Kapitel 1 - Drittes Jahr
Remus wurde von einem lauten Poltern im Gang geweckt. Schon seit Stunden saß er hier im Hogwarts-Express und wartete auf seine Freunde, dabei musste er wohl eingenickt sein. Obwohl er, verschlafen wie er war, noch nicht recht klar denken konnte, vermutete er, dass der Lärm draußen von eben diesen Freunden kommen musste. Sein Verdacht bestätigte sich, als ein grinsender Sirius Black das Abteil betrat, dicht gefolgt von einem puterroten James Potter mit schiefsitzender Brille und einem lachenden Peter Pettigrew.
"Moony!", schrie Ersterer ganz begeistert, als er seinen besten Freund erkannte.
Er rannte zu ihm und schloss ihn glücklich in die Arme, zu lange hatte er ihn nicht gesehen. Ganze drei Tage lang, um genau zu sein.
"Sirius! Erstens, nenn mich nicht so! Zweitens, es ist gerade mal eine halbe Woche her, dass wir uns getroffen haben, mach nicht so ein Drama draus."
Doch dem jungen Werwolf war bewusst, dass der Black keinen seiner beiden Ratschläge befolgen würde. Er war die größte Dramaqueen Hogwarts', das ließ sich nicht vertuschen, auch nicht durch seine schwarze Lederjacke. Den Spitznamen würde Remus wohl auch nicht mehr loswerden. Es war ja schön, dass Sirius sein 'kleines, pelziges Problem' so gut aufgenommen hatte, doch die ständigen Scherze bezüglich Vollmond und Werwölfen waren mehr als nur ein wenig nervig.
"Okay, egal. Aber was ist so lustig und was zur Hölle ist mit James passiert?", fragte Remus mit einem belustigten Unterton, den er nicht unterdrücken konnte.
Sirius lachte kurz bellend auf, während James wütend schnaubte und seinem Bruder, wie er ihn immer nannte, einen Todesblick zuwarf.
"Oh, er hat Evans gesehen und ist vor lauter verliebt gucken über seine eigenen Füße gestolpert, direkt vor ihre. Sah verdammt lustig aus, du hast echt was verpasst, Moons.", grinste der Black und bekam dafür James' Ellenbogen in die Seite gerammt.
"Aua!", quietschte Sirius sehr männlich und brachte Remus damit dazu, in schallendes Gelächter auszubrechen.
Er hatte sie vermisst. Drei Tage und er hatte sie trotzdem vermisst. Gegen Ende der Ferien hatten sich die Rumtreiber bei James getroffen und zwei Wochen bei ihm verbracht. Sirius war schon früher zu ihm gekommen, wie immer in den Sommerferien hatte er es zu Hause nicht lange ausgehalten. Nacheinander umarmten auch James und Peter Remus, das war so eine Sache bei ihnen. Der Rest Hogwarts' hatte sich bereits an die ständige Umarmerei der vier Jungen gewöhnt und keiner warf ihnen mehr einen irritierten Blick zu.
"Also, was habt ihr in den letzten drei Tagen gemacht?", wollte Peter wissen. "Ich jedenfalls hab im Garten Radieschen gepflanzt. War eine sehr spannende Beschäftigung."
Die Ironie in seiner Stimme war unüberhörbar.
"Warum haben deine Eltern das nicht einfach mit dem Zauberstab erledigt?", fragte James ein Lachen unterdrückend.
Peter blickte finster aus dem Fenster.
"Meine Mum wollte, dass ich weiß, wie man das ohne Magie macht."
Der Potter klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Der arme Teufel, so hätte Remus seine Ferien auch nicht beenden wollen.
"Also ich hab in Büchern was nachgelesen. Für die Karte, ihr wisst schon. Der Homonculous-Zauber könnte funktionieren, aber er ist ziemlich schwierig. Das würde eine Menge Übung erfordern.", erzählte Remus nachdenklich.
"Ach was, wir sind so intelligent, das schaffen wir schon!", winkte Sirius gelassen ab.
Er und James waren schon immer ziemlich überzeugt von sich selbst gewesen, was sie recht arrogant erscheinen ließ, doch wenn man sie richtig gut kannte, dann wusste man, dass die beiden so viel mehr waren als nur zwei hochmütige Arschlöcher.
"Eingebildetes Stück Scheiße!", lachte Remus dennoch, was ihm einen bösen Blick von Sirius einbrachte.
Das mit dem Fluchen, das war so eine Sache. Zwar scheute sich Sirius nicht davor, Schimpfwörter zu benutzen und machte häufig von ihnen Gebrauch, und bei James war es auch nicht anders, aber der unangefochtene Meister der Flucherei war Remus. Er kannte Wörter, die selbst Lily, die als Muggelstämmige eigentlich einen großen Wortschatz was Schimpfwörter anging besaß, noch nie gehört hatte. Ein Tag ohne den jungen Werwolf, der laut 'Fuck!' durch den ganzen Gemeinschaftsraum schrie, weil er sich wieder am Portraitloch den Kopf angestoßen hatte oder ihm eines seiner Schulbücher heruntergefallen war, war kein vollendeter Tag in Hogwarts. Mit Beleidigungen war es da nicht anders - Remus hatte keine Hemmungen. Eine Sache, die manchmal zu einem beleidigten Sirius führte, der bekanntermaßen sehr empfindlich war.
"Ich hab trainiert! Meine Eltern haben mir endlich den neuen Sauberwisch gekauft, da musste ich den doch sofort ausprobieren. Krasses Teil übrigens.", entschärfte James die Situation.
"Das wissen wir alle, James. Du hast uns ja auch nur so um die drei verdammte Heuler geschickt, weil der Besen 'absolut hammertastisch' ist.", bemerkte Remus in belustigtem Tonfall.
Sirius und Peter kicherten in sich hinein, während James ihnen beleidigte Blicke zuwarf.
"Er ist hammertastisch!", verteidigte er sich.
"Dieses Wort gibt es gar nicht!", lachte Sirius.
"Aus gutem Grund!", fügte Remus hinzu.
Mitten in einer hitzigen Diskussion über das Wort 'hammertastisch' wurden die Jungen von einem lauten Pfeifen unterbrochen. Draußen schrien Eltern ihren Kindern letzte Ermahnungen und Glückwünsche zu, bevor sich der Zug langsam in Bewegung setzte.
Nach zwei Stunden, in denen die Rumtreiber unter anderem ein paar Slytherins "Tritt mich!"-Schilder mit Dauerklebeflüchen auf die Roben gepappt hatten, stellte James eine heikle Frage.
"Wie geht es deinem Kaninchen, Remus? Wann schlägt es das nächste Mal zu?"
Die Sache mit dem Kaninchen war sozusagen ein Synonym für die Lykanthropie Lupins. Marlene McKinnon war nämlich der Meinung, der Werwolf hätte seine Narben von seinem schlecht erzogenen Haustier, seit sie James über Remus' 'pelziges, kleines Problem' hatte reden hören. Den Rumtreibern war letztes Jahr auf die Schnelle keine besonders gute Ausrede eingefallen, und so hatte Peter die Sache mit einem aggressiven Kaninchen erklärt.
"Zwölfter September.", antwortete Remus mit gesenkter Stimme.
"Wir kriegen das schon hin, du wirst sehen. Ich kauf dir auch ganz viel Schokolade!", ermutigte Sirius ihn.
James nickte zustimmend.
"Gaaaaaanz viel!", rief Peter und breitete zur Bekräftigung seine Arme aus.
Der Werwolf musste lächeln. Womit hatte er die drei nur verdient?
Abgesehen von einem kurzen Zwischenfall, der mit Severus Snape, nasebeißenden Teetassen und einem Lilys-Hand-förmigen Abdruck auf James' Backe zutun hatte, verlief der Rest der Fahrt ruhig. Zumindest für die Verhältnisse der Rumtreiber. Sirius hatte die glorreiche Idee gehabt, die Initialen der vier Jungen in die Abteiltür zu ritzen, dabei allerdings nicht bedacht, dass der Hogwarts-Express magisch war. Sein Messer war bei der Aktion einfach geschmolzen.
Beim Umstieg in die Kutschen wollte James überraschenderweise auf keinen Fall in eine mit Lily Evans, die noch immer sauer auf ihn war - besser so, denn andernfalls wäre er wohl ermordet worden.
Beim Festessen war alles wie immer: James steckte sich vor lauter Guckerei in Lilys Richtung die Gabel in die Nase, Peter verkleckerte sein weißes Hemd mit Bratensoße, Sirius sprach mit vollem Mund, und Remus aß den halben Schokoladenkuchen ganz allein.
Als die vier abends in ihren Betten lagen, dachten sie alle dasselbe: Wie gut war es doch, dass sie sich gefunden hatten.
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