19. Deep in my heart
"Was ist ein Eden?"
"Er ist... Wie benennt man das... Ein Konzept?" Seonghwa sah hilfesuchend zu Hongjoong, der bloß ratlos die Achseln zuckte.
"Etwas wie ein Konzept. Du wirst bemerkt haben, dass es unter uns eine gewisse Rangfolge gibt. Es gibt Ängste, die überall auf der Welt von vielen Menschen verspürt werden und seltene, besondere Ängste." Mit einem wohwollenden Lächeln sah Seonghwa zu Yeosang, der daraufhin errötend das Gesicht in Yunhos Schulter vergrub.
"Eden ist keine Angst per se. Eher wie das Erwachsenwerden. Die rationale Stimme in deinem Kopf, die es dich lehrt keine Angst vor Nichtigkeiten mehr zu haben. Vielleicht auch einfach der gesunde Menschenverstand. Wenn jemand über die Ängste Bescheid weiß, dann er.", setzte Hongjoong fort und gedankenverloren begann Wooyoung Kreise über Sans Handrücken zu streicheln.
Der gesunde Menschenverstand? War er dann nicht derjenige, der ebenso mit den Kindern aufwuchs und sich entwickelte? Der, der in seiner Unwissenheit die Ängste gebar und später wieder verblassen ließ?
Sowas wie das Regelbuch.
Es würde schon helfen, ihn zu fragen. Vermutete Wooyoung jedenfalls.
"Offensichtlich weiß er bereits von den Geschehnissen dort drüben. Er könnte schon an einer Lösung arbeiten. Je schneller wir ihn kontaktieren, desto besser."
Hongjoong sah ernst in die Runde, doch sein schweifender Blick blieb an Wooyoung und San hängen, die weiterhin Schulter an Schulter und Oberschenkel an Oberschenkel aneinandergerpesst saßen.
"Ihr beide solltet euch vorher aussprechen. Ich hasse es euch damit ein Ultimatum zu setzen, aber so wie das da drüben lief, sollte es hier nie dazu kommen. Fort mit euch."
Seonghwa sah noch für einen Moment so aus, als wollte er etwas einwenden, beließ es am Ende allerdings dabei.
Wooyoung war nicht dumm. Es hatte es schon vor langer Zeit mitbekommen, dass San ihn anders behandelte, dass es nicht nur an seiner Persönlichkeit lag. Wie auch immer konnte er sich erstens keinen Reim darauf machen, wie jemand wie San ihn mögen könnte und zweitens kannte er das wahre Ausmaß nicht.
Somit schwieg er also verhalten, während ein errötender San ihn von der Bank hoch zog und durch den Gang davon zog. Während er ihm noch folgte, huschten tausend und ein Szenarien durch Wooyoungs Kopf, Dinge, die er fragen sollte, Sätze zum aussprechen. Sein Herz begann mit der rasenden Realisierung schneller zu pochen und seine Bewegungen wurden unkoordinierter, einmal stolperte er fast gegen San.
Der hatte ein strammes Tempo an den Tag gelegt und seine heute weißblonden Locken verdeckten in ihrer Länge erfolgreich seinen derzeitigen Gesichtsausdruck.
Wooyoung stieß sich die Hüfte an einer Kommode im Flur.
Wooyoungs Zimmer war leer, als sie es betraten und San stellte extra noch klar, dass die Tür verschlossen war, bevor er sich entschieden auf die Bettkante setzte und aus glänzenden Augen zu Wooyoung aufsah.
Dem brach schier der Schweiß aus.
"Uhh... Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was wir hier exakt sagen sollen... An dieser Stelle..."
Toller Anfang, einsame Spitze.
Wooyoung vergrub verzweifelt das rote Gesicht in den Händen.
"Ich schon, keine Sorge. Ich hatte Jahre und genug fiese Freunde, dass ich es exakt planen konnte.", seufzte San dramatisch und nickte ihm schließlich zutraulich zu kommen.
Wooyoung setzte sich im Schneidersitz vor ihm auf den Boden, wollte ihn direkt ansehen können.
San sah kurz gen Decke, sortierte sich, während Wooyoung die Kurve seiner Wangenknochen studierte, den Schwung seiner Lippen und die scharfen Schatten unter seinem Kiefer. Sein Herz setzte ein paar Schläge aus, als Sans Augen ihn wieder fanden, dann galoppierte es glücklich weiter.
Hier drinnen roch es sehr entfernt nach Algen.
"So, Woo... Und ich hoffe, das hast du gemerkt, sonst wird es peinlich. Ich mag dich."
Es wäre so einfach gewesen das abzuwinken, zu sagen, dass er alle mochte, dass Wooyoung ihn auch mochte - sie alle; aber die Art und Weise, wie er es sagte, so klar und deutlich und mit tiefer Stimme ließ keinen Raum zur Diskussion offen.
Wooyoung schluckte schwer, zupfte an seinen Socken herum.
"Ich- Ich habe das bemerkt, ja." Nun war er wieder an der Reihe zu erröten, hielt allerdings stand und wich Sans tiefen Augen nicht aus.
"Gut. Woo, ich habe dich gemocht, bevor du von hier fort gegangen bist. Mehr gemocht... als ich es als deine Angst ohnehin tun sollte."
Das war schon ein schwererer Stein in Wooyoungs Magen. Er war was, vier Jahre weg? San mochte ihn seit über vier Jahren.
Wie konnte man Wooyoung mögen? Was gab es an Wooyoung zu mögen? Er war absolut verloren.
"Okay..."
Ihm fehlten einfach die Worte.
San musste lächeln, ein mitfühlendes und warmes Lächeln, das etwas der Last von Wooyoungs Schultern hob und dann glitt er langsam vom Bett hinab, kniete vor Wooyoung, um zaghaft seine Hände in die seinen zu nehmen.
"Ich hatte erst befürchtet, dass du ein anderer wärst, wenn du wieder kommst... Aber ich wusste nach dem ersten Schrei, dass du noch exakt derselbe Delfin bist, wie früher."
Wooyoung kickte ihn schwach gegen das Knie, so gut es eben ging.
"Hey. Ich kann nichts dafür, dass es alle hier drinnen auf mich abgesehen haben!"
"Wir sind buchstäblich deine Ängste, Wooyoung."
Wooyoung ließ seufzend seine Stirn gegen die knochige Schulter vor ihm sinken, atmete tief ein und aus.
"Ich mache das noch nicht so lange wie du... Ich habe es irgendwann gemerkt, dass ja, ich habe nichts gegen den Gedanken, aber es hat sich erst später für mich ergeben, wie sehr ich inzwischen auf deine Nähe angewiesen bin und es liebe deiner Stimme zu lauschen." Wooyoungs Stimme brach wenig elegant.
San lachte leise und brachte eine Hand herauf, um zärtlich durch sein Haar zu streichen, violette Strähnen weich durch seine Finger gleiten zu lassen.
"Gut zu wissen, Woo."
Es war, als Sans Finger kühl unter sein Kinn glitten, ihn sanft dazu aufriefen den Kopf zu heben, dass Wooyoung langsam wieder die Situation bewusst wurde, die Folgen ihres Gespräches.
Ihre fahrigen Blicke kreuzten einander kurz, dann waren es zuerst Sans Augen, die schwer auf Wooyoungs Lippen landeten. Die Gesichter bloße Zentimeter voneinander entfernt, spürte Wooyoung schon fast den Atem des anderen auf seinen Lippen. Haltsuchend stützte er eine Hand auf Sans Oberschenkel ab.
Oh Hilfe, er würde San küssen. San würde ihn küssen. Wikihow, wie atmete man?
"Was jetzt?", flüsterte Wooyoung aufgeregt wie um die friedliche Stille nicht zu brechen und Sans Hand glitt in seinen Nacken, hielt ihn sanft, während auch die zweite herauf kam, um sie zu spiegeln.
"Jetzt werde ich dich hart genug küssen, dass du genau weißt, was du die letzen sechs Jahre verpasst hast."
Momentchen mal, Wooyoung hatte unter Umständen gerade seinen Magen auf dem Boden verloren. Es war so warm hier drinnen!
San musste sein Herz inzwischen hören, so laut war es beim tiefen Murmeln seiner Stimme geworden, so sehr hatte dieses Versprechen es in Wallung gebracht.
Wooyoung atmete zittrig aus, lachte beinahe hysterisch.
"Nein, ich meinte... Sind wir dann zusammen?"
San rollte die Augen, fasste sich Wooyoung noch etwas entschiedener.
"Natürlich, Dummerchen. Und jetzt sei leise."
Ehe Wooyoung noch einen neunmalklugen Spruch klopfen konnte, hatten Sans Lippen bereits die seinen getroffen und jeden anderen Gedanken aus seinem Kopf verbannt.
Wooyoung brauchte einen Moment, hatte das hier schon viel zu lange nicht gemacht, aber als sein Körper sich wieder erinnerte, erwiderte er das sanfte Pressen von Sans Mund, erlaubte es seine Hand Stabilität an Sans Schulter zu finden.
Ein leiser Laut verklang zwischen ihnen, als San nun mit seinem Einverständnis ihre Balance fand und endlich den Kopf neigte um den Kuss zu vertiefen - zum richtigen Kuss zu machen.
Und oh Gott.
San küsste, als gäbe es kein morgen.
Es konnte die lange Zeit sein, die er nun schon gewartet hatte. Vielleicht auch die Hitze des Moments. Oder die Sehnsucht im Angesicht einer ungewissen Gefahr. Aber er war absolut wild, tiefer als jeder Ozean. Es tat weh, seine Zähne etwas unachtsam eingesetzt, aber es ließ Wooyoung nach mehr flehen, haltsuchend in seine Richtung lehnen.
San hielt Wooyoung eng genug, dass er kaum zu einer Regung fähig war und Wooyoung vergaß bald wo oben und unten war, während der andere seinen Mund erkundete, ihm kaum die Möglichkeit gab etwas zu erwidern.
So sehr es auch Flammen lodern ließ und Wooyoung dazu veranlagte seinen Körper eng an den des anderen zu pressen, so sehr war es auch einfach San. Schützend und bergend, keine Worte wurden gebraucht.
So warm.
Wooyoung musste sich irgendwann von Sans drängenden Lippen lösen, um nach Luft zu schnappen, sein Körper hatte es absolut vergessen, wie man nebenbei lebte und wieder kreuzten sich ihre Blicke, die Sans dunkel mit Emotion und Hitze.
Wooyoung beschwerte sich nicht, als sie einander wieder fanden, immer wieder und San presste immer weiter, immer tiefer, drohte Wooyoungs ganzes Sein zu konsumieren. Nichts zählte noch, außer die Hingabe in Sans Aktionen.
San hatte sich irgendwann aufgerichtet und für einen Moment in absoluter Kontrolle auf Wooyoung hinab geküsst, bevor er ihn nach hinten gepresst hatte, mit sanfter Überzeugung gen Boden drückte. Das feuchte Gleiten von Lippen und Zungen klang makaber im Raum, aber es konnte niemandem egaler sein. Alles war San.
Wooyoung war schwindelig, sein Körper sang in Euphorie und gleichzeitig schafften seine Hände nichts anderes, als San nur noch näher zu sich zu ziehen, den agilen Körper des anderen gegen seinen zu pressen.
Ein lautes Geräusch ließ sie abrupt voneinander zucken.
Wooyoungs Augen schnappten auf, der Raum war etwas schwummerig. Er blinzelte, ignorierte es dann.
Es war die Türklinke gewesen, das Schloss protestierend gegen den Druck von außen und dann Jacksons neckische Stimme.
"Oops, sorry Wooyoung!" Seine Schritte entfernten sich wieder.
Wooyoung wollte Luft holen, wollte nervös lachen und er konnte es nicht.
Warum konnte er es nicht?
Sans Hände lagen um seinen Hals und schnürten ihm allen Sauerstoff ab.
Er konnte nicht atmen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top