{3.} Mingyu
Ich schwitzte.
Ich keuchte.
Ich biss die Zähne zusammen.
Und als mein Personal Trainer, Min-ho, mich mit in diesem ekelerregend motivierenden Ton anfeuerte, ich solle alles geben, und die letzten zehn Klimmzüge machen, fluchte ich derb. Aber ich schaffte es, denn obwohl ich ihn gerade verfluchte, wusste ich, dass er gut war, den dem, was er tat.
Stöhnend ließ ich von der Stange ab und stützte mich auf den Knien ab. »Mir tut alles weh.«
Min-ho klopfte mir auf den Rücken und der Muskelberg von Mann lachte. »Wer aussehen will, wie du, muss was dafür tun.«
»Ist nicht so, dass ich eine Wahl habe. K-Pop Idol«, ich zeigte auf mich, dann auf die Umgebung, »Plattenlabel, dass mich zwingt«, zuletzt zeigte ich ihm den Mittelfinger, »Zu gut bezahlter Trainer, der mein Sixpack formt. Glaub mir, ich würde lieber einen Burger essen und Texte schreiben. Das hier, ist das Letzte, was ich will.«
Wieder lachte er nur und gab mir eine Flasche zu trinken. »Du hast dich wacker gehalten dafür, dass du Jetlag hast, Mingyu-ya.«
»Und heute schon den ganzen Tag im Studio war.«
»Und heute schon im Studio warst«, wiederholte er und sah zu, wie ich mich mit dem Handtuch den nackten Oberkörper abtrocknete.
Als ich gerade mein Shirt anzog, kam einer meiner Musikproduzenten rein und verbeugte sich zur Begrüßung - so wie wir auch.
Er sah mich an. »Lee Mingyu Ssi, wir müssen über die letzte Aufnahme reden.«
»Was ist damit. Heute Morgen war alles so weit durch. Fehlt noch was?«
»Nein, aber die Aufnahmen sind unklar und der Chef will, dass wie sie neu aufnehmen.«
Ich ließ die Hände sinken. »Alles?«
»Die ganzen drei Songs.«
Ich fluchte. »Das wird uns den Rest des Abends und wahrscheinlich die Nacht kosten.«
Er nickte nur und ich biss die Zähne zusammen.
Ich war Hundemüde. So unendlich müde!
»Ich bin in 10 Minuten im Studio«, seufzte ich ergeben und rieb mir den Nasenrücken. Gestern noch in den USA, heute packte mich wieder der alltägliche Wahnsinn.
Min-ho zog eine Braue hoch. »10 Minuten? Sportlich, Mingyu.«
Ich nickte nur und packte meine Tasche. »Ich verzichte auf duschen, nehme den Fahrstuhl und jogg dann ins Aufnahmestudio. Warum auch nicht? Ist ja nicht so, als hätte ich heute schon einen 9 ½ Stunden Tag gehabt.«
Min-ho sagt nichts dazu und nickte nur, also klatschten wir uns ab und ich ging.
Während ich schnellen Schrittes zum Fahrstuhl ging, der mich in die Etage mit den Aufnahmestudios bringen würde, zog ich mein Handy raus und schrieb Lia.
Ich: ›Ich werd die Nacht im Studio sein. Die haben Mist mit den Aufnahmen gemacht und jetzt muss ich noch mal ran. Mit Glück bin ich morgen früh zu Hause. Kannst du eventuell für den Abend alles besorgen? Süßkram, Getränke etc.? Ich denke, ich werde mich erst mal hinlegen müssen.‹
›Bitte! Bitte! Bitte!‹
›Hole dir einfach den Schlüssel zum Penthouse beim Portier ab. Ich sag ihm Bescheid, dass du kommst. Ich hab Ohrstöpsel drin. Wenn du leise bist, wach ich nicht auf.‹
Lia: ›Nicht deren ernst. 😦 Ja natürlich, ich bereite alles vor. Mach dir keine Gedanken und konzentriere dich auf deine Musik. Sag Bescheid, wenn du noch etwas brauchst.‹
›Ruhe und Schlaf😢. DAS brauche ich. Egal, gejammert wird später💪🏻💪🏻. Danke, du bist ein Engel.‹
Ich betrat das Studio mit sehr schlechter Laune, steckte das Handy ein, doch weil überraschenderweise der Chef der Musikabteilung da war, konnte ich es noch nicht mal zeigen.
Was hieß: Ich trank Unmengen Kaffee, gab mein Bestes und arbeitete mir tatsächlich die ganze Nacht den Arsch ab.
Als die Sonne dann aufging, ich mit Mütze und schwarzer Mundschutz Maske zu Hause ankam, schaffte ich es gerade so, mich irgendwie ins Bett zu schleppen. Mein Kopf tat weh, mein Mund war von Rappen und Singen trocken und die Zunge war etwas geschwollen.
Ich fiel vorn über, mit ausgebreiteten Armen ins Bett und schlief in dem Moment ein, indem mein Kopf das Kissen berührte.
***
»Hast du mich zugedeckt?«, fragte ich und sah zu, wie Lia alles an Süßkram auf dem Wohnzimmertisch ausbreitete. Ich hielt eine Tasse Tee in der Hand und hob das dampfende Getränk an meine Lippen. Auch den hatte sie mir gemacht. Ich musste nicht probieren oder daran riechen, um zu wissen, dass es grüner Tee war. Lia wusste natürlich, dass es meine Lieblingssorte war.
Ich liebte sie.
Meine beste Freundin war einfach die Tollste und dass ich ihr im Kindergarten den Arsch vor ein paar Fünfjährigen gerettet hatte, war die einzige Sache in meinem Leben, die ich wohl nie bereuen würde.
Manchmal fragte ich mich, ob Lia und ich ... Nein. Nein, das war unmöglich. Wir würden nie mehr werden. Unsere Freundschaft war besonders. Sie und ich, wir waren ein Team. Unschlagbar, unzertrennlich. Seit schon immer. Ich hatte sie schon in jedem Zustand gesehen und sie mich ebenfalls. Verheult, gebrochen, fröhlich, sauer und krank, traurig, verzweifelt. Sie kannte mich, ich kannte sie. Nur nackt kannten wir einander nicht.
Und obwohl ich nicht blind war, und durchaus sah, dass Lia sehr wohl hübsch und auch sexy war, war sie eben einfach nur meine Lia. L. Meine beste Freundin.
Ich schmunzelte. Wären wir die Protagonisten in einem K-Drama, wäre unsere Geschichte Zündstoff für eine Lovestory sondergleichen.
Ich beäugte sie einen Moment. Sah mir ihren Körper an und ... Nein.
Und selbst wenn, wir einander körperlich auf diese Weise attraktiv fänden, - Was wir nicht taten - es würde alles nur kaputtmachen. So was ging nie gut aus.
»Und wenn wir schon dabei sind, hast du meinen Kühlschrank aufgefüllt?«
Sie stellte den Soju neben den Süßkram und dazu noch ein paar Shots. »Ja, ich habe dich zugedeckt. Und ja, ich hatte nach meiner Arbeit etwas Zeit und war deswegen einkaufen. Du brauchst Nährwerte, schau dich nur an«, meckerte sie liebevoll und lief an mir vorbei, zurück zu Küche.
Ich lachte und folgte ihr mit Blicken. »Klar, ich falle gleich vom Fleisch und meine Muskeln lösen sich in Luft auf.« Ich feixte amüsiert. »Danke. Ich weiß, dass du auch viel zu tun hast.« An dem Tee nippend, sah ich auf die Uhr. Dann schnupperte ich an mir. »Ekelhaft«, meinte ich und lief in die Küche, um den Tee in die Spüle zu stellen. »Ich geh schnell duschen, bevor die anderen kommen, und umfallen, weil ich stinke wie ein überfahrenes Tier, dass eine Woche in der Sonne lag. Du kommst ja klar.«
Ich tappte rasch an ihr vorbei, die Treppe hoch, ab in mein Badezimmer und nach einer ordentlichen, aber nicht zu langen Dusche, fühlte ich mich gleich besser. Klar, der Muskelkater war noch etwas lästig, aber nichts, was ich mir nicht wegtrinken konnte. Und solange der Jetlag nachließ, war ich einfach froh.
Ich nahm mir, frisch angezogen in einer Baggy Jeans und einem weiten schwarzen Shirt, zwei der Shots und gab Lia einen. »Zum Aufwärmen.«
Sie nahm den Kurzen und grinste mich an. »Auf dich, Oppa.« Wie immer betonte sie die Anrede extra und wir stießen an. Sie trank das Glas leer und ich meines. Lia seufzte leise. »Meine Hauptaufgabe ist, dass es dir gut geht. Also alles kein Problem, wirklich.«
Sie streckte sich und ich beobachtete sie vergnügt dabei, bevor ich klarstellte: »Nein, du bist meine Assistentin, nicht meine Mutter oder mein Babysitter. Meinen Kühlschrank vollzustopfen ist nicht deine Aufgabe. Termine, ja. Kühlschrank, nein.« Ich tätschelte ihr den Kopf. »Und zuallererst bist du meine beste Freundin. Das ist deine Hauptaufgabe, Lia-ya.«
Ich lief ins Wohnzimmer, drehte aber ab, als die Tür klingelte und ich den Schalter drückte, um die beiden Gäste reinzulassen. »Auf los, gehts los«, meinte ich und keine 5 Minuten später standen, Hyunjin und Doyun in meiner Wohnung. Beide Mitglieder einer Band aus neun Leuten.
»Yah, Mingyu! Du hast ordentlich Muskeln draufgepackt, huh?« Hyunjin klopfte mir auf die Brust, eher er sich Lia zuwandte und sie anlächelte. »Nonna«, sagte er, weil er mit seinen 19 Jahren jünger war als Lia. »Wie gehts dir?«
Doyun sah nun ebenfalls zu ihr. Etwas interessierter, als es normal wäre. Ich stieß im in die Seite und lief ins Wohnzimmer. Als ich vorbei schlenderte, sah ich Lia, Hyunjin in eine Umarmung ziehen.
»Komm her«, sagte sie. Danach wandte sie sich Doyun zu und auch er bekam eine Umarmung. »Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht gesehen.«
Sie lächelte beide an und ignorierte Doyuns festen Griff um ihre Taille.
Innerlich schmunzelte ich.
Er stand schon ewig auf sie, aber auch wenn er wirklich hübsch war, war er einfach nicht ihr Typ Mann. Ich hatte es ihm bereits gesagt, doch wo die Liebe hinfiel, blieb sie manchmal länger liegen, als es gut für denjenigen war.
»Und mir geht es super und euch beiden? Wie läuft die Musik Karriere? Ich habe gehört, wir haben heute einiges zu Feier.«
Sie grinste uns alle drei an und sie kamen zu mir ins Wohnzimmer. Ich setzte mich, Lia nahm neben mir Platz und die Jungs setzten sich auf die andere Seite der L-förmigen Couch.
Doyun nahm sich eine Flasche Soju, rechte Hyunjin eine und dann Lia und mir. »Mega. Es könnte nicht besser sein.«
»Und nicht anstrengender«, ergänzte Hyunjin, der tatsächlich, jetzt, wo er es sagte, etwas abgespannt wirkte.
Ich lachte. »Tja, ein neues Album bedeutet immer neuen Stress.«
»Das weiß ich auch, Hyung, aber deswegen muss ich es nicht toll finden.«
»Kann ja nicht jeder so ne tolle Assistentin haben, die einem alles abnimmt.« Doyun, dessen bläulich gefärbten Haare im Licht glänzten und schick zurechtgemacht waren, zwinkerte Lia zu.
Ich seufzte. Ging das jetzt den ganzen Abend so?
»Wie läuft das Feature?«
»Welches?«, fragte ich Hyunjin und wir verfielen eine Weile in Musikthemen bezogene Gespräche. Tracks, Konzerte, Aufnahmen, Fans. Jeder redete mit jedem, jeder lachte mit jedem.
Dann, nachdem wir allesamt schon etwas intus hatten, beschlossen wir Scharade zu spielen. Und obwohl der Blauhaarige gerne mit Lia zusammen gespielt hätte, bildetet natürlich wir ein Team.
Runde um Runde zogen wir die beiden ab, die irgendwann anfingen, sich zu beschweren, dass es unfair sei, wenn wir in einer Mannschaft wären.
Ich lachte nur und zog eine neue Karte.
Lia, mir gegenüberstehend, wartete aufgeregt, bis ich, beschwipst, wie ich war, anfing zu gestikulieren.
›Maulwurf‹ stand auf meiner Karte und als Hyunjin die Sanduhr drehte. Hob ich mir die Augen zu und fing an, grabende Bewegungen mit dem Arm zu machen.
»Äh ... Wühlmaus«, sagte Lia, schnipste dann mit den Fingern, als ich weiter machte. Sie überlegte und stand ruckartig auf. »Maulwurf!« ,schrie sie freudig und ich lachte.
»Ja!« Ich lief zu ihr, hob sie hoch und posierte in Siegerpose.
Hyunjin gab einen frustrierten Laut von sich. »Das gibts doch nicht. Wie macht ihr das? Es ist, als könnt ihr eure Gedanken lesen.«
Ich stellte Lia auf die Füße, klatschte ihr auf den Hintern und verwuschelte ihr Haar. Ich hatte wirklich schon einen Sitzen.
»Tja, sie und ich sind eben gut zusammen.«
Doyun verzog das Gesicht. »Selbst betrunken seid ihr ekelhaft harmonisch. Wie viel steht es jetzt? 17 zu 4?«
Kopfschüttelnd griff ich nach der letzten Falsche und verbesserte: »19 zu 4.«
Er schnaubte. »Oh, klar, sorry.«
»Soll ich euch Taschentücher bringen? Damit ihr heulen könnt?«, lachte Lia und hüpfte freudig herum. »Wenn wir beide spielen, dann kann uns keiner besiegen.« Sie tanzte umher und drehte sich um die eigene Achse, dabei stolperte sie über die eigenen Füße und landete in meinen Armen.
Lia hielt sich automatisch an meinem Oberteil fest, um nicht hinzufallen. Wir sahen einander an, doch bevor es komisch werden konnte, stieß sie sich weg und schlug mir verspielt auf den Rücken. »Strengt euch mal mehr an, damit es interessant wird. Nicht wahr ... Mingyu?«
Ich lachte zustimmend. »Ich denke nicht, dass es einen Unterschied machen würde.«
Hyunjin verdrehte die Augen. »Okay, ich versuch, es noch ein Mal.« Er stand auf, zog eine Karte und ich setzte mich wieder auf mein Sofa, um dem Spektakel zuzusehen.
Die beiden mühten sich richtig ab, was ich zum Schießen komisch fand. Letztlich erhielten sie in letzter Sekunde sogar noch den Punkt.
Doyun schüttelte nur den Kopf. »Okay, ich bin durch für heute. Morgen hat nicht jeder frei, also gehen wir jetzt«, verkündete er beleidig, jedoch mit einem Grinsen auf den Lippen. »Hyunjin, wir gehen.« Er sah zu Lia. »Sollen wir dich mitnehmen? Unser Fahrer kann dich bei dir zu Hause absetzten.«
Er sah sie erwartungsvoll an und mein Blick schweifte ebenfalls zu ihr. Da Lia wieder neben mir Platz genommen hatte, musste ich nur den Kopf drehen.
Lia sah mir entgegen und dann wieder Hyunjin. »Das ist wirklich nicht notwendig. Ich bin mit meinem Roller da und räum hier noch etwas auf, bevor ich dann auch nach Hause fahre.«
Sie lächelte dankend und wir standen auf und brachten, die beiden an die Tür. Nachdem Doyun Lia wieder etwas länger als nötig umarmt hatte, fingen wir an, klar Schiff zu machen.
»Du weißt, das er in dich verknallt ist, oder?«, fragte ich und stellte die letzte leere Flasche in den Kasten, während Lia den Sofatisch abwischte.
Ein Seufzen entkam ihr und sie lief mit dem Lappen zu mir in die Küche. »Genau deswegen habe ich das Angebot nicht angenommen. Ich wollte keine falschen Hoffnungen machen.«
Ich grinste. »Ich glaube, dafür ist es zu spät.« Ich lehnte mich an die Arbeitsfläche und dehnte meinen Nacken, bevor ich mein Handy aus der Hose angelte und via App ein Taxi herbestellte. Mir war klar, dass Lia nicht mit dem Roller fahren würde. Sie hatte getrunken und das nur gesagt, damit sie eine Ausrede hatte. »Dein Taxi ist auf dem Weg und in 5 Minuten unten.«
»Danke schön.« Lia ging an mir vorbei und packte ihre Tasche. »Ich sag mal so, würde er mich um ein Date bitten, würde ich nicht ›Nein‹ sagen«, gab sie zu und nuschelte noch: »So verzweifelt bin ich anscheinend.«
Ich schmunzelte. »Er wird nicht fragen, das weißt du. Du kennst die Regeln.« Ich lief mit ihr zur Tür und stellte mich neben sie. »War ein super Abend. Es hat Spaß gemacht.«
Als ich mich vorbeugte, um ihr, wie immer, einen Kuss auf die Wange zu geben, hob Lia, die gerade nach ihrem Handy gesucht hatte, den Kopf.
Meine Lippen trafen statt ihrer Wange ihren Mund. Federleicht nur, doch ich erstarrte. Mein Herz hüpfte einmal aus dem Takt und ich atmete scharf ein. Lia, die mich mit weit aufgerissenen Augen ansah, bewegte sich ebenso wenig, blieb still und ...
Nein. Doch. Gott, ich war wirklich betrunken und sie roch so gut und ihre Lippen waren so weich und ...
Ich atmete an ihren Lippen aus, trat näher, drängte ihren Rücken langsam an die Haustür, stützte einen Arm neben ihrem Kopf ab und küsste sie.
Ich Volltrottel küsste meine beste Freundin!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top