Stand Up (21)
Er hatte das Bett fünf Tage nicht verlassen.
Jungkook tigerte wild durch den Konferenzraum, ehe er sich mit einem Seufzer auf das Polster niederließ. Er wusste nicht, wie er das reparieren konnte, was kaputt gegangen war. In Jimin selbst.
Dieses Distanz zwischen ihnen zerriss den Alpha mit jedem neuen Tag ein bisschen mehr. Alle Wölfe hatten es mitbekommen und ein jeder versuchte dem kleinen orangehaarigen Engel zu helfen. Und dafür war Jungkook mehr als dankbar. Doch diese Angst in seinem Inneren kratzte nicht mehr, sondern schlug wild um sich. Er wollte ihn nicht verlieren. Der Schwarzhaarige wünschte sich, er könne die Zeit zurückdrehen. Vielleicht hätte er seinem AnamCara helfen können. Seinem Bruder helfen können. Jungkook merkte durch das Band in seinem Inneren, wann immer Jimin Alpträume hatte, die ihm Angst und Schmerzen zufügten. Dann eilte er zu ihm, um durch sein Haar zu streichen und ihn zu beruhigen. Aber bleiben konnte er nie, sobald der Orangehaarige sich regte, verschwand Jungkook.
Du bist ein Feigling!
Er konnte ihm nicht in diese leblosen Augen sehen.
Du bist ein Feigling!
Nicht in dieses traurige magere Gesicht.
Du bist ein Feigling!
Lieber versuchte er diese anderen Lager ausfindig zu machen, um vielleicht noch andere Omegas zu retten, die das gleiche Schicksal teilten wie Jimin.
Es wäre besser gewesen, er wäre in diesem Labor geblieben. Wäre dort gestorben. Wie sein Bruder. Dieses helle Licht würde nicht mehr leuchten, würde niemanden mehr glücklich machen. In Jimins Kehle stieg ein Klagelaut auf und seine Lippen bebten, dass er Kraft brauchte, um es zu unterdrücken. Jedoch brach es hervor und ab da gab es keinen Halt mehr. Die ganzen letzten Tage hatte er geglaubt keine Tränen mehr zu haben, doch jetzt brüllte alles in ihm. Seine Schluchzer waren laut und er war sich sicher, die Wölfe konnten ihn hören.
Das Poltern einer aufschlagenen Tür ließ ihn aufblicken, auch wenn seine Position sich nicht geändert hatte. Jungkook kam herbei geeilt und zog ihn kurzerhand fest in seine Arme. Der Geruch des Schwarzhaarigen verlangsamte die Schläge seines Herzens, sodass es wieder normal schlug. Lange Zeit sprach keiner einer Wort. Jimin wusste nicht einmal mehr, ob er es noch konnte. Er wusste auch nicht, ob das hier, diese wundervolle Wärme, die von Jungkook auf ihn überströmte, die Realität war.
"Es ist echt und ich bin hier", flüsterte Jungkook.
Danach überfiel den Oranghaarigen erneut die Dunkelheit und er erwachte in einer Traumwelt.
Während er die Wange ins Kissen gedrückt hatte, streckte ihm sein Jüngeres Ich, das er einmal gewesen war, die Hand entgegen.
"Steh auf", sagte er sanft.
Jimin schüttelte den Kopf. Warum sollte er aufstehen? Sein Bruder konnte es auch nicht mehr. Genauso wenig wie seine Eltern.
"Steh auf", wiederholte er.
"Steh auf", sagte jemand hinter seinem Kleinkind-Ich. Jihyun. Jihyun, der keinen Meter von ihm weg stand und leicht lächelte.
"Steh auf", zwei Stimmen sprachen zur gleichen Zeit, seine Mutter und sein Vater und hinter ihnen seine Verwandten, die er mit seinem ganzen Herzen geliebt hatte.
Er vermisste sie alle.
"Steh auf!", befahl die Stimme, die er schon oft gehört hatte, aber nicht zuordnen konnte.
"Steh auf", sprach der kleine Junge, der er früher einmal war.
Jimin überbrückte den letzten Abstand zwischen seinem jüngeren Ich, bis ihre Finger sich berührten.
Und erhob sich.
Du bist Park Jimin!
Und du gibst nicht auf!
Die Stimme hatte recht. Er würde sich nicht unterkriegen lassen.
Und nun komm zu mir!
Er war sich nicht sicher, was ihn dazu bewegte der Stimme zu folgen, aber er tat es und begann Richtung Zimmertür zu gehen. Jungkook war nicht mehr bei ihm.
Er musste die Stimme nicht hören, um zu wissen, dass sie ihn in den Wald lockte. Nachdem er sich durch Gestrüpp und Bäume gekämpft hatte, stand er mit wackeligen Beinen auf einer Lichtung. Sein Atmung ging schwach und er beklagte sich innerlich, dass er hätte im Bett bleiben sollen.
Inmitten der Fläche befand sich ein Teich.
Allerdings nicht irgendeiner, sondern der, den er in seinem Traum gesehen hatte. Die lilafarbenen Blüten wehten sanft im Wind, als schunkelten sie zu einem Lied.
Die dichten Bäume verhinderten das Durchdringen der Sonne und es wirkte, als wäre die Nacht eingebrochen.
"Du hast mich also gefunden."
Jimin lenkte seinen Blick von den Baumkronen zum Teich. Zuerst fielen ihm die spitzzulaufenden Ohren auf. Die weißen langen Haare flatterten offen durch den Wind. Und das blaue Gewand schmiegte sich um ihre Hüfte wie eine zweite Haut. So hatte er sich die zweigesichtige Göttin nicht erträumt. Nicht nach den Geschichten von Bambam und den Zwillingen.
Er spürte ihre Macht. Uralt und mächtig.
"Wie ist das möglich?", wollte er wissen. Seine Stimme klang rau und eingerostet. Er hustete kurz.
In ihren Augen blitzte Schalk auf.
"Ich bin hier drin gestorben", lächelte sie raubtierhaft. Ihr verzerrtes Gesicht wies Schatten einer düsteren Ära auf.
Einer längst vergangen Zeit.
"Aber das ist nicht der Grund, warum ich dich hierher beordert habe, oder zumindest meine sanftere Seite", erklärte sie.
Jimin sah sie fragend an und schlagartig änderte sich ihr Gesicht zu einem Liebevolleren.
Das bedeutete also zweigesichtig.
"Ich denke, du weißt, was es mit der Geschichte unseres Volkes auf sich hat, oder? Das ich an unserem Fluch, nie wieder, wenn der Mond scheint, durch die Wälder zu streifen, Schuld bin."
Jimin kannte natürlich die Geschichte. Es war Jahrhunderte her. Man erzählte sich, die zweigesichtige Göttin habe sich in einen Werwolf verliebt. Nach Jahren gebar sie ihm ein Kind von unsagbar Schönheit, doch es lag im Sterben. Also erzürnten sie die Götterväter, in dem sie ihnen ein Artefakt stahlen. Ein Schlüssel, der die Macht besaß Leben zu beenden und erblühen zu lassen. Sie taten es für ihren Sohn. Um den Schlüssel zu finden, zerstörten die Götterväter Länder, ließen Meere verdunsten und Berge zersplittern. Als sie das Liebespaar mit dem Schlüssel fanden, begegneten sie einem Heer. Einem Heer aus Wölfen, Menschen und der Göttin selbst. Das Kind konnte nur in einer Vollmond Nacht gerettet werden, jedoch waren die Götterväter zu früh und um dieses Kind zu retten, beschloss die Familie zu kämpfen. Die Schlacht dauerte drei Tag und zwei volle Nächte, bis der Vollmond eintraf und doch konnte das Kind nicht gerettet werden. Das Schicksal des Sohns war längst besiegelt. Der Ehemann der Göttin verschwand und die Göttin selbst wurde dazu verdammt ihn zu töten. Sie konnte es nicht, also sperrten die Götterväter die Göttin in diesen Teich. Der Fluch ereilte alle Wölfe noch in derselben Nacht des Vollmondes.
"Ich habe einen Fehler gemacht. Ich hätte es vor Jahren beenden können. Aber er ist mein Ehemann oder war es einmal. Und ich konnte ihn nicht töten, weil, weil ich ihn liebte, es immer noch tue", sagte sie und ihr Lächeln wurde traurig.
"Mit Verlaub, was habe ich damit zu tun?"
Er war nur ein Omega. Ein Schwächling. Jemand, der zu einem Monster wurde.
"Ich habe dich auserkoren meinen Fehler wieder auszubaden. Meine Torheit, es nicht schon vor Jahrhunderten zu beenden.
In diesem Labor, da hast du gekämpft. Jedes Mal aufs Neue. Für deinen Bruder, für deine Eltern. Du hast dich nie ergeben."
Stille trat ein.
"Ich glaube, sie verwechseln mich", entgegnete der Orangehaarige.
Sie war verrückt. Eindeutig. Wie sollte er das beenden? Mit welcher Kraft sollte er das schaffen? Er würde nur alle um sich herum mit in den Tod reißen.
"Unten auf dem Grund des Teiches findest du die Antwort", säuselte wieder diese andere Seite der Göttin, bevor sie sich in glitzernden Staub auflöste.
"Kämpfe für eine freiere Welt."
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Endlich ein neues Kapitel!
Leider habe ich es zeitlich die letzten Tage nicht geschafft etwas hochzuladen, da mich das Abitur vollends eingenommen hat. Aber jetzt sind die Schriftlichen durch und ich kann mich schöneren Sachen widmen!!!
Ich wollte schon im letzten Kapitel schreiben, dass wir in der Halbzeitphase sind, aber ich habs vergessen. XD
Schreibt ihr eure Geschichten vor?
Ich fange eine neue Story immer mit dem Ende im Blick an.
Feel free to comment!
Erin🌸
15.05.2020
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