{11.} Mingyu

Ich sah nicht auf das Bild und nickte nur. Die Dinger waren mir scheiß egal und das Mr. Kim sie wollte, war eine freche Lüge. Ich hatte nicht mal ansatzweise mitzubestimmen, was die neuen Autogrammkarten für das Anstehen Fanmeeting werden würden.

Aber als sie mir geschrieben hatte, dass sie mit dem Schwachkopf im Bett war ...

Dieses Gefühl war nicht gut. Nein, ganz und gar nicht gut. Ich war scheiße noch mal verdammt eifersüchtig und hätte beinahe den Scheiß Spiegel im Tanzstudio mit der Faust eingeschlagen. Aber ich wurde weiterhin nicht zu ihr sagen, denn es würde unsere Freundschaft gefährden. Eifersucht hatte darin nämlich nichts verloren.

»Hast du nur mit Juhee gevögelt, weil du dich abgeschossen hast? Oder hast du dich abgeschossen, weil du mit ihm in die Kiste wolltest?«

»Nein, ich-«, Lia stoppend schloss ich die Lippen und dachte nach. »Ich habe mich wegen dir abgeschossen«, antwortete sie Schluss endlich und fügte hinzu. »Und dann kam eben eins zum anderen.«

Ich lehnte mich an den Tisch, auf den sie die Bilder von mir gelegt hatte, und verschränkte die Arme vor der Brust. Mein Hemd spannte etwas und mir fiel wieder auf, dass ich wirklich ziemlich viel Muskelmasse aufgebaut hatte. Eventuell mussten wir den Sponsoren neue Kleidergrößen durchgeben.

»Wegen mir? Was hab ich denn damit zu tun?«, harkte ich nach und sah sie mit gesenktem Kopf an, während ich mit den Fingern der gekreuzten Arme an dem Hemd zupfte.

Sie starrte meinen Oberkörper an und brauchte offensichtlich ein paar Sekunden, bis sie wieder zu mir hochsehen konnte. »Was? Ah Ähm, weil du nicht auf mich gehört hast und weil dir deine Gesundheit egal ist.« Sie schluckte. »Bitte gibt einfach mehr acht auf dich. Ich ... Du bist mir wichtig.«

Seufzend betrachtete ich sie. Dann richtete ich mich auf, packte sie und zog sie in meinen Arm. »Und du bist mir wichtig, L.« Näher. »Meine Gesundheit ist mir wichtig. Aber ich weiß auch, was ich vertragen kann und was nicht. Vertrau mir.« Näher. Näher! »Wann habe ich je wirklich auf dich gehört, außerhalb der Arbeit?«

Lis sah hoch, sah mir tief in die Augen. »Dann solltest du das ändern«, hauchte sie mit einer Stimmlage, die man eigentlich zum Flirten nutzte. »Hör einfach öfter auf mich, Oppa.«

Ich erschauerte und automatisch, glitt mein Blick zu ihrem Mund. Dann zu der Tür in ihrem Rücken.

Geschlossen. Niemand sieht uns.
Wieder zu ihrem Mund.

Ich sah mir quasi selbst dabei zu, wie ich die Hand hob und diese in ihren Nacken glitt. Wie ich Lia damit zwang, den Kopf etwas näher zu beugen und wie ich ihr entgegenkam. Millimeter um Millimeter. Erst knapp vor ihren Lippen bremste ich ab.

Mein Atem ging schneller, mein Herz raste, mein Puls jagte.

Lia.
Sie war meine Lia.
Meine beste Freundin.

Aber wenn sie nur das war, wieso störte mich der Gedanke dann so, dass sie mit Juhee gefickt hatte? Warum war alles, seit ich mit ihr geschlafen hatte, so anders?

Lia, Gott, sie stand einfach nur da, sah mich an und öffnete die Lippen. Scheinbar ebenso unbewusst, kam sie näher und drückte sich an mich.

Ihr Körper an meinem.
Ihr Geruch.
Diese Vertrautheit.

Meine Augen schlossen sich und meine Lippe trafen ihre. Es war ein sanfter Kuss. Nicht so wild, wie das Geknutsche, dass und in diesen blöden Schlamassel gebracht hat. Das Problem war nur, dass genau dieser Fakt, diese Sanftheit und diese Ruhe, alles nur viel intensiver machten.

Ssibal!

Ich drehte den Kopf leicht, was mir mehr Möglichkeiten gab und öffnete den Mund. Meine Zunge glitt in ihren Mund und schlang sich um ihre.

Es war verrückt, wie gut wir harmonierten. Ich hatte, trotz der vertraglichen Verbote und Reglen, schon etliche Frauen geküsst. Es waren gute Küsse dabei, wilde, langsame, und welche die ich hätte gut und gerne vermeiden können.
Aber das hier?

Sie zu küssen war ohne jeden Vergleich. Es gab keine Konkurrenz, denn niemand würde je so gut mit mir funktionieren, wie sie. Und das galt wohl nicht nur in unsere Freundschaft und der Arbeit, sondern eben auch hierbei.

Lia erwiderte den Kuss, ließ die Hände über meine Arme gleiten, berührte meine Muskeln über dem Hemd und ließ sie dann wieder über meine Bauchmuskeln und Brustmuskeln nach oben wandern. Erst als sie auf beiden Seiten halb auf dem Ohr und halb auf der Wange lagen, zog sie mich näher zu sich runter und intensivierte den Kuss.

Richtig und falsch existierte einfach nicht mehr. Irgendwie war ich gerade in diesem Zwischenraum gefangen, in dieser Grauzone, die nicht real war.

Meine eigenen Hände begannen, ihre Seiten hinabzuwandern und legten sich auf ihren Hintern. Ich setzte an, sie hochzuheben, als die Tür knarrte und aufgemacht wurde.

Wie von der Tarantel gestochen, fuhren wir auseinander und starrten uns an. Es ...

Diese Mi-Suk kam herein, die mir Lia vor Tagen flüchtig als Praktikantin des Plattenlabels vorgestellt hatte.

Ich wandte mich ab, suchte mein Schauspieltalent, das als Idol immer gefragt war, sobald man in die Öffentlichkeit ging, und tippte mit einem Finger möglichst professionell auf die Fotos, die fast vergessen auf dem Tisch lagen.

Hatte sie etwas bemerkt? Was wenn?

Lia stand für einen kurzen Augenblick überfordert da. Sie besaß, im Gegensatz zu mir, keine solches Schauspieltalent, weswegen man ihr auch ansah, dass etwas nicht stimme.

»Alles in Ordnung, Lia?«, fragte die Praktikantin besorgt. Bevor sie antworten konnte, sah diese schon zu mir. »Lee Mingyu Ssi«, stieß Mi-Suk nervös aus und lachte verlegen. »Ich ... ich wusste nicht, dass dieser Raum noch genutzt wird. Ich hoffe, ich habe nicht gestört.«

Lia räusperte sich und schob ein paar zerzauste Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Alles gut, Mi-suk. Wir ... brauchen noch paar Minuten, um ... Ähm-«, sie zeigte auf die Bilder. »Ein Bild auszuwählen.«

Mi-suk Lächeln wurde breiter, dann kam sie auf uns zu und stellte sich zu mir.
»Ich kann gerne helfen«, meinte sie und sah sich die Bilder an.

Lia räusperte sich erneut. »Das und das, sollten wir vorschlagen. Was meinst Du?«

Ich sah lächelnd der Praktikantin zu, doch als sie in die Bilder vertieft war und überlegte, sah ich Lia entgegen

Was hatte ich jetzt schon wieder getan?!
FUCK!

Mir die Lippen leckend, seufzte ich. Dann straffte ich mich und meinte. »Ich denke, ich überlasse das euch. Lia, wir hören uns später. Mi-Suk Ssi, freut mich, Sie wiedergesehen zu haben. Bis bald.«

Ich rannte schon fast aus dem Raum und Stieß gedanklich hunderttausend Flüche aus. Ich war so ein Arschloch!

***

»Fang an zu glauben. Fang an zu träumen. Fang an zu leben«, hörte ich Woosong bereits vor Wochen aufgenommene Stimme aus meinen Kopfhörern, während ich auf meinen Teil wartete. »Meine Arme sind offen und ich warte auf den Wind, der sich zu mir trägt. Du bist meine Rettung, meine größte Hoffnung und der Mittelpunkt meiner Welt. Also lass los und komm zu mir. Denn ich warte, bis die Sonne am Himmel verglüht.«

Lia.
Ich hatte sie geküsst.
Schon wieder.

»Jeder Tag ohne dich ist vergeudet«, setzte ich an, ohne es, meinen Rap, MICH, wirklich zu fühlen. Ich machte alles automatisiert und hörte mich selbst kaum, so abgelenkt war ich.

Dieser bescheuerte Kuss!

Dieser verfluchte Abend!

Warum war das passiert?

»Ich zähle die Stunden, Minuten und Sekunden. Warte. Hoffe. Liebe. Mein Herz schlägt im Takt der Uhr und meine Augen starren ins Leere. Du, nur du. Der Kern meines Lebens. Hoffnung ist gnadenlos und doch brennt sie in meiner Seele. Liebe ist tödlich und stiehlt mein Herz. Für dich tu ich alles. Ich bin wie ein Echo im Wald. Suche nach dir. Rufe dich. Denn nur du, nur du, nur du bist, was ich will. Wir-«

»Mingyu-ya«, unterbrach mich der Musikproduzent, indem er auf einen Knopf drückte und fragte: »Was ist los? Du bist völlig aus dem Takt. Hörst du das denn nicht?«

Ich nahm die Kopfhörer ab und leckte mir frustriert über die Lippen. Ssibal, ich schmeckte sie noch, obwohl es Stunden her war.

»Verzeihung, ich ... bin durch für heute. Sorry.«

Da Dong-seok nur eineinhalb Jahre älter war, als ich, konnte ich etwas legerer mit ihm reden. Er nickte. »Gut, ist eh der Song für das nächste Album, oder? Es eilt also nicht.«

»Ja, es hat noch Zeit«, brachte ich raus und rieb mir das Gesicht. Ich tat Dinge gerne früher als später, aber ich wusste auch, dass ich heute nichts mehr außer Müll hinbekommen würde.

Er sah auf die Uhr. »Na ja, es ist aber auch schon halb 12. Komm raus und geh heim. Du hast morgen frei, oder?«

Dank Lia, ja. Ich nickte nur, als ich aus der Kabine kam und mich verbeugte. »Dann bis demnächst, Hyung.«

Er gähnte. »Ja, deine Assistentin hat ja alle Termine, oder? Komm gut heim.«

»Ja, hat sie.« Nickend verließ ich, die Hand zum Gruß erhoben, das Studio und ging heim.

***

Mein Traum war ... heiß. Viel zu heiß und viel zu verboten. Und meine beste Freundin kam definitiv zu oft darin vor.

Verbissen starrte ich an die Decke. Dann auf dir digitale Uhr, die mir die verfluchte Zahl 3.00 Uhr anzeigte. Dämonenstunde. Ich lachte leise und sah zu zurück an die Decke. Ja, mich verfolgte ein Dämon. Lia.

Ich nahm seufzend mein Handy, wohl wissend, dass ich nicht widerstehen konnte.

ICH: ›Ich hab von dir geträumt.😳‹

Es war mitten in der Nacht und fies von mir ihr zu schreiben, denn ich wusste, dass Lia ihr Handy für Notfälle immer anhatte. Sie musst sogar, denn es war vertraglich für sie, bzw. alle unsere Manager und Assistenten geregelt.

LIA: ›War anscheinend ein Albtraum, wenn du deswegen wach geworden bist.‹
›Es tut mir leid.‹
›Wegen gestern. Das hätte nicht passieren dürfen.‹

ICH: ›Nein, mir tut es leid. Ich hab angefangen.‹

›Lia, wir müssen unbedingt aufhören damit.‹

›Das ist nicht gut. Du bist mir viel zu wichtig, als dass ich dich wegen so was verlieren könnte.‹

›Du bist die wichtigste Person in meinem Leben. Bei dir kann ich sein, wer ich wirklich bin.‹

LIA: ›Und was, wenn es schon zu spät ist?‹

Ich schluckte. Wie immer auf den Punkt, L, dachte ich.

ICH: ›Was meinst du?‹

Natürlich stellte ich mich hier dumm. Sehr dumm, denn sie sprach einen Punkt an, den ich nicht leugnen konnte. Ich war nicht verliebt oder so, aber Lia zog mich mehr an, als sie es als meine beste Freundin sollte.

Und das alles wegen eines schwachen Moments.

LIA: ›Ich habe deinen Namen gestöhnt, als ich mit Juhee geschlafen habe.‹

Ich versteifte mich sofort und stellte mir vor, was sie da sagte. Meine Männlichkeit regte sich und der Gedanke freute mich. Dann lachte ich jedoch und schrieb:

ICH: ›🤣🤣🤣 Armer Juhee. Wahrscheinlich warst du so betrunken, dass du einfach nur mit den Gedanken bei der Arbeit warst und mir wegen irgendwas den Kopf gewaschen hast.‹

›Er muss sich ziemlich dumm vorgekommen sein😅‹

LIA: ›Ja, kann sein.‹

›Nun, er will mich trotzdem, aber ich soll mich eben entscheiden.‹
›Obwohl es da nichts zu entscheiden gibt. Du bist mein Kumpel und er ein potenzieller Freund.‹

Mein Lächeln verschwand. Warum? Was sie sagte, war richtig.

ICH: ›Dann sag ihm das 🤷🏻. Wenn du eine Beziehung willst, dann nimm ihn. Es wäre unkompliziert, nehme ich an.‹

›Mit Siwon wahrscheinlich etwas weniger. Aber auch er kann Beziehungen führen.‹

Im Gegensatz zu mir. Es wäre kompliziert, verboten und eigentlich kaum möglich. Aber was dachte ich überhaupt darüber nach. Lia und ich? Als Paar? In einer ernsten, echten Beziehung?
Mein Magen flatterte und mein Herz hüpfte einmal.

›Ich glaube, wir stecken gerade in einer Phase, in der wir in unsere freundschaftliche Liebe irgendwie zu viel reininterpretieren. Oder wie denkst du darüber?‹

›Ich meine, ich liebe dich. Das hab ich schon immer, aber eben nur so, wie man seine beste Freundin liebt ❤️. Und bei dir es ist nicht anders. Dass wir Sex hatten, weil wir betrunken waren, verwirrt uns einfach etwas.‹

Lüge.
Das war der erste Gedanke, doch ich schob ihn wieder weg. Langsam wurde es zur Gewohnheit, dass zu tun.

LIA: ›Ja, das muss es sein. Ich liebe dich auch, Mingyu. ❤️‹

›Ich werde mit ihm reden. Aber erst einmal möchte ich schauen, wie ich mich bei Siwon fühle. Ich möchte das, was zwischen uns passiert ist, einfach nur vergessen.‹

›Aber ja, ich bin verwirrt. Sehr verwirrt.‹

Ich liebe dich auch Mingyu.
Ich befeuchtete meine Lippen.
Ich möchte das, was zwischen uns passiert ist einfach nur vergessen.
Autsch! Das tat weh, selbst wenn ich genauso dachte.

ICH: ›Warum verwirrt?‹

›Juhee oder Siwon. Was gibt es da zu überlegen? Ich würde einfach mal der Nase nach Entscheiden 😂.‹

LIA: ›Du bist ein Idiot. 😄‹

›Und? Was wirst du heute an deinem freien Tag machen?‹

ICH: ›Noch liege ich im Bett 🛌. Es ist 3:20.‹

›Keine Ahnung. Eventuell zieh ich mich einfach nicht mal um, sondern lauf den ganzen Tag ohne Shirt und nur in Boxer rum. Das Calvin Klein Sponsoring soll sich ja auch lohnen.‹

Grinsend hob ich das Handy und machte ein Selfie das die untere Hälfte meines Gesichtes, meinen Sixpack, das kleine Tattoo ›one life‹, wie die dunkelroten, engen Shorts zeigte.
Ich lachte.

›Weißt du, wenn du das Foto online stellen würdest, würde das Internet eventuell kaputt gehen. Die Welt in Chaos versinken 😱😱‹

Es dauert länger, bis sie zurückschrieb.

LIA: ›Genau deswegen, werde ich das Bild auf meinem Handy lassen. In Sicherheit vor der Öffentlichkeit. 🙈‹

Sie schickte ebenfalls ein Bild. Lia trug einen unordentlichen Dutt auf dem Kopf und ein lockeres T-Shirt, dass ich ihr irgendwann mal aus New York mitgebracht hatte. Ihre Beine lagen frei, ich konnte bis zu ihren Oberschenkeln ihre dünnen Beine sehen. Sie zeigte ein Peace Zeichen und ein Auge war zugekniffen, das andere offen und sie macht ein Kussmund.

LIA: ›Mein Bild ist zwar nicht ansatzweise so viel wert, aber hab dein T-Shirt an, dass du mir mal geschenkt hast.😋‹

Ich sah es an. Zoomte und betrachtete jeden Zentimeter. An Lias Lippen blieb mein Blick länger hängen und ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, wenn sie vor mir knieten und ...

ICH: ›Es wäre mehr wert, wenn du weniger anhättest, L.‹

Nein, lass das Mingyu! Ssibal.
Aber die nächste Nachricht verschwand und obwohl ich sie wider löschen könnte, blieb sie stehen.

ICH: ›Das Foto würde die Fantasien deiner beiden Kerle ordentlich anheizen. Meine arbeitet zumindest auf Hochtouren 🥵.‹

LIA: ›Was für Fantasien hast du?‹

›Ich will sie wissen.‹

Gefährlich. Das hier war gefährlich. Aber ...

ICH: ›Deine Beine, Lia. Würde ich jetzt neben dir liegen, würde ich langsam darüberstreichen, bis ich an dem Saum des Shirts angekommen wäre. Dann weiter. Weiter, bis ich mit meinen Fingerspitzen über die Konturen deines Slips fahren könnte. Und dann ... höher ...‹

Was machte ich?!

›Entschuldigung. Ich weiß nicht, was das sollte. Ignorier es einfach. Keine Fantasie. ❌🙅🏻❌‹

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