Ⅳ
Zusammen oder gar nicht
Wooyoung zitterte, obwohl es im Raum angenehm warm war. Seine kleinen Finger krallten sich in den Stoff von Hongjoong's Oberteil, als würde sein Leben davon abhängen, dass er seinen Bruder nicht losließ. Die Erinnerung an die Trennung, so kurz sie auch gewesen war, war noch frisch in seinem Kopf. Es fühlte sich an, als hätte man ihm die Haut vom Leib gerissen – als ob er verbluten würde, obwohl keine Wunde zu sehen war.
„Nie wieder," flüsterte er mit bebender Stimme, sein Gesicht in Hongjoong's Schulter vergraben. „Nie wieder, Joongie."
Hongjoong hob schwach eine Hand und strich Wooyoung beruhigend über den Rücken. „Ich lass das nicht noch mal zu, Woo. Ich verspreche es dir."
Wooyoung schloss die Augen, aber an Schlaf war nicht zu denken. Der Schlauch, der an seiner Nase befestigt war, fühlte sich fremd und unangenehm an, doch die warme Flüssigkeit, die durch ihn floss, war das erste, was seinen leeren Magen beruhigte. Viel zu lange hatten sie gehungert. Viel zu lange hatten sie geglaubt, dass sie verhungern würden.
Doch jetzt waren sie hier, an diesem fremden, unheimlichen Ort mit seltsamen Gerüchen und mächtigen Alphas, deren Präsenz einschüchternd war. Wooyoung wollte nicht hier sein. Er wollte nach Hause – doch wo war das? Die Hütte, in der sie mit ihrer Mutter gelebt hatten, war längst nicht mehr ihr Zuhause. Sie war es nie gewesen.
„Joongie," flüsterte er leise, so leise, dass nur sein Bruder es hören konnte. „Warum sind wir hier? Warum haben sie uns nicht einfach sterben lassen?"
Hongjoong öffnete seine Augen einen Spalt und sah Wooyoung an. Seine Stimme war heiser, aber fest. „Weil wir nicht sterben werden. Wir bleiben zusammen, und wir überleben. Egal, was passiert."
Wooyoung nickte, obwohl die Tränen in seinen Augen brannten. Sein Bruder hatte immer einen Weg gefunden, ihn zu beruhigen, auch wenn Hongjoong selbst oft genauso viel Angst hatte wie er.
„Aber... ich mag diesen Ort nicht," gab Wooyoung zu und schmiegte sich noch dichter an Hongjoong. „Es riecht komisch, und die Leute hier... sie sind zu groß, zu laut."
„Ich weiß," antwortete Hongjoong leise. „Aber sie haben uns gerettet. Und jetzt essen wir. Das ist mehr, als wir seit langem hatten."
Wooyoung wollte etwas erwidern, doch das Geräusch einer sich öffnenden Tür ließ ihn verstummen. Sein Körper spannte sich an, und er vergrub sich tiefer in Hongjoong's Seite. Der Arzt war wieder da.
Yeosang trat leise in den Raum, seine Bewegungen ruhig und bedacht. Doch selbst diese Vorsicht konnte Wooyoung's Angst nicht mindern. Seine großen, ängstlichen Augen folgten jeder Bewegung des Arztes, während dieser die Geräte überprüfte, die an ihn und Hongjoong angeschlossen waren.
„Es tut mir leid, wenn ich euch erschreckt habe," sagte Yeosang sanft, ohne direkt in ihre Richtung zu sehen. Er sprach mit einer Ruhe, die nicht fordernd war, aber Wooyoung konnte sich nicht beruhigen.
Er fühlte sich nackt unter diesem Blick, selbst wenn Yeosang ihn nicht direkt ansah. Sein Griff um Hongjoong wurde fester, und er presste die Lippen zusammen, um keinen Laut von sich zu geben.
„Ihr seid sicher hier," fuhr der Arzt fort, während er Notizen auf einem Klemmbrett machte. „Keiner wird euch trennen. Ich verspreche es."
Wooyoung's Atem stockte. Er wollte den Worten glauben, wirklich, aber das Versprechen klang so zerbrechlich, als könnte es jeden Moment in tausend Stücke zerbrechen.
Als Yeosang den Raum wieder verließ, konnte Wooyoung endlich ausatmen. Er sah zu Hongjoong, der bereits wieder in einen unruhigen Schlaf gefallen war. Wooyoung beobachtete seinen Bruder, die langsamen Atemzüge, das sanfte Heben und Senken seiner Brust.
„Zusammen," flüsterte Wooyoung und legte seinen Kopf auf Hongjoong's Schulter. „Wir bleiben zusammen."
Sein Magen knurrte, und er spürte, wie die Flüssigkeit aus dem Schlauch ihn langsam sättigte. Doch es war nicht die Nahrung, die ihm Kraft gab. Es war Hongjoong. Solange er bei ihm war, konnte Wooyoung durchhalten.
Egal, wie unheimlich dieser Ort war, egal, wie viele Alphas sie umgaben – er würde nicht zulassen, dass sie getrennt wurden. Nie wieder.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top