20. Deep in my soul

Der Raum war bereits schwummerig genug, als Wooyoung endlich bewusst wurde, was gerade geschah und als endlich die Überlebensinstinkte seines Körpers einkickten, schaffte er es für einen Moment San zu überraschen.

Seine Knie fuhren als erstes los, kickten den anderen weit genug von sich, dass sich sein Griff zumindest lockerte, wenn er auch nicht ganz verschwand.

Wooyoung schnappte laut nach Luft, suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit San nicht zu verletzen und gleichzeitig sein Leben zu retten.

"San! San, hör mir zu, ich bin es!"

Hätte er nicht bereits gewusst, was Yongguk wiederfahren war, wäre Wooyoung absolut verloren gewesen.

So sah er allerdings panisch zu Sans tränenüberströmten Gesicht auf, kämpfte schwach gegen den wesentlich stärkeren Mann an. Er musste sich konzentrieren.

"San, hör mir zu, ic-" Wooyoung wollte husten, als ihn die Luft wieder verließ, San mit mehr Körpergewicht auf seinen Hals presste.

"Woo, Woo...", weinte der Mann mit einem Mal nicht minder verzweifelt über ihm, heiße Tränen tropften auf die Lippen, die gerade noch leidenschaftlich die des anderen getroffen hatten. Er war bei Bewusstsein.

Wooyoung kratzte und kickte verzweifelt, versuchte in einem wilden Aufbäumen den geschickten Mann von sich zu bekommen. Sein Kopf leerte sich mehr und mehr, mit der Zeit wurde auch sein Widerstand wieder schwächer. Er hatte keine Chance.

Dunkle Punkte tanzten vor seinen Augen.

"Woo! Nicht, bitte bleib bei mir! Wooyoung! Wooyoung!"

"San!"

Die Stimme klang wie durch Watte, dichte, flauschige Watte, in die Wooyoung sinken wollte und er spürte vage, wie seine klammernden Finger von Sans Haut rutschten, wie alles dunkel wurde, und-

Die kalte Luft, die im nächsten Moment in seine Lungen strömte, schmerzte, stach scharf. Für einen Moment drohte er eher das Bewusstsein zu verlieren, weil es zu viel auf einmal war.

Er hustete panisch los, versuchte zu atmen und gleichzeitig nicht zu viel zu atmen und das nächste, was er wahr nahm, war, wie das schwere Gewicht von seinem Körper verschwand, Stimmen wirr durcheinanderschwirrten.

Da waren vorsichtige Hände, die ihn stützten und an einen warmen Körper lehnten, warmer Atem an seiner Stirn.

Der Raum hörte allmählich auf sich zu drehen.

Er lebte, Wooyoung lebte.

Wooyoungs Sinne kehrten nur langsam wieder zu ihm zurück und das erste, was sein Körper ihm lieferte, war das laute, schmerzerfüllte Weinen von San aus einer anderen Ecke des Raumes. Eine neue Art von Panik füllte ihn.

San brauchte seine Hilfe!

Desorientiert sah Wooyoung sich um, fand sich auf Seonghwas Schoß wieder, die Arme des Mannes behutsam um ihn gelegt. Es waren Yunho und Jongho, die auf der anderen Seite des Zimmers unnachgiebig San hielten, der Mann absolut aufgelöst in ihren Armen hängend.

Ihre Blicke fanden einander und Sans Augen waren weit in Panik und Schmerz, so voller Reue.

"Ich- Ich wollte das nicht, Woo! Es t-tut mir leid, es tut mir so verdammt leid! Woo..."

"Was-"

Seonghwas Hand fand seine Haare, strich sanft durch sie hindurch, besänftigten den Tumult in seinem Inneren etwas.

"Es ist okay, Wooyoung. Ganz ruhig. Du bist sicher. Er kann und will dich nicht töten, alles gut."

Stimmt. Richtig. San konnte sein Leben nicht beenden. Aber er konnte ihn verletzen.

Das bittere Weinen des Mannes hielt an, selbst dann noch, als die beiden Jungs ihn vorsichtig losließen und San bloß hilflos auf dem Boden zusammensackte, sich abwandte, um das Gesicht in seinen Händen zu vergraben.

"Ich hasse mich, wie konnte ich- Wie-" Er schluchzte und es brach Wooyoung das Herz.

"Das warst nicht du, Sanie, alles ist gut. Er ist fort."

Wooyoung ließ sich von Seonghwa auf die Füße helfen und testete unsicher seine Balance, checkte dann nervös die offene Tür.

"Wie seid ihr hier rein gekommen?"

"Wir haben Seonghwa unter der Tür durchgeschoben." Jonghos Kopf sah sie von der Kommode aus streng an.

Wooyoung nickte bloß konfus, verzog das Gesicht bei dem stechenden Schmerz in seinem Hals und suchte dann hilflos Sans Blick.

"San..."

"Nicht. Bleib fern. Ich will dir nicht wehtun."

Wooyoung fühlte sich so machtlos, so verloren von den Geschehnissen und er wollte nur, dass San aufhörte zu weinen, ihm die Tränen vom hübschen Gesicht streichen und ein Lächeln auf seine Lippen küssen.

"Kommt, wir müssen es denn anderen sagen. Und Wooyung, er wird höchste Zeit Jackson einzuweihen, oder ihn vorerst fort zu schicken."

Damit zogen sie alle ins Wohnzimmer hinab, hin zu einem gechillten und nichtsahnenden Jackson, der auf der Couch lag, an seiner Seite Yeosang, der gespannt zwischen dem Harry Potter Film und der ankommenden Gruppe umher sah.

San hielt sich so weit wie möglich von Wooyoung fern, hing zur Sicherheit an Jonghos Arm und es tat weh, aber momentan mussten sie anderes klären. Danach musste Wooyoung sich wieder San annähern.

Hongjoong warf einen langen Blick auf Wooyoungs Hals, dann hob er finster an zu sprechen, aber ein Schatten am Fenster lenkte sie zuerst ab. Gespannt sahen sie alle hin und da, ein menschlicher Schemen huschte nochmals vorbei.

Mingi flitzte hin und spähte angestrengt hinaus, durch die Nebelsuppe und Richtung See.

"Da ist... ein Mann. Er winkt zum Haus hin?"

Wooyoung blinzelte zweimal, dann trat er näher, sah ebenfalls hinaus.

Es war Jinyoung.

"Was ist da?", fragte Jackson gut gelaunt von hinter ihm und Wooyoung traf Jinyoungs Blick, rannte sofort los, um seine Jacke zu holen.

"Freund von mir, ich bin sofort wieder da!"

Die Haustür fiel dumpf hinter ihm ins Schloss.

Jinyoung stand summend und mit einer Angel am See, gab ein absolutes Bild der Gelassenheit ab, während Wooyoung über nasse Blätter schlitternd neben ihm zum stehen kam.

Er trug noch seine Slipper. Hah.

"Jinyoung!"

"Oh, hi, Wooyoung! Welch Zufall, dass wir uns hier treffen, nicht? Wollen wir einander duzen?"

"Was gibt es, was machst du hier?"

"Mich brachten die Gerüchte her! Im Dorf munkelt man von Fischen hier, die groß sind wie ausgewachsene Männer. Ich versuche einen zu fangen. Hoffentlich hast du keine Angst vor dunklen Gewässern?" Er sagte es so einfach, so voller Leichtsinn aber da war es wieder: das Konzept der Angst.

Und was hatte er da überhaupt an, war das ein Arztkittel?

Wooyoung sah ratlos über den See hinaus, alles ruhig, alles still. Kein Wind ging und kein Vogel sang. Alles wie tot.

Er musste es prüfen. Er tarnte sich in einem Husten.

"Eden."

Jinyoung wandte höflich den Kopf, betrachtete ihn aus blitzenden Augen.

"Wer?"

Wer, nicht was. Interessant. Er dachte nicht zuerst an den Garten, so wie Wooyoung.

"Eden, kennst du ihn?"

Jinyoung holte grübelnd seine Angel ein, die stabilen Bewegungen seiner ruhigen Hände hypnotisch.

"Eden-hyung hat sich in die Berge zurückgezogen. Er hat versucht sich seiner Angst zu stellen und den Kürzeren gezogen."

Wooyoungs Herz überschlug sich in seiner Brust, denn es ergab Sinn, Jinyoung wusste Bescheid, Jinyoung verfolgte ein Ziel.

Schaudernd vergrub er seine Hände in seinen Manteltaschen.

"Seine Angst... Wovor hatte er Angst?"

Daraufhin musste Jinyoung leise lachen, ein lahmes Geräusch, eigentlich nur ein seelenloses 'ha ha ha'. Er band seine Angelschnur fest.

"Er hatte Angst vor dem Konzept der Angst. Vor der Angst selbst. Nichts spezifisches."

Sich vor der Angst fürchten. Das klang mächtig. Das klang nach etwas, das alle Menschen taten, unterbewusst oder wissentlich. Es klang wesentlich vertrauter als die Angst vor Puppen oder einem grünen Pullover.

"Also hat die Angst ihn besiegt... Und Eden ist geflohen?"

"In die Berge, ja."

Jinyoung Blick schweifte ziellos über Wooyoungs Heim, die grollende Wolkendecke über ihnen und Wooyoungs blau gefleckten Hals.

Als er das nächste Mal sprach, hatte er den Kopf gen Boden hin gesenkt und sprach so klar, dass seine Worte durch die kalte Luft zu schneiden schienen.

"Wie ich sehe, hast du Morfreys erste Attacke gut überstanden."

Wooyoung konnte nicht einmal sagen, er war überrascht. Dennoch fing sein Herz an zu rasen. Nervös biss er auf seine Lippen, erinnerte unabsichtlich sein Gehirn an Sans Kuss. Er musste zurück, bevor ihnen noch einmal etwas geschah. Es musste bei ihnen sein, auch wenn es ihn in Gefahr brachte.

"Du kennst ihn?"

"Ich bin ihm schon einige Male begegnet. Oft zu spät, aber oft genug auch genau dann, wenn ich musste."

"Und wie war er so?"

"Hungrig."

Das Kauen.

Es traf Wooyoung wie ein Blitz, plötzlich verstand er, plötzlich ergaben alle von Yongguks Gedanken so viel Sinn.

Morfrey ernährte sich von der Angst, er war die Angst selbst, er brauchte kleinere Konzepte, um stark zu sein. Er aß sie. Deshalb war Himchan verschwunden, deshalb das Kauen und Jinyoungs bedrohliche Worte. Er aß sie auf. Eisige Schauer krochen Über Wooyoungs Rücken hinab.

"Oh... Und... Kann man seinen Hunger stillen?"

Jinyoung seufzte tief, kuschelte sich enger in seinen Schal.

"Naja, ich habe ihn schon einige Male durch Mut davon gejagt bekommen. Was braucht man, um seine Angst zu überwinden? Mut."

Wooyoung vibrierte schier mit Aufregung und Sorge, die Lösung so greifbar nahe.

"Kannst du es wieder tun?"

Jinyoung zuckte bloß die Achseln, wie um zu sagen 'kein Problem'.

Er hatte es. Es war Jinyoung. Deshalb sein plötzliches Auftauchen. Kaum hatten sie beschlossen Morfrey zu bekämpfen, hatte sich das Konzept des Mutes materialisiert. Und er war hier, um zu helfen. Um das abscheuliche Geschehen abzuwenden.

"Und weißt du, wo er momentan ist?", wisperte Wooyoung kaum noch hörbar und ballte dann beide Hände zu Fäusten, wollte die Antwort gar nicht hören.

Jinyoung nickte bloß schweigend zum Haus hin.

"San...?"

"Nicht San." Jinyoung lächelte ihm verzerrt zu, schlug dann ebenfalls ergeben die Augen nieder.

"Jackson."

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Ich weiß ich warne immer zu knapp vor, aber noch like 2 kapitel und epilog!

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