4 - Der Witwer
Roses geliebter Porsche glänzte in der Mittagssonne, als er von einem modernen Haus im würzburger Frauenland zum Stehen kam. Rose und Böhm stiegen aus dem Wagen und gingen zur Haustür. Sie klingelten und warteten mit ernsten Mienen auf eine Antwort.
Es dauerte nicht lange, bis die Tür sich öffnete und ein großer, blonder Mann mit kurzen Haaren ihnen entgegentrat. Er sah müde und traurig aus. Seine rot unterlaufenen Augen verrieten, dass er viel geweint hatte. Ein Indiz, dass die Polizisten hier richtig sein mussten.
„Guten Tag, mein Name ist Maximilian Rose und das ist mein geschätzter Kollege Jan Böhm. Wir sind von der Kriminalpolizei", stellte Rose die beiden vor und zeigte seinen Ausweis. Böhm tat es ihm gleich.
„Hallo. Man sagte mir schon, dass Sie kommen würden. Ich bin Lars Meininger, der Ehemann und Manager von Jessica Meininger", sagte der Mann und reichte den beiden nacheinander die Hand zum Gruß. Er versuchte, freundlich zu lächeln, aber es gelang ihm nicht wirklich.
„Ich schätze, es gibt bessere Gelegenheiten, sich kennenzulernen", sagte Rose mitfühlend, „Können wir vielleicht kurz reinkommen?"
„Natürlich, bitte kommen Sie herein", sagte Meininger und winkte sie ins Haus.Die Männer betraten die moderne Wohnung und blieben im Flur stehen.
„Hier ist der Laptop von Jess", sagte Meininger und reichte Böhm eine kleine Tasche in die Hand. „Ich hoffe, Sie finden darauf etwas Brauchbares. Was kann ich denn sonst für Sie tun?"
„Wir sind hier, um Sie über Ihre Frau zu befragen", sagte Rose.
„Dann werde ich also endlich ernst genommen?", sagte Meininger mit einem Anflug von Ärger in seiner Stimme. In Rose machte sich eine Vorahnung breit, dass dieses Gespräch nicht leicht werden könnte.
„Wir wurden erst heute Morgen mit diesem Fall betraut. Unsere Forensik hat das fürchterliche Video als authentisch eingestuft. Es ist anzunehmen, dass es tatsächlich die Ermordung Ihrer Frau zeigt. Wir möchten Ihnen daher unser tiefstes Mitgefühl aussprechen." Rose wählte seine Worte mit Bedacht und versuchte besonders einfühlsam zu klingen.
„Ich hatte Ihrem Chef doch schon mehrfach gesagt, dass der Livestream echt ist! Es ist schrecklich! Ich kann es immer noch nicht glauben", sagte Meininger, schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen, „Wer tut ihr sowas an? Haben Sie einen Verdächtigen?"
„Das versuchen wir herauszufinden. Wir müssen in alle Richtungen ermitteln", meldete sich nun Böhm zu Wort. „Wann haben Sie Ihre Frau denn zuletzt gesehen?"
„Das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe, war am Samstagmorgen. Wir haben zusammen gefrühstückt. Sie sagte, sie müsse noch etwas erledigen, aber sie kam nicht mehr nach Hause. Nur wenige Stunden später sah ich sie dann live im Internet...", erklärte Meininger und schluckte schwer.
„Was wollte sie denn erledigen?", fragte Rose. Er fand es merkwürdig, dass Meininger nicht mehr darüber wusste.
„Das weiß ich nicht. Sie machte ein Geheimnis daraus. Sie sagte, es sei eine Überraschung für mich", sagte Meininger schulterzuckend.
„Und Sie haben sich keine Sorgen gemacht, als Sie sie den gesamten Tag nicht erreichen konnten?", fragte Böhm.
„Nun, ich habe versucht, sie anzurufen, aber sie ging nicht ran. Ich dachte, sie sei vielleicht beschäftigt oder habe ihr Handy vergessen. Sie war oft so. Sie war sehr spontan und impulsiv. Sie liebte es, zu reisen und neue Leute kennenzulernen. Sie war eine berühmte Influencerin, Sie wissen schon. Sie hatte viele Follower und Fans", sagte Meininger.
„Ja, das wissen wir. Wir haben uns bereits ihre Profile angesehen. Sie hatte über eine Million Follower auf verschiedenen Social Media Plattformen. Ich kenne mich nicht sonderlich gut damit aus, aber ich denke das ist viel. Sie postete dort regelmäßig Fotos und Videos von sich und ihrem Leben. Sie muss sehr beliebt und erfolgreich gewesen sein", sagte Rose.
„Ja, das war sie. Sie war meine Frau und auch meine Klientin. Ich habe sie entdeckt und gefördert. Ich habe ihr geholfen, ein Star zu werden", sagte Meininger stolz und wehmütig, „Als wir uns kennenlernten war sie noch eine unbekannte Bloggerin. Ich habe ihr Potential erkannt, sie gecoacht, beraten und vermarktet. Ich hab sie zu einer der erfolgreichsten Influencerinnen Deutschlands gemacht."
„Sie waren also nicht nur ihr Ehemann, sondern auch ihr Manager?", fragte Böhm.
„Ja, das stimmt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Wir haben vor drei Jahren geheiratet. Das war ein großes Medienereignis in den Socials! Wir waren ein tolles Team. Wir haben alles zusammen gemacht", erinnerte sich Meininger.
„Und wie war Ihre Beziehung? Gab es Probleme oder Streit?", fragte Rose neugierig. Er war skeptisch, dass alles so harmonisch war, wie Meininger es darstellte. Er wollte wissen, ob es Risse in der Fassade gab.
„Nein, überhaupt nicht. Wir waren Seelenverwandte! Wir waren glücklich. Wir haben uns verstanden und respektiert. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und inspiriert."
„Das klingt nach einem Traum von einer Beziehung", merkte Rose an und betrachtete einige Fotos, die an der Wand hingen und das Paar innig und vertraut miteinander zeigte. Er sah, wie sie sich küssten, umarmten und lachten. Er sah, wie sie glücklich und verliebt aussahen. Die Bilder erzeugten eine tiefe Sehnsucht in ihm, die er aber rasch zur Seite fegte, da sie gerade völlig deplatziert war. „Eine so schöne Liebesbzieheung wünscht sich sicher jeder. Doch eine Sache leuchtet mir nicht ein."
„Was leuchtet Ihnen nicht ein?", fragte Meininger und legte seine Stirn in Falten.
„Ihre Frau verlässt das Haus ohne genaue Angaben zu machen. Sie sagt Ihnen nichts darüber, was sie vorhat. Sie vermissen sie für einige Stunden und dann sehen Sie den Livestream, in dem Ihre Frau ermordet wird. Wieso wenden Sie sich erst am Montagmorgen an die Polizei? Das sind ganze zwei Tage nach ihrem Verschwinden und knapp ein Tag nach ihrer Ermordung", sagte Rose. Er konfrontierte Meininger mit dem, was er für einen Widerspruch hielt. Er wollte wissen, warum Meininger so lange gewartet hatte, um Hilfe zu suchen.
„Was? Ich war geschockt, verwirrt, total am Ende! Ich wusste nicht was ich tun sollte."
„Wo waren Sie denn, als der Livestream gezeigt wurde?", fragte Rose. Er bohrte jetzt noch weiter nach. Er wollte wissen, ob Meininger ein Alibi hatte.
„Was soll denn diese Frage?" Verärgert blickte Meininger Rose an. „Ich war hier zuhause in meinem Büro. Ich hatte viel zu tun. Ich hatte eine wichtige Präsentation für einen potenziellen Kunden vorzubereiten."
„Haben Sie jemanden, der das bestätigen kann?", fragte Rose. Er ließ nicht locker. Er wollte Beweise für Meiningers Aussage.
„Natürlich nicht. Hier wohnen ja auch nur Jessica und ich. Sagen Sie mal, verdächtigen Sie jetzt etwa mich? Ist das Ihr Ernst? Ich bin der Mensch, der Jess am meisten liebte!" Meiningers Gesicht verzerrte sich vor Wut und Empörung.
„Beruhigen Sie sich, Herr Meininger. Wir haben keinen Grund, Ihnen etwas anzuhängen. Wir wollen nur die Wahrheit herausfinden. Wir wollen nur Gerechtigkeit für Ihre Frau", sagte Rose, „das ist alles".
„Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Wenn Sie keine weiteren Fragen mehr haben, möchte ich Sie nun bitten jetzt zu gehen. Ich brauche nun etwas Zeit für mich allein."
„Natürlich, Herr Meininger. Sie benötigen Ruhe für die Trauerbewältigung. Aber eine Frage möchte ich Ihnen noch stellen, ehe wir aufbrechen."
„Ja, ich höre. Was wollen Sie noch wissen?"
„Dieser Ort, an dem der Livestream aufgenommen wurde. Haben Sie eine Idee, wo das sein könnte?"
„Nein, ich habe keine Ahnung, wo das sein könnte. Darüber zermartere ich mir auch schon die ganze Zeit den Kopf. Vielleicht können Sie ja ihr Handy orten. Das habe ich zwar selbst schon vergeblich versucht, aber Sie haben bei der Polizei sicher andere Möglichkeiten und bessere Technik."
„Da muss ich Sie leider enttäuschen, denn das haben wir schon versucht, aber das Handy ist ausgeschaltet und wir konnten auch keine früheren Standortdaten ermitteln. Es scheint so, als ob der Täter sämtliche Spuren verwischt hat."
„Das ist sehr schade und beunruhigend! Wer unternimmt solche Anstrengungen, um meiner Frau sowas Fürchterliches anzutun?"
„Das gilt es nun herauszufinden! Ich versichere Ihnen, dass wir alles in unser Macht stehende unternehmen werden."
„Das weiß ich zu schätzen", antwortete Lars Meininger kurz und blickte Rose dabei tief in die Augen.
„Nun, dann möchten wir Sie nicht länger stören. Vielen Dank, dass Sie uns die Fragen beantwortet haben und ebenfalls danke für den Laptop. Wir werden uns melden, sobald wir mehr wissen. Vielleicht finden wir noch einen Hinweis in den Dateien."
„Ich hoffe, Sie finden den Mörder meiner Frau schon bald. Auf wiedersehen!"
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