Zwei kleine Wunder

Yunho folgte Yeosang durch die langen, kühlen Korridore des Schlosses. Neben ihm schritt Mingi, seine Präsenz wie immer beruhigend und fest. Doch etwas an Yeosang's ernster Haltung ließ eine seltsame Unruhe in Yunho aufsteigen. Sie hatten die Nachricht erhalten, dass die beiden Welpen, die San und Seonghwa am Vorabend gefunden hatten, in einem kritischen Zustand waren. Jetzt würden sie sie zum ersten Mal sehen.

„Wie schlimm ist es wirklich?" fragte Yunho leise, während sie die Tür zur Krankenstation erreichten.

Yeosang blieb kurz stehen und drehte sich zu ihnen um. Seine Augen spiegelten eine Mischung aus Sorge und Entschlossenheit wider. „Ihr werdet es gleich selbst sehen. Bereitet euch darauf vor."

Mit diesen Worten öffnete Yeosang die Tür und führte sie hinein. Yunho brauchte einen Moment, um sich an das gedämpfte Licht der Krankenstation zu gewöhnen, doch als sein Blick auf das Bett in der Mitte des Raumes fiel, blieb ihm die Luft weg.

Dort lagen zwei winzige Gestalten, eng umschlungen wie zwei Pflanzenranken, die sich gegenseitig Halt gaben. Ihre Gesichter waren blass, die Augen geschlossen, und ihre kleinen Körper wirkten viel zu zerbrechlich. Yunho konnte nicht sagen, wer von ihnen älter war, doch das spielte keine Rolle. Sein Herz zog sich zusammen, als er die Spuren von Erschöpfung und Leid auf ihren Gesichtern erkannte.

„Oh mein Gott," flüsterte Mingi neben ihm. „Sie sind so klein."

Yeosang trat näher ans Bett und blickte liebevoll auf die beiden herab. „Hongjoong und Wooyoung," sagte er, seine Stimme sanft. „Die Namen standen in ihren Krägen. Sie dürfen unter keinen Umständen getrennt werden. Das habe ich gestern schmerzhaft lernen müssen."

Mingi machte einen Schritt nach vorne und beugte sich vorsichtig über die Kinder. „Darf ich?" fragte er und streckte seine großen Hände aus, als wolle er einen der Welpen hochheben.

Yeosang schüttelte energisch den Kopf und trat näher. „Nein. Sie zu trennen verursacht ihnen nicht nur seelische Qualen, sondern auch körperliche Schmerzen. Ich habe es gestern mit eigenen Augen gesehen, und das wird nicht noch einmal passieren."

Mingi zog sofort seine Hände zurück und nickte verständnisvoll. „Schon gut, ich verstehe."

Yunho trat an das Bett heran und betrachtete die beiden kleinen Gestalten genauer. Er konnte die blauen Schatten unter ihren Augen und die hervorstehenden Knochen sehen. Ihre zarten Finger klammerten sich immer noch aneinander, als ob sie auch im Schlaf Angst hätten, loszulassen.

„Sie wiegen viel zu wenig," sagte Yeosang, während er in seinen Notizen blätterte. „Ich habe sie gewaschen und ihre Wunden versorgt, aber sie sind stark unterernährt. Ich muss sie über eine Sonde ernähren, bis sie wieder kräftig genug sind, selbst zu essen."

Yunho nickte stumm, während sein Blick immer wieder zu den Welpen wanderte. Es war schwer, die Vorstellung zu ertragen, dass jemand so unschuldige Geschöpfe einfach aussetzen konnte.

„Können wir sie halten?" fragte er vorsichtig.

Yeosang musterte ihn einen Moment und nickte dann. „Aber nur zusammen. Ihr müsst sie beide gleichzeitig hochheben, sonst wird es wieder kritisch."

Yunho und Mingi warfen sich einen kurzen Blick zu, dann traten sie gemeinsam an das Bett. Yunho hob vorsichtig Hongjoong hoch, während Mingi gleichzeitig Wooyoung in seine Arme nahm. Die beiden Welpen regten sich kaum, doch ein leises, zufriedenes Seufzen entwich ihren kleinen Lippen, als sie weiterhin eng beieinander blieben.

„Sie sind so leicht," murmelte Mingi, seine Stimme voller Mitgefühl.

„Sie haben wahrscheinlich schon lange nicht mehr richtig gegessen," erklärte Yeosang. „Ich schätze, sie wurden absichtlich ausgehungert, bevor sie ausgesetzt wurden. Ihr Körper hat kaum noch Reserven, und ihre Muskeln sind stark geschwächt."

Yunho fühlte, wie Wut in ihm aufstieg, doch er zwang sich zur Ruhe. Die Welpen brauchten jetzt seine Fürsorge, nicht seinen Zorn. „Wie lange wird es dauern, bis sie wieder gesund sind?"

Yeosang seufzte und schüttelte den Kopf. „Das hängt von vielen Faktoren ab. Ihr Gewicht muss sich stabilisieren, und sie müssen lernen, wieder zu vertrauen. Im Moment sind sie zu traumatisiert, um zu sprechen. Ich weiß nicht, ob sie jemals darüber hinwegkommen."

Yunho blickte auf die beiden kleinen Gesichter in seinen Armen. Trotz ihrer Schwäche lag etwas Sanftes und doch Unerschütterliches in ihnen, das ihn tief berührte. „Wir werden sie nicht im Stich lassen," sagte er schließlich.

„Das hoffe ich auch," sagte Yeosang, ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. „Bis sie bereit sind, mit euch mitzugehen, könnt ihr jederzeit herkommen und Zeit mit ihnen verbringen. Das wird ihnen helfen."

Yunho nickte und drückte Hongjoong ein wenig fester an sich, während Mingi Wooyoung ebenfalls behutsam hielt. „Das werden wir," versprach er leise.

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