Ein letztes Mal

Kurze Bemerkung vorneweg: Bitte verzeiht mir meinen miserablen Schreibstil in diesem Kapitel. Zu dem Zeitpunkt, als ich das hier geschrieben hatte (das ist jetzt sogar schon zwei Wochen her :D), hatte ich ziemlich viel für die Schule zu tun und daher wenig Zeit für wattpad. Viel Mühe gegeben hab ich mir bei diesem Teil also nicht, und das merkt man auch. Aber meiner Ansicht nach wird das nächste Kapitel dann besser (finde ich jedenfalls - aber das muss nichts heißen), falls das irgendwie zum Weiterlesen motiviert...

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Gedankenverloren seufzte der Hobbit, stützte seinen Kopf auf den Armen ab und schloss die Augen. 

Du musst hier weg, Bilbo Beutlin. Je eher, desto besser.

Ja, das klingt vernünftig. Einfach weggehen und das alles hier hinter sich lassen. Das alles hier Vergangenheit werden lassen. Das alles hier vergessen.

Wie konnte er es nur so weit kommen lassen? Er schämte sich. Sehr sogar.

Er stand doch nicht auf Männer, oder?! Nein... 

...nur auf diesen einen...

Schlagartig öffnete er wieder die Augen. Nein. Das hier war nur eine Schwärmerei, nichts weiter. Nichts ernstes. Nur eine Phase, die nach ein paar mal darüber schlafen wieder vergehen würde.

Und überhaupt, das würde doch gar nicht funktionieren. Ein Hobbit und ein König? Er lachte bitter. Niemals.

Hastig sprang er auf und ging mit schnellen Schritten zur Tür hinaus, versuchte, diese Gedanken abzuschütteln wie die Tropfen eines unerwarteten Regenschauers. 

Doch es gelang ihm nicht.

~~~

Auf halbem Wege kam ihm Fili entgegen. Als er den Hobbit sah, setzte er wieder dasselbe Grinsen wie vor wenigen Minuten auf.

"Es geht mich zwar nichts an, aber... darf man erfahren, was du mit meinem Onkel angestellt hast?"

"Was? Wieso fragst du?" erwiderte der Hobbit leicht überrumpelt.

"In all den Jahren, die ich ihn jetzt schon kenne, hab ich ihn noch nie so verunsichert erlebt wie gerade eben. Man könnte meinen, ich hätte euch bei etwas... wichtigem gestört..."

Bilbo biss sich auf die Lippe und sah den Zwerg begriffstutzig an. Dieser grinste weiter und fuhr fort.

"Ich frage dich das jetzt ganz im Vertrauen und egal, was du antwortest, ich schwöre, dass ich es niemandem verraten werde, aber..."

Er beugte sich ein Stück hinunter zu Bilbo und flüsterte. "Läuft da was zwischen euch?"

Der kleine Hobbit spürte, wie sein Gesicht rot anlief und blickte verdattert drein.

"Bitte was?! Wie... äh... was? Nein! Nein, natürlich nicht, wie... wie kommst du darauf?!"

Fili lachte laut und klopfte Bilbo auf die Schulter. "Ich mach doch nur Spaß, beruhig dich!" Er wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augen. "Du hättest dein Gesicht sehen sollen!" prustete er. 

"Ent-entschuldige..." sagte er schnell (noch immer lachend), als er Bilbos verständnislosen Gesichtsausdruck sah.

"Schon... schon gut..."

"Nein, jetzt mal im Ernst. Du... du bedeutest meinem Onkel sehr viel, das... das merkt man."

"Ich lasse ihn... also, das heißt euch auch nur ungern zurück, aber..." Er sah zu Boden. "Ich gehöre hier einfach nicht hin."

"Ich versteh schon, Bilbo. Jeder von uns versteht das, auch Thorin." Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. Der Hobbit erwiderte Filis Lächeln. "Danke."

"Du wolltest gerade zu Gandalf, oder?" Bilbo nickte.

"Na dann - er ist gleich dahinten, einmal nach links, dann vierte Tür rechts." 

"Vierte Tür rechts... Danke." Mit langsamen Schritten ging er in die ihm zugewiesene Richtung. Er war schon lange hier, es waren schon mehrere Monate seit seiner Ankunft am Einsamen Berg verstrichen, und dennoch fand sich der kleine Hobbit oft noch nicht zurecht in den großen steinernen Hallen Erebors. 

Als er die hölzerne Tür erreichte, zögerte er. Er freute sich zwar, Gandalf wiederzusehen, doch ihm schwirrten noch immer die Gedanken an die Unterhaltung mit Thorin im Kopf herum. Und dann diese Begegnung mit Fili. War das wirklich nur ein Scherz, oder ahnte er etwas von seinen Gefühlen? Nein, das konnte nicht sein. Oder doch?

Von innen drangen Stimmen nach draußen zu Bilbo. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er die Stimme von Gandalf vernahm, es war schon gefühlte Ewigkeiten her, dass er ihn zuletzt gesehen hatte. Worüber sprachen sie? Vorsichtig beugte er sich vor und lauschte.

Er wusste, dass man das eigentlich nicht tat - Freunde zu belauschen, das war nun wirklich nicht seine Art - aber die Neugier in ihm war stärker als der Anstand.

Jetzt sprach Thorin. "Ja... ja, du hast recht. Es ist besser so." Seine Stimme klang irgendwie... traurig. Worum ging es bei dem Gespräch? Er drückte sein Ohr gegen die Tür.

"Gut, dass du das einsiehst. Etwas Abstand wird nicht schaden, weder dir noch ihm. Glaub mir."

Um wen ging es da bitte? 

"Ich wollte nie, dass er geht, das weißt du." Das war wieder Thorins Stimme. Moment... ging es da etwa um ihn? Um Bilbos Abreise?

"Ihr werdet euch wiedersehen. Das wird kein Abschied für imm-" Gandalf wurde von Thorin unterbrochen, der jetzt voller Zorn seine Stimme erhob. 

"Glaubst du, ich wüsste das nicht?! Diesen Satz höre ich jetzt schon zum zehnten Mal! Und jeder, der ihn sagt, denkt, er tue mir damit einen Gefallen! Aber ich habe diese Floskeln satt! Ich habe es satt, von jedem gesagt zu bekommen, was das Richtige ist! Ich weiß, was das Richtige ist!" rief er wutentbrannt.

Gandalf blieb trotz Thorins Wutausbruch ruhig und seufzte. "Dann ist es ja gut." 

Bilbo merkte, dass er die Luft angehalten hatte. Er wollte nicht, dass seine Abreise seinem besten Freund so nahe ging. 

"Nein! Nichts ist gut! Ich habe Angst, ihn nie wieder zu sehen. Ich will ihn nicht verlieren. Und du weißt genau, wieso!" 

Gandalf sagte nichts. Es herrschte Stille. Bilbo wagte noch immer nicht, zu atmen, aus Angst, er könnte gehört werden. 

Thorin schnaubte. "Ich habe besseres zutun, als mich mit einem alten, herzlosen Zauberer zu unterhalten, der nichts von Gefühlen versteht." meinte er griesgrämig. Bilbo hörte schwere Schritte, die in seine Richtung kamen, schnellte von der Tür zurück und zog sich reflexartig den Ring über. 

Die Tür wurde geöffnet und vor ihm stand ein zornig dreinblickender Zwergenkönig, der in schnellen Schritten davoneilte. Bilbo hatte nur einen kurzen Moment Zeit, einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen und erschrak bei dem Anblick, der sich ihm bot. Thorins Gesicht war vor Wut verzerrt und seine Augen waren gerötet, so als hätte er versucht, Tränen des Zorns und der Enttäuschung zurückzuhalten. 

Der kleine Hobbit sah ihm nach, wie er eilig davontrottete. Auf leisen Sohlen, unsichtbar, folgte er ihm. Nach ein paar Metern, als sie außer der Sicht- und Hörweite Gandalfs angelangt waren, blieb Thorin stehen, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, vergrub sein Gesicht in den Händen - und schluchzte. 

Thorin weinte. Wimmernd und zitternd stand er da, hatte die Kontrolle über sich verloren und wäre fast zusammengesunken, hätte er sich nicht an der Wand abgestützt. Langsam knickten seine Knie ein und er rutschte an der Wand herunter, bis er schließlich auf dem Boden saß. 

Bilbo stand mit offenem Mund da und konnte seinen Augen nicht trauen. So hatte er seinen Freund noch nie gesehen. So zerbrochen, so hilflos. Er wusste nicht recht, was in ihm vorging. Am liebsten wäre er sofort zu ihm gerannt, hätte ihn umarmt, ihm die Tränen getrocknet, ihn getröstet und gesagt, dass alles gut werden würde, doch als er sich an den Ring an seinem Finger erinnerte, hielt er inne.

Eine Träne floss ihm die Wange herunter, denn es bereitete ihm Schmerzen, seinen Freund so zu sehen und zu wissen, dass er nichts tun könnte, um ihm zu helfen. Um ihn zu trösten.

Fassungslos und nicht imstande, etwas zu tun, stand er da. Unsichtbar. Er vernahm das gequälte und von unendlichem Leid erfüllte Schluchzen, Wimmern und Schlucken Thorins und wagte nicht, sich zu rühren. Schließlich setzte er sich neben ihn und betrachtete seinen Freund, während ihm eine Träne nach der anderen die Wange hinunterfloss. Von dem starken und selbstbewussten König war nichts mehr in ihm übrig. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst, ein winziges, zerbrechliches Häufchen Elend.

Urplötzlich hörte das Schluchzen auf, Thorins Kopf richtete sich auf und er starrte mit seinen nassen, geröteten Augen erschrocken direkt in Bilbos Richtung. Dieser wich schnell zurück. Hatte er ihn gehört?

Das hatte er nicht, wie er einige Schrecksekunden später vernahm. Vom anderen Ende des Ganges, welches nicht einsehbar war, erklangen Schritte und die Stimmen zweier Zwerge. Alarmiert sprang Thorin auf und eilte, bedacht darauf, kein Geräusch von sich zu geben, in die entgegengesetzte Richtung des Ganges, um nicht von den Kommenden entdeckt zu werden. Bilbo ahnte warum. Er wollte nicht, dass ihn die anderen so sahen - ihn in so einem Moment der Schwäche vorfanden. Er hatte ja auch nicht ahnen können, dass Bilbo ihn die ganze Zeit beobachtet hatte. 

Der kleine Hobbit folgte ihm nicht. Er hätte es nicht ertragen können, seinen Freund noch einmal so zu sehen. Seinen Freund... Er wusste, dass er für ihn so viel mehr empfand als nur Freundschaft, doch er versuchte, sich derlei Gedanken auszureden. Es ist die richtige Entscheidung, zu gehen. Dann würden sich diese Gefühle bald legen und er könnte ihm wieder entgegentreten, ohne dass er rot werden würde oder er das plötzliche Verlangen spürte, seine Lippen auf die seinen zu legen oder ihm durch die Haare zu fahren... 

Stumm saß er da und sah ungesehen, wie die beiden Zwerge - es waren Oin und Gloin - näher kamen und schließlich an ihm vorübergingen, ohne Notiz von ihm zu nehmen. 

Nach einigen Minuten fasste er sich ein Herz und stand auf, um zu Gandalf zu gehen. Er blieb vor dessen Tür stehen.

Zaghaft hob er seine Hand, um anzuklopfen, doch noch bevor er die Bewegung ausführen konnte, wurde die Tür mit einem Ruck geöffnet und er blickte in das herzliche, vertraute Gesicht des Zauberers.

"Ich habe dich schon erwartet, mein Freund. Komm herein!"

Der Hobbit begrüßte ihn freundlich, lächelte und trat ein. "Du kommst recht spät - wolltest du nicht schon in den frühen Morgenstunden hier eintreffen?" fragte er, während er Platz auf einem der Stühle nahm.

"Ein Zauberer kommt nie zu spät, Bilbo Beutlin, ebenso wenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es beabsichtigt."

Sie lachten. "Schön, dass du gekommen bist." meinte Bilbo schließlich.

"Hast du dich schon gebührend von allen verabschiedet? Wir werden morgen sehr früh aufbrechen."

Bilbo nickte, sah jedoch zu Boden, als er an Thorin dachte. 

Gandalf sah ihm die Gewissensbisse an. "Es ist die richtige Entscheidung zu gehen, Bilbo. Zweifle nicht." 

Nein, ich VERzweifle...

"Ja, du hast recht." Er zwang sich, zu lächeln. "Die Zwerge haben für den heutigen Abend so eine Art Abschiedsmahl für mich arrangiert. Du bist herzlich eingeladen."

Gandalf schüttelte lächelnd den Kopf. "Ich danke dir, mein Freund, aber ich muss noch einige Dinge für die bevorstehende Reise bewerkstelligen und dafür brauche ich noch Zeit. Mach dich dafür bereit, dass wir morgen bei Sonnenaufgang aufbrechen können. Ich werde auf der Anhöhe auf dich warten."

"Gut, wie du meinst. Dann will ich dich nicht länger stören." Er nickte und begab sich zur Tür, drehte sich beim Hinausgehen jedoch noch einmal kurz um. "Und noch mal - schön, dass du gekommen bist." Er lächelte, bevor er die Tür hinter sich schloss. 

Draußen auf dem Gang verschwand das Lächeln auf seinem Gesicht jedoch wieder... 

... und sollte für den Rest des Tages nicht mehr auftauchen.

~~~

Thorin war für den restlichen Abend unauffindbar. Bilbo erkundigte sich bei den anderen nach ihm, doch jeder von ihnen konnte ihm nur schulterzuckend mitteilen, er wisse von nichts. Er suchte ihn überall, doch er fand ihn nicht. Irgendwann gab er auf. Wahrscheinlich hatte er sich in seinem Gemach eingeschlossen und wollte allein sein. Schade... er hätte gerne noch einmal mit ihm geredet.

~~~

Der Morgen graute und Bilbo rieb sich müde die Augen. Als er die aufgehende Sonne realisierte, sprang er aus dem Bett, schnappte sich seine am Vortag zusammengepackten Habseligkeiten und sprintete zur Tür hinaus. Auf dem Gang herrschte Stille. Die anderen Zwerge schienen noch nicht wach zu sein. 

"Verdammt..." murmelte er leise, als er sich in schnellen Schritten den Weg nach draußen bahnte. Dann würde er wohl gehen müssen, ohne sich bei jedem noch einmal zu verabschieden. Er blickte zu Boden, als er an Thorin dachte. Dann soll es wohl so sein... Vielleicht ist es auch das Beste, wenn wir uns nicht noch einmal sehen. Dann fällt mir der Abschied nicht so schwer.

Er atmete tief ein und wieder aus, bevor er seinen Weg durch die langen Flure, Hallen und Gänge bis zum Haupteingang fortsetzte. Gandalf wartete sicherlich schon draußen auf ihn - so hatten sie es jedenfalls vereinbart.

Er ließ sich Zeit bei seinem Weg hinaus, denn - wer konnte es schon sagen - vielleicht waren das die letzten Schritte, die er jemals wieder im Erebor machen würde. Er spürte die Kälte des Steins unter seinen nackten Füßen und den metallischen Geruch von Gold in seiner Nase und versuchte, sich dieses Gefühl einzuprägen, um sich später, wenn ihn die Sehnsucht packen sollte, daran erinnern zu können. 

Jetzt ist es also soweit... 

Vor ihm bildete sich das riesige Eingangstor ab. Ehrfürchtig und langsam schritt er darauf zu. Er flüsterte. "Auf Wiedersehen, Erebor. Auf Wiedersehen, Thorin..." 

Einen Moment lang stand er so da, das riesige Steintor bewundernd, bis er sich schließlich zusammenriss und einen Fuß vor den anderen setzte, hinaus ins Helle, hinaus in die Freiheit. Weg von Thorin.

Er riss sich zusammen und schritt ins Freie. Er würde sich nicht umdrehen, nicht noch einmal auf die gigantischen, robusten Mauern des Königreiches blicken, hinter denen er so viel erlebt hatte. So viel Leid, Trauer und Angst. So viel Freude, Glück und... Freundschaft. Zu viele Erinnerungen.

Er war im Begriff, schnurstracks hinaus zu gehen und sich nicht noch einmal umzudrehen, um sein Leiden nicht noch in die Länge zu ziehen.

Er wandte dem Berg den Rücken zu und ging los - doch plötzlich hörte er ein Räuspern hinter sich, welches ihn erschrocken herumfahren ließ. "Balin!"

"Du dachtest also, du kannst dich einfach so aus dem Staub machen!" Er lächelte den Hobbit warmherzig an. 

Bilbo geriet vor Freude ins Stammeln."I-ich dachte, ihr schlaft noch und wollte euch nicht wecken." antwortete er schnell. "Ich bin froh, wenigstens dir noch Lebewohl sagen zu können..." 

"Jetzt ist es also soweit..." Balin blinzelte in die Morgensonne, die das vor ihnen liegende Tal in ein angenehm rötliches Licht tauchte. Die Vögel zwitscherten und der Himmel war fast wolkenfrei. Ein warmer Wind kam auf. "Du hast dir einen schönen Tag für die Abreise ausgesucht."

Bilbo lächelte. "Ich muss jetzt gehen... Gandalf fragt sich sicher schon wo ich bleibe. Ähm... sagst du den anderen Lebewohl von mir?"

Balin sah ihn an. Sein Lächeln wurde breiter. "Warum sagst du es ihnen nicht selbst?"

Schnell drehte sich der kleine Hobbit um - und blickte in die Gesichter seiner Freunde. Dort standen sie, direkt hinter ihm; Dori, Nori, Ori, Bifur, Bofur, Bombur, Dwalin, Fili, Kili, Oin und Gloin, am Eingang ihres Königreiches. Jeder von ihnen trug ein Lächeln im Gesicht.

Bilbo konnte seine Freude nicht verbergen, als er sie erblickte. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, denn er hatte sich schon ihre enttäuschten Gesichter vorgestellt, wenn sie festgestellt hätten, dass er ohne ein Wort des Abschieds einfach so gegangen wäre.

Leider fehlte die wichtigste Person.

Thorin war nicht gekommen.

Es versetzte ihm einen kleinen Stich im Herzen, als er seinen besten Freund nirgendwo erblicken konnte, doch er versuchte, dies so gut es eben ging zu überspielen. Er atmete tief ein und wieder aus, bevor er sich ein letztes Mal (so glaubte er zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch) den Zwergen zuwandte. 

Er räusperte sich. Um ganz ehrlich zu sein, wusste er gar nicht so recht, was er zum Abschied sagen sollte. Es war nicht seine Art, große Worte und Reden zu halten, auch wenn es jeder einzelne, der vor ihm stand auf seine Weise verdient hatte. Die Erkenntnis über die Tatsache, dass er sie vielleicht nie wieder sehen würde, ließ ihm die Tränen in die Augen steigen, doch er blinzelte sie weg. Den Zwergen schien es ähnlich zu ergehen. 

"Solltet ihr je wieder nach Beutelsend kommen..." Er lächelte. "... dann zögert nicht, zu klopfen. Tee gibt es um vier..."

Er sah in die Runde. Die Zwerge lächelten berührt und Bombur wischte sich eine Träne weg. Der Hobbit fuhr fort.

"... aber jeder von euch ist zu jeder Zeit willkommen."

Keiner der Zwerge sagte etwas. Das mussten sie auch nicht. Manchmal sagen Blicke und Gesten mehr, als es Worte vermögen. 

Einen Moment lang verweilten sie so, einen kurzen, letzten Moment, bevor Bilbo sich abwandte. Dann ging er. Und wagte nicht, zurückzublicken. Die Tränen, die er bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich verdrängt hatte, bahnten sich nun ihren Weg nach außen und flossen ihm die Wange hinab. Das war in Ordnung, jetzt konnte er sie zulassen. Denn er würde sich nicht noch einmal umdrehen.

Der kleine Hobbit schloss die Augen und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Weiter, immer weiter. 

Doch er kam nur wenige Meter weit. "Bilbo!"

Eine vertraute Stimme ließ ihn zurückblicken.

"Bilbo!" 

Es war Thorin. Mit schnellen Schritten kam er vom Inneren des Berges angerannt. 

"Thorin!" Bilbos Herz machte einen Hüpfer und seine Füße bewegten sich wie von selbst zurück. Die anderen Zwerge, die den Weg zum Berg versperrt hatten, machten Platz für ihren König, sodass Thorin an ihnen vorbeitreten konnte.

Am Liebsten wäre Bilbo ihm um den Hals gefallen, so froh war er, ein letztes Mal in die ihm wohlbekannten blauen Augen zu schauen, die ihn schon so oft in ihren Bann gezogen hatten.

"Fast hätte ich dich verpasst... Warum habt ihr mich nicht gerufen?!" fuhr er die Zwerge an, die daraufhin einen Schritt zurückwichen. Dann wandte er sich wieder Bilbo zu. Dieser wusste gar nicht, was er sagen sollte und Thorin schien es ähnlich zu ergehen. Er sah mit einem warmherzigen Blick hinab auf seinen Freund.

"Ich... was soll ich sagen..." Thorin schluckte. "Du wirst mir fehlen..."

Mit diesen Worten machte er einen Schritt nach vorn und zog den kleinen Hobbit in eine Umarmung. Bilbo wusste gar nicht, wie ihm geschah. Für ihn kam das so plötzlich und unerwartet, dass er ins Stammeln geriet.

"D-du mir auch..." 

Vorsichtig erwiderte er die Umarmung und schloss seine Augen, die noch immer von den Tränen gerötet waren. Es tat so gut, diese warmen, starken Arme seines Freundes um sich zu spüren. Sie gaben ihm auf einmal ein willkommenes Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit, genau das, was er jetzt brauchte. Doch er wusste, dass er das nicht haben konnte. Dass er ihn nicht haben konnte.

Dennoch genoss er den Moment und atmete tief ein. Er vergaß, dass die anderen Zwerge noch da standen und zusahen, er spürte nur die Nähe und die Wärme seines Gegenübers. 

Spürte seinen warmen Atem, der ruhig und gleichmäßig war. Seinen Herzschlag, der immer schneller zu werden schien, wie sein eigener. Spürte seine Nähe, wie er es noch nie zuvor getan hatte.

Er vergrub sein Gesicht in den langen, wallenden Haaren und konnte fühlen, wie Thorin lächelte. Ein letztes Mal konnte er seinem Freund so nahe sein, wie er es wollte.

Ein letztes Mal.

Am Liebsten hätte er für immer so da gestanden, Arm in Arm mit demjenigen, der ihm am meisten bedeutete, der ihm alles bedeutete. Mit demjenigen, den er liebte. Reiß dich zusammen, Bilbo.

Eine Träne rollte ihm die Wange hinunter, doch er ignorierte sie.

Du musst jetzt gehen, Bilbo. Sei vernünftig. Lass ihn los. Lass ihn hinter dir. Vergiss ihn.

Zögerlich löste er sich. Ohne ihn fühlte es sich plötzlich trotz der warmen Temperaturen erstaunlich kalt an. Ohne ihn fehlte ihm etwas. "Thorin, ich... es tut mir leid, aber ich muss jetzt gehen."

Der Zwergenkönig sah ihn an, wieder mit diesem undeutbaren, unbeschreiblichen Blick, der Wärme, Güte, Trauer - all diese Emotionen auf einmal ausdrückte. Bilbo bekam bei diesem Anblick weiche Knie und sein Herz schlug noch höher - falls das überhaupt möglich war. Thorin, was machst du mir mir... Warum quälst du mich so...

"Lebewohl, Meisterdieb. Geh zurück zu deinen Büchern. Deinem Sessel. Deinem Garten. Zurück in deine Heimat. Du hast deine Aufgabe erfüllt, sogar mehr als das. Wir stehen tief in deiner Schuld." Der König verneigte sich vor ihm und die anderen Zwerge taten es ihm gleich.

Bilbo wusste wieder nicht recht, was er sagen sollte, um den feierlichen Moment nicht zu zerstören. Er wischte sich eine Träne weg.

"Ich... ich danke dir... euch allen." stammelte er. Er riss sich von den blauen Augen des Königs los und nickte den anderen ein letztes Mal zu. 

"Ich muss euch jetzt verlassen." Er ließ seinen Blick durch die Runde schweifen und blieb wieder bei Thorin hängen. "Lebt wohl."

Ein letzter warmer Blick, ein letztes Lächeln - mehr brachte Thorin nicht hervor. Und das musste er auch nicht. Es war ein perfekter Augenblick. Der perfekte Moment für einen Abschied.

Ein letztes Mal wandte sich Bilbo ab und ging. 

~~~

Alles war ruhig.

Außer dem sanften Rauschen des Windes und dem leisen Gesang der Vögel war nichts zu hören.

Nun ja, fast nichts.

Bilbo schloss die Augen und hörte auf seinen schnellen Herzschlag, den die Umarmung bei ihm ausgelöst hatte. Das rasende Pochen verursachte ihm Schmerzen.

Der kleine Hobbit wimmerte. Aus dem Wimmern wurde ein Schluchzen. Er weinte. Selbst der warme Wind vermochte es nicht, seine Tränen zu trocknen.

Ein letztes Mal warf er einen Blick über die Schulter. Dort stand er, weit entfernt. Der Einsame Berg.

Unter das immer heftiger werdende Schluchzen mischte sich ein Flüstern.

"Lebwohl, Thorin Eichenschild..."

... Lebwohl ...




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Eigentlich sollte ich meine Freizeit sinnvoller nutzen und für die ganzen anstehenden Klausuren lernen... aber ich bin dumm :D. Ich befinde mich gerade in einer sehr produktiven Phase, muss ich sagen, hab schon mehrere Kapitel vorgeschrieben. Das nächste kommt also auch wieder in einer Woche.

Und ich kann es gar nicht oft genug sagen: Danke an alle, die das hier lesen, IHR SEID TOLL.

^^

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