8. Sleepover

Wooyoung hätte sich sehr gerne die ausgiebige Zeit genommen, um alles zu verdauen. Yongguk anzurufen und ihm alles zu erklären, Jackson ein Lebenszeichen geben oder wenigstens seinen eigenen Kopf etwas zu ordnen. In wenigen Tagen war eine ganze Reihe an schwer zu verdauenden Geschehnissen passiert und er fühlte sich so müde und ausgelaugt wie schon lange nicht mehr.

Von daher war er auch sehr froh, dass die Geister so umgänglich schienen, aber als Teil seiner selbst mussten sie das wohl sein. Andererseits musste er jetzt immernoch das Dilemma von San in seinem Zimmer klären, bevor er zu Bett gehen konnte.

San war... interessant. Er schien so intensiv in allem, was er tat, seine Emotionen so ausdrucksvoll. Derzeit schien er unsicher, das Gesicht so verletzlich, als er Wooyoung ins Zimmer folgte, die beiden sich schon bald allein miteinander fanden.

San hielt noch immer schützend Shiber in seinen Armen, während Wooyoung ratlos unter das Bett spähte, wieder nur seine unschuldigen Koffer fand, nichts von einem gemütlichen Lager.

Eigenartig.

"Okay, du... Musst du unbedingt unter dem Bett bleiben, oder könntest du auch ein bisschen raus rutschen? Neben das Bett?", versuchte Wooyoung es vorsichtig, während er zu seinem Schrank schritt, frische Klamotten daraus hervor zog, um sie zum Schlafen zu tragen.

San kratzte sich unschlüssig am Hinterkopf, das weiße Haar nur notdürftig aus der Stirn gestrichen, obwohl es immer wieder an seinen Platz zurück fand.

"Ich mag es eigentlich ziemlich in meiner Ecke..." Er klang schon wieder so weich und verletzlich und Wooyoung entwickelte ernste Beschützerinstinkte für das Monster unter seinem Bett, das war so nicht richtig. Sie waren nicht dafür da von ihm als Schützlinge gehalten zu werden! Einem fehlte buchstäblich der Kopf!

"Okay, alles klar. Es ist wie... Ein Hochbett. Damit komme ich zurecht, okay. Nur ein gruseliger Mitbewohner."

Zu sagen, dass er verstört von dem Fremden im Zimmer - so süß er auch war - blieb, war untertrieben. Aber Panik brachte sie beide nirgendwo hin. Probleme wurden erst zu solchen, wenn man sie auch so behandelte.

"Wooyoung." Sans Stimme war hoch und weinerlich und sofort schnappte Wooyoungs Kopf herum, die besorgten Augen weit. San hatte beide Arme um Shiber verschränkt und schmollte, die zart rosanen Lippen geschürzt und eine verräterische Nässe in seinen Augen.

"Oh Mist."

Wooyoung war mit zwei Schritten an der Seite des Anderen und nahm den unauffälligen Geruch seines eigenen Parfums von Shiber aus wahr. Mit ernsten Augen legte er eine Hand auf Sans Arm, tätschelte unbeholfen. Ein herzzerreissendes Schniefen antwortete ihm, aber keine Tränen flossen, immerhin.

"Es tut mir leid, sorry, ich weiß ich mache einen Fehler nach dem anderen mit dir. Ich arbeite daran, versprochen. Nur... es ist alles etwas viel für mich."

Sans Augen fanden die seinen, so hübsche Augen, nun gefüllt vom Schmerz der Abweisung und dem widerholtem Tappen in Fettnäpfchen.

"Wir kennen dich... schon so, so lange, Woo. Waren immer da. Das hier... es ist wie eine Mutter, die ihrem Kind sagt, sie erkennt es nicht."

Das Verstehen schnappte Wooyoung innerhalb einer Sekunde aus seinem eigenen Kopf und er verfluchte sich selbst, fand nun überall Fehler in seinem Verhalten ihnen gegenüber.

Was hatte Yongguk gesagt? Seine Kindheitsängste, Teil von ihm, aber eigene Personen. Was er tat, war nicht besser als das Verhalten aller rassistischer und homophober Mistkerle. Ein unangenehmer Kloß bildete sich am Ende seines Halses.

"Es tut mir leid. Tut mir wirklich leid, San."

Eine Person. Ein Mitbewohner. Sein Zimmergenosse.

Wooyoung trat mutig über den letzten Abstand zwischen ihnen beiden hinweg und schloss den verletzlichen San ungelenk in seine Arme. Shiber war zwischen ihnen eingeklemmt und die unbequeme Umarmung war einseitig, aber es zählte, San ließ auf der Stelle seine angespannten Schultern fallen.

"Ich gehe mich bei den anderen entschuldigen, in Ordnung? Gleich morgen früh."

San nickte zaghaft gegen seine Schulter und er war warm, Wooyoung konnte die Knochen seiner Wirbelsäule an seinem Rücken ertasten und den Atem des Anderen über seinen Hals streichen spüren.

Eine Person.

Wooyoung zog sich nach einer Weile wieder zurück, um den Freiraum seines neuen Freundes zu respektieren, neigte das Haupt, um suchend seine Augen zu checken. San hob den Kopf wieder, um Wooyoungs Blick direkt zu treffen, alle Traurigkeit verschwunden und stattdessen spielte ein vorsichtiges Lächeln um seine Lippen.

"Es ist schön, dass du wieder hier bist... Wir haben dich vermisst." Damit lächelte er richtig und Wooyoung blieb dieses Mal auch der letzte Atem im Hals stecken, als die tiefen Grübchen sich in dieses wie gemeißelte Gesicht bohrten, kaum noch Augen zu sehen waren.

Was hatte er doch gleich gesagt?

"U-Uh-huh.", machte Wooyoung nur wenig intelligent als Antwort und brauchte nochmal einen langen Moment, um den Anblick zu verdauen (es war alles zu viel: Müdigkeit, Shiber, der Geruch nach ihm, dieses engelsgleiche Weiß überall und das Lächeln). Schließlich schnappte er allerdings wieder zu sich zurück und drehte sich auf der Ferse um, um unwirsch aus dem Zimmer zu marschieren. Vorerst würde er es leugnen, wie sein Herz bei dem Anblick zu rasen begonnen hatte.

Stattdessen stapfte er nur ins Bad, um sich grummelnd die Klamotten vom Leib zu reißen, gröber als nötig in die anderen zu schlüpfen.

"Verfluchte Babyboy Culture, absolut unfair."

"Gibt es ein Problem, Chef?"

Wooyoung Schrei war laut genug für eine Sirene.

Das Geräusch hallte laut durchs Haus, überraschte auch Yunho, der bloß unschuldig seinen Kopf hinter dem halb offenen Duschvorhang heraus gestreckt hatte. Wooyoung hatte sein Shirt schützend an seine nackte Brust gepresst, das Herz nun aus ganz anderen Gründen rasend.

Während er sich noch vom Schock erholte, wurde draußen das Trappeln von Füßen laut und schon im nächsten Moment flog energisch die Badtür auf, schlug dumpf an dem mit dicken Handtüchern gepolsterten Heizungskörper an.

Natürlich hatte Wooyoung nicht daran gedacht abzuschließen - er war theoretisch allein daheim!

San stürzte hinein, das hübsche Gesicht konfus, aber die Augen zielgerichtet auf Wooyoungs gekrümmter Gestalt. Zwei lange Schritte und schon fand Wooyoung sich abermals an seinen warmen Körper gedrückt wieder, sanfte Finger besitzergreifend auf seinem nackten Rücken. Heißes Blut füllte sein Gesicht.

"Was ist los, hast du dir wehgetan?" Die sanfte Stimme über ihm war voller grenzenloser Sorge, voller Hingabe und Wooyoung blinzelte noch überrumpelt gegen die knochige aber entschieden starke Schulter vor ihm.

Sans warmer Atem streifte in einem Moment noch seine Haare, im nächsten war er verschwunden, als er selbst nach der Quelle des Übels suchte, schnell Yunho fand, der vermutlich noch ebenso erschrocken war wie Wooyoung selbst.

"Was?!", bellte San autoritär, presste den vollkommen überrumpelten (schon wieder) Wooyoung näher an sich, um ihn etwas weiter von Yunho weg zu ziehen, sich zwischen die mutmaßliche Gefahr und Wooyoung zu bringen.

"Uhh..."

"Ich schwöre, ich habe ihn nicht angerührt."

Eine weitere Stimme räusperte sich zusätzlich vom Gang aus und gleich einer Puppe wurde Wooyoung wieder herum gewirbelt, stand nun mit dem Rücken zum Waschbecken, während San sowohl die Dusche, als auch die Tür mit seinen Schultern blockierte.

"Will mir jemand sagen, warum ihr mitten in der Nacht hier oben herumschreit wie die Wilden? Manche von uns versuchen da unten zu schlafen."

Uh-oh. Das klang nach Seonghwa.

"Yunho hat Woo erschreckt!", verteidigte San sofort, die Hände noch immer wie zwei possessive Wärmekissen an Wooyoungs entblößten Rücken.

"Es war keine Absicht! Ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist!"

Seonghwa seufzte tief von der Tür aus und Wooyoung wagte es seinen Kopf von Sans Brust zu sammeln, um einen schleichenden Blick über die Schulter vor ihm zu werfen. Der Blonde in der Tür hatte die Arme verschränkt und hob fragend eine Braue, als Wooyoungs Augen ihn trafen.

Der Jüngere versuchte sich in einem verzerrten Grinsen, legte so viel Reue wie möglich hinein.

Seonghwa betrat mit einem weiteren geschlagenen Seufzen den Raum und fasste sich Yunho am Ohr, begann den jammernden Mann mit sich die Treppen hinab zu schleifen. Kein weiteres Wort wurde gewechselt, weswegen Wooyoung sich endlich wieder von einem absolut kampfbereiten San löste. Gleich einem Wachhund sah der andere sich auf potenzielle Gefahr um und senkte die Augen dann wieder zu Wooyoung, als er keine fand.

Die Röte bestaubte noch immer etwas seine Wangen, aber er schaffte es zu einem eigenartigen Räuspern.

"Danke... Ich denke nicht, dass er mir etwas getan hätte, aber das war... unerwartet."

San nickte nur verantwortungsbewusst und zupfte dann sanft das vergessene Shirt aus Wooyoungs klammen Händen, drehte es herum, um es dem Anderen behutsam über den Kopf zu ziehen. Verlegen half Wooyoung mit, war diese Art von Aufmerksamkeit nicht mehr gewohnt, erst recht nicht von hübschen Mitbewohnern.

San ging glücklicherweise danach, ließ allerdings die Zimmertür angelehnt, wie um sofort wieder zu ihm zu rennen, sollte er auch nur Piepsen.

Wooyoung putzte vollkommen paranoid seine Zähne und wusch sein Gesicht, kehrte erst danach wieder zu dem anderen zurück. Innerlich hatte er sich bereits auf eine lange Nacht bereit gemacht, aber alle Müdigkeit schien ihn einzuholen, kaum lag sein Kopf auf seinem Kissen.

"Gute Nacht, San.", murmelte er noch schläfrig zu dem anderen hin und unter ihm knipste es, als auch San sein Licht löschte, es sich noch kurz in der Dunkelheit bequem machte.

"Schlaf gut, Woo." Da war sie wieder, die hohe, niedliche Stimme, an die er sich bereits gewöhnt hatte und es brauchte keine Minute, dann war er bereits tief im Land der Träume.

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Lange Verspätung, ich weiß und ich muss euch leider auch weiter vorwarnen: die Updates werden in den nächsten zwei Wochen weiterhin seltener sein, danach sollte ich wieder mehr Zeit dafür finden ^^ bis dann

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