Kapitel 23
Kurz bevor ich im Morgengrauen schlafen gehe, weil Sita und Seth uns ablösen, verbinde ich mir mein von Ivory verletztes Handgelenk neu. Als ich mich schließlich vom Knacken unseres Feuers begleitet auf meinem Ponscho zusammenrolle, merke ich, dass Toby mich nachdenklich anschaut. Auch ich denke an unser Gespräch zurück und bin auf einmal hellwach und nicht länger müde. Was meinte er damit, als er sagte, er würde für mich aller Leben unserer Verbündeten hergeben? Der barbarische Satz eines Karrieros, der das Publikum beeindrucken will, oder die Wahrheit? Bin ich ihm wirklich so sehr ans Herz gewachsen, oder zieht er nur Show ab? Ich weiß es zwar jetzt noch nicht, aber ich werde es definitiv herausfinden. Damit die Verhältnisse zwischen uns geklärt sind, meine ich.
Letztendlich muss ich doch eingeschlafen sein, denn als Tiger mich weckt, ist die Sonne schon aufgegangen. Obwohl der Morgen schon fortgeschritten ist und ich bestimmt mehrere Stunden Schlaf hatte, fühle ich mich wie gerädert. Am liebsten hätte ich weitgeschlafen, aber wir sind hier in den Hungerspielen. Und da verpennt man seine Chance am besten nicht.
"Habt ihr irgendwas verdächtiges gesehen oder gehört?", fragt Tiger mich, während er mir einen Strauch Johannisbeeren in die Hand drückt. Ich schüttele langsam den Kopf. "Nicht, dass ich wüsste. Hast du etwas bemerkt, Toby?" Mein Distriktpartner hebt den Kopf und sieht mich verwirrt an; offenbar hat er nicht zugehört. "Was?", fragt er, schüttelt jedoch im selben Moment den Kopf. "Nein. Ich auch nicht." Die anderen nicken, während Toby mich ein bisschen zu lange anguckt, als dass es sich bloß um Zufall handeln könnte. Sein Blick ist noch immer nachdenklich und ich kann mir nicht helfen, mir ist die Situation unangenehm. Peinlich berührt schaue ich auf die Beeren in meinen Händen, ehe ich die erste von ihnen zwischen meinen Lippen zerplatzen lasse. "Dabei hatten wir die ganze Nacht das Feuer an." Seth schüttelt ungläubig den Kopf. "Das war doch eine Einladung, herzukommen und nachzusehen, ob man vielleicht ein paar von uns vernichten kann." Sita bedenkt ihn mit einem schrägen Seitenblick. "Das glaube ich nicht. Die wissen doch, dass keiner so dumm ist, ein Feuer anzulassen. Das hat man in den letzten Jahren oft genug gesehen. Schätze, die haben geahnt, dass es eine Falle war. Wie es aussieht, traut sich keiner von denen an uns ran." Sie gibt einen freudlosen Lacher von sich. Ich schlucke die letzte Beere und schaue in die Runde. Alle schweigen. "Vielleicht gehen wir zum Füllhorn zurück", schlage ich achselzuckend vor. "Wir wissen ja, wie wir es hinterlassen haben. Wenn wir etwas verdächtiges entdecken, verfolgen wir die Spur von dort aus einfach zurück." Als keiner etwas einzuwenden hat, blicke ich Lizley an. Sie scheint mir heute morgen irgendwie neben sich zu stehen - sonst hat sie immer eine Meinung. "Geht es dir gut?", frage ich mit aller Sanftheit, die ich aufbringen kann. Lizley nickt. "Kannst du vielleicht sagen, wo Cole sein könnte? Er kann uns zur Gefahr werden, wie wir gesehen haben und ich finde, wir sollten ihn im Auge behalten, damit er so schnell wie möglich aus diesen Spielen geht." Wieder blicke ich in die Runde; alle nicken. "Sehe ich genau so", sagt Seth. "Der ist mir irgendwie nicht ganz geheuer." "Schon", räumt Lizley endlich ein. "Aber ich habe keine Ahnung mehr, wo der Typ hinverschwunden ist. Echt! Null Ahnung. Norden, Süden, Westen, Osten, mir fällt nichts ein." Tiger stößt sie vorwurfsvoll an. "Verdammt, du musst aufmerksamer werden! Solche Informationen können unser Leben bedeuten. Oder willst du, dass die Spielmacher einen von uns umpusten, weil's denen zu langweilig wird?" "Übertreib' es nicht, klar?", keift Lizley aufgebracht zurück. "Wir haben gekämpft. Der Idiot hat mir die Kehle aus dem Leib gewürgt und ich soll auch noch darauf achten, in welche Richtung er läuft? Was war denn mit euch? Ihr habt ihn doch auch gesehen. Wo ist der denn, Tiger?" "Er ist nach Norden geflohen und irgenwann abgebogen", sagt Sita an Tigers Stelle trocken, während sie den Jungen mit schmalen Augen ansieht. "Und du gibst besser Ruhe, bevor diese Diskussion auch noch in ein Gemetzel ausartet." Wie zur Vertiefung ihrer Worte schwingt Sita ihren Degen und steht auf. "Also los. Gehen wir es an."
Der Weg zum Füllhorn kommt mir um einiges kürzer vor als gestern noch. Die ganze Zeit über diskutieren Tiger und Lizley weiter, und es bringt nichts, ihnen zu sagen, dass wir leiser sein müssen, sie stellen sich einfach auf taub. Kein Wunder, dass wir so keinen Tribut finden! Da bringt auch Schleichen nichts mehr.
Als wir schließlich ankommen, ist auf den ersten Blick alles so, wie wir es hinterließen. Doch wenn man genauer hinsieht, entdeckt man die Fehler: Es fehlen die Pfeile, die wir zur Not vergraben haben. Das Loch ist offen, aber es fehlt jede Spur von einem Menschen. Die Sonne brennt warm, der Wind jedoch heult uns eisig um die Ohren. Typisch Spielmacher. Wenn sie uns nicht verändern, pfuschen sie am Klima rum. "Jemand war hier", spricht Tiger das aus, was wir alle mit unseren eigenen Augen sehen. "Glückwunsch", sagt Lizley, aber zum Glück geht Tiger nicht auf sie ein. Die beiden nerven mich ja jetzt schon. "Okay, was tun?" Seth bohrt seinen Speer in den Boden, um sich darauf abzustützen. "Wir erkunden die Arena", sagt Toby bestimmt. "Wenn alles leer und tot scheint, gucken wir einfach nach, wo wir überhaupt sind. Und auf dem Weg begegnen wir bestimmt einem Tribut..." "...der es kaum erwarten kann, von mir aufgeschlitzt zu werden", beende ich seinen Satz zynisch und lecke mir über die Lippen. Die anderen lachen - alle außer Toby, der mir einen fragenden Blick zuwirft. 'Ernsthaft?', scheint er zu fragen. Ich beantworte seinen Blick mit einem Nicken. Ich habe es satt, ihm gegenüber alles rechtfertigen zu müssen. "Das klingt doch mal nach einem Plan." Lizley reibt sich zufrieden die Hände aneinander. "Aber vorher müssen wir uns stärken." "Haben wir doch", protestiert Tiger, der am liebsten sofort losmarschiert hätte, so wie er sein Schwert schon hält. Lizley verpasst ihm einen leichten Schlag in die Nackengegend. "Glaubst du, von deinem mickrigen Häufchen Beeren ist auch nur irgendwer satt geworden? Idiot." Sie lässt sich auf der Stelle einfach fallen, nimmt den Rucksack von den Schultern und wühlt darin herum. "Ihr müsst ja nichts essen", meint sie leichthin. "Aber ich will etwas im Magen haben, bevor ich hier herumwandere. Die Arena ist riesig." Sie schaut sich blinzelnd um, um sich noch einmal von ihren eigenen Worten zu überzeugen. Sita seufzt, während sie sich ebenfalls setzt. "Sie hat recht, Leute. Ohne geht nicht."
Und so setzen wir uns alle in einen Kreis, packen unsere reichen Vorräte aus dem Füllhorn aus und essen. Kohlenhydrate in Form von Kräckern für Energie, Proteine und Eiweiße in Form von Fleischbällchen für Kraft. Und schließlich sogar ein paar Scheiben Trockenobst für einen gesunden Vitaminhaushalt. Dann kann es losgehen. Wir schultern unsere Rucksäcke, halten unsere Waffen bereit und laufen in den Wald zurück. Kaum dass wir im Dunkel der Tannen und Kiefern untergetaucht sind, komme ich mir beobachtet vor, doch als ich über meine Schulter sehe, ist dort nichts. Trotzdem - hat dort nicht eben ein Ast geknackt? Ich kneife die Augen zusammen, während ich mein Tempo zügele. Und da! War das nicht der Zipfel eines Ponschos, der hinter einer besonders dichten Fichte verschwunden ist? "Wartet mal", wispere ich zu den anderen. "Ich glaube, wir sind hier nicht allein." "Natürlich sind wir nicht allein." Seth wirft die Arme in die Luft. "Hier irgendwo verteilt sind vierzehn Tribute - wir inklusive - und ganz Panem schaut zu." Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. "Ich meine es ernst", zische ich. "Wir werden beobachtet." Sita fängt lauthals an zu lachen, und nach den ersten Schrecksekunden bemerke ich, dass sie das nur tut, um unser Gespräch zu vertuschen. Zögerlich falle ich in ihr Gelächter mit ein. "Ehrlich?", fragt Tiger, der sich fast den Hals verrenkt, um den Tribut zu erhaschen, von dem ich mich beobachtet fühle. "Wir sollten uns nicht auf die Suche nach jemandem machen", mischt Toby sich ein, als ahne er, dass Tiger am liebsten losgeprescht wäre. "Wir haben ja gesehen, wie das gestern Abend mit Lizley geendet hat." Lizley baut sich mit ihrem Speer vor ihm auf. "Ja und das nur, weil keiner von euch mir helfen wollte!" "Wir haben Cole eben falsch eingeschätzt", beschwichtige ich sie und berühre ihren Arm. "Ein Zwölfer halt. Wir dachten, den hast du in Null Komma nichts erledigt." "Hätte ich auch, wenn es nicht so dunkel gewesen wäre." Lizley reißt sich aus meinem Griff und sieht sich neugierig um. "Wo waren die Blicke, Hunter? Sie nicht zu jagen, wäre doch langweilig." Sie lächelt Toby provokant ins Gesicht, ehe sie sich einfach davonschleicht. Tiger hüpft begeistert hinterher. "Die lernt auch nicht dazu, was?" Seufzend stemmt Toby sich einen Arm in die Hüfte. "Sita und ich gucken in der anderen Richtung nach", informiert uns Seth geschäftig. "Haltet ihr Stellung."
"Na toll." Ich lasse mich mutlos gegen einen Baumstamm sinken. "Die anderen laufen Patrouille und wir dürfen fein warten. Was, wenn sie sich gegenseitig verlieren?" "Dann sind wir immer noch zu zweit." Toby nimmt einen Tannenzapfen vom Boden, wirft ihn in die Luft und fängt ihn geschickt wieder auf. Ich beobachte sein Spielchen, ohne es wirklich wahrzunehmen. "Ob ich das so außerordentlich beruhigend finde, weiß ich auch nicht." "Hey!" Toby ist so geschockt von meiner Bemerkung, dass er glatt den Zapfen fallen lässt. Ich versuche ihn ernst anzublicken, damit er mir meine Scheu ihm gegenüber abkauft, aber dann muss ich doch lachen und auch er beginnt zu grinsen. Als hinter uns ein Rascheln ertönt, verstummen wir jedoch prompt. So langsam wie möglich drehe ich mich um, während Toby seinen Wurfstern angriffsbereit anhebt. Dann galoppiert ein Fasan aus dem Unterholz und ich bin so wütend, dass ich seinetwegen nervös war, dass ich ihm einfach mein Messer in die üppige Brust werfe. "Das wird ein Schmaus", sagt Toby trocken. Ich weiß nicht, ob ich lachen, oder im Boden versinken soll.
"Was wollt ihr mit dem Fasan?", fragt Lizley, als sie und Tiger angetrabt kommen. Ihre Flechtfrisur hat sich halbwegs gelöst und auf ihrer Stirn glitzert Schweiß. "Wir haben doch die Vorräte vom Füllhorn - oder habt ihr die alle weggegessen?" Toby blickt mich vielsagend an. "Nein. Sky war so wütend, dass sie sich wegen eines Vogels fast in die Hose gemacht hat, dass sie ihn gleich erdolcht hat." "Ich hatte keine Angst!", sage ich laut, aber das Blut steigt mir trotzdem in den Kopf. "Ich bitte dich." Toby macht nur Spaß, aber für diese Bemerkung hätte ich ihm am liebsten ebenfalls mein Messer in die Brust geschmettert. Um ihn daran zu erinnern, dass ich dazu durchaus in der Lage wäre, halte ich es ihm unter die Nase. "Halt endlich deinen verdammten Mund! Du warst auch nicht viel besser." Lizley verdreht die Augen, ehe sie mir den blutgetränkten Fasan aus der Hand reißt. "Na bitte. Haben wir halt mal was Frisches zu essen." Und ohne zu zögern beginnt sie, die Federn des schönen Vogels nacheinander rauszureißen. Dabei rupft sie nicht willkürlich an ihm herum, nein, sie scheint einem System zu folgen, welches rasendschnell funktioniert. Schon nach wenigen Minuten hält sie nur noch nackte Haut in den rot verfärbten Händen. "Das machst du aber nicht zum ersten Mal." Ich staune nicht schlecht. Verwundert, weil ich meinen eigenen Augen nicht fassen kann, greife ich in den Berg aus schillernden Federn, die zu meinen Füßen liegen. Lizley verzieht das Gesicht. "Wohl kaum. Ist 'ne lange Geschichte." Zu gern hätte ich nachgehakt, aber ihrem Ausdruck nach zu urteilen, hat sie nicht wirklich Lust, mir die zu erzählen und selbst wenn sie es täte, kommen in diesem Moment die anderen beiden zurück. "Wow." Sita stützt sich schwer atmend auf ihre Knie, während sie den nackten Vogel in Lizleys Händen bestaunt. "Gibt's schon wieder essen?" "Ist 'ne lange Geschichte", äffe ich Lizleys Worte nach und rappele mich auf. "Wenn ihr niemanden gesehen habt, dann laufen wir jetzt weiter. Unsere Zeit ist nämlich nicht endlos." Dagegen hat keiner etwas einzuwenden. Wir wickeln den toten Fasan in eine provisorische Tüte aus Moos und Blättern ein, dann marschieren wir weiter.
Man könnte fast behaupten, dass der Tag langweilig ist. Wir begegnen keiner Menschenseele und auch optisch bietet dieser Wald keine Abwechslung: Überall stehen dieselben Bäume. Ich habe im Hinterkopf, dass uns dieses Labyrinth zum Verhängnis werden könnte, aber zumindest weiß ich ungefähr, aus welcher Richtung wir gekommen sind, und - der Wald kann ja nicht unendlich sein. Irgendwo werden wir auf eine Grenze stoßen. Das habe ich im Gespür. Wenn die Arena nämlich endlos wäre, wieviele Tribute wären in den Spielen dann schon geflohen? Nein, die Spielmacher sind schlaue Menschen, die ihr ganzes Leben nichts anderes tun, als ein Gefängnis aus Kameras und falschem Klima wie die perfekte Wildnis aussehen zu lassen.
"Leute, ich habe Durst", unterbricht Tiger meine Gedanken. Er läuft ganz vorne, und als er plötzlich anhält, entsteht eine Art Auffahrunfall und wir prallen alle gegeneinander, weil keiner wirklich bei der Sache war. Peinlich zu sehen, wie unaufmerksam Karrieros sein können. Was haben wir alle im Interview noch mal behauptet? Richtig, wie tödlich und gefährlich wir seien, wie siegessicher und kampferfahren. Tja, da sieht man ja, wie unser erster Ausflug endet: Mit Durst und einem Auffahrunfall. "Wir sind so spannend wie eine Schlaftablette", sage ich mit gedämpfter Stimme, während Tiger seine Feldflasche auspackt, um gierig zu trinken. "Sie hat recht." Sita nickt. Mir fällt auf, dass es schon das zweite Mal an diesem Tag ist, dass sie das sagt, und mich beschleicht die böse Ahnung, dass sie und ich die einzigen sind, die imstande sind, klar zu denken. Oder überhaupt einer Strategie zu folgen. Abgesehen von Toby vielleicht, aber seinem Teamgeist kann man nicht trauen. Er scheint seine eigene Version der Hungerspiele zu spielen. "Wenn das so weiter geht mit uns, dann greifen die Spielmacher spätestens morgen an", sagt Sita eindringlich, sieht dabei aber nur mich an. Ich nicke. "Es sei denn, in der Arena geschieht irgendetwas anderes sehenswertes. Ein verdurstender Tribut zum Beispiel, oder einer wie Cole, der gefährliche Sachen plant. Aber solange nichts dergleichen passiert, zeigen sie uns." Ich senke meine Stimme zu einem Flüstern. "Weil wir die Wilden sind. Wir sind die mit dem Plan, der die ganzen Spiele steuert, mit der Mordesliste, die wir abarbeiten wollen. Wir sind diejenigen, die die interessanten Gespräche führen, weil wir überhaupt jemanden haben, mit dem wir reden können. Und anstatt ihnen eine akzeptable Show zu bieten, tapern wir gedankenverloren umher und knallen gegeneinander, wenn der erste in der Reihe anhält." Ich hole Luft. Kaum zu fassen, dass ich das alles hervorgebracht habe, ohne auch nur einmal zu atmen. Aber wenigstens habe ich leise genug gesprochen, um unbestimmte Ohren von dieser Sache fernzuhalten. Die anderen starren mich an. Das Geräusch von Tigers Reißverschluss, als er die Feldflasche wieder einsteckt, ist das einzige, was wir vernehmen. Sicher sind wir nun in Großaufnahme auf sämtlichen Bildschirmen zu sehen, womöglich auch noch rangezoomt. Weil wir eng beieinander die Köpfe zusammenstecken und einen Plan aushecken. Das wollen sie natürlich alle mitbekommen.
Sita ist die erste, die das Wort ergreift. "Wir müssen laut spekulieren. Über die anderen Tribute. Solange wir uns nicht in einen Kampf verwickeln, müssen wir uns über die anderen unterhalten. Austauschen, was wir im Center über die erfahren konnten, temperamentvoll sein, hitzig, ein echter Karriero eben. Nur so können wir die Leute einigermaßen bei Stange halten, während wir parallel auf Jagd sind. Wir müssen mehr schauspielern. Bis jetzt haben wir zu viel an uns gedacht, aber von nun an - oh mein Gott, sind das etwa Hände?" Ihre Stimme hat sich in solch ein hässliches Kreischen verwandelt, dass ich mir vollkommen perplex die Ohren zuhalte. Doch dann folge ich ihrem Blick und gebe ein schrilles Piepsen von mir. Nur knappe sieben Meter von uns entfernt - und es ist ein Wunder, dass wir nocht nichts bemerkt haben - gucken zehn eingerissene und verschlammte Fingernägel aus der Erde. "Du liebe Güte", stößt Seth hervor, als er sie ebenfalls entdeckt. "Wurde der etwa lebendig begraben?" "Wohl kaum." Lizley verzieht das Gesicht und streicht über die Erde hinter ihr. Zäher, klebriger Schlamm bleibt an ihren Händen hängen. "Das ist ein Sumpf, Leute. Dieser Tribut wurde nicht durch Fremdenhilfe beseitigt, er ist schlicht und ergreifend ertrunken." "Es muss nachts passiert sein, als es dunkel war und man noch nichts sehen konnte", schlussfolgere ich sofort. "Oder heute morgen", schießt Toby zurück. Er deutet auf die Fingernägel des Mädchen oder Jungen. "Seht ihr? Er sinkt noch. So lange kann es noch nicht her sein." "Er muss allein unterwegs gewesen sein", sagt Sita mit konzentrierter Stimme. "Ein Zweiter hätte ihn rausziehen können." "Ein Einzelgänger also", hält Lizley nickend fest, während sie sich über den Schlamm zu den Fingernägeln beugt. "Na los, ziehen wir ihn raus. Leben tut er wohl nicht mehr, aber zumindest will ich herausfinden, wen wir da losgeworden sind." Widerwillig platzieren wir uns neben ihr. Keiner von uns anderen hat wirklich Lust darauf, diese Moorleiche ans Tageslicht zu ziehen, aber vielleicht hat Lizley ja recht und es hilft uns weiter, wenn wir wissen wer es ist.
Zunächst ist es anstrengend und kaum überwindbar, an den dünnen Fingerspitzen zu zerren. Doch je mehr wir in der Hand halten, desto leichter fällt es uns. Als der Tribut - er hat sich als eine "Sie" entpuppt - vor uns liegt, kann man kaum etwas erkennen. Da ist Schlamm im Gesicht, Schlamm in den Haaren und Schlamm an den Klamotten. Alles ekelhaft grün. Und es stinkt. "Sie sieht jung aus", stellt Seth fest, als er das Gesicht des Mädchens grob vom Schmutz entfernt hat. Ihre Züge sind seltsam verzerrt und ihre Augen sind geöffnet. Selbst die sind grün und machen einen überraschten Eindruck, verschleiert von Verzweiflung. Aber Seth hat recht: Ihre Züge ähneln vielmehr denen eines Kindes als einer Erwachsenen. "Ich schätze sie auf dreizehn, vielleicht vierzehn Jahre." Toby betrachtet die junge Tote mit einer Mischung aus Ekel und Mitgefühl. Ich seufze tief. "Lasst uns schauen, ob sie etwas bei sich hat, das interessant für uns sein könnte und dann verschwinden wir. Das stinkt echt zur Hölle!" Ich halte mir die Nase zu, während Tiger und Lizley das Mädchen herumdrehen und abtasten. "Nichts." Lizley hält mir ihre leeren, verdreckten Hände unter die Nase. "Typisch Einzelgänger halt. Hat sich nicht einmal einen Rucksack mitgenommen. Tss." Sie sieht fast so aus, als würde sie gleich anfangen zu lachen, während ich mich glatt übergeben könnte. "Wartet", murmelt Sita und ergreift die Hand des Mädchens. "Was hält sie da fest?" Sie versucht die Faus zu öffnen, doch die Finger der Leiche sind so starr und verkrampft, dass sie sich nicht rühren. Erst als Seth sie mit seinem gewaltsamen Griff allesamt bricht, gibt das Mädchen den Inhalt frei. Auch der ist voll mit Schlamm, sodass man ihn nicht erkennen kann. "Was soll das schon sein?", spottet Lizley, während sie sich mühsam aufrappelt. "Irgendein Talisman oder Glücksbringer von daheim. Sie ist doch noch ein Kind." "Das ist kein Talisman", beharrt Sita und schabt den Dreck von dem kleinen, unförmigen Gegenstand. Dann sieht sie uns an. "Das ist ein Knochen."
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Helau ihr Lieben! Hört zu, es tut mir wirklich, wirklich leid, dass das Update so spät kam, aber ich war viel unterwegs. Erst musste ich ständig zum Arzt, weil alle meine Impfungen aufgefrischt wurden, dann hatte ich einen Austausch und jetzt war ich krank. Aber ich verspreche euch, nun wieder öfter für euch am Start zu sein. :-)
Also, was sagt ihr zum Kapitel und zu dem Fund der Karrieros? Was hält die Arena noch bereit? :-*
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