denke, ich bin bereit", sagte er mit tiefer, ernster Stimme.
Und als er das sagte, kam ein leichter Wind auf, und er trug einen hellen, hohen Klang mit sich. Es war der Klang von Hörnern, und sie wussten, was er bedeutete.
Sie waren da.
~~~
Sein Gesicht war starr nach vorn gerichtet, und er wirkte gefasst. Doch Bilbo konnte sehen, dass seine Hände zitterten. Sein Atem war flach, noch flacher als zuvor. Das fahle, grünliche Licht malte einen Schatten auf sein Gesicht.
Der kleine Halbling sah aus dem Augenwinkel nach rechts zu dem Schwarzhaarigen, schluckte, und musterte die Gesichtszüge, die er in- und auswendig kannte. Er stand zu seiner Linken, dicht neben dem Thron. Fili und Kili standen auf der anderen Seite, Balin und Dwalin auf der seinen.
Bilbo fand kein Wort, das auch nur annähernd hätte beschreiben können, wie miserabel er sich fühlte, als er dort stand. Kurz gelang es ihm, mit Thorin Blickkontakt aufzubauen, und da erkannte er, dass es seinem Freund noch schlechter als ihm erging. Sie trennten ihre Blicke erst nach wenigen Sekunden, als sie deutlich Schritte hörten, Schritte, die sich näherten. Es waren die Schritte von sechs Leuten. Drei Menschen. Drei Elben. Unter ihren ernsten Gesichtern gab es nur zwei, die Bilbo kannte.
Als sie sich näherten, konnte Bilbo hören, wie Thorins Atem noch flacher wurde, und seine Hände sich verkrampften, als würden sie sich in den Stein des Throns krallen wollen. Dann hörten die Schritte auf, und die Gruppe von sechs blieb wenige Meter vor ihnen stehen.
Die beiden, die die Gruppe angeführt hatten, traten einen Schritt nach vorn und neigten zum Gruß den Kopf, sahen wieder auf und warteten, bis Thorin begann, zu sprechen.
"Bard, Fürst von Thal, und Thranduil, König des Waldrandreiches. Es ist uns eine Ehre, Euch in unseren Hallen zu empfangen. Es ist einige Zeit verstrichen, seit wir uns das letzte Mal gegenüberstanden - Euer Anliegen dürfte dieses Mal ein anderes sein." Er sprach mit ruhiger Stimme, und mit der Bestimmtheit eines Königs, der wusste, was er tat. Niemand jedoch vermochte zu sagen, ob dies tatsächlich der Fall war.
Bard zögerte kurz, denn etwas im Tonfall des Zwergenkönigs verwunderte ihn. Sein Gesicht war angespannt und verriet, dass der Grund seines Kommens kein guter war. Nach einer kurzen Zeit gab er Antwort. "Wir danken Euch, dass Ihr uns empfangt - was unser Anliegen betrifft, so hatten wir gehofft, Ihr würdet es bereits erahnen."
Der Zwerg nickte langsam. "Ich denke, das tue ich..." Thorins Blick wanderte weiter zu Thranduil, der den Kopf ein wenig schief gelegt hatte und ihn ansah, als verstünde er kein Wort. Seine Augen waren leicht und grübelnd verengt, auf seinen Lippen war der Hauch eines Lächelns zu erkennen. Aber es war kein glückliches Lächeln, sondern ein falsches, und Thorin erkannte das. Er machte dieses Lächeln selbst ab und zu.
"Ich hoffe doch, die Anreise war nicht allzu beschwerlich?" fragte er mit offensichtlich gespieltem Interesse, und setzte dasselbe falsche Lächeln auf. Bilbo biss sich auf die Lippe, denn er erkannte den Ton. Er klang ein wenig provozierend, und er hoffte, dass Thorin wusste, was er tat.
Thranduil nickte, kaum sichtbar, und antwortete in demselben Ton, mit falscher Freundlichkeit. "Keineswegs, wir kamen schnell voran. Ein Spaziergang, geradezu. Das Wetter war herrlich."
"Ja, die Winde wehen mild am heutigen Tag."
"Sie waren einst Stürme", sagte Bard schnell, da er sich nicht auf dieses Spiel einlassen und zur Sache kommen wollte. Thorin und Thranduil richteten zeitgleich ihre Blicke auf ihn, und er fuhr zögernd fort. "Nun, diese Stürme trugen Gerüchte zu uns. Gerüchte, deren Wahrheitsgehalt wir nicht kennen."
"Und werdet Ihr mir auch verraten, von welchen Gerüchten Ihr sprecht?"
"Gerüchte von Waffen. Von Krieg. Wir haben den letzten gerade erst hinter uns. Haben gerade erst wieder gelernt, was Zuversicht bedeutet. Was immer in den letzten Wochen hinter diesen Mauern geschehen ist, es erstickt diese Zuversicht im Keim. Habt Ihr ein einziges Mal an das gedacht, was jenseits Eurer Hallen aus Stein liegt? Was aus dem Tal geworden ist? Und was Ihr mit Eurer offenen Drohung vor einer Woche angerichtet habt? Wir kamen als Hilfesuchende zu Euch, doch Ihr drohtet uns mit Waffen, dachtet Ihr, wir würden darüber hinwegsehen?" Er machte eine Pause, da ihm der Atem ausging und seine Stimme begann, brüchig zu klingen. "Ich sah keine andere Möglichkeit, Euren Blick auf Thal zu lenken, als einen alten Freund um Hilfe zu bitten." Er sah zu Thranduil, mit Dankbarkeit in seinem Blick.
Der Elbenkönig hob sein Haupt noch ein Stückchen mehr, als er sprach, und seine Stimme wurde ernst. "Alles, was wir wissen wollen, ist, ob die Sorgen, die in Thal überhand nahmen, gerechtfertigt sind."
In der Halle wurde es still. Thorins Haltung verkrampfte sich ein wenig mehr, so meinte Bilbo zu erkennen, doch er selbst war so nervös und angespannt, dass er kaum fähig war, einen klaren Gedanken zu fassen. Was würde er antworten? Bard hatte ein Recht darauf, zu erfahren, was es mit Thorins Verhalten vor einer Woche auf sich hatte, doch die Anwesenheit Thranduils schien dem Schwarzhaarigen zu missfallen. Schließlich hatte der Elbenkönig nicht das Geringste mit dieser Angelegenheit zu tun, und zwischen Thorin und ihm war viel geschehen; zu viel, würde manch einer sagen. Einige Augenblicke verstrichen, in denen sich der Schwarzhaarige darüber klar werden musste, wie viel er gewillt war, preiszugeben, und sein Unterkiefer war während dieser bangen Sekunden angespannt, sein Atem angehalten, seine Zähne aufeinandergepresst, wie bei einem wilden Tier, das sich beherrschen muss, nicht unbedacht auf seine Beute loszugehen.
Schließlich öffnete er die Lippen. "Das sind sie nicht..." Er schluckte, senkte den Blick, ergänzte seine Aussage mit einem schwachen Flüstern. "... nicht mehr."
Bard stieß tonlos Luft aus, als wäre er sich nicht sicher, richtig gehört zu haben - was auch der Fall war. "Nicht mehr?"
Thranduil sah auf, trat einen Schritt nach vorn. Das provozierende Lächeln war verschwunden. "Nicht mehr? Das heißt, sie waren es einst?" Er sah Thorin an, und in seinem Blick lag eine Besorgnis, die Bilbo zuvor noch nicht aufgefallen war, denn sie lag hinter Empörung und Missbilligung verborgen. "Was ist geschehen?"
Der Angesprochene sah auf, und sein Blick wurde finster, als er den des Elbenkönigs streifte. "Nichts, was Euch etwas anginge. Ich gebe Euch mein Versprechen, dass die Tage ab heute heller werden, und gab Euch die Entwarnung, nach der Ihr suchtet. Aber ich sehe keinen Grund, warum ich mich vor Euch rechtfertigen sollte. Es ist nicht Eure Sache, was hinter diesen Mauern geschah."
Niemand sagte etwas. Der Blick des Elbenkönigs änderte sich nicht, und er studierte Thorins Züge, als hätte er sie das erste Mal gesehen. Seine Mundwinkel zuckten, und das missfiel dem Schwarzhaarigen. "Schämt Ihr Euch etwa? Ja... Ja, das tut Ihr. Ich kann es in Eurem Blick sehen." Das Lächeln des Blonden gefiel Thorin nicht, denn für seinen Geschmack wirkte es zu triumphierend.
Mit einem Schaudern spürte er, wie Thranduil den Blick auf seine rechte Gesichtshälfte lenkte und nach kurzer Zeit begann, seinen Gedankengang fortzuführen. "Ihr tragt dort ein hübsches Mal über Eurem rechten Auge. Als wir uns das letzte Mal sahen, trugt Ihr es noch nicht, oder... irre ich mich?"
"Stellt keine Fragen, deren Antwort Ihr bereits kennt", knurrte Thorin, denn die Ironie in dieser Frage machte ihn zornig.
"Ich begreife den Zusammenhang nicht", sagte Bard schließlich, und seine Stimme klang auch danach. "Wir... wir rechneten nicht damit, Euch in solch einer Verfassung anzutreffen. Damals, vor Eurem Tor, schicktet Ihr uns Menschen weg, als wären wir Bettler. Doch jetzt... Ihr wirkt so anders, jetzt, da ich erneut vor Euch stehe."
Thranduil gab einen leisen, amüsierten Laut von sich. "... und doch so dickköpfig wie eh und je. Wenn Ihr meint, wir würden Euch den Rücken zukehren, nur weil Ihr stolz und stumm auf Eurem Thron sitzt, so muss ich Euch enttäuschen."
"Dennoch werde ich Euch die Erklärung schuldig bleiben", gab der Schwarzhaarige zur Antwort, und man spürte, wie viel Kraft es ihn kostete, seine Stimme gedämpft zu halten. "Was immer hier geschehen ist, es ist vorüber, und birgt keinerlei Konsequenzen für die Menschen von Thal. Und schon gar nicht für die Elben des Waldlandreiches." Jeder spürte die Missbilligung, die Thorin in diesen letzten Satz gelegt hatte, und wie sehr es ihm verhasst war, sich vor dem Elbenkönig in seinen eigenen Hallen zu rechtfertigen.
So langsam wurde auch Thranduil dieser stillen Aggression müde und senkte seine Stimme, wodurch sie voller und eindringlicher klang. "Haltet uns nicht zum Narren. Ihr seid um eine Narbe reicher und um eine Krone ärmer."
"Es ist nicht die Krone, die einen König macht."
"Und es sind Kämpfe, die zu Narben führen. Sagt mir, welche Schlacht habt Ihr geschlagen, dass Ihr ein solches Mal zu tragen habt?"
Und wieder knurrte Thorin. "Ich bin Euch keine Rechenschaft darüber schuldig."
Der Elbenkönig stieß ungeduldig und fast amüsiert Luft aus, als stünde er vor einem trotzigen Kind, das sich nach einem langen Tag weigerte, ins Bett zu gehen. "Oh, die Sturheit der Zwerge... Ihr bedient Euch wahrhaftig an jedem Klischee."
Thorin grinste, und sein Grinsen schien ein wenig boshaft. "Was wollt Ihr hören?"
Bard ignorierte die Falschheit der Frage und nutzte die kurze Stille, um mit Zorn und Nachdruck in der Stimme einzugreifen, schließlich waren sie mit einem Ziel gekommen, und er hatte nicht vor, es an der Missbilligung zweier Könige füreinander scheitern zu lassen. "Ihr sagtet selbst, unsere Sorgen seien unberechtigt. Aber das waren sie nicht immer." Mit einer ausladenden Geste und ausgestrecktem Arm wies er schräg hinter sich, in die Richtung, aus der sie gekommen waren. "Dort draußen... dort draußen wartet eine gesamte Stadt auf unsere Rückkehr. Was soll ich ihnen sagen? Wie sollen sie mir glauben, dass die Tage heller werden, wenn Ihr mir nicht verratet, warum sie einst finster waren? Das ist nicht der Boden, auf dem Vertrauen gedeiht."
Die beiden Könige hatten nun die Blicke voneinander abgewandt und sie auf den Thalfürsten gerichtet, mit einem Ausdruck in den Augen, als hätten sie sich erst jetzt wieder an das eigentliche Ziel und den eigentlichen Grund dieser Audienz erinnert. Thranduil sah wieder zu Thorin, dann wieder zu Bard, der Schwarzhaarige senkte den Blick, denn die Worte des Drachentöters waren ernst und wahr und er brauchte eine kleine Weile, um das Gehörte zu reflektieren. Thranduil und Bard gaben ihm die Zeit, die er brauchte.
Einige Sekunden geschah nichts. Die Menschen und Elben hinter den Rücken der beiden warfen sich zögernde und sorgenvolle Blicke zu, die Zwerge, die neben dem Thron standen, taten es ihnen gleich. Schließlich sahen sie, wie der Zwergenkönig seinen Blick hob und ihn auf Balin richtete, und den Weißbärtigen mit einer kleinen Bewegung seines Kopfes dazu veranlasste, ein paar Schritte näher zu treten, bis dieser unmittelbar neben dem Thron stand. Er beugte sich ein wenig hinab, der Schwarzhaarige flüsterte ihm etwas ins Ohr. Weder Fili, noch Kili, Dwalin oder der kleine Bilbo verstanden etwas von den Worten, die Thorin zu ihm sagte, doch der Blick, der sich, als er diese Worte zu Ende gesprochen hatte, auf dem Gesicht des Weißbärtigen abzeichnete, hätte vielsagender nicht sein können. Es war ein Blick voll Unverständnis und Unsicherheit, doch Thorin ließ diesen Blick mit einem entschlossenen Nicken seinerseits verschwinden. Zögernd nickte nun auch Balin zum Einverständnis, doch man sah ihm an, dass er Zweifel an dem hegte, was immer Thorin gerade gesagt hatte.
Zu Bilbos Erstaunen trat der Weißbärtige nun von der Empore herab, blieb kurz vor der Gruppe an Elben und Menschen stehen, als würde er zögern, und ging daraufhin an ihnen vorbei. Seine Schritte waren eilig, aber vorsichtig; es waren die Schritte von jemandem, der wusste, was er zu tun hatte, sich über dessen Richtigkeit jedoch im Unklaren war. Bard und Thranduil sahen ihm mit Verwunderung hinterher.
"Nein", seufzte Thorin, und sämtliche Blick waren wieder auf ihn gerichtet. "Nein, Ihr habt Recht. Das ist nicht der Boden, auf dem Vertrauen gedeiht. Ich habe versprochen, mich zu ändern..." Der letzte Satz war leise genug gesprochen, dass er die letzten der Menschen und Elben nicht mehr erreichte, Bilbo und die Zwerge jedoch verstanden ihn sehr wohl. Im Nachhinein hatte sich der Halbling immer gefragt, ob es vielleicht nur ein geflüsterter Gedanke gewesen war, und kein absichtlich laut gesprochener Satz. Thorin fuhr fort. "Ihr sagtet, Ihr hättet Gerüchte von Waffen gehört. Wie viel wisst Ihr darüber?"
Bard atmete einmal ein und wieder aus, als verstünde er noch immer nicht, welches Spiel hier gespielt wurde; ob überhaupt irgendein Spiel gespielt wurde oder ob es wirklich Thorin Eichenschild war, der vor ihm auf dem Thron saß und trotz der fehlenden Krone wirkte, als sei er nur dafür geboren. Der Thorin Eichenschild, der so anders wirkte als vor wenigen Tagen. Schließlich gab er Antwort. "Nicht viel. Aber es war genug, um die meisten der Einwohner Thals an Eurem Wort zweifeln zu lassen. Viele befürchteten, Ihr würdet bereuen, was Ihr nach der Schlacht tatet, und den Anteil des Schatzes, den Ihr uns gabt, gewaltsam zurückfordern. Den Anteil, der uns - und das solltet Ihr wissen - rechtmäßig zustand."
Thorin nickte. "Und ich halte an meinem Wort fest. Zurückzufordern, was rechtmäßig das Eure war und ist, lag nie in meinen Absichten. Ich dachte damals nicht über die Worte nach, die ich am Tor zu Euch sagte, und kann nicht mehr tun, als Euch um Vergebung zu bitten. Ich hatte nie vor, mit Waffen gegen Thal zu ziehen."
Obgleich Bard äußerst erleichtert über diese letzte Aussage war, gelang es ihm, diese Erleichterung zu verbergen, denn er traute dem Frieden noch nicht. "Nun, Ihr tatet nichts, um uns das Gegenteil zu beweisen. Als ich Euch vor drei Tagen einen Brief schickte, gabt Ihr uns keine Antwort. Weshalb nicht?"
"Hätte mich der Brief rechtzeitig erreicht, hättet Ihr innerhalb weniger Stunden meine Antwort in den Händen gehalten." Thorin widerstand dem Reiz, den Blick dabei auf seine Neffen zu richten, doch aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie sie bei der Nennung dieses Briefes schuldbewusst nach unten sahen.
"Und wie hätte diese Antwort ausgesehen?" fragte Thranduil, dem es ähnlich wie Bard erging.
Thorin räusperte sich, mit sichtlichem Unbehagen. "Es ist wahr, dass wir Waffen schmiedeten. Der Grund, aus dem wir sie brauchten, war jedoch so abwegig, dass ich nicht erwartete, dass ihn irgendjemand verstehen würde. Dieser Grund war ein ganz anderer, als Ihr annahmt."
Bard wurde mit der Zeit ungeduldig. "Dann sagt uns diesen Grund, sagt ihn uns!"
Der Schwarzhaarige sah ihm in die Augen, spürte die Blicke auf seiner neuen Narbe und widerstand dem Drang, sofort wieder nach unten zu sehen. Seine Mundwinkel zuckten, doch was sich damit ankündigte, war kein Lächeln. Langsam schüttelte er den Kopf, sachte, und seine Haut brannte dabei.
"Ihr sollt ihn sehen."
Ein Rumpeln hinter ihrem Rücken hielt die Besucher von einer Bemerkung ab. Es war das Rumpeln rollender Räder.
Als sie ihre Blicke auf die Quelle des Geräusches richteten, erkannten sie einen kleinen Wagen, mit einer Fracht, die sie nicht erkennen konnten, da sie unter einem schweren Tuch verborgen war. Bilbo verrenkte sich fast den Hals bei dem Versuch, an der Menschen- und Elbengruppe vorbeizusehen, um auch einen Blick auf das Geschehen erhaschen zu können, und als es ihm schließlich gelang, wusste er, was Thorin Balin zuvor zugeflüstert hatte.
Er konnte den Weißbärtigen hinter den Silhouetten von Oin und Gloin ausmachen, die den Wagen in ihre Richtung schoben, denn der Schwarzhaarige hatte ihn geschickt, die schwere, fragwürdige Fracht herzubringen, und mit dieser Fracht den Grund, den die Seemenschen und die Elben so dringend wissen wollten. Und Bilbo wagte nicht, sich vorzustellen, wie die Anwesenden auf diesen seltsamen Fund reagieren würden, er erinnerte sich noch sehr gut an seine eigene Reaktion vor etwa einer Woche, und er erinnerte sich, dass er es nicht hatte glauben wollen.
Kurz vor der kleinen Gruppe blieben die Zwerge mit dem Wagen stehen, sahen erst in die fragenden Gesichter der Elben und der Menschen, danach in das ihres Königs, die Hände bereits an das dunkle Tuch gelegt, bereit, es beiseite zu schlagen - und damit das zu entblößen, was Bilbo zuerst für einen schlechten Scherz gehalten hatte. Der kleine Hobbit sah Thorin von der Seite an, sah, wie er zögerte, als wollte er die letzten Sekunden des ratlosen Schweigens genießen. Schließlich nickte er, und das Tuch verschwand.
Ein aufgebrachtes, zischendes Flüstern ging durch die Gruppe von sechs, als sie sahen, was sich darunter befand. Thorin hob sein Haupt, schloss kurz die Augen, und wartete ab, bis der erste von ihnen beginnen würde, zu sprechen, doch nach kurzer Zeit spürte er den kindischen Drang, den verblüfften Blick des Elbenkönigs zu sehen, und öffnete sie wieder. Er wurde nicht enttäuscht.
Thranduil trat an den Rand des Wagens und starrte mit blassem Gesicht auf die beiden Gegenstände, die glatt und aschengrau darin lagen. Sein Mund öffnete sich um einen gut sichtbaren Spalt, seine Augen weiteten sich, seine Atemzüge wurden leiser und schwächer. Vorsichtig hob er seine rechte Hand, und obwohl Bilbo nicht direkt daneben stand, konnte er sehen, dass sie zitterte, als seine Finger die raue Oberfläche der harten, rissigen Schale berührten. Kaum, dass er sie unter seiner Hand spürte, fuhr er zurück, als hätte ihm eine Stichflamme die Haut versengt. Sein Blick wurde finsterer, und ein Schatten des Zorns verhüllte sein Gesicht, als er zurück zu Thorin blickte. Er öffnete den Mund, und doch blieb er stumm.
Bard sah aus, als hätte ihm jemand eine unerwartete Ohrfeige gegeben. Er stand noch immer an seinem Platz, und auch sein Mund war geöffnet. Er starrte erst zu Thorin, dann zu dem Inhalt des Wagens, sah in die Gesichter seiner Leute und letztendlich wieder zu dem Schwarzhaarigen, der stumm und abwartend auf seinem Thron saß, als wäre er in Stein gemeißelt. Schließlich sprach er. Seine Stimme klang ein wenig höher und leiser als zuvor, doch niemand der Anwesenden ließ sich davon beirren.
"Sie... sie sind nicht echt, nicht wahr? Sie sind eine Fälschung..." Die Frage war unnötig. Bard stellte sie, obwohl er das wusste.
"Glaubt mir, ich verstehe Eure Verwunderung", antwortete der Schwarzhaarige mit ernster, fester Stimme, und mit Aufrichtigkeit. Er sah erst zu Bard, der ein wenig bleicher als sonst wirkte, und schließlich zu Thranduil, der noch immer nahe des Wagens stand, mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, der sich von Bards unterschied. Er sah nun wieder auf die Dracheneier, wirkte ein wenig gefasster als zuvor. Als er Thorins Worte vernommen hatte, drehte er sich langsam zu dem Zwergenkönig um, denn er traute diesen Worten nicht.
"Ihr nehmt uns auf den Arm", sprach er, mit Stolz in der Stimme und mit dem Bewusstsein von jemandem, der meint, sämtliche Fassaden durchschaut zu haben. "Ihr wisst genau so gut wie wir, dass es unmöglich ist, dass Smaug ein Vater war. Damit es zu so etwas kommen kann, braucht es auch eine Mutter - ich denke nicht, dass ich Euch erst erklären muss, wie die Uhr tickt... Könnt Ihr nicht eins und eins zusammenzählen?"
Thorin schüttelte langsam den Kopf und senkte seine Stimme, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. "Mir scheint, der einzige, der dessen nicht fähig ist, seid Ihr."
Thranduil löste sich von dem Wagen und trat mit entschlossenen Schritten auf ihn zu. Wenige Meter vor dem Thron blieb er stehen. Wenn Blicke töten könnten, so wäre das das Ende der beiden Könige gewesen. "Was wollt Ihr damit sagen?"
"Sm-smaug war... weiblich?!" stotterte Bard, der in seiner Verwirrung nicht mehr weiter wusste, und die anderen sahen ihn verwundert an.
Thorin schüttelte den Kopf und räusperte sich. "Nun... nein. Nein, ganz und gar nicht."
Der Blonde richtete seinen Blick nun wieder auf den Schwarzhaarigen, und suchte in seinen Augen nach etwas Unaufrichtigem, nach etwas, dass auf eine Lüge schließen ließ, doch er wurde nicht fündig. Irgendwann hörten ihn die anderen auflachen, aber er lachte nicht, weil er das alles sonderlich amüsant fand, sondern weil er zeigen wollte, wie wenig er von der ganzen Situation hielt. "Oh nein. Nein!", rief er, und sein Blick wurde wieder zornig. "Ich weiß, worauf Ihr hinaus wollt, und ich weigere mich, es zu glauben."
Bard seufzte, kraftlos und am Ende seiner Geduld. "Ich verstehe das nicht, wovon sprecht Ihr?"
Thranduil löste sich von den Augen des Zwergenkönigs und trat wieder neben den Seemenschen. "Das, was er uns sagen will, ist, dass Smaug nicht der einzige Drache im Einsamen Berg gewesen ist." Seine Stimme wurde lauter, als er sich wieder an Thorin wandte. "Aber Ihr wisst genau so gut wie wir, dass das unmöglich ist. Ich war da, am Tag, als Smaug Thal dem Erdboden gleich machte, ich war da, als er den Berg an sich nahm. Und ich habe nur einen Drachen gesehen. Nur einen."
Als Thranduil diesen Tag erwähnte, erkannte Bilbo, wie sich Thorins Unterkiefer anspannte, sein Atem wieder flacher wurde und sich seine Hände erneut so verkrampften, als würden sie den Stein des Throns durchdringen wollen. Als er sprach, sprach er durch aufeinandergepresste Zähne. "Und Eure Augen haben Euch nicht getäuscht, während Ihr mit Eurem Heer im Rücken die Rolle des stillen Betrachters spieltet. Es war nur einer."
Der Elbenkönig schüttelte den Kopf. "Hört Ihr Euch eigentlich reden? Ihr widersprecht Euch selbst!"
"Das tue ich nicht, keineswegs. Ich weiß nicht, ob Smaug wusste, worauf er stoßen würde, als er den Berg an sich nahm. Oder besser... auf wen er dabei stoßen würde."
Thranduils Mundwinkel zuckten. "Als nächstes werdet Ihr mir erzählen, es hätte sich all die Jahre ein weiterer Drache versteckt gehalten, ohne dass Ihr oder Eure Sippe davon wusstet."
"So ist es."
Wieder hörten sie ein Lachen, doch dieses Mal konnte sich Bilbo nicht entscheiden, ob es amüsiert oder gehässig klang. "Haltet Ihr uns für Narren? Jetzt ist nicht die Zeit, Märchen zu erzählen."
Thorin sprach unbeirrt weiter, und sah zu Bard, der stumm und fassungslos neben dem Elbenkönig stand. "Die Waffen, von denen Ihr annahmt, sie seien für die Bürger Eurer Stadt gedacht, fertigten wir kurz, nachdem wir die Eier durch einen Zufall fanden. Wir nahmen uns einen Pfeil zum Vorbild, der Euch gut bekannt sein dürfte."
Ein Licht der Erkenntnis fiel auf das Gesicht des Thalfürsten, als er nachsann und schließlich eine Antwort gab. "Ein... ein schwarzer Pfeil. Und wir dachten... mein Gott, wir dachten..." Er sprach den Satz nicht zu Ende, dazu hatte er weder die Kraft noch die Nerven. Er sah Thorin nicken, und mit einem Mal quälte ihn eine weitere Frage. Sein Gesicht wurde wieder finsterer, als er sie stellte. "Aber wozu brauchtet Ihr diese Pfeile? Ihr müsst Euch ziemlich sicher in Eurer Sache gewesen sein, wenn Ihr deshalb gleich die Schmiedefeuer entfachtet."
"Das waren wir...", sagte der Schwarzhaarige erst, doch dann erinnerte er sich wieder, dass das nicht der Fall gewesen war, und ergänzte den Satz. "Nun, mit ein paar Ausnahmen. Wir diskutierten, hielten Versammlungen, begannen, an einem Plan zu arbeiten. Innerhalb weniger Tage und Nächte waren wir bereit."
"Bereit wofür?"
"Bereit für einen Kampf. Tief, tief unten in diesem Berg liegen Hallen, an die sich nur noch die ältesten von uns erinnern. Hallen, in die sich seit Jahren kein Licht mehr verirrte. Der Zugang über die alten Gänge und Treppen ist vor langen Jahren eingestürzt, es existiert lediglich ein einziger Transportweg, eine alte Seilbahn, die durch einen langen, tiefen Schacht führt. Das ist der Weg, den wir einschlugen." Er machte eine kurze Pause und sah in die Gesichter seiner Gemeinschaft, die Gesichter, die wussten, was geschehen war. Der Elbenkönig und der Fürst von Thal taten es ihm gleich, und sie sahen, dass das, was Thorin sagte, keine Lüge war. "Wir... wir fanden, wonach wir suchten. Wir kamen nur knapp mit dem Leben davon."
Bilbo war erleichtert, dass es Thorin gelungen war, diese leidvollen Stunden in diesen wenigen Sätzen zusammenzufassen, auch wenn sich die Erzählung nun unvollständig und nicht ganz wahr anfühlte. Der Schwarzhaarige sah zu ihm und der kleine Hobbit tat es ihm gleich. Er blickte in die Augen von jemandem, der erleichtert war, gesagt zu haben, was gesagt werden musste, die Augen von jemandem, der dasselbe dachte wie er. Es dauerte einige Sekunden, bis sie die Blicke voneinander lösten und wieder auf die anderen sahen.
Als er ihre Gesichter sah, wusste Thorin, dass er nicht weiter ins Detail gehen musste. Er sah Augenpaare, die auf seine Narbe wanderten und sich schnell wieder abwandten, als sie meinten, genug gesehen zu haben. Das Augenpaar, das am längsten auf ihr ruhte, gehörte dem blonden Elbenkönig. Er wirkte nicht zornig, nicht missbilligend. Man sah, dass er nachdachte. Worüber, das konnten die Zwerge nur erahnen, und Thorin hatte eine Ahnung, die ihm nicht gefiel.
Sie hörten, wie Bard sich räusperte. In seiner Stimme lag ein Schatten von Traurigkeit verborgen, als er den Schwarzhaarigen anblickte und das Schweigen brach.
"Damals, als Ihr in der Seestadt ankamt, schenkten Euch die Bürger Vertrauen. Und Ihr habt uns enttäuscht - Esgaroth fiel in den Flammen von Smaug. Als die Schlacht vorüber war, freuten wir uns, dass Ihr noch am Leben wart. Wir hatten nicht einmal zu hoffen gewagt, doch Ihr hieltet Euer Wort und wir vertrauten Euch erneut. Weshalb habt Ihr dieses Vertrauen sehenden Auges missbraucht? Ihr hättet uns von Eurem Verdacht erzählen müssen, es wäre Eure Pflicht gewesen! Damals in der Seestadt ließen wir Euch ziehen, dem Drachen entgegen, und wir sahen Euch erst wieder, nachdem unsere Stadt zu Asche verbrannte. Und als wir Euch wiedersahen, wart Ihr in Kriegsrüstung gekleidet. Was wäre geschehen, wenn es dasselbe mit diesem Drachen gewesen wäre?"
Thorin musste nicht lange über diese Worte nachsinnen, denn er hatte mit ihnen gerechnet, wenn auch mit bangen Gedanken und mit der Hoffnung, diese Frage nicht beantworten zu müssen. Nach kurzer Zeit öffnete er die Lippen und sprach. "Ich will nicht daran denken, was geschehen wäre, wenn wir versagt hätten. Ich war verantwortungslos, Eure Bitten nach Hilfe mit leeren Drohungen abzutun. Mir war bis vor kurzem nicht bewusst, dass ich damit das Vertrauen zerstöre, das unsere Häuser so lange verband."
"Warum war es das nicht?" Das war die Stimme des Elbenkönigs. Als Thorin den Blick auf ihn richtete, sah er in dasselbe forschende Gesicht wie vor wenigen Augenblicken, und der Ausdruck darauf gefiel ihm ganz und gar nicht.
"Wie meint Ihr das?" fragte er, obwohl er die Antwort bereits erahnte, ob es ihm gefiel, oder nicht.
"Weshalb war Euch das nicht bewusst? Ihr hättet so etwas wissen müssen. Man könnte meinen, Ihr wärt nicht ganz bei Sinnen gewesen, ein derart hohes Risiko einzugehen." Er machte eine Pause, um Thorin Zeit für eine Rechtfertigung zu geben, doch zu seinem Erstaunen erhielt er keine. Er räusperte sich und seine Mundwinkel zuckten erneut. "Ich glaube, Ihr wisst, worauf ich hinaus möchte."
In seiner Vorahnung bestätigt senkte Thorin den Kopf um wenige Millimeter, und sah nach unten. "Ja, das weiß ich. Und ich kann Euch versichern, dass Eure Sorgen unbegründet sind. Ich bin ganz ich selbst."
"Verzeiht, wenn es mir schwerfällt, das zu glauben." Als er das sagte, hob der Schwarzhaarige erneut den Kopf und sah ihm in die Augen, als würde das helfen, ihm vom Gegenteil zu überzeugen. Thranduil ließ sich nicht davon beirren und redete weiter, den Blick auf Thorins rechtes Auge gerichtet. "Ihr könnt von Glück sprechen, dass Ihr nur mit einer Narbe davongekommen seid. Ist man nicht ganz man selbst, kann man sich schnell zu Dingen hinreißen lassen, die man im Nachhinein bereut. Dinge, die im Tod enden können."
Ein schmales, unehrliches Lächeln war die Antwort des Zwergenkönigs, und das bewirkte, dass nun auch seine Worte unehrlich und falsch klangen. Er wirkte jedoch, als sei er sich dessen nicht bewusst, und behielt das Lächeln auf seinen blassen Lippen. "Auch wenn Ihr klingt, als wüsstet Ihr wovon Ihr sprecht, so kann ich Euch beruhigen. Ich habe für das, was ich tat, bezahlt. Die grauen Tage sind vorbei, ich bin geheilt. Es gibt nichts, wovor Ihr Euch jetzt noch fürchten müsst."
"Oh, ich fürchte mich nicht. Es fällt mir nur schwer, diese Heilung zu glauben, denn ich glaube nicht an Wunder."
Das Lächeln verschwand und Thorin beugte sich vor, die Hände noch immer in die steinernen Armlehnen des Throns gekrallt. "Wie ich schon sagte, ich kann Euch versichern, dass-"
"Verzeiht, wenn ich Euch ins Wort falle, aber Ihr müsst doch wohl selbst sehen, dass Euer Wort in diesem Fall von geringerer Bedeutung ist, denn ich denke nicht, dass Ihr beurteilen könnt, inwieweit man Euch trauen kann."
Es dauerte eine kleine Weile, ehe Thorin verstand. "Von wem wollt Ihr es dann hören?", fragte er mit monotoner Stimme, während er sich langsam zurücklehnte und versuchte, seinen Zorn in Zaum zu halten.
Der Elbenkönig sah kurz zu Bard und ließ dann seinen Blick über die Gesichter von Thorins Gemeinschaft gleiten. Seine Augen waren verengt, als er sie ansah, einen nach dem anderen, und wenn sich ihre Blicke kreuzten, musste der ein oder andere nach unten sehen, da er seinem Blick nicht standhalten konnte. Bilbo spürte, wie ihm ein eiskalter Schauder durch die Venen fuhr, als seine Augen auf die des Blonden trafen.
Ob Thranduil erst jetzt erkannt hatte, dass der Halbling die ganze Zeit über dort gestanden hatte, konnte er nicht sehen, alles, was er ausmachen konnte, war, wie sich seine Züge langsam veränderten. Seine Mundwinkel zuckten.
"Bilbo Beutlin..." Als er seinen Namen hörte, schluckte er. "Ich hatte angenommen, Ihr hättet längst den Heimweg angetreten."
Der kleine Hobbit musste sich erstaunlich viel Mühe geben, seinen Blick nicht nach unten schweifen zu lassen, sondern dem Elbenkönig ins Gesicht zu sehen. Unbeholfen räusperte er sich und antwortete so nervös, als hätte man ihn mit einem Messer an der Kehle dazu gezwungen.
"N-nun, ich... habe beschlossen, umzukehren."
"Was man nicht alles für seine Freunde tut..." Thranduil lächelte erneut sein falsches Lächeln und nickte verstehend, während er aus dem Augenwinkel zu Thorin sah. Er sah wieder zu dem Halbling und hob sein Haupt noch ein wenig mehr empor, wodurch sich Bilbo mit einem Mal winzig und hilflos fühlte.
"Ihr habt vor ein paar Monaten bewiesen, dass Ihr in solchen Situationen einen kühleren Kopf als Euer Freund bewahren könnt. Ihr seid derjenige, den ich frage... aber nicht hier."
Bilbo wollte daraufhin eine Frage stellen, doch Thorin nahm sie ihm aus dem Mund. "Nicht hier? Wie meint Ihr das?"
Thranduil ließ sich nicht davon beirren, wie zornig und besorgt diese Stimme plötzlich klang, und gab ihm die Antwort, die er suche. "Nun, ich denke, ich gehe recht in der Annahme, dass Ihr uns einen kleinen Moment unter..." Er sah zu Bard. "... unter sechs Augen geben könnt. Und einen Raum. Ich werde nicht das Risiko eingehen, dass die Antwort Eures Meisterdiebes von Eurer Anwesenheit beeinflusst wird."
Eine kleine Weile sagte niemand ein Wort. Bilbo gefiel die Richtung nicht, in die das bisherige Gespräch verlaufen war, und ihm allein sollte es nun bestimmt sein, die Ruder in die Hand zu nehmen? Er fürchtete sich vor dem, was nun kommen würde, denn er stand nun allein, und er war nicht gut in Worten, jedenfalls nicht in Worten, von denen großes abhing. Thranduil hatte ihm nun eine Rolle gegeben, die ihm verhasster war als alle anderen, die er zuvor hatte spielen müssen.
Ein kalter Schauder fuhr ihm über den Nacken, und als er sich zur Seite drehte, sah er, dass es Thorins Blick gewesen war. Als sich ihre Augen trafen, atmete er tief ein und wieder aus. War das, was er in denen des Schwarzhaarigen sah, etwa Zweifel? Vertraute er ihm nicht? War das der Grund, aus dem er zögerte? Seine Gesichtszüge wirkten mit einem Mal so anders, so fremd. Die Schärfe in seinem Blick verriet, dass Thorin nach etwas in seinen Augen suchte. Vielleicht nach Lüge. Vielleicht nach Rat. Dieser Blick war ihm so fremd, dass er sich nicht erst an einer Deutung versuchte.
Noch während sie sich ansahen, öffnete der Zwergenkönig die Lippen. Seine Stimme klang bitter und schwer.
"Dann werdet Ihr bekommen, wonach Ihr verlangt." Er sah zur Seite, und dieses Mal trat Kili vor.
"Zeig ihnen den Weg zum Versammlungsraum."
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It's over.
It's done.
Die erste Schulwoche ist vorbei, und ich hab sie wider Erwarten überlebt. *ächz*
Ich bin jetzt in der zwölften, und vielleicht könnt ihr euch ja denken, was das bedeutet - Stress. Ich hoffe einfach wahnsinnig, dass ich trotz dessen noch ausreichend Zeit zum Schreiben finde, sollte das nicht der Fall sein, habt bitte Nachsicht mit mir - ich gebe mein bestes, um meinen Veröffentlichungs-Rhythmus beizubehalten.
An dieser Stelle nochmal MERCI BEAUCOUP für euren Support. Nein, wirklich. Das bedeutet mir viel. ❤
Wir sehen/schreiben/lesen uns!
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