21. Take my hand
"Warte, was?"
Jinyoung nickte bloß bedächtig, begann schließlich langsam zum Haus zu schlendern.
"Nein, Moment. Jackson?? Mein Jackson?" Wooyoung fiel schon wieder aus allen Wolken und langsam nervte es.
"Nicht unbedingt dein Jackson. Dein Jackson ist vor etwa zwei, drei Tagen schlafen gegangen und liegt in der Scheune hinterm Haus. Das da drinnen ist Morfrey. Er trägt Jacksons Gesicht."
Wooyoung betete, dass das nicht zu wörtlich zu verstehen war.
Gut, Jackson war in den letzten Tagen verdächtig ruhig gewesen. Das Timing sprach dafür, dass er von Yongguk direkt zu Wooyoung gewandert war und sich ein Bild der Lage machte, bevor er angriff. Und das bedeutete auch, dass Jackson die Ängste in dieser Zeit gesehen hatte. Beziehungsweise der hinter Jacksons Gesicht.
Damit hatte er unmöglich rechnen können... Wooyoung schluckte besorgt.
"Okay, also was kann ich tun? WIe bekämpfe ich die Angst? Muss ich Jackson verletzen?"
Jinyoung wuschelte ihm lachend durch das Haar, sah aus wie ein Schauspieler mit seinem Gesicht und dem Kittel und er passte null ins Bild, aber was tat das von ihnen noch?
"Du gar nichts. Ein Konzept gegen das andere. Du bleibst hier draußen und wartest, bis die Luft rein ist. Ich werde Jackson versorgen, wenn es an der Zeit ist."
Wie sollte er dem trauen? Wie sollte er Jinyoung einfach so dort hinein gehen lassen, sich komplett auf ihn verlassen und abwarten, was geschah? Warum hatte Jinyoung nicht Yongguk geholfen? Hatte es ihm an Mut gefehlt?
"Ich gebe dir ein Zeichen, wenn es so weit ist."
Jinyoung ging schweigend davon, auf Wooyoungs Heim zu und Wooyoung folgte unsicher, wollte wenigstens in der Nähe bleiben, sollte er doch noch helfen können.
Der Mann zog schwungvoll die Tür auf und da war es.
Ein abscheuliches Knacken und Brechen wie von Ästen, das Mahlen wie von Steinen aufeinander begleitet von schmatzenden Geräuschen. Ein genüssliches Brummen.
Das Kauen.
Sämtliche Farbe verließ Wooyoungs Gesicht und wäre da nicht Jinyoungs Körper direkt vor ihm gewesen, hätte er sich vermutlich auf das Leben mit einem grausamen Anblick verstört.
"Bleib hier."
Das Kauen verstummte bei seiner Stimme abrupt und vom Foyer war etwas wie ein Knurren zu hören, ein dunkler und bösartiger Laut. Wooyoung standen alle Haare zu Berge und etwas weiches traf dumpf auf dem Boden auf, schnelle Schritte schienen sich zu entfernen.
Jinyoung warf einen nachlässigen Blick über seine Schulter und auf den kleineren Wooyoung.
"Ich kann dir nicht versprechen sie alle retten zu können."
Wieder überkam der Schwindel Wooyoung und er musste sich am Türrahmen abfangen, um sein Gleichgewicht wiederzufinden. Jinyoung schloss behutsam die Tür.
Dieser Zusammenhang... Dieses Geräusch...
Wooyoung erbrach sich laut zur Seite hin, war schwach auf seinen Beinen und nichts um ihn half. Alles war kalt und in Nebel getaucht. Er wusste weder, was geschah, noch wie Jinyoung allein plante zu siegen. Wie ging es seinen Jungs? Wie konnte er so leichtsinnig sein sie allein zu lassen?
Er war so unwissend, so überflüssig.
Er musste sich beschäftigen. Ansonsten würde er noch durchdrehen.
Seine Beine kamen stolpernd in Bewegung, trugen ihn um das Haus herum und angestrengt hielt er sich davon ab neugierig durch die Fenster zu spähen. Die Tür zur Scheune war nur mit zwei Riegeln von außen versperrt und Wooyoung musste mehrfach ansetzen, um sie zu öffnen, ungeschickt in den dunklen Raum zu taumeln.
Jinyoung hatte recht gehabt.
Jackson lag friedlich schlafend auf dem Boden, atmete noch, als Wooyoung panisch neben ihm auf die Knie fiel.
"Jackson! Du musst aufwachen, bitte lass mich hier nicht allein!" Auch mehrfaches Rütteln und Schütteln brachte den Mann nicht zurück. Wooyoung war ganz auf Jinyoung angewiesen.
Schwach arbeitete er sich wieder nach vorne, kam in just dem Moment dort an, als die Tür ein weiteres Mal aufflog.
Es war unvermeidlich. Dieses Mal erhaschte Wooyoung einen direkten Blick auf den rot getränkten Körper in der Mitte des Raumes, dunkler Stoff in einer stets wachsenden Pfütze.
Wooyoung kam nicht um den gequälten Schrei in seiner Kehle herum, konnte auf die Entfernung nicht erkennen, wer es war und bereits im nächsten Moment stand auch Jinyoung wieder in seinem Sichtfeld.
Jinyoung hatte jemanden bei sich.
Von einer Sekunde zur nächsten war Wooyoungs Kopf wieder leer, aller Schmerz abgestumpft.
"Hier, nimm!"
Der zuvor so ruhige Mann sah gehetzt aus, da war Blut auf seinem einst weißen Outfit und die schwarz uniformierte Gestalt in seinen Armen wurde perplex auf Wooyoung zu gestoßen.
Jinyoung war wieder verschwunden, bevor jemand etwas sagen konnte und hektisch begann Wooyoung seinen Gefährten von seiner Maske und dem Hut zu befreien, starrte Sekunden später in Sans schreckensgeweitete Augen.
Wooyoungs eigene Augen brannten.
"San. Oh, San!"
Sie fanden einander, hielten den anderen tröstend in dieser dunklen Stunde der Unwissenheit und San brachte keinen Ton heraus, fand nicht die Stimme zur Beruhigung, aber er war hier und er war warm.
"Ich habe Jackson gefunden, es war von Anfang an Jackson!"
San hörte nicht zu. Er starrte noch immer blicklos auf das Haus. Auf das, was hinter dieser Tür war.
Wooyoung versuchte nicht daran zu denken, versuchte es wirklich. Er konnte unmöglich fragen.
Ein krachendes Fenster ließ sie beide zusammenzucken und dann flogen zwei Gestalten vom zweiten Stock aus herab, ein großer Körper, der einen etwas kleineren schützend in seinen Armen geborgen hatte.
San war zu Stein erstarrt, also war es nur Wooyoung, der hin rannte, besorgt alle auf Verletzungen versuchte.
Es waren Mingi und Yeosang, beide deutlich durch den Wind, aber in einem Stück.
"Was ist los, was passiert hier? Wir haben auf dich gewartet und plötzlich...", begann Yeosang fast schon panisch und Wooyoung strich zittrig durch sein dunkles Haar, versuchte sie beide zu trösten.
"Jackson ist mit einem Mal auf uns losgegangen! Er konnte uns sehen, Wooyoung!" Mingis Augen waren weit, die Lippen geöffnet, während er hektisch atmete und Wooyoung krümmte sich, als er sich die Szene vorstellte, sich zu genau vorstellte, wie Jackson mit einem Mal auf die friedliche Gruppe zusprang. Um sie zu töten.
"Er ist nicht Jackson. Er ist Morfrey. Jinyoung versucht gerade ihn zu bekämpfen..."
Keine Erleichterung, aber zumindest wirkten alle etwas verständnisvoller.
"Er hat uns einfach gepackt und... geyeetet. Ich habe keine Ahnung, wie er das gemacht hat."
"Wir sind draußen.", fügte Yeosang flüsternd hinzu und er hob seine Hände, um sie verwundert anzustarren.
Wooyoung bemerkte es jetzt erst.
Sie waren draußen. Frei. Nicht mehr an das Haus gebunden.
Jinyoung hatte ihre Fesseln gesprengt.
"Wir müssen den richtigen Jackson wecken! Wir müssen... sehen, wie wir helfen können, ob Jinyoung uns danach noch braucht!"
"Dieser Typ... Dieser Nicht-Jackson. Jinyoung kann ihm tatsächlich etwas anhaben. Wir glitten durch ihn wie Rauch, aber Jinyoung..."
Sie waren Teil von ihm, wie sie es von Wooyoung waren.
Ihm war so schlecht.
Wooyoung schluckte schwer um den widerlichen Geschmack von Säure in seinem Mund herum und nickte ihnen dann noch immer etwas zittrig zu folgen.
Die Zeit schien verschoben, alles geschah zu schnell und gleichzeitig zu langsam. Die Welt schien sich nur um sie zu zentrieren. Er verlor sich.
"Kommt, lasst uns nach Jackson sehen. Wir müssen uns konzentrieren."
Wooyoung wollte nichts lieber, als auf die Knie fallen und beten, egal zu wem. Er wollte schreien und weinen, diese drei in Sicherheit bringen und gleichzeitig den Rest retten. Er wollte, dass alles endete, dass sie wieder in Frieden miteinander Twister spielen konnten.
Yeosang und Mingi folgten zögerlich, ersterer noch immer absolut befangen von der Natur um ihn und dem nassen Gras unter seinen Füßen.
Wooyoung ging zuerst zu San, fasste sich sanft dessen schlaffe Hand in die seine.
"Bitte komm mit. Ich will dich nicht hier allein lassen."
Keine Regung, alles still.
Hinter ihnen ging abermals die Tür auf.
Kollektiv sahen auch die anderen spitz auf, Sans leerer Blick blieb, wo er war.
Es war Hongjoong mit schmutzigen Klamotten, der hinausgetaumelt kam, eine Hand ohnmächtig an seinem Kopf und der Hut fehlend.
"Oh Gott, bin ich froh, euch zu sehen! Da drinnen herrscht absolutes Chaos!"
Wooyoung zuckte vorwärts, um auch ihn und insbesondere seinen Kopf zu prüfen, fand nun doch wieder einen Schimmer Hoffnung, als einer nach dem anderen von ihnen das Haus unversehrt verließ.
Sie konnten es schaffen, Jinyoung konnte es schaffen!
Wooyoung hatte den ersten Schritt bereits gemacht, dann zuckte Sans Hand vorwärts und packte ihn am Arm, zerrte ihn unsanft zurück und gegen seine Brust. Er atmete beschleunigt, die Augen wild.
Wooyoungs erster Reflex wäre es gewesen sich zu wehren, gegen einen groben San zu verteidigen, denn es konnte nur das schlimmste bedeuten. Er wusste bescheid.
Doch statt auf ihn, war San weiterhin auf den verwirrten Hongjoong konzentriert.
"Das ist er nicht."
"Huh?"
Wooyoung blinzelte konfus, sah von Hongjoong zurück zu San. Dessen Augen schwammen mit unvergossenen Tränen und seine bittere Stimme war erfüllt von Hass, als er sprach.
"Hongjoong liegt da drinnen in einer riesigen Pfütze seines eigenes Blutes."
Wooyoungs Herz erstarrte in seiner Brust, als das eiskalte Verstehen sich in ihm breit machte.
Nein, bitte nicht.
San trat vor ihn, eine Hand noch immer stabil an seinem Arm, aber er brachte sich in Gefahr. Innerlich schrie Wooyoung schon wieder.
Nicht!
Von ihrem San war nichts mehr übrig, als dieser hier die mörderischen Augen zu der kleinen und schmalen Gestalt Hongjoongs hob. Seine Stimme glich einem Grollen, tief und zornig.
"Wie kannst du kranker Psychopath es wagen sein Gesicht zu tragen?!"
Wooyoung erschauderte ungut hinter San, beobachtete genau, wie Hongjoong mit großen Augen zu ihnen aufsah, Wooyoung Blick traf.
Für eine Sekunde zuckte eine Vision durch seinen Kopf. Seine eigenen Hände an Hongjoongs schlanken und weichen Hals. Wie er Stück für Stück das Leben aus ihm presste.
"Nicht er!"
Abrupt wandte Wooyoung den Kopf ab, blinzelte rapide zur Seite hin. Er war er, gut. Alles funktionierte noch.
"Was, kein Selbstmord, um deine erfundenen Freunde zu retten? Ich bin enttäuscht."
Morfrey änderte sich. Sein Gesicht morphte durch einen Haufen unterschiedlicher Züge, da war Yongguk, ein fremder Blonder mit Nasenpiercing, Jackson, Seonghwa, sogar Jinyoung selbst. Und so viele Fremde, vorbeiziehende Gesichter, die er sich gemerkt hatte.
Er entschied sich am Ende für das Gesicht eines jungen Mannes mit schwarzem Haar und katzenhaften Augen. Es war egal, wie er aussah.
"Lasst uns das hier klären. Ich komme zu spät zum Abendessen."
San verließ Wooyoung Seite, als er kochend vorwärtsstürzte.
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