14 - Sauna
Eigentlich hatte Böhm absolut keine Lust auf das gemeinsame Saunieren mit Engelhardt. Es reichte ihm schon, wenn er ihn auf der Arbeit ertragen musste, da brauchte er ihn nicht auch noch in seiner ohnehin dünn bemessenen Freizeit treffen. Außerdem hasste er es bei Bullenhitze und stickiger Luft zwischen schwitzenden Menschen zu hocken. Aber der Gelegenheit, seine Beziehung zu Engelhardt zu verbessern, blickte er gespannt entgegen. Ihre Zusammenarbeit könnte ja schließlich nur davon profitieren. Zumindest hoffte er das.
Engelhardt riss die Tür zur Saunakabine auf und stand einen Moment lang splitterfaser nackt in der Tür. Aufrecht und breitbeinig wie ein eitler, stolzer Gockel. Reines, primitives Alpha-Männchen-Gehabe. Böhm schämte sich für seinen Kollegen und es war ihm sichtlich peinlich, dass die anderen Saunagänger sahen, dass er zu ihm gehörte. Er fand allerdings auch beeindruckend, wie es Engelhardt immer wieder schaffte allein durch seine Körpersprache Autorität und Überlegenheit auszustrahlen und seine Mitmenschen damit erfolgreich einschüchterte. Man respektierte ihn augenblicklich.
Engelhardt betrachtete die anderen Gäste eingängig. Es war eine Gruppe junger Männer, vermutlich Studenten. Sie blickten kurz zu Engelhardt, wandten ihre Blicke dann aber wieder schüchtern ab.
„Salamiparty, was?", kommentierte er abfällig seine Beobachtung.
Es folgte betretenes Schweigen in der Sauna.
„Ich meine, klar, wir sind alle zur Entspannung hier. Kann ja nicht schaden nach einem harten Arbeitstag. Aber wenn man dabei eine Schönheit in ihrer ganzen Pracht betrachten könnte - dagegen hätte hier wohl niemand etwas, oder seid ihr etwa Schwuchteln?"
Die Studentengruppe wich seinen Blicken aus und schwieg weiterhin peinlich berührt.
„Ehrlich, wenn ihr Schwuchteln seid, hört gefälligst auf meinen Schwanz zu gaffen und verpisst euch!"
Einer der Studenten machte den Anfang, erhob sich verärgert von seinem Sitzplatz und marschierte an Engelhardt vorbei hinaus in den Ruhebereich. Seine Begleiter taten es ihm gleich.
„Wusste ich es doch - Schwuchteln!", kommentierte Engelhardt das Geschehene und suchte sich den besten Platz in der nun menschenleeren Sauna, wo er sein Tuch ausbreitete und sich breitbeinig darauf setzte.
„Ich denke nicht, dass die Jungs schwul waren. Vielmehr war denen einfach Ihr Gelaber zuwider. Was denken Sie sich eigentlich dabei, wenn Sie sowas verzapfen?"
„Mehr Platz für uns und diese Milchbubis gehen uns nicht auf den Sack."
„Wenn Sie das sagen", erwiderte Böhm und suchte sich einen Platz auf der anderen Seite der Sauna. Er wollte etwas Abstand zu seinem Kollegen.
„Schön, dass Sie auch hier sind, Böhm. Sie werden das Saunieren schon noch zu schätzen lernen, vertrauen Sie mir!"
„Danke. Ich bin mir nicht so sicher, ob ich das richtig mache." Böhm fand die Hitze in der Sauna schon jetzt unerträglich.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Sie können gar nichts falsch machen! Es ist ganz einfach: Setzen Sie sich einfach hin und genießen Sie die Wärme. Nach einer Viertelstunde gehen Sie dann raus und duschen sich eiskalt ab. Ich denke Sie sind hart genug für so eine kalte Dusche, andernfalls bringt das alles nichts."
„Verstehe", antwortete Böhm und nahm ein paar tiefe Atemzüge.
„Also Böhm, wir hatten vielleicht nicht den besten Start miteinander, aber ich denke Sie haben echt was drauf und können wieder zu alter Stärke finden. Wie Sie Rose in diesem Bauernhof gefunden haben und diese irre Katzen-Lady gestellt haben, war echt spitzenklasse!"
„Danke." Böhm antwortete denkbar knapp. Wollte Engelhardt ihm etwa Honig ums Maul schmieren?
„Ich denke, wenn wir beide uns zusammentun, dann können wir auch diesen Fall schnell lösen."
„Das klingt so einfach bei Ihnen. Beim letzten Mal war es einfach nur Zufall und ein bisschen Glück."
„Haben Sie mal wieder was von Rose gehört?"
„Wir haben heute telefoniert. Er ist noch immer mit Personenschutz beschäftigt. Sie sind irgendwo im Ausland. Wo genau wollte er nicht sagen."
„Der macht sich einen schönen Urlaub mit dieser Influencer-Puppe, während wir hier die Drecksarbeit für ihn erledigen!"
„Er macht nur, was Lechner ihm aufgetragen hat und das mit Sicherheit mit der nötigen Professionalität."
Engelhardt ging kaum auf das Gesagte seines Kollegen ein: „Glauben Sie, Rose hat die Eier sie flachzulegen? Ist ja schon ein Brett, dieses Fitnessmodell."
„Was?!" Böhm konnte es nicht fassen, wie Engelhardt über Rose sprach.
„Wer würde denn da nicht schwach werden? Ich sage Ihnen, Böhm, jeden Stich, den Sie nicht machen, bereuen Sie..."
Böhm gefiel absolut nicht in welche Richtung sich ihre Unterhaltung entwickelte. Er suchte händeringend nach einem passenden Themenwechsel.
„Was ist eigentlich zwischen Rose und Ihnen vorgefallen, dass Sie ihn so sehr verabscheuen?"
Engelhardt blickte verdutzt auf und schien zu überlegen. Nervös kratzte er sich am Kinn, sodass einige Schweißperlen von seinem Gesicht hinabstürzten.
„Eine lange Geschichte", murmelte er schließlich, „Die Sache mit Rose geht schon so lange, dass ich kaum mehr weiß was überhaupt der Auslöser war", wich er der Frage aus.
„Überlegen Sie. Wir haben jetzt genügend Zeit", hakte Böhm nach und blickte sein Gegenüber eindringlich an. Eigentlich hatte er keinesfalls genügend Zeit, denn es war bereits jetzt so unerträglich heiß, dass Böhm lieber jetzt als später aus der Saunakabine verschwunden wäre.
„Nun, ich schätze, ich konnte es einfach nicht leiden, wie ihm seine gesamte Karriere in den Allerwertesten geschoben wurde, ohne dass er sich je groß dafür anstrengen musste. Alle haben ihn mit Samthandschuhen angepackt wegen seiner schweren Kindheit."
„Es ist schrecklich, was ihm passiert ist!"
„Ja, ich will das ja gar nicht verharmlosen oder herunterspielen! Selbst so ein Arsch wie Rose, hat sowas nicht verdient. Aber ich glaube ohne dieses traurige Schicksal hätte er es nie zur Kripo geschafft und Heß hätte auch keinen Narren an ihm gefressen. Er hat ihn gefördert, wo es nur ging, während andere Kollegen auf der Strecke blieben und einfach übergangen wurden."
„Sie meinen sich selbst, nicht wahr?", fragte Böhm scharf. Er konnte den Neid in Engelhardts Stimme regelrecht hören.
„Ich und auch andere Kollegen hatten eben kein tragisches Schicksal, von dem wir profitieren und uns von Heß protegieren lassen konnten. Wir mussten hart arbeiten um es zu etwas zu bringen!"
„Also basiert die ganze Feindseligkeit nur auf Ihrem Neid?", wollte Böhm nun wissen.
„Neid? Absolut nicht! Ich bin meinen Weg gegangen, auch wenn ich es deutlich schwerer hatte als dieser Rose. Klar, die ein oder andere Spitze hab ich schon manchmal gegen ihn losgelassen, aber so richtig los ging es eigentlich erst, als bekannt wurde, dass er genauso wie ich scharf drauf ist zu INTERPOL zu kommen."
„Das Thema wieder. Mir war gar nicht klar, dass Rose sich für so eine Stelle interessiert."
„Oh, seit Jahren schon. Glauben Sie mir, der kann noch so sehr mit Ihnen auf Kumpel tun, sobald Lechner ein gutes Wort für ihn einlegt und er tatsächlich die Chance bei INTERPOL bekommt, ist er weg und lässt Sie im Stich und mit allem alleine. Er würde einiges an verbrannter Erde hinterlassen und dabei nicht mal mit der Wimper zucken. Der sagt sich dann: Nach mir die Sintflut und wir beide dürfen das dann ausbaden. Sie und ich sind diejenigen, die diese Suppe dann auslöffeln müssen!"
Böhm lehnte sich zurück und atmete tief durch. Die Hitze war unerträglich und er war sich sicher, dass er in diesem Leben kein Gefallen mehr am Saunieren finden würde. Insgeheim verfluchte er sich sogar, dass er eingewilligt hatte hierher zu kommen.
„Ich verstehe schon, Sie wollen das nicht hören", fuhr Engelhardt fort, „Aber ich sage Ihnen: Ihr feiner Partner ist mit äußerster Vorsicht zu genießen! Sie sind ein Idiot, wenn Sie das nicht erkennen."
„Lassen Sie uns doch über unsere Ermittlungen reden", entgegnete Böhm genervt.
„Tja, ich schätze nachdem wir aus den beiden Herren nichts mehr rausbekommen, müssen wir uns noch anderweitig Gedanken machen. Vielleicht gibt es ja Hinweise bei der versuchten Entführung von Töchterchen Landrat."
„Die Spurensicherung hat keine Einbruchsspuren entdecken können. Wie soll der Täter sich dann Zugang verschafft haben, wenn niemand in Frau Schönes Wohnung war und sie selbst ihn nicht hereingelassen hat?"
„Ja, das ist wirklich merkwürdig. Ich würde vorschlagen, dass ich mich erstmal darauf konzentriere und Sie fragen mal bei der Glasmanufaktur nach, wer alles Zugang zum Tatort hatte oder ob da jemand etwas mitbekommen hat."
Böhm gefiel nicht, dass Engelhardt bestimmen wollte, was er zu tun hatte, auch wenn er zugeben musste, dass dieser Vorschlag durchaus Sinn machte.
„Ja, daran hatte ich auch schon gedacht", antwortete Böhm zustimmend.
„Wie ich hörte kommen Sie ganz gut klar mit Unternehmern."
„Ich habe eine Weile im Bereich Wirtschaftskriminalität gearbeitet, wenn Sie das meinen."
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als die Tür geöffnet wurde und eine junge Frau in der Tür stand. Nur in ein großes weißes Saunatuch gewickelt, wirkte sie unsicher, ob sie sich alleine zu den beiden Männern in die Kabine setzen sollte.
„Nur zu, kommen Sie herein, schöne Frau! Nur keine falsche Scheu, bei uns ist noch ein Plätzchen frei!" Engelhardt machte eine einladende Geste mit seinen Armen und bot der Dame einen Platz an.
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