{18.} Ophelia

Erschöpft rieb ich mir die Stirn. Was hatte ich da bitte nur gesagt? Wieso war ich so aufgelöst, als ich davon erfuhr? Bevor ich überhaupt seine Nachricht bekommen hatte, war ich bereits mit Siwon auf den Weg ins Krankenhaus gewesen.

Durch das Internet hatte ich davon erfahren. Als ich dann auch jemanden anrief, der mir das bestätigte, bin ich sofort los. Siwon hatte ohne Umschweife mir angeboten, mich zu begleiten, was ich wirklich süß von ihm fand.

Wir hatten bei ihm zu Hause zusammen gekocht, gegessen und ein Film geschaut. Irgendwann hatten wir angefangen, uns zu küssen, und aus küssen wurde Geknutsche und aus Geknutsche wurde Fummeln. Es war heiß gewesen. Doch als ich kurz auf Toilette war, um mich frisch zu machen, sah ich die Videos. Danach fuhren wir ins Krankenhaus und ich sah Hyeon meinen besten Freund / Freund + küssen.

Es hatte so sehr an meinem Herzen gezogen, dass ich total aufgelöst war. Ich schob es natürlich auch auf den Schock, aber......was waren das nur für Gefühle, die ich langsam für meinen besten Freund empfand. Ich hatte ihn selbst geküsst. Nachdem ich erst mit Siwon geknutscht hatte, hatte ich Yu geküsst und fast geweint. Und ich war alles, aber keine Heulsuse.

Nachdenklich kaute ich an meinen Nägeln herum, während ich den Wasserkocher beobachtete. Es waren nun 4 Tage vergangen, seitdem Yu zusammengebrochen war. Das Label bereitet gerade die Interviews vor und schrieb Erklärungen, die Yu vortragen sollte. Die Fans hatten sich zum Glück beruhigt, nachdem das Label auf deren Homepage ein offizielles Statement dazu abgegeben hatte.

Es hieß, dass es Yu wieder besser ginge und er bald wieder seine Arbeit aufnehmen könne. Natürlich schrieben diese Heuchler auch, dass seine Gesundheit oberste Priorität hätte und sie alles tun würden, damit so etwas nicht noch mal passiere. Wir wussten alle, dass das diese typischen Worte waren, die eh keiner mehr ernst nahm. Das Yu noch weitere 3 Tage freibekommen hatte und alle seine Termine verschoben wurden, konnte man wohl dem Chef Arzt verdanken, denn er hatte sich dafür eingesetzt.

Ich hatte deswegen die letzten Tage viel Arbeit, weil ich natürlich alle Termine absagen und neu organisieren musste. Aber egal, wenigstens mein bester Freund bekam seine wohl verdiente Ruhe.

Der Wasserkocher pfiff und ich schenkte mir und Yu ein Tasse Tee ein. Mit beiden Tassen lief ich zu seinem Sofa. Er durfte heute Morgen das Krankenhaus verlassen, nachdem noch einige Tests gemacht wurden. Und ich war natürlich sofort mitgegangen. Es war die Hölle überhaupt aus dem Krankenhaus zu kommen. Unzählige Paparazzi standen vor Ort und versuchten Fotos zu machen. Ein Glück hatte er genug Bodyguards, die ihn und mich ohne Probleme ins Auto verfrachteten.

»Wie geht es dir heute?« fragte ich und starrte auf sein Handy. Er schrieb mit Hyeon. Kamen sie sich etwa näher? Wollte er vielleicht lieber sie bei sich haben, statt mich?

Ich las stumm ihre Nachricht und verspannte mich.

HYEON: ›Sag Bescheid und ich bring dir Suppe mit. ❤️‹

Er bemerkte meinen Blick, sperrte den Bildschirm des Handys und schmiss es auf den Sofatisch. »Mir geht es gut«, stöhnte er. »Mir würde es besser gehen, wenn du nicht alle drei Sekunden fragen würdest, L. Es ist nur ein Burn-out und demnach Serotoninmangel. Das wird wieder. Du hast es selbst gehört, der Arzt sagt, Schlaf und ein paar Tage Pause und ich bin wieder ganz der Alte. Entspann dich bitte.«

Er klang leicht genervt. »Es ist nicht nur ein Burn-out.« setzte ich dennoch an. »Ich habe dir immer wieder gesagt, pass auf deine Gesundheit auf. Sag Bescheid, wenn es zu viel wird!« wurde ich etwas sauer. »Ich bin doch genau deswegen deine Managerin geworden. Damit ich deine Termine so planen kann, dass du auch Zeit für dich hast. Genau deswegen mach ich diese Arbeit. Für dich.«

Er kniff die Augen zusammen und sah zu mir hoch. »Was denkst du, wie lange du noch meine Managerin bist, wenn du Termine ablehnst oder verschiebst, weil du denkst, ich pack das nicht? Das Label sucht im Handumdrehen einen Ersatz für dich, Lia. So ist das nun mal. Es ist seit 5 Jahren so. 7, wenn du meine Zeit als Trainee mitrechnest. Warum das plötzliche Theater?«

Ich stellte die Tassen auf den Tisch. »Meinst du das ernst? Hattest du denn kein Mitspracherecht, als du darauf bestanden hast, dass genau ich diesen Job übernehme?!« fragte ich aufgebracht und versuchte, seine Frage zu beantworten »Weil...« Ich stoppte und schluckte. Ja, warum? Weil es gesundheitlich schlimmer geworden war, oder.....weil ich....
Nein.

»Gut, mach was du willst.« stieß ich aus, obwohl ich kein bisschen so fühlte. Ich machte mir unheimliche Sorgen um ihn, war eifersüchtig, dass er mit dieser Hyeon schrieb und....dass ich sehen musste, wie sie sich küssten. Es....gefiel mir nicht. Es machte mich sauer und ich fühlte mich komisch.

»Du weißt sehr genau, wie viel ich zu sagen habe und wie viel nicht«, keifte er mich an und rieb sich dann den Nasenrücken. »Es ist unfair, dass du mir das vorwirfst. Ich ... muss hart arbeiten. Ich muss mithalten. Weißt du was für eine Flut an neuen Bands, kommt? Wenn ich meinen Erfolg halten will, muss ich 300 % geben. Immer.«

Ich presste meine Lippen zusammen und schluckte meine Wut, meine Eifersucht und meine komischen Gefühle, die ich langsam für meinen besten Freund entwickelte, herunter. Ich setzte mich zu ihm und umarmte ihn. »Es tut mir leid. Ich weiß das doch alles. Ich....Es tut mir wirklich leid. Egal, was du machst, ich steh hinter dir, versprochen.« entschuldigte ich mich und strich ihm über den Rücken. Es würde nichts bringen, wenn wir jetzt streiten. Ich würde es wie immer machen, mich zurücknehmen und für ihn da sein.

Er seufzte, drehte sich zu mir und ... Sein Gesicht war meinen wieder so nahe. Er sah in meine Augen, auf meine Lippen, zurück zu den Augen und stieß fast hilflos Luft aus, bevor er sich weiter vorbeugte und seine Lippen meine trafen.

Mein Herz schlug sofort Doppel so schnell und meine Lippen kribbelten. Ich erwiderte den Kuss nicht, sah ihn aber an und mit einem Mal schlug mir die Wahrheit ins Gesicht.

Ich hatte mich verliebt.

Ich hatte mich in meinen besten Freund verliebt.

»Hör auf, dir Sorgen zu machen, Lia«, flüsterte er zwischen den Küssen. Ich starrte ihn an, mit der Tatsache, die mir gerade bewusst wurde.

Seine Küsse waren wie etwas Süßes, man wusste, dass Zucker nicht gesund war, und dennoch wollte man mehr. Ich küsste ihn zurück. »Ich werde mir immer Sorgen um dich machen.« hauchte ich gegen seine Lippen.

Er lächelte. »Hatte ich irgendwie befürchtet.«
Als er den Kuss gerade intensivieren wollte, klingelte es an der Tür. Mingyu löste sich fluchend von mir und lief, laut fragend, wer das war, an die Tür. »Ja?«

»Hi, hier ist Siwon. Ist Ophelia bei dir?«

Er erstarrte und sah zu mir, die auf der Couch saß. Sein Blick verkeilte sich mit meinem. Lange.
»Mingyu-ya? Hallo?«

Er räusperte sich und wandte sich ab. »Ja, komm hoch.«

Ich erhob mich und starrte zu Tür. Was tat Siwon hier? Und wieso kam er hierher?

Verwirrt ging ich auf Yu zu und sah ihn an. »Tut mir leid, ich habe ihn nicht hier her eingeladen.« erklärte ich ihm leise und sah dann Siwon an, als er eintrat. »Hey.« Versuchte ich zu lächeln. Ich hatte gerade echt andere Probleme.

Mingyu sah mit etwas verbissener Miene zu Siwon, der erst ihn begrüßte und dann zu mir lief, um sich zu mir zu beugen und mir einen Kuss zu geben. Yu schloss fest die Tür. Siwon löste sich von mir und lächelte leicht. »Ist das ein neuer Lippenbalsam? Minze? Das mag ich.« Er drehte sich zu Yu und lächelte entschuldigend. »Ich hoffe, ich hab dich nicht überfallen. Aber eine Praktikantin, ähm ... Min-suk ... hat mir die Adresse gegeben und sagte, dass ich Lia wahrscheinlich hier fände. Sie«, er wandte sich mir zu und lächelte charmant, »hat sich seit deinem Unfall, nicht mehr gemeldet.«

Mingyu leckte sich die Lippen, weil er wusste, dass meine Lippen ja nach seinem Lippenbalsam schmeckten.

»Mi-suk«, verbesserte er und richtete sich auf. »Sie war wohl ehe eine Praktikantin, wenn jemand rausbekommt, dass sie meine Adresse an dich rausgegeben hat.«

»Äh...Ja, ich mag Minze auch.« lächelte ich gezwungen. Mi-suk? Ist sie denn verrückt?! Es war nicht das erste Mal, dass Angestellte, ob nun Praktikanten oder Auszubildende, Informationen weitergaben, ob nun für Geld oder einfach nur um aufzufallen. Genau deswegen stand in den Verträgen, dass keine Informationen zu den K-POP Stars nach außen dringen durfte. Ansonsten gäbe es Vertragsstrafen und die sofortige fristlose Kündigung. Ich würde über dieses eine Mal still schweigen, aber dennoch ein Gespräch mit ihr suchen.

Siwon sah etwas schuldbewusst aus. »Sorry, ich hab mich als Lias Freund vorgestellt und erst daraufhin, hat sie mir deinen Wohnsitz gesagt.«

Er versteifte etwas und sah mich an. »Freund? Freund, wie fester Freund?«

Siwon grinste mich an. »Wenn sie es möchte.«

Ich blinzelte. »Huh?«

Was?

Freund?

Ich sah Siwon an.

Hatte er mich gerade wirklich gefragt, ob ich seine Freundin werden möchte?

Meine Augen huschten kurz zu Yu.

»Ähm....bist du sicher? Wir hatten doch gerade erst ein zweites Date.« fragte ich und wusste nicht, ob das wirklich in Ordnung ging.

Hä? Was dachte ich da. Wieso sollte es nicht in Ordnung gehen? Yu und ich waren nur Freunde, mit gewissen Vorzügen. Aber eigentlich waren wir doch nur beste Freunde und mehr nicht.

Aber...ich hatte doch gerade erst herausgefunden, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Da konnte ich doch nicht einfach mit einem anderen zusammen kommen.

Obwohl, Yu hatte Interesse an Hyeon, wieso also sollte er sich Gedanken bzgl einer inoffiziellen Beziehung mit mir machen.

Ich war durcheinander.

»Ophelia?« Siwon sah mich fragend an und sein Lächeln kippte etwas.

Mingyu half mir etwas auf die Sprünge, dass Lächeln so echt wie die Gesichter der meisten Idole. »Lia vergisst manchmal, dass es bei uns, hier in Korea, Dates sehr viel früher als eine Beziehung bezeichnet werden. Ihr Appa warnt sie immer davor, nicht gleich nach dem zweiten Date, einen ›Freund‹ zu haben. Nicht wahr, L.«

Er lief an uns vorbei und bot Siwon an, sich auf das Sofa zu setzen. »Mach es dir gemütlich, Siwon-ah. Lia und ich wollten gerade einen Film schauen.«

Das Model lächelte und beugte sich wieder zu mir. An meine Lippen flüsterte er: »Dein Kumpel ist wirklich klasse. Ich meine, ich hab ja schon mit ihm geschrieben, aber ich kenne Mingyu eigentlich kaum bis gar nicht.«

Mingyu biss derweil die Zähne zusammen und lief in den Küchenbereich, der vom Wohnzimmer aus nicht einsehbar war.

Ich starrte Siwon wieder an. Es fühlte sich an, als hätte ich einen Kloß im Hals stecken. Irgendwie war die ganze Situation komisch. Ich fand Siwon immer noch attraktiv. Er war ein gut aussehender Mann und sehr sympathisch und zuvorkommend.
Ich wusste, wie es in Korea lief und wenn ich Yus Worte richtig verstand, wollte er mir damit sagen, dass ich es probieren sollte. Ich hätte gar nicht zögern sollen. Er würde in mir nie mehr als seine Managerin und Kindheitsfreundin sehen. So war das nun einmal.

Ich schloss den Abstand zwischen Siwon und mir. Sanft legte ich meine Lippen auf seine und lächelte. »Ich würde gerne deine Freundin werden.«

Dann nahm ich seine Hand und zog ihn zum Sofa. Ich setzte ihn ab und sagte: »Ich mach dir auch einen Tee. Bin gleich zurück.«

In der Küche bereitete ich den Wasserkocher vor und fragte Yu leise: »Ist das wirklich okay für dich?«

»Was?«, fauchte er. »Dass dein Freund, meinen Lippenbalsam von deinen Lippen leckt? Oder auf der Couch sitzt, auf der wir uns eben noch geküsst haben? Klar«, brummte er und klatschte das Messer, mit dem er den Apfel geschnitten hatte, fest auf den Tresen. »Warum sollte es denn nicht okay sein, hm? Gibt es einen Grund?«

Ich sah ihn überfordert an und war froh, dass der Wasserkocher laut genug war.
»Yu?« fragte ich nun ernst und sah ihn intensiv an. »Bin ich für dich mehr als nur deine Kindheitsfreundin und Managerin?« diese Frage ließ mich nervös werden. Denn die Antwort würde zwischen uns einiges ändern, ob nun zum Guten oder schlechten, kam auf seine Antwort an.

»Ja verdammt! Ja, das bist du!« Er bis die Zähne zusammen. »Aber es ändert nichts. Ich bin, wer ich bin und kann nicht mit dir ... Ich kann dir nicht geben, was du willst. Oder?«

Mein Herz hüpfte mehrfach.
Ich war für ihn wirklich mehr?
Es machte mich glücklich.
Aber....

Meine Augen wanderten zu Siwon. Er lächelte mich an.

Wieder sah ich Yu an.
»Ja.«

Nein.

Egal, was er mir gab, ich wäre zufrieden. Ich mochte Dates, ich mochte es draußen Händchen zu halten und Ausflüge zu machen. Ich wusste auch, dass ich es mit ihm nicht tun könnte. Aber aus irgendeinem Grund störte es mich nicht.

Dennoch antwortete ich: »Ja, du bist, wer du bist.«

Ich wollte mehr.

Doch ich wusste, dass es nicht ging. Ich hatte hier eine Chance, einen Mann kennenzulernen, mit dem ich ohne Probleme zusammen sein konnte.
Und ich würde diese Chance nutzen. Auch wenn ich etwas für Mingyu fühlte.

Es war für unsere Freundschaft besser so.

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