16. Lost chances
San war schützend um Wooyoung geschmiegt, kaum hatte er eine Notversammlung im Wohnzimmer einberufen. Jackson war noch in der Badewanne, hin und her gerissen zu gehen, um Wooyoung in Ruhe trauern zu lassen und bei ihm zu bleiben und mentalen Beistand zu liefern.
Wooyoung hingegen war noch zu tief getroffen, tiefer noch von der Schuld der Ängste an Yongguks Tod als dem Tod selbst. Es war nie ein leichtes Thema für Wooyoung gewesen, aber Yongguk hatte dem Tod schon immer näher gestanden, als dem Leben. Das war es vermutlich auch, weshalb Wooyoung nicht ganz den Kopf verlor, auch wenn es schmerzte.
Sein Kopf war gesenkt, wo er in Sans Armen lag und ein unangenehmer Schauder brachte ihn zum erzittern. San hielt ihn enger, machte Blickkontakt mit Seonghwa.
"Mingi, fass bitte nochmal für alle zusammen, was du mir vorhin gesagt hast.", begann die Puppe leise, eine Hand glitt träge durch Hongjoongs Haar, wo der Rothaarige mit verschränkten Armen an seiner Brust lehnte.
"Aaaaalso. Ihr wisst ja alle, dass ich die Jungs da drüben kannte. San, du erinnerst dich, wie Youngjae auf dich stand?"
San verzog kurz das Gesicht, wo er das Kinn auf Wooyoungs angespannter Schulter abgelegt hatte. Sein leises Geräusch reichte als Antwort.
"Fein. Vorab, Yongguk hatte 5 Ängste." Mingi warf Wooyoung einen entschuldigenden Blick zu, während Hongjoongs erweichende Augen ihn amüsiert ein Weichei nannten.
"Für was sie standen, ist irrelevant, aber ich werde euch die Namen aufzählen. Für den Überblick." Mingi sah ernst in die Runde, es stand ihm nicht.
"Himchan stand Yongguk am nähesten. Ihre Beziehung war nicht ganz... Nur die eines Menschen und seiner Angst."
Warum sahen die alle zu San? Gab es einen Zusammenhang zwischen ihm und Himchan?Oh Gott, bitte nicht... Wooyoung war doch gerade dabei gewesen sich mit seinen Emotionen abzufinden.
"Daehyun und Youngjae waren schon immer Chaoten, aber nie gewalttätig. Jongup ist etwas schräg, aber ein sehr netter Kerl, ich komme super mit ihm zurecht. Und Junhong wollte Yongguk immer schützen, betete ihn an wie einen Gott."
Nachdenklich verschränkte Wooyoung seine Hände mit denen Sans um seinen Bauch. Er hatte zwischen den Beinen des Anderen Platz gefunden und lauschte nun aufmerksam dem bislang harmlosen Gespräch.
Mingi stützte angestrengt seine Ellenbogen auf seinen Knien ab, starrte in eine weite Ferne.
"Es wurde komisch vor... Keine Ahnung, einer Woche? Jongup hat so angespannt gewirkt, so leicht reizbar. Er wollte mir nicht sagen, was los war, bloß, dass es zwischen ihnen allen Streit gegeben hatte." Mingi rieb sich müde die Wangen, bevor er weitersprach.
"Später hat Yongguk dich noch aufgesucht, nicht? Um dich vor uns zu warnen."
Wooyoung nickte besorgt, tauschte einen traurigen Blick mit Yeosang. Der sah von allen noch am Gefasstesten aus, hatte grübelnd die Fingerspitzen aneinander gelegt.
"Das war der Tag, nachdem Himchan verschwunden ist."
San gab einen protestierenden Laut von sich und auch bei Yunho und Jongho kam Unglauben auf.
"Bitte was soll das heißen 'er ist verschwunden', er ist an das Haus gebunden!", stieg auch Wooyoung mit einem unguten Kramen im Bauch ein, fand keinerlei Zusammenhang.
Mingi starrte grimmig auf den Boden zwischen seinen Füßen, schüttelte knapp den Kopf.
"Ich weiß nicht, wie es kam. Aber nach Himchan verschwand auch Junhong. Jongup hörte auf mich zu treffen, aber die Energie da drüben wurde immer negativer. Ich denke was auch immer zu all dem geführt hat, hat dazu beigetragen, dass Yongguk jetzt...fort ist."
"Was bedeutet verschwunden, Mingi? Wie in... raus aus dem Haus, oder...?"
Hongjoongs Augen waren aufgebracht, unruhig mit Sorge und Angst, aber Mingi konnte bloß ratlos die Schultern heben. Seine Augen glänzten verdächtig und seine Lippen waren gerötet und geschwollen von widerholtem darauf herumbeißen.
"Ich sollte nachsehen gehen. Vielleicht finde ich irgendwelche Hinweise, vielleicht-"
"Wooyoung, du erinnerst dich daran, wie er aussah, als könnte er mich sehen?"
Wooyoung verstummte, rief sich Yongguks Besuch noch einmal ins Gedächtnis, wie er Hongjoong direkt in die Augen gestarrt hatte. Wie er die Bäume abgesucht hatte, wie als sei dort etwas, das nicht für das Auge eines Sterblichen bestimmt war. Er nickte verzögert.
"Das muss nichts bedeuten... Wenn er zu diesem Zeitpunkt dem Tod näher gestanden hat, als dem Leben, dann... Es ergibt schon Sinn. Wir sind nicht wirklich natürlich erklärlich, etwas höheres muss seine Finger im Spiel haben. Es kann die Regeln nichtig gemacht haben.", fasste Seonghwa sich kurz, suchte danach ebenfalls wartend Wooyoung Blick.
"Wenn er dich vorgewarnt hat, handelt es sich um etwas, das ebenso uns passieren kann. So sehr ich es auch hasse, du solltest morgen vielleicht tatsächlich rüber gehen und dich nach Hinweisen umsehen. Du hast nichts zu befürchten, seine Ängste sind mit ihm erloschen."
Niemand wirkte überzeugt, aber ebenso wenig wurde Einspruch erhoben. Viel eher nahm Jongho sich bloß schweigend seinen Kopf von seinem Schoß und verschwand mit schweren Schritten nach oben, Seonghwa grub sich augenblicklich seufzend von unter Hongjoong hervor, um zu folgen.
Hongjoong selbst rieb sich müde das Gesicht und sah sie dann alle nacheinander an.
"Gut, okay. Wir ruhen uns aus und denken morgen noch einmal darüber nach. Habt bitte ein Auge aufeinander. Alles verdächtige geht direkt an mich." Damit wanderte er in seinen dicken Ringelsocken davon, in die Richtung, in die die anderen beiden verschwunden waren.
Yunho ließ sich seufzend auf die Matratze sinken, rollte sich kleiner zusammen, als für einen Mann seiner Größe möglich sein könnte und schloss erst dann unruhig die Augen, als Mingi sich brummend an seine Seite kuschelte.
Wooyoung beobachtete sie für einen Moment, die Gedanken noch immer bei Yongguk und dem grauenhaften Bild dessen Endes, das sein Kopf sich ausgedacht hatte. Er bemerkte es nur halb, wie auch Yeosang noch oben verschwand, ihn und San auf der Couch alleine ließ.
San war warm. So vertraut und kuschelig, die Form seiner Hände inzwischen familiär in denen Wooyoungs.
"Lass uns ins Bett gehen, Woo.", murmelte er sanft am Ohr des anderen, machte allerdings keinerlei Anstalten sich zu bewegen.
"Ich kann nicht schlafen."
"Dann wenigstens ein bisschen ausruhen, hm? Komm."
San schaffte es ohne große Schwierigkeiten Wooyoungs Körper herum zu arrangieren und schließlich seufzend wieder an seine solide Brust zu ziehen, als keinerlei Leben in ihn kam.
Wooyoung saß nun quer in seinem Schoß, den Kopf in Sans Schulter vergraben, während heiße Tränen seine Augen berührten, er versuchte um den Kloß in seinem Hals zu schlucken.
"Shh, nicht weinen, Baby. Alles ist gut, wir sind hier. Ich passe auf dich auf."
Sans Umarmungen waren so bedingungslos, er gab sein alles und es war egal, wie eng er Wooyoung hielt, wie unangenehm seine Schulter in Sans Rippen drücken musste. Es war Schutz und Geborgenheit.
Mit seinem linken Arm noch immer zwischen ihren Körpern eingeklemmt, griff Wooyoung mit dem Rechten hinauf, um ihn um Sans Hals zu schlingen, seine Tränen erfolgreich im weißen Hemd des anderen zu ersticken.
"Achtung, ich werde dich hochheben, okay? Alles ist gut."
Er war so vorsichtig, als er Wooyoung auf seine Arme nahm, eng an sich gepresst hielt. Wooyoung verpasste den bedeutungsschwangeren Blick, den San mit den beiden Jungs auf der Matratze tauschte. Viel lieber gab er sich dem sanften Wogen von Sans Schritten hin, wie sein Körper sich an seinem bewegte.
Wooyoung wagte es nicht zu sprechen, versuchte zuerst seine Tränen wieder in den Griff zu bekommen, das stechende Ziehen an seinem Herz zu kontrollieren.
Es ging die Treppe hinauf und rein in Wooyoungs Zimmer, wo San zuerst Anstalten machte Woooung auf seinem Bett abzulegen, aber der hing stur an ihm fest. Ein leises Lachen füllte den Raum, als San ihn stattdessen wieder in seinem Schoß absetzte, vorm Bett dieses Mal.
"Sicher, dass das mit Jackson okay ist?"
"Wir werden beide nicht alleine schlafen wollen."
Damit war das auch schon geklärt und sie saßen in einem klammen Schweigen dort, hielten einander, bis die Badtür draußen auf ging und San zurück unter das Bett kroch. Wooyoung schlief Rücken an Rücken mit San halb unter seinem Bett ein, während Jackson eng an seine Seite geschmiegt war.
-
Ein leises Weinen weckte Wooyoung noch bevor die Sonne über den Horizont gekrochen war.
Für einen Moment lag er nur desorientiert und mit weit offenen Augen im Dunkeln, versuchte seinen derzeitigen Standort einzuordnen. Ah, Jacksons Arm auf seiner Brust, Sans bebende Schultern an seiner. Wooyoung lag auf dem Rücken und auf dem Boden, alles klar.
Es brauchte kein Genie, um Jacksons gleichmäßiges Atmen von den unterdrückten Schluchzern auf seiner anderen Seite zu unterscheiden. San weinte. Wooyoungs Herz zersprang klirrend in seiner Brust, als er Jacksons Arm von sich warf, um sich vorsichtig zu San herum zu drehen, den anderen Mann so gut wie möglich in seine Arme zu ziehen.
"Sorry..." Seine Stimme war so klein, so verletzlich und Wooyoung tastete seufzend nach seiner Hand, nahm sie in seine, um sie gegen Sans Brust zu pressen.
"Was ist los?"
"Ich habe solche Angst... dich zu verletzen, Woo... Was, wenn ich... Wenn ich-" Sein Schluchzen würgte ihn ab.
Wooyoung kroch die Kälte in die Glieder, als er dennoch näher zu San rutschte, sich der Länge nach an den zusammengerollten Mann presste.
"Nicht, San. Das wirst du nicht. Du wirst mir nicht weh tun. Ich vertraue dir."
San verstummte abrupt, schluckte hörbar und schon drehte er sich um, achtsam auf den engen Platz. Im Dunkeln sah man nicht viel, aber die warme Hand, die nach Wooyoungs Gesicht griff und der Daumen, der kaum merklich über seine Lippen geisterte, sprachen für sie.
"Yongguk hatte recht. Wenn du irgendwas an uns bemerkst. Egal was. Bitte, bitte versprich mir, dass du gehst."
"San..."
"Bitte, Wooyoung. Wie soll ich- Bitte. Für uns alle."
"San, ich werde euch hier nicht allein lassen, wenn ihr in Gefahr seid."
"Wir bringen dich in Gefahr!" Seine Stimme wurde verzweifelter, flehender und sie stach wie mit glühenden Messern in Wooyoungs Herz und dennoch wollte er nicht, er konnte den achtsamen und liebevollen San nicht loslassen.
"Bitte, Woo... Mein Traum vor kurzem... Es war ein Mann, der nach mir gegriffen hat. Er hat mir Angst gemacht, ich habe Angst um dich."
"San." Wooyoung hob determiniert seine Hände, um im Dunkeln nach dem Gesicht des Anderen zu tasten, dann unzufrieden die Lichterkette anzuknipsen, als er es nicht fand.
Sans Augen waren gerötet, die Lippen wund und die Sorge hatte tiefe Linien in sein Gesicht gezeichnet, nahmen ihm nichts seiner Schönheit. Viel eher ließ das Glänzen in seinen Augen, die Verletzlichkeit ihn noch so viel atemberaubender werden. Wooyoung suchte für einen Moment nach Worten.
"San, ich werde das morgen untersuchen. Wir bleiben zusammen und wir lösen das Problem auch zusammen. Niemand wird zurückgelassen."
San sah bloß noch mit Pein in seinen Augen auf ihn herab, bevor er ihn schweigend wieder in seine Arme zog, einen zarten Kuss auf sein Haar drückte.
Zu viel blieb unausgesprochen.
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