{2.} Ophelia Gray
Ich hob eine Braue und musterte meinen Kumpel. »Ich habe immer noch Interesse an ihm. Aber er ist eher eine Schwärmerei als etwas Ernstes. Er ist halt ein kleiner Augenschmaus«, erklärte ich und brachte eine europäische Redensart mit ein, die in Korea nicht bekannt war. Aber ich war nun einmal Ausländerin, also würde ich meinen Wurzeln treu bleiben.
Mein Vater sagte mir schon viel zu oft, dass ich mich viel zu koreanisch benahm. Ich verstand zwar sein Problem nicht damit, aber was soll man machen. Ich lebte nun einmal schon hier, seitdem ich fast 4 bin.
Meine Finger berührten Mingyus schwarze Haare und ich musste unwillkürlich schmunzeln, als ich mich an den Tag unseres ersten Zusammentreffens erinnerte.
Ein paar Kinder aus dem Kindergarten hatte mich gemobbt. Mingyu stellte sich vor mich, wie ein Superheld und beschützte mich vor ihnen. Weil mich einer der Jungs geschubst hatte, hatte ich mir das Knie aufgeschürft. Weinend saß ich auf dem Boden, als Mingyu die Kinder verscheuchte und vor mir in die Hocke ging. Er fragte mich, ob es wehtat und als ich bejahte, fing er an, auf meine Wunde zu pusten, und fragte mich daraufhin, ob wir ab heute Freunde sein wollten. Als ich ihn fragte, warum er mit mir befreundet sein wollte, antwortete er: Weil ich schon immer einen Ausländer als Kumpel wollte.
Ich lachte kurz und schüttelte den Kopf. Doch als ich an meine Mum zurückdachte, verschwand mein Lächeln. Sie starb, als ich gerade Mal 3 Jahre alt war und ein halbes Jahr später, bekam mein Dad eine Arbeitsstelle in einer sehr angesehenen Firma als Teamleiter angeboten. Eins kam zum anderen und wir zogen Hals über Kopf von England nach Korea.
Nun seufzte ich. »Aber ja, ich bin dabei. Das wird bestimmt lustig.«
»Mhm«, murmelte er im Halbschlaf. »Augen können nichts schmecken, du Verrückte«, nuschelte Mingyu schlaftrunken und sagte dann: »Hab dir Schokolade aus der Schweiz mitgebracht. Ist im Ko-«, er musste sich unterbrechen, weil er gähnte. »-ffer.«
Ich kicherte. »Ich weiß«, sagte ich leise und beobachtete ihn. Er sah schon niedlich aus, wenn er langsam einschlief. Ich war froh, dass ich ihm ein wenig die Ruhe schenken konnte, die er brauchte. Er war talentiert und sah gut aus, das musste selbst ich zugeben, obwohl er gar nicht mein Typ war. Zum Glück. Und ich freute mich wirklich für ihn, dass er so Erfolg hatte.
Dennoch machte ich mir oft sorgen. Ich musste einfach hoffen, dass er sich nicht zu sehr verausgabt. Denn ich wusste, er sagte mir nicht immer die Wahrheit. Meine Aufgabe als seine Managerin war, auf ihn aufzupassen und seine Termine zu planen. Auch alle Anfragen bzgl. Werbespots oder Sonstiges, bekam ich. Selbstverständlich musste ich immer alles mit dem Label abklären, aber in erster Linie stand das Wohlergehen meines besten Kumpels an erster Stelle.
»Ich liebe Schokolade«, lächelte ich und sagte etwas, dass er eh schon wusste. »Danke. Mein Dad wird sich auch freuen«, fügte ich noch hinzu und sah dann auf die Uhr. »Soll ich gehen? Möchtest du schlafen und dich etwas ausruhen?«
Er brummte unzufrieden. »Weiß jemand das du hier bist?«
»Nein, niemand. Wieso?«
»Dann schlaf doch hier. Es ist schon«, er beugte sich schwerfällig hoch und sah auf die Uhr, »erst 7? Scheiße ich bin so im Arsch.« Mingyu rieb sich mit der Hand über das Gesicht. »Sorry, L. Da hole ich dich her und mit mir ist nichts anzufangen. Uh, das fällt mir ein, hast du die Daten für diese Realityshow? Ich muss da was checken.«
Ich schmiss ihm mein Tablett hin. »Da findest du alles. Sieh in den Kalender und such nachdem Tag, an dem die Realityshow stattfindet.« Ich überlegte. »Ähm ... müsste glaube, der 22. März sein.« Ich erhob mich. »Ich werde derweil die Schokolade aus deinem Koffer befreien.« Damit verschwand ich nach oben in die zweite Etage seines Penthouse.
Ich kannte den Code seines Koffers und öffnete diesen schnell. Ich leckte mir über die Lippen und sah die leckere Schokolade an. Ich vergöttere Schweizer Schokolade. Meinetwegen könnte mich diese Schokolade versklaven und ich würde alles tun, nur damit ich von ihr abbeißen dürfte.
Ich packte sie bereits aus und biss von einer Ecke ab, als mir Kondome ins Auge fielen. »Yu, du Schlawiner. Seit wann nimmst du Kondome mit, wenn du auf Tour bist?«, rief ich von seinem Schlafzimmer aus. Auch Schlawiner war ein europäischer Begriff, aber mein bester Kumpel kannte den schon.
»Ich bin gerne auf alles vorbereitet«, predigte er, kam dann aber zu mir. »Shit, Lia, du hast den 22. März doppelt verplant. Du hast die Show und das Covershooting auf denselben Tag gelegt.« Er warf das Tablet auf sein Bett und lehnte sich in den Türrahmen. »Wie soll das jetzt laufen? Weder das eine noch das andere kann man absagen, und dazwischen sind nur 3 Stunden Puffer.« Mingyu klang etwas gereizter als gewollt und hob sich die Schläfe. »Ssibal! Verfickte Kopfschmerzen.«
»Was? Das kann nicht sein«, sagte ich hastig und stand vom Boden auf, nahm das Tablet und prüfte das noch einmal.
Ich mache sonst nie Fehler ... oh Mist.
Jetzt weiß ich, was an dem Tag passiert ist. Ich hatte das Date mit Kim Juhee gehabt, als die Leute wegen dem Covershooting angerufen hatten. Ich arbeite nun einmal immer und zu jeder Zeit, da gab es leider nur wenig Spielraum für Dates. Ich war so abgelenkt durch Juhee, dass ich einfach dem Datum zustimmte und gar nicht mehr nachschaute, ob das mit den anderen Terminen passte.
Ich sah vom Bildschirm auf und zu Yu. »Hey, sorry. Das war mein Fehler. Aber das schaffen wir schon und wenn ich dich am Ende mit meinem Roller durch Seoul fahren muss, damit du pünktlich zum nächsten Termin kommst«, Versuchte, ich ihn aufzumuntern, und ging zu seinem Nachtschrank. »Komm, nimm eine Tablette und leg dich hin. Ich kümmere mich um alles.«
Er schnaubte. »Der Fahrer ist schneller als dein ›popliger‹ Roller«, nutzte er eine meine Phrasen. Dann seufzte mein Freund. »Das wird so richtig Scheiße anstrengend, L. Und nein, ich nehme die Tabletten nicht. Zum Schluss bin ich so weg, das du mich noch mit einem der 5 von 10«, er zwinkerte mir zu, »übrigen Kondome vergewaltigst. Ich trink einfach zwei Flaschen Wasser und hau mich dann hin.« Mingyu lief zu mir, zog dabei das Shirt aus und warf es mir ins Gesicht. »Also wegen mir bleib hier, leg dich zu mir und wir schauen einen Film. Ansonsten sehen wir uns morgen? Nein, warte, morgen bin ich im Studio. Dann übermorgen zum Spielabend? Und gib mir meinen Hoodie zurück. Der ist von ›Celine‹.«
»Weißt du eigentlich, dass ich immer total stolz auf dich bin, wenn du europäische Sprichwort nutzt«, grinste ich ihn an.
Das Grinsen verschwand, als ich das T-Shirt ins Gesicht bekam. »Ich würde dich nicht einmal mit einer Kneifzange anfassen, du Dussel«, motzte ich und schmiss das T-Shirt in die Wäsche. Ich zog meine Zöpfe fest und überlegte. »Ich habe dich 3 Monate nicht gesehen und find das echt Scheiße, dass du mich loswerden willst. Also-« ich sprang in sein Bett und kuschelte mich provokant in seinen Hoodie und unter seine Decke. »-lass Netflix schauen«, grinste ich.
Mingyu sah mich kopfschüttelnd an und deutete auf seinen Körper. Dann schmunzelte er einseitig und zeigte mir eines der bis zu Erbrechen einstudierten Lächeln, die unglaublich sexy waren und ausschließlich dazu dienten, Fangirls umfallen zu lassen. »Du würdest.«
Ich sah ihn an und dann tat ich so, als müsste ich kotzen. »Bitte, verschone mich mit diesem Lächeln«, würgte ich gespielt und zeigte ihm den Mittelfinger. Ich lachte lauthals, klopfte neben mich und schnappte mir schon die Fernbedienung. »Lass was entspanntes schauen. Damit du pennen kannst.«
Er Lachte und schmiss sich neben mich. Den Kopf so gelegt, dass er neben meinem lag, die Augen schon geschlossen sagte Mingyu: »Ich vergesse immer, das das bei dir nicht zieht.«
Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, schlief er auch schon ein.
Ich ließ den Arm mit der Fernbedienung in der Hand sinken und seufzte. »Natürlich zieht das nicht bei mir, Idiot«, murmelte ich und ließ den Fernseher aus.
Er war anscheinend wirklich fertig. Er hatte aber auch hart gearbeitet die letzten 3 Monate.
Ich holte mein Handy aus dem Hoodie und sah auf eine Nachricht von meinem Dad.
›Komme heute später, muss noch in der Firma was erledigen.‹
Das war kein Einzelfall. Er hatte immer viel auf Arbeit zu tun.
›Mingyu ist zurück in Korea und hat uns Schokolade aus der Schweiz mitgebracht. Ich heb dir die Hälfte auf.‹
DAD: › Danke, Kleines. Schöne Grüße. ‹
ICH: › Ich schlaf heute bei ihm und komm morgen früh nach Hause. ‹
DAD: › kümmere dich gut um den kleinen Star.
Ich verdrehte die Augen. Typisch Dad. Er sah uns beide immer noch als Kinder und nicht als Erwachsene. Ich stellte mir für morgen früh ein Wecker und schlief neben Yu ein. Auch ich hatte heute einen anstrengenden Tag und war froh, endlich zur Ruhe zu kommen.
***
Mit einem Lächeln nahm ich den Kaffeebecher entgegen, den die Praktikantin mir überreichte. Es war üblich in solchen Firmen, dass Praktikanten oder Auszubildende fast immer jeden Morgen für alle aus dem Team Kaffee kauften. Natürlich wurde das vom Konto des Chefs abgebucht. »Ich hörte, Mingyu ist wieder da, stimmt das?«, fragte die Praktikantin, Choi Mi-suk.
»Ja, ich war gestern kurz bei ihm und wir sind ein paar Termine durchgegangen«, antwortete ich und behielt private Dinge für mich. Fast jedes weibliche Wesen in Korea hatte einen Crush auf ihn.
Sie nickte hastig und mit einem breiten grinsen. »Ich hoffe, er lässt sich bald in der Firma blicken«, gab sie freudig zu.
»Bestimmt«, lächelte ich nur und sah ihr nach, als sie zu den anderen Kollegen ging.
Ich sah auf mein MacBook und hatte noch 10 Minuten bis zum nächsten Termin, also nahm ich mein Handy und schrieb Yu.
ICH: ›Guten Morgen, Sonnenschein. Ich hoffe, du hast gut geschlafen und dass dir das Frühstück geschmeckt hat. ‹
Es war zwar schon 11 Uhr vormittags, aber soweit ich wusste, musste er erst später im Studio sein. Und als ich heute Morgen aufgewacht bin, hatte ich ihm Frühstück gemacht. Eine selbstgekochte Suppe, Reis und gebratener Fisch würden ihn stärken und ihm neue Energie geben.
YU: › Frühstück war gut, aber die Suppe etwas Salzig 🤣. Hab sie dennoch gegessen. Ich bin schon im Studio. Kann also gleich nicht mehr antworten.‹
› Gibts neue Termine? Irgendwas, was ich wissen muss?‹
ICH: › Will ich auch hoffen. 😃 und ja, der Manager von der einen Solo Sängerin. ‹
› Wie hieß die noch mal. ‹
› Ich hab's gleich. ‹
› Hyeon. ‹
› So hieß die. Auf jeden Fall möchte sie mit dir zusammenarbeiten. Aber ich sag dir ehrlich, ich glaub, die will mehr.‹
› Also hättest du darauf Lust? Oder soll ich gleich abblocken. Hab den Termin nämlich in 8 Minuten. 😅‹
YU: ›Sag zu. Sie macht gute Musik. Wobei ... Klär mal lieber ab, wie das so bei den Fans ankommt. Wer weiß, zum Schluss kommen noch Gerüchte auf, da liefe was. Bla, bla. Du weißt ja, wie das läuft. Keine Dates, kein Sex.‹
› Offiziell 😈‹
Ich trank meinen Kaffee und las die Nachricht. Als K-POP Star, hatte man zwar viel Geld, viele Privilegien und Erfolge, aber, auf was man alles verzichten musste.
Uff, das war wirklich schon schlimm.
› Ich will gar nicht wissen, was du inoffiziell alles so machst.‹
Wie lange hatte ich kein ... sehr lange. Ich fand einfach keine Zeit und wenn, dann waren die Jungs immer so festgefahren. Irgendwie hatte ich kein Händchen dafür, einfache Jungs für eine einfache Nacht zu finden. Vielleicht lag das auch daran, dass ich Ausländerin war. Obwohl es immer hieß, koreanische Jungs hätten Interesse an ausländischen Mädels.
Na ja, egal.
ICH: › Die Punkte stehen schon auf meiner Agenda. Keine Sorge. Du weißt, dass ich meistens gute Arbeit leiste. 😎‹, schrieb ich absichtlich, weil ich mit der Show und dem Shooting etwas verkackt hatte.
Eine Sprachnachricht kam an.
»Du leistest immer gute Arbeit. Deswegen hab ich dich ja gewollt und darauf bestanden, dass du den Job bekommst. Deshalb und weil du der zuverlässigste Mensch bist, den ich kenne. UUUUUUND, weil bei dir nicht die Gefahr besteht, dass wir unsittliches tun.«
Ich lächelte, als ich seine Nachricht abhörte. Ich machte den Job gerne, wirklich. Klar, die Bezahlung war auch gut, aber einfach auf meinem besten Freund acht geben zu können und ihm dabei zu zusehen wie er jedes Mal erfolgreicher wurde, das machte mir Spaß.
Ich wollte ihm gerade antworten, als es an der Glastür klopfte. Ich nickte ihm zu und erhob mich respektvoll.
Der Manager trat ein. »Guten Tag, danke, dass sie Zeit gefunden haben, Miss Grey«, begrüßte er mich. Wir schüttelten Hände und ich zeigte auf den Sessel schräg gegenüber. Wir saßen in einem Meeting Raum, den ich extra für heute gebucht hatte.
ICH: › Der Manager ist da. Viel Erfolg im Studio und wir sehen uns morgen bei dir. 🫰🏻‹
Und damit wandte ich mich komplett meinem gegenüber zu.
»Wollen wir beginnen?«
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