✦Chapter 3✦

Eigentlich ist Holly das komplette Gegenteil von einem typischen Mädchen. Nicht nur im Bezug auf die Alpträume war sie von Kindesalter immer die Außenseiterin. Auch weil sie sich immer mehr wie ein Junge benommen hat, war sie von den meisten Mädchen in ihrem Alter nicht immer erwünscht. Nicht, dass es ihr jemals was ausgemacht hat. Nein. Sie wollte von den ganzen Tussen sowieso nichts hören. Aber es hat sie doch schon geprägt.

Jedenfalls hasst Holly es zushoppen, doch wenn sie einen freien Tag wie heute hat, kommt sie manchmal doch nicht drum herum ein wenig durch die Straßen von Seattle zustreifen, auf der Suche nach ein paar einfachen Anziehsachen.

Heute ist ein schöner, sonniger Tag in Seattle und jeder den Holly sieht, schaut gut gelaunt und glücklich aus. Mal wieder ist sie das schwarze Schaf in einer großen Menschenmenge. Nur sie ist noch schlecht drauf und ein wenig verwirrt, verwirrt durch den Alptraum von dieser Nacht. Sie kennt das Szenario fast in und auswendig, so oft ist sie die Szene nochmal durchgegangen.

»Drei. Zwei. Eins. Los.«, tönt die Stimme der blonden Frau in ihrem Kopf. Sie muss rennen. Das ist das Spiel.

Einmal würde es Holly erklärt: es gibt keine Regeln. Sie muss rennen. Er muss sie fangen. Und schließlich töten. Es ist ein blutiges und widerwärtiges Spiel. Holly möchte nicht spielen. Sie mag solche Spiele nicht.

»Bleib stehen!«, schreit Michael hinter ihr und Holly beißt sich, während sie vor ihm flüchtet so fest auf die Lippe, dass sie das Blut schmecken kann. »Nein. Niemals.«, ruft sie in einer schrillen Tonlage zurück und sprintet weiter durch das dichte Unterholz.

Als Holly bei einem großen Bach ankommt, zögert sie keine Sekunde und springt mit all ihrer Kleidung in das kühle Nass. Michael ist ihr dicht auf den Fersen. Ohne sich umzublicken wattet Holly durch das Wasser und ist den Tränen nahe.

Nachdem sie den Fluss durchquert hat, folgt eine kleine Art von Parkour und mehr oder weniger geschickt, absolviert Holly diesen und hat das Gefühl, dass sie den blauhaarigen abgehangen hat. Schwer atmend riskiert sie es sich einmal umzusehen und merkt, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag. Von dem Michael mit den blauen Haaren ist weit und breit niemand zusehen.

»Wie ich sehe bist du ihm entkommen.« spricht eine Stimme hinter ihr. Erschrocken dreht Holly sich um und starrt in die eisblauen Augen der Frau, die so oft ebenfalls in ihren Träumen erscheint. »Keine Sorge. Ich werde dich schon nicht verletzen. Sagen wir es so: Ich möchte dir alles erklären. Aber dafür musst du mir dein Einver-« Weiter kam die Blonde nicht, denn ein Schuss ertönt und das weiße Oberteil färbt sich rot.

Der letzte erschrockene Gesichtsausdruck der Frau bleibt, während sie umfällt und für immer starr daliegt.

An mehr kann Holly sich nicht erinnern, da ihr Handyklingeln sie aus dem Schlaf gerissen hat. Ein letztes Mal schaudert sie noch, bevor sie sich anderen Themen widmet.

Holly läuft noch ein wenig weiter durch die Einkaufsstraße, bis sie schließlich bei einem kleinen Café ankommt. Durch die Fensterscheibe erkennt sie ein paar kleine Tische und eine Holztheke, wo eine nett aussehende Frau ihre wenigen Kunden bedient. Holly beschließt sich ebenfalls in das Café zusetzen und ihren neuen Roman anzufangen.

Sie drückt die Klinge der Holztür runter und betritt den Laden. Sofort steigt ihr ein Kaffee Geruch in die Nase und eine kleine Klingel an der Tür ringelt, als Zeichen, dass ein weiterer Kunde eingetreten ist. Die Frau an der Theke lächelt Holly einmal freundlich an und Holly bestellt schnell einen kleinen Kaffee.

Sie setzt sich an den letzten freien Tisch und schlägt die erste Seite des Buches auf. Nach ein paar Minuten klingelt die Glocke an der Tür ein weiteres mal. Als Holly beschließt sich von den Worten des Buches loszureißen und einen Blick auf die, in den Raum gekommene, Person zuwerfen.

Sofort bereut sie es. Holly guckt in die glänzenden, grünen Augen von Michael Clifford, dem Jungen aus ihren Alpträumen. Er scheint Holly ebenfalls bemerkt zuhaben und zusammen beginnen sie eine Art Starrduell. Wer gibt wohl zu erst nach?

Michael schluckt einmal und begibt sich dann langsam zu dem Tisch von Holly. »Ist es okay, wenn ich mich setze?« fragt der Blauhaarige höflich und lächelt ganz leicht. Jedoch lässt er Holly keine Sekunde aus den Augen. Sie fühlt sich seltsam und beobachtet. »Na klar.« antwortet sie ihm mit belegter Stimme. »Mein Name ist Michael.« stellt er sich vor. »Ich weiß!« entgegnet Holly und wünscht sich auf der Stelle, sie hätte sich nicht so verplappert.

Michaels Wangen nehmen einen leichten rosa Ton an. »Haben wir uns schon einmal gesprochen?« stellt er seine nächste Frage, doch Holly schüttelt nur bestimmt den Kopf. »Oh okay.« kommt es von Michael. Holly dachte, dass das Gespräch beendet ist und will gerade so tun als ob sie lesen würde, doch Michael macht ihr einen Strich durch die Rechnung. »Ich hab das Gefühl, ich würde dich kennen.« überlegt dieser laut und mustert Holly weiterhin. »Nein. Das kann nicht sein... Ich... Ehm... Bin neu hier.« lügt sie und hofft, dass es nicht auffliegt.

»Doch. Ich kenne dich. Manchmal träume ich von dir.«

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