11. Surprise
Yeosang sah aus wie neugeboren.
Wenn nicht starrend vor Dreck, hatte sein geliebter Pullover noch immer eine relativ unansehnlich chemisch grüne Farbe, jedoch sah der Mann nun mit seinen weichen Locken und dem zu großen Hoodie einfach sehr klein und kuschelig aus. Eine zarte Röte zierte seine Wangen, als er staunend von seiner Erscheinung dankbar zu Wooyoung und wieder zurück sah, es kaum fassen konnte einmal sauber zu sein und gut zu riechen. Wooyoung konnte ihn nur selbstzufrieden beobachten, so sehr darauf konzentriert sich nur um Yeosang zu kümmern, dass er es beinahe wieder vergaß.
Yeosangs nervös aneinanderreibende Hände stoppten irgendwann ihre Bewegung, als er in einem plötzlichen Impuls die Arme weit ausbreitete, Wooyoung ein vorsichtiges Lächeln schenkte. Für einen langen Moment waren Hongjoong und Seonghwa weit, weit fort aus seinem Kopf, als Wooyoung wohlwollend den anderen in seine eigenen Arme schloss und kurz den frischen Geruch von Zitronengras einatmete. Dann allerdings räusperte sich bereits jemand leise hinter ihnen und der Augenblick der Ruhe war vorbei.
Wooyoung entließ Yeosang vorsichtig aus seinem Griff und wandte sich in Richtung des Kellereingangs um, fand Yunhos große Gestalt einen dunklen Schatten in den Gang werfen. Sein Gesicht war angespannt, sämtliche Spielerei von zuvor verflogen.
"Dein Handy.", war alles, was er sagte und überreichte Wooyoung mit einer riesigen Hand das aufgeregt blinkende Gerät, dann zog er bereits wieder ab. Yeosang hüpfte ihm glücklich hinterher, während Wooyoung alleine im Keller zurück blieb, neugierig seine Benachrichtigungen überflog.
Da waren vier verpasste Anrufe von Jackson, ein langer Paragraph in dem er seine Sorge um Wooyoung betonte, dann eine Nachricht von 'ich fahre jetzt los nach dir gucken, wehe du bist tot' und das aktuellste ein 'bin in zehn Minuten da, lebst du?'. Vor zwei Minuten.
Mit einem hörbaren Klatschen kollidierte seine Hand mit seiner Stirn, bevor Wooyoung beschleunigt die Treppen zwei Stufen auf einmal nehmend hinauf sprang, hastig um die Ecke schlidderte, hin zu der Matratze, wo die anderen noch rumhingen. San warf genau einen Blick auf Wooyoungs gehetzten Gesichtsausdruck, dann war er bereits auf den Beinen und eilte zu ihm hinüber.
Er musste die Matratze loswerden, sie irgendwo unterbringen, abklären, dass sie Jackson in Ruhe ließen, eigentlich noch Yongguk aufsuchen, Jackson selbst irgendwo unterbringen, einen Pakt mit Hongjoong schließen, er musste-
"Woo, hey, ganz ruhig." Sans warme Hände fanden seine Hüften in einer stabilisierenden Berührung, das Gesicht des anderen dunkel vor Sorge. "Was ist los?"
Wooyoungs gehetzter Blick ging von ihm zu den anderen, die alle Konversation gestoppt hatten, um konfus das Geschehen zu verfolgen, selbst Hongjoong sah ernsthaft aufmerksam aus.
"Jackson - mein bester Freund Jackson kommt hierher. In etwa fünf Minuten. Wie soll ich-" Wooyoungs hohe und heisere als üblich Stimme brach hinweg und sofort lag er in einer schützenden Umarmung. Sie waren wie ein Zuhause, Sans besitzergreifenden Arme und Wooyoung atmete zittrig gegen das Schlüsselbein des Mannes aus, das Handy rutschig in seinem schwachen Griff.
"Mach dir keine Sorgen, Wooyoung-ah. Wir kommen euch nicht in die Quere.", kam es behutsam aus Hongjoongs Richtung, der sich pflichtbewusst erhob und dem Rest winkte zu folgen. "Jungs, wir ziehen ab. Er wird uns nicht sehen, auch wenn wir direkt vor ihm stünden, aber wir versuchen trotzdem mal fern zu bleiben."
Das war überraschend erwachsen von ihm. Wooyoung sollte sich wirklich ernsthaft mit Hongjoong unterhalten und alles klären.
Für den Moment reichte es ihm allerdings zu spüren wie sein Herz langsam begann sich an Sans Brust zu beruhigen und die anderen gehen zu sehen, während sein neuer Freund ihn noch felsenfest hielt. Seine Daumen hatten ihren Weg unter Wooyoungs Pullover gefunden und strichen nun planlose Muster in seine Haut, aber es half.
"Kommst du zurecht? Ich bin oben, wenn du mich brauchst.", murmelte San nach einem Moment weich in Wooyoungs Haar, weg die hohe, glückliche Stimme. Sie war ersetzt von einem tiefen Dialekt, der wie Samt über rauen Stein glitt und Wooyoung löste sich mit einem Mal wieder eingeschüchtert von ihm, suchte für einen Moment seine treuen Augen.
"Ja, ich- Ja. Danke, Sanie." Er fühlte sich mit einem Mal wie ein Kind neben dem größeren und so engelshaften Mann, so unbedeutend und trampelig.
"Alles für dich."
San lächelte, mit Grübchen und allem und Wooyoung konnte nur still staunen, als der Mann einen flüchtigen Kuss auf seiner Stirn hinterließ, dann wieder hoch kichernd die Treppen hinauf sprang.
Ein langer Moment verstrich, in dem Wooyoungs Herz raste und seine Gedanken noch voll davon waren San wieder zum lächeln zu bringen, seine dunkle Stimme zu hören oder seine warme Berührung zu spüren, dann riss ihn die Klingel aus seiner Trance.
Für eine Sekunde noch spielte der schüchterne Introvert in Wooyoung mit dem Gedanken einfach tot zu spielen und die Tür zu zu lassen, dann trugen ihn seine Füße allerdings vorwärts, hin zum sicheren Chaos. Sein Seufzen wurde vom lauten Quietschen der Tür übertönt, als sie aufschwang, einen Schwall eisige Novemberluft mit sich brachte.
Jackson war in seinen Armen ehe Wooyoung wusste, wie ihm geschah und im ersten Moment hörte er den Freund auch gar nicht, zu sehr überwältigte ihn das laute Rufen an seinem Ohr.
"WIEKANNSTDUESWAGENMIRKEINLEBENSZEICHENZUGEBENICHDACHTEDUBISTTOTODERSCHLIMMERWLANLOSUNDBINGEKOMMENSOBALDICHKONNTEALLEMACHENSICHSCHRECKLICHESORGENWARUMSIEHSTDUSOMÜDEAUSERKLÄRDICHJUNGERMANNWASISTDASHIERUNDWIE-"
Wooyoung blendete ihn mit einer Grimasse wieder aus und zog ihn taumelnd zu sich in die Wohnung, kickte die Tür zu, um das gelegentliche Eichhörnchen nicht zu verschrecken. Mit Jacksons blond gebleichtem Haar überall in seinen Atemwegen rangelten sie kurz miteinander, dann schaffte Wooyoung es sich den anderen resolut an den Schultern zu schnappen und eine Armlänge von sich zu drücken.
Jacksons Augen waren wild und vorwurfsvoll, sein Schal nur nachlässig um seinen Hals geschlungen und der Mantel falsch zugeknöpft, er sah absolut chaotisch aus.
Wooyoung konnte den Stich der Reue in seinem Herzen nicht unterdrücken und seufzte bloß leise, bevor er sich wieder umarmen ließ, hastig versicherte, dass er in Ordnung war.
Es war Teil der Gewohnheit, dass Jackson überall über seinen Körper tätschelte und tastete, prüfte, ob noch alles an seinem Platz war. Wooyoung ließ die Behandlung schweigend über sich ergehen und kickte den Mann, wenn er ihn absichtlich kitzelte, aber dann ging es auch bereits wieder und Jackson kam etwas herunter, um augenblicklich in den Schmollmodus zu gehen.
"Du hast mich ignoriert!"
"Habe ich nicht. Ich wollte mich melden, aber es gab hier einiges zu tun."
"Das hast du doch aus Absicht gemacht, ich kenne dich! Hast du mich etwa nicht mehr lieb?"
Ein schneller Blick in Jacksons Gesicht genügte und sofort fand Wooyoung seine verdächtig glitzernden Augen, musste sich auf ein trauriges Schniefen einstellen.
"Doch, natürlich, Puppy, es tut mir leid, okay? Nicht traurig sein." Wooyoung versuchte sich in einem Lächeln, nur um dann prompt dem Älteren zuneigungsvoll durch das Haar zu wuscheln, sofort wieder ein breites Grinsen wachsen zu sehen.
"Okay, jetzt raus mit der Sprache, was war los? Hat dich ein hübscher Typ abgelenkt?"
Jackson hakte sich bei einem wild errötenden Wooyoung ein und 'AHA!'te auch im selben Moment gerissen.
"Erzähl mir alles, wo hast du ihn in dieser gottverlassenen Ecke der Welt kennen gelernt, wie heißt er? Er ist größer als ich, oder? Du datest gerne die größeren Typen."
Wooyoungs Augen huschten panisch durch den Raum und die Treppe hinauf, bis zur Empore über ihnen, auf deren Geländer Seonghwa seine Arme abgelegt hatte, mit einem nicht minder wissenden Grinsen süffisant auf sie beide hinab sah.
Er musste Jackson zum Schweigen bringen und zwar schnell.
"U-Uh, lass uns das wann anders diskutieren. Auf einem Waldspaziergang oder so, die sind hier sehr erfrischend. Wie lange planst du zu bleiben?"
Mit einem letzten warnenden Blick auf Seonghwa, der bloß kameradschaftlich zwinkerte, betraten die beiden Männer die Küche, Jackson wurde schnell auf eine Bank gedrückt.
"Keine Ahnung, ich bin vollkommen übereilt hergekommen. Wenigstens bis zu deinem Geburstag. Du wolltest ihn doch nicht ohne mich feiern, oder?" Jackson begann sich vorwurfsvoll aus seinen dicken Klamotten zu schälen.
Wooyoung zögerte einen Moment zu lange in dem Gedanken an einen Geburtstag mit seinen Ängsten und schon zuckten die Mundwinkel des anderen Mannes wieder.
"Oh? Ist es dieser Typ? Komm schon, jetzt spann mich doch nicht so auf die Folter! Ich will alles wissen!"
"Dir muss ich genau nichts sagen." Wooyoung streckte seinem besten Freund kindisch die Zunge heraus, ließ ihn im Dunkeln tappen und ignorierte auch sein Schmollen. Für den Moment gerettet, aber für wie lange würde das so bleiben? Jackson war viel zu neugierig und aufmerksam.
"Wenn dich der Tea um Bambam interessiert, musst du reden."
"Du weißt, dass ich auch ohne diesen Tea gut leben kann?"
Jackson quengelte weiter und Wooyoung wich weiter aus. Er würde Jackson alles und viel mehr erzählen, aber nicht mit seinen Ängsten im Haus, die jeder Silbe lauschten. Jackson würde ihm wirklich zum Verhängnis werden, sofern er weiter redete.
Er musste ihn zum Schweigen bringen.
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