{32.} Ophelia
Angespannt presste ich meine Lippen zusammen, als ich mit Mingyu das Büro von Mr. Kim betrat.
Es hatte keine 2 Tage gedauert. Doyun hatte sich entschieden uns zu melden. Meiner Meinung nach war das ein Arschloch Move hoch zehn gewesen, aber womöglich hatten wir es auch verdient.
Ich schluckte schwer und versuchte, meinen Klos im Hals dadurch wegzubekommen.
Keine zwei Tage.
Ich wollte niemals, dass es so weit kommt.
Hätte ich selbst auch vorsichtiger sein sollen?
Hätte ich meinen besten Freund / festen Freund aufhalten sollen?
Ja, Vorwürfe machte ich mir. Viele sogar. Aber ... ich hatte die Zeit mit ihm genossen. Auch der Moment auf dem Dach war toll gewesen. Und dann fiel alles wie ein Kartenhaus zusammen.
Einerseits war ich wütend. Die Frage, wie wir nur eine Sekunde glauben konnten, dass das so klappen würde, ohne das es jemand merkte, nagte an mir.
Doch andererseits, war ich froh, dass wir es gewagt hatten.
Nachdem Doyun an dem Abend verschwand, sprach Mingyu und ich noch eine Weile und fuhren zu ihm. Er hatte immer wieder gesagt, dass Doyun niemals etwas verraten würde.
Ich hatte ihm geglaubt, ihm vertraut, dass er seinen Kumpel kannte.
Aber anscheinend war er zu sehr verletzt, dass er nicht den Platz von Mingyu an meiner Seite einnehmen konnte.
Ich wusste ja, dass er Gefühle für mich hatte, Yu hatte mir das erzählt. Aber war es ein Verbrechen, die Gefühle nicht zu erwidern? War es ein Verbrechen, meinen besten Freund zu lieben?
In solchen Momenten, hasste ich diese K-Pop Welt.
Die Stars zu zwingen Single zu bleiben. Sie zu zwingen nicht zu lieben und allein zu bleiben.
Ich hasste es.
Genau deswegen bereute ich meine Entscheidung nicht.
Ich liebte den berühmtesten K-Pop Star Süd Koreas und ich würde meine Entscheidung niemals bereuen.
Mit neutraler Miene und dem Wissen, was jetzt passieren würde, sah ich Mr. Kim entgegen.
Sein Blick huschte zu mir, während Mr. Kim scheinbar seelenruhig, aber mit wütendem Glitzern in den Augen, seinen Vertrag durchblätterte.
Er sagte nichts, sah einfach hin und als er sich endlich räusperte, aufsah und den Blick auf mich richtete ...
»Sie sind gefeuert, Grey Lia-Ssi. Aber das dürfte sie wohl nicht verwundern.«
Mingyu erstarrte. »Wir-«
»Sie brauchen erst gar nicht zu einer Ausrede ansetzen, Mingyu-Ssi. Ihr Kollege hat mir die hier zukommen lassen.« Mr. Kim schob uns über den Konferenztisch Bilder hin. Bilder auf denen ich und Yu auf dem Dach lagen und ohne Oberteile wild herumknutschten. Mingyus Kiefer spannte sich an.
»Mr. Kim«, setzte er noch mal an, doch auch dieses Mal wurde er unterbrochen.
»Nein. Sie hören jetzt genau zu, Mingyu-Ssi. Es-«
Yu schlug mit der Faust auf den Tisch und seine ganze Haltung veränderte sich. Wurde professionell. »Wenn ich noch ein einziges Mal unterbrochen werde, Mr. Kim, wird dieses Gespräch für beide unserer Parteien sehr unangenehmem.« Er starrte ihn böse an. Mr. Kim sah ihn böse an. »Lia wird nicht gekündigt. Punkt.«
»Und wie sie das wird.« Mr. Kim schob ein weiteres Papier genau vor meine Nase. Dann sah er mich herablassend an. »Unterschreiben Sie und ich sehe davon ab, Maßnahmen wegen des groben Vertragsbruches zu ergreifen.«
Ich starrte auf den Auflösungsvertrag. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, dennoch nickte ich, trat ein Schritt auf den Schreibtisch zu und griff den Stift. »Es ist okay, Yu....« Ich sah neben mich und zu Yu hoch. »Wir kannten die Konsequenzen.«
Versuchte, ich ihn zu beruhigen. Auch, wenn es mich freute, dass er sich für mich einsetzte. Es machte mich wirklich glücklich. Als plötzlich Tränen in meine Augen stiegen, blinzelte ich überrascht. Ich werde wirklich gekündigt. Ich.....
»Es ist nicht nur die Bestätigung der Kündigung. Fristlos. Sondern auch eine Verschwiegenheitserklärung, bezüglich dieses ... Missverständnisses.«
»Missverständnis?«, fragte Mingyu gereizt und sah Mr. Kim an.
Er antwortete ruhig. »Dieses Dilemma ist offiziell nie passiert und Ms Grey musste wegen unüberwindlicher Differenzen gehen.« Er kniff die Augen zusammen. »Das wird offengelegt, wenn ihr neuer Manager den Posten antritt.«
Ich sah wieder zu Mr. Kim. »Verkaufen sie ruhig die Story wie sie möchten, aber das hier hatte nichts mit Missverständnissen oder Differenzen zu tun. Wir sind zusammen, weil wir uns lieben. Und es ist mir Scheiß egal, ob sie das für gut befunden haben oder nicht.« Ich zeigte mir dem Stift auf den alten Fettsack. »Ihr seid doch an Yu nur interessiert, weil er euch reich macht! Ihr interessiert euch weder für seine Gesundheit, noch für sein Wohlbefinden. Und verdammt noch mal, ich hoffe, dass irgendwann mal die beschissenen Fans und Labels verstehen, dass auch ihre Stars nur Menschen sind, die sich verlieben können! Eure Kultur bzgl. K-Pop kotzt mich dermaßen an. Ihr seid alle samt Heuchler und mehr nicht.« Ich sah auf die beiden Dokumente und unterschrieb sie.
Yu versuchte, mich aufzuhalten, doch da war das Ding schon unterzeichnet.
Mr. Kim blinzelte einmal, bevor er sagte: »Mir ist klar, dass eine Ausländerin wie Sie, niemals die Kultur verstehen wird, die sich um das Phänomen K-Pop entwickelt hat. Wichtig ist mir nur, dass Sie verschwinden. Wenn Sie so viel für Lee Mingyu-Ssi empfinden, wie Sie behaupten, gehen Sie durch diese Tür und kommen nicht wieder zurück.« Mr. Kim lief auf mich zu und nahm die Papiere. »Sie gefährden mit ihrer Liebe alles, was er sich aufgebaut hat. Alles, was wir ihm ermöglicht haben. Es war von Anfang an ein Fehler, Sie einzustellen.«
»Lia geht nicht!«, brüllte Yu jetzt und sah dem Chef entgegen.
»Doch. Nicht wahr, Mrs. Grey?«
Ich sah Yu an. Sehr lange. Dann glitten meine Augen zu seiner Hand, die ich ergriff. Ich setzte ein gezwungenes Lächeln auf und sagte, ohne Mr. Kim noch irgendeine Aufmerksamkeit zu schenken. »7 Jahre, ich warte auf dich.«
Genau. 7 Jahre kann ich auf ihn warten.
Er sah mich an, sah auf unsere Hände und dann zu Mr. Kim. Yu zog mich in eine Ecke des Konferenzraums.
»Lia, du sagst, das sei so einfach. 7 Jahre. 7, Lia. Das sind verdammt viele Jahre für eine Beziehung, die jetzt noch schwieriger werden wird. Wenn du nicht mehr für mich arbeitest, wann sehen wir uns da noch? Du kannst nicht mehr hier her. Nicht mehr zu mir nach Hause. Wenn das jemand sehen würde, wäre die Hölle los.«
»Fällt dir etwas Besseres ein? Du....Oppa, ich sehe, dass du mich verteidigst, ich schätze es sehr. Aber er-« ich nickte Richtung Kim. »-ignoriert dich und nimmt dich nicht für voll. Also, wenn du eine bessere Lösung für unser Problem hast, dann nenn mir diese Lösung.«
Er sah in mir in die Augen. Sein Blick huschte hin und her. »Ich kann dir das nicht antun, Lia.«
»Willst du etwas Schluss machen?« fragte ich mit großen Augen.
Er blinzelte. »Was?! Nein!«, stellte ich schnell klar. »Lia, ich liebe dich. Ich ... werd dich nicht verlassen.«
Mein Herz hüpfte, als er das sagte. Doch lächeln konnte ich nicht. Ich hatte die letzten Tage mich psychisch schon darauf vorbereitet, dass es zu diesem Ende führen könnte. Ich wünschte, Doyun hätte einfach seine Klappe gehalten, aber hatte er nicht und jetzt.....
Was war jetzt.....
»Wenn du mich nicht verlassen willst. Willst du dann etwa deine Karriere aufgeben? Für mich? Für uns? Das kann ich auch nicht zulassen, Mingyu.«
Wir sahen einander an und er überlegte. Dann wandte er sich ab und sah Mr. Kim an. Yu lief zu ihm und hob das Kinn. »Geht Lia, werde auch ich gehen.«
Der Chef erstarrte. »Wie bitte? Mingyu-Ssi, ihr Vertrag-«
»Ist mir egal. Ich kenne die Konsequenzen und weiß, was passiert. Dennoch lassen Sie Lia gehen, werde ich mit ihr gehen.«
Ich war in einer Schockstarre. Ich hatte das zwar gefragt, aber niemals damit gerechnet, dass er es auch tun würde.....Nein....dass er es überhaupt in Betracht zog. Nun musste ich doch lächeln. Er würde seine Karriere wirklich für mich aufgeben. Dieser Weg fühlte sich auch nicht richtig an, aber vielleicht war ich auch einfach zu egoistisch dafür, Yu aufzuhalten. Ich wollte die normale Beziehung. Ich wollte das alles.
Yu atmete tief ein und wieder aus und seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Das ist meine Entscheidung«, sagte er und sah Mr. Kim entgegen.
Er betrachtete ihn, dann mich, dann wieder ihn und auch seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Auf ein Wort, Mingyu-Ssi. Alleine.«
Yu nickte und sah dann zu mir. »Gib mir ein paar Minuten, ja?«
Ich sah beide an, nickte dann unwillig und ging auf Yu zu. Ich drehte ihn zu mir herum und zog ihn zu mir runter. Ich gab ihm einen sanften Kuss so, dass Mr. Kim das nicht sah, und flüsterte an seinen Lippen. »Ich liebe dich.« Mit diesen Worten schenkte ich Mr. Kim noch einen bösen Blick, bevor ich endgültig das Büro verließ und beide alleine ließ.
Ich lief den Flur entlang. Schnell und ohne halt zu machen. Selbst als Sonja mich ansprechen wollte, beachtete ich sie nicht und lief an ihr vorbei. In meinem Kopf herrschte Chaos. War es richtig, Yu die Karriere aufgeben zu lassen? Für mich?
Ja.
Nein.
Nein.
Es war nicht richtig.
Aber war ich glücklich damit?
Ja.
Verdammt es machte mich glücklich, dass Yu für mich so weit ging. Das zeigte mir, dass er es ernst mit mir meinte. Das er mich wirklich liebte.
Ich drückte den Knopf zum Aufzug und stieg ein, als die Türen aufgingen. Unten in der Lobby, setzte ich mich auf ein Sofa und starrte hinaus. Es regnete draußen und es könnte wirklich nicht dramatischer werden.
Ich fuhr mir übers Gesicht und schloss meine Augen.
Yu....
Mein bester Freund.
Mein fester Freund.
Er war derjenige, den ich liebte.
Was besprachen die beiden da oben nur?
Ging es um mich? Würde mich Yu weiter verteidigen?
Mein Gott, mein Herz schlug immer noch wie verrückt.
Ich war unsicher, aufgeregt, glücklich, traurig und auch wütend. Mal wieder mein typischer emotionaler Chaoteneintopf.
Als mein Handy vibrierte, öffnete ich meine Augen und sah auf den Bildschirm.
Seufzend ging ich ran.
»Ja, Dad?«
»Gut, dass ich dich auch mal endlich erreiche? Wo bist du? Ich weiß, du musst viel arbeiten, aber, dass du selbst den Todestag deiner Mutter vergisst, geht zu weit. Komm jetzt sofort nach Hause. Du kennst unsere Tradition.«
Meine Augen weiteten sich und ich starrte das Spiegelbild in der Scheibe an.
Kurz sah ich noch einmal auf mein Bildschirm, bevor ich gedanklich fluchte. Ich hatte wirklich den Todestag meiner Mutter vergessen.
»Tut mir leid, Dad....es ist nur gerade...«
»Es ist mir vollkommen egal, was gerade ist. Du bist in einer halben Stunde zu Hause.«
Und damit legte er auf.
Seufzend lehnte ich mich zurück.
Tut mir leid, Mum.
Ich kannte die Tradition. Jedes Jahr um die Zeit kochten wir zusammen Abendessen und machten uns dann gemeinsam auf den Weg zu ihrem Grab. Dort aßen wir dann mit Kerzenlicht und erzählten von unseren Tagen. Mum liebte den Sternenhimmel und ging gerne Abend aus. Daher hatte Dad diese Tradition eingeführt.
Scheiße.
Schwerfällig erhob ich mich, nahm mein Handy wieder und schrieb Yu eine Nachricht:
ICH: ›Heute ist Mums Todestag. Dad ist total sauer auf mich, weil ich es vergessen habe. Tut mir leid, ich muss jetzt nach Hause fahren. Ich komme nachher, wenn Dad schläft, zu dir.❤️‹
Ich schickte die Nachricht ab und verließ das Label, ein für alle Mal.
Ich würde nie wieder zurückkehren.
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