2 - Frühschoppen
Drei Dinge sind's, die geben den Wein, die Erde, die Reben, der Sonnenschein, - doch wenn die Arbeit des Winzers nicht wär, dann bliebe der köstlichste Becher leer.
„Guter Spruch", kommentierte Jan Böhm den Spruch, den er gerade gelesen hatte. Dieser stand in altdeutschen Lettern auf einem weiten Bogen, welcher einmal quer durch den Gastraum gespannt war.
„Gefällt es dir hier?", fragte sein Kollege Maximilian Rose und nahm einen Schluck von seinem Silvaner. Die beiden arbeiteten seit ein paar Monaten zusammen für die Mordkommission der würzburger Kriminalpolizei. Während Rose schon einige Jahre in Würzburg zuhause war, war Böhm hingegen noch recht neu in der Stadt. Aus diesem Grund hatte Rose beschlossen den Neuankömmling, der ursprünglich aus Oberbayern stammte, ein wenig die fränkische Kultur näherzubringen.
„Ja, sehr urig dieses Weinlokal", antwortete Böhm und sein Blick schweifte weiter durch den Schankraum. Die Wände waren strahlend weiß verputzt und an manchen Stellen mit dunklem Holz verkleidet. Der Boden war mit hellen Steinfliesen ausgelegt. Das Mobiliar war rustikal und wirkte als hätten hier schon seit Jahrhunderten Weinliebhaber ihre Schoppen eingenommen.
Außer den beiden Polizisten, die in einer Nische Platz genommen hatten, war heute Morgen noch nicht viel los in dem traditionsreichen Bäck in der Maulhardgasse. Lediglich ein älterer Herr saß an einem benachbarten Tisch, wo er in aller Ruhe die heutige Ausgabe der Würzburger Tageszeitung las. Unter dem Tisch lag sein dösender Hund, eine schwarzgrauen Promenadenmischung mit Knickohren, und schnarchte laut, sodass es im gesamten Lokal deutlich zu vernehmen war.
Die Kellnerin brachte dem untersetzten Mann einen Teller und Besteck, woraufhin dieser die Zeitung zur Seite legte, eine Bäckereitüte sowie eine wohlduftende Köstlichkeit in einer Alufolie aus seiner mitgebrachten Tasche zauberte und eine dicke Scheibe Leberkäs sowie eine Laugenstange auf den Teller legte.
„Was eine Frechheit!", spottete Böhm abfällig, „Dem reicht wohl seine Rente nicht und da nimmt er einfach seine eigenen Speisen mit hierher."
Jan Böhm hatte das zwar mit leiser Stimme angemerkt, aber es war wohl noch laut genug gewesen, sodass es der Alte über das Schnarchen seines tierischen Begleiters hatte hören können, denn dieser starrte mit finsterer Miene zu ihnen herüber. Männer, die versuchen zu flüstern, sind für gewöhnlich immer ein bisschen zu laut.
„Das hier ist ein Bäck. Das Mitbringen von eigener Vesper ist traditionsbedingt erlaubt", erklärte Rose peinlich berührt und versuchte die Wogen zu glätten.
„Geben Sie's auf, einem Bazi erklärt man fränkische Gepflogenheiten nur vergebens!", sagte der Mann verärgert.
„Tut mir wirklich leid, war nicht böse gemeint", entschuldigte sich Böhm. Die Peinlichkeit dieser Situation ließ ihn karmesinrot anlaufen.
„Passt schon", merkte der Greis an und machte eine gutmütige Handbewegung, die darauf hinwies, dass keiner der Beteiligten noch länger über den Vorfall nachdenken solle. „Setzt euch halt mal her. Ich bin der Erich und das ist mein treuer Begleiter Öchsle. Der hat sich eben mal auf's Ohr gehaut."
Die beiden Mordermittler taten wie ihnen geheißen und kamen hinüber zu Erich an den Tisch, wo sie ihre Weingläser abstellten.
„Jan Böhm mein Name, ich möchte Sie nochmals vielmals um Entschuldigung bitten."
„Schwamm drüber, machen Sie sich darüber keine Gedanken! Und wer sind Sie?"
„Ich bin Maximilian Rose."
„Sie arbeiten doch sicher für die Kripo, oder?", fragte Erich. Es schien als habe er ihr Gespräch schon einige Zeit mitverfolgt. Seine Zeitung schien offenbar doch nicht so interessant gewesen zu sein.
„Das ist richtig", erwiderte Rose gewohnt wortkarg. Er war gespannt was der Alte jetzt von ihnen wissen wollte.
„Sind Sie nicht der Kommissar, der dieses Interview zu der Mordserie an diesen jungen Männern gegeben hat und dann auch von dieser irren Männerhasserin entführt wurde?"
„Die Situation war komplex...", versuchte sich Rose irgendwie herauszuwinden. Er hatte absolut keine Lust darauf, sich jetzt rechtfertigen zu müssen. Die Geschehnisse waren schrecklich gewesen und prägend. Sie hatten etwas in ihm verändert... dauerhaft.
„In der Würzburger Tageszeitung sind Sie nicht sonderlich gut weg gekommen. Ihre Ermittlungsarbeit war..."
„Wir konnten die Mordserie aufklären und beenden, darauf kommt es doch an. Wir haben unseren Job gemacht! Unsere eigene Mannschaft hat es uns dabei nicht leicht gemacht, das kann ich Ihnen sagen! Und diesem Schmierblatt sollten Sie auch nicht alles glauben!", fiel Böhm dem Alten ins Wort und verteidigte seinen Kollegen energisch, „Wer sind Sie eigentlich, dass Sie meinen über unsere Arbeit urteilen zu können?"
„Ich bin der pensionierte Leiter der Mordkommission Erich Rottmann! Haben Sie denn noch nie von mir gehört?"
Die beiden Polizisten staunten nicht schlecht. Böhm sah fragend hinüber zu Rose.
„Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie von Ihnen gehört. Wie lange sind Sie denn schon pensioniert?"
„Ein paar Jährchen sind es schon... So genau weiß ich das selbst nicht mehr!" Erich grinste verlegen und nahm einen kleinen Schluck aus seinem Glas. „Wer ist denn aktuell ihr Vorgesetzter?"
„Das ist Bernd Lechner, der Kriminaldirektor."
„Ach herrje! Dieser abscheuliche Wicht ist ihr Vorgesetzter? Na Prost Mahlzeit!" Er unterstrich seine Aussage indem er sein Glas nun in einem einzigen Zug leerte, um den erlittenen Schock mithilfe des köstlichen Frankenweins herunter zu spülen.
„Oh, Sie scheinen ihn ja gut zu kennen." Rose war amüsiert darüber, dass Erich und er offenbar dieselbe Meinung über Lechner zu teilen schienen.
„Ja, der war früher schon ein richtiger Arsch. Jetzt verstehe ich auch, was Sie damit gemeint haben, als Sie sagten, die eigene Mannschaft habe es Ihnen nicht einfach gemacht. Der Lechner arbeitet nur für sich und seine Karriere. Eine richtig unangenehme Person ist das! Das war schon damals so, da war er selbst noch Kommissar."
„Oh, da gibt es noch mehr von der Sorte! Kennen Sie den Michael Engelhardt? Der ist vom selben Schlag Mensch. Dem ist genauso jedes Mittel recht uns ans Messer zu liefern, damit er selbst besser da steht." Böhm hatte zwar noch nicht so lange wie Rose unter diesem Kollegen zu leiden gehabt, aber dessen Intrigen hatten auch ihm schon das Leben alles andere als leicht gemacht. Beinahe hätte es das endgültige Aus seiner Laufbahn bedeutet.
„Nein, also den Kollegen kenne ich jetzt zwar nicht, aber ich kann Ihnen beiden sagen, dass es solche Kameradenschweine schon immer gegeben hat. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass das K1 solche Leute magisch anzieht."
Alle drei lachten laut auf, sodass der Rüde unter dem Tisch erschrocken hochfuhr und bellte. Es war ein Gelächter gepaart aus Belustigung und Selbstmitleid.
„Na, Sie machen mir aber Hoffnungen", merkte Böhm sarkastisch an.
„Anni, bring uns mal bitte noch drei Schoppen!" Erich bestellte die nächste Runde um die Geselligkeit noch weiter zu fördern.
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