7. Conference
Wooyoung brauchte eindeutig mehr Kaffee.
Immerhin hatte sich inzwischen vom Keller aus tatsächlich ein bekanntes Gesicht zu ihnen gesellt, es handelte sich um den exzentrischen Rothaarigen aus dem Kühlschrank, inzwischen in Lebensgröße, aber immernoch so klein und schmal neben Seonghwa aussehend. Seine Augen allerdings waren feurig und er stellte sich als Hongjoong vor, stand seinen Mann.
Er ließ sich neben Yeosang auf den Boden fallen und begann leise ein Gespräch, während Seonghwa wieder Richtung Küche wanderte, um seinen Kopf in den Raum zu strecken, mit Jongho Rücksprache zu halten.
Alles war so domestisch und fremd gleichermaßen, diese Männer gehörten nicht hierhin und kannten das Haus gleichzeitig wie ihre Westentasche.
Als Mingi endlich mit den letzten beiden die Treppe hinab kam, hatte er einen noch größeren, dunkelhaarigen Mann bei sich, der animiert und lebhaft auf ihn einsprach. Außerdem schleppte er eine hinter ihnen beiden quasi unsichtbare Gestalt am Handgelenk mit sich, wandte eindeutig Kraft auf.
"So, wir sind komplett!" Seonghwa klatschte begeistert in die Hände, hatte extra die Küchentür etwas offen gelassen, damit Jongho mitreden konnte und sein Kopf schaute gruselig auf ungefährer Kopfhöhe heraus, ohne dass die Rissstelle zu sehen war. Dennoch stimmte der Winkel nicht. Grauenhaft.
Schaudernd wandte Wooyoung sich gänzlich zu der Gruppe Geister um ihn um, einige auf den Sesseln, die meisten zu seinen Füßen und teilweise noch immer unbekannt. Sie alle starrten den armen Wooyoung allerdings an wie Kinder einen Weihnachtsbaum und hektisch kippte er seinen Rest Kaffee hinab, schickte ein Stoßgebet gen Himmel.
"Okay, gut. Freut mich, euch endlich alle kennen zu lernen, ohne eine Heidenangst eingejagt zu bekommen.", begann er sofort streng und Yeosang hatte den Anstand verlegen auszusehen, war ihm schon jetzt am sympathischsten.
"Ich habe ehrlich gesagt nicht so ganz mit all dem hier gerechnet, also müsst ihr mir etwas zur Hand gehen. Bitte sagt mir einfach, was all das hier soll und ist, wer ihr seid und wie es weiter gehen wird."
Sie waren einverstanden und Wooyoung fiel ein wahrer Felsbrocken vom Herzen.
Der riesige Mann stellte sich als Yunho heraus, das Monster in den Abflüssen. Waschbecken, Toiletten, Duschen, was auch immer. Yunho.
Der tückische Rothaarige war das Lichtmonster, das Wooyoung bereits mehrfach quer durch den Keller gejagt hatte. Er residierte normalerweise im Kühlschrank, weil es ein guter Ort war, um mit dem Licht zu spielen. Neugierige Kinder waren hier scheinbar leicht in die Falle zu locken.
Schließlich war da noch der letzte Unbekannte, der Mann von unter seinem Bett hinter Yunho, der aktiv Wooyoungs suchende Blicke mied und stattdessen Shiber in seinem Arm kuschelte. Wie letztes Mal auch, war er heute in strahlendes weiß gekleidet, das ihn mehr wie einen Engel aussehen ließ mit diesem Gesicht, als ein komisches Monster. Andererseits konnte man über den Gruselfaktor dieser Gruppe ohnehin noch streiten, außer von Jongho fühlte Wooyoung sich derzeit wenig gegruselt. Viel eher saßen sie alle in einem lauschigen Kreis und schnatterten wild durcheinander, während er noch versuchte einen Blick auf den Fremden zu erhaschen.
Schließlich war es Yunho genug und er schubste den anderen sanft an der Schulter von sich weg, eher Richtung Wooyoung. Jedoch wurde er sofort wieder kleiner hinter Yunhos großem Oberkörper, presste sein Gesicht tief in Shibers Fell.
Wooyoung tat es letzten Endes leid ihm Shiber so oft weggenommen zu haben, zum waschen, selbst kuscheln und allem. Er hing offenbar sehr an dem Stofftier.
In seinen Augen war eine formelle Entschuldigung gefragt und ächzend erhob er sich aus seinem Sessel, um vorsichtig durch den Kreis zu tanzen, vor dem Fremdling auf die Knie zu sinken. Der wandte sich nur wieder ab, versteckte sich in Shibers Fell.
"Hey." Wooyoung berührte ihn behutsam am warmen und sehr menschlichen Oberarm, ein schlanker Arm mit deutlichen Muskeln darunter und mit scharf herausstechenden Knochen, fein und delikat. "Es tut mir leid, dass ich dich dort oben eingesperrt habe, du hast mich nur erfolgreich erschreckt. Und sorry, dass ich dir Shiber weggenommen hatte, ich wusste es nicht." Seine Stimme war sanft und verständnisvoll, brachte den Anderen tatsächlich dazu einen prüfenden Blick auf Wooyoung zu werfen, fuchsartig geschwungene Augen aufmerksam.
Es war ein Fortschritt.
Zutraulich robbte Wooyoung auf den Knien näher, blendete das rege Gespräch der anderen aus, um sich auf diesen hier zu konzentrieren, diesen hübschen Mann, der so ganz unschrecklich unter seinem Bett geruht hatte.
Sein Gesicht lief in einem hübschen Rosa an, als Wooyoung behutsam Shiber weg zog, ihn noch einmal mustern konnte, über das scharf geschnittene Gesicht staunen konnte.
"Wie heißt du?", flüsterte Wooyoung ihm verschwörerisch zu und schon etwas weniger gekränkt richtete der Andere sich auf, nahm sich seine Zeit nun auch Wooyoung eingehend zu studieren.
"San."
"Okay, San. Dann lass uns von nun an Freunde sein und nicht mehr schmollen, okay? Wir haben beide viel durchgemacht, denke ich."
Das Grinsen, das sich auf Sans Gesicht ausbreitete, ließ zwei tiefe Grübchen entstehen und seine Augen verschwinden, ganz und gar sonnig (sannig?) wirken. Seine Stimme war hoch und mit niedlichem Unterton, als er sprach.
"Okay!"
Und so einfach war es.
San wurde offizielles Mitglied des Kreises und spielte weiter mit Shiber auf seinem Schoß, während Wooyoung sich immer wieder dabei erwischte ihn anzustarren, das Bild von ihm sehr kuschelig unter seinem Bett nun wieder drängend in seinem Kopf.
"Wir müssen die Regeln noch absprechen, Chef!", rief dann aber Jongho von der Küche aus und prompt war die Stimmung ruiniert. Fabelhaft.
"Gut, also Yongguk hat mir erzählt, dass ihr an mich und dieses Haus gebunden seid, also werde ich euch nicht los, richtig?" Sie nickten eifrig, Jongho... wippte seinen Kopf.
"Fein, ich bin bereit zu teilen, aber nur, weil ihr wie dezente Typen erscheint. Sollte einer von euch mir in die Quere kommen, werde ich allerdings den Flammenwerfer hervorholen müssen.", fuhr er mit wild pochendem Herzen fort, sah sie misstrauisch miteinander tuscheln. Besonders Seonghwa lächelte allerdings in gutem Humor und immerhin, sie waren tatsächlich wie alte Freunde, die er nur noch nicht gekannt hatte.
"Ich will von keinem von euch erschreckt werden. Also bleibt nachts aus meinem Zimmer draußen. Das gilt besonders für dich da hinten!" Er deutete anklagend auf Jongho, der nur liebenswert grinste.
"Ich will, dass wir miteinander reden und nicht nur erschrecken, in Ordnung?" Er würde es leugnen, wie seine Stimme bei den Worten zitterte, hatte seinen Kopf noch immer nicht rational zu der Idee von Geistermitbewohnern bekommen.
Seine Meute wirkte allerdings einverstanden, er war immerhin kein auszubildendes Kind und sie waren ganz Ohr, als er fortfuhr.
"Ich weiß euch in dieser Gestalt zu schätzen. Ich würde es mir also wünschen, dass ihr eure Zeit am besten ganz als Menschen verbringt und auch so lebt - sofern möglich. Also keine gruseligen Puppen am Kühlschrank. Keine schwebenden Pullover, in Ordnung?"
"Wo sollen wir schlafen?", kam der Einspruch von Hongjoong aus und Wooyoung überlegte für einen langen Moment.
"Es passen sicherlich vier von euch ins Bett meiner Großeltern. Die kleineren können dort hin. Im Keller steht noch eine faltbare Matratze, die meine Eltern damals benutzt haben. Das können wir noch aufbauen, da passt ihr beiden mit etwas kuscheln auch drauf." Er nickte zu Mingi und Yunho hin, woraufhin Yunho dem anderen sofort affektiert einen Handkuss zuwarf, den der andere nur dämlich kichernd abtat.
"Der letzte auf die Couch. Ihr könnt ja durchwechseln."
Seine Worte lösten wieder ein allgemeines Tuscheln aus und dieses Mal schnappte sich Seonghwa Wooyoung am Arm und zog ihn etwas beiseite.
"Es gibt ein Problem."
"Welches?" Wooyoung runzelte unwillig die Stirn. Er war mit seinem Plan sehr zufrieden gewesen.
"San ist das Monster unter deinem Bett. Er kann nur dort schlafen." Seonghwa warf einen flüchtigen Blick auf San, der nun halb auf Mingis Schoß hing und wieder schmollte, beugte sich dann noch etwas näher an Wooyoungs Ohr. "Er kann auch nur mit dir im Raum richtig schlafen. Er hat alleine Angst im Dunkeln."
Es war die lächerlichste Sache, die Wooyoung je gehört hatte, ein Monster, das Angst im Dunkeln hatte, das nur von seinen Mit-Monstern gefüllt war. Dennoch lachte er nicht, sah an der Sorge in Seonghwas sonst ebenmäßigen Gesicht, wie wichtig das hier war.
San schien einiges zum Schmollen zu haben.
"Dann... Daran muss ich mich wohl gewöhnen, denke ich. Es ist wie eine Pyjamaparty?", versuchte er es vorsichtig, wollte nicht sofort alles ablehnen, ohne Bescheid zu wissen. Wissentlich mit San unter seinem Bett schlafen schien besser, als jahrelang nicht von seiner direkten Nähe gewusst zu haben.
Wooyoung kannte sich mit Zimmergenossen bestens aus. Sein Bruder, seine Mitbewohner an der Uni, er hatte vermutlich schon alles erlebt und so ein Angst im Dunkeln und Liebe für Shiber Monster würde er dann wohl gerade noch so verkraften.
Hoffte er.
Der Abend wurde ohnehin langsam zu viel und zu lang für ihn.
Er nickte also Seonghwa noch einmal zu und bekam zwei Daumen hoch, dann brach er auf, um die Versammlung aufzulösen.
"Gut, dann machen wir es ab jetzt so. Ich sehe euch morgen. Und wehe da ist auch nur ein kleiner Finger, der da nicht hin gehört, in meinem Zimmer."
Wooyoung endete in einem dramatischen Fingerzeig in die Runde und Hongjoong schnaubte sarkastisch, erhob sich dann als erster. Während Wooyoung noch determiniert auf San zu marschierte und ihn an seine Seite hoch zog, verstreute sich der Rest bereits, überließ Wooyoung endlich der Ruhe.
San stolperte ihm ungeschickt hinterher.
"Ich dachte du-"
"Du bist die Ausnahme. Also komm, wir müssen das irgendwie funktionieren lassen."
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