30. Ende
Ich sitze im Taxi und schaue aus dem Fenster. Ich achte nicht besonders auf die Landschaft. Alles verschwimmt vor meinen Augen.
Ich komme zurück zu dir. Seit Stunden ist dies einer der Gedanken, die mir immer wieder durch den Kopf gehen.
Ich wende meinen Blick nach vorne und sehe, dass kein Taxifahrer da ist. Es ist seltsam, dass vorne auf der Fahrerseite niemand sitzt, aber das Auto fährt. Ich habe keine Angst vor dem, was mir passieren könnte. Es ist seltsam gewesen, in das Taxi zu steigen, weil ich nicht wusste, ob ich das Richtige tue. Ich habe es trotzdem getan, und ich bereue es nicht mehr.
Mein Ziel ist Noe. Ich will an seiner Seite sein und ich hoffe, dass er nichts dagegen hat.
Irgendwann hält das Taxi an. Ich schaue nach draußen und sehe die ganze Menge in den überfüllten Straßen. Ich bin im Zentrum der Stadt.
Ich steige aus und versuche, mich zu orientieren. Ein paar Sekunden später erkenne ich einen vertrauten Ort. Die Lampen des Restaurants leuchten sehr groß. Die Nacht.
Jetzt ist es soweit. Ein neuer Abschnitt in meinem Leben, und dieses Mal entscheide ich, wie es ablaufen wird.
Ich lächle breit, streiche über mein hellblaues Kleid und gehe auf das Restaurant zu. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Ich atme tief ein und aus, bevor ich die Türklinke berühre und hineingehe. Die Glocken läuten laut. Langsam gehe ich durch die Menge und sehe sogar bekannte Gesichter, die mich verwirrt anschauen. Mein Grinsen wird breiter. Ich habe diesen Ort vermisst.
Ich weiche den Kunden aus und mache mein Weg nach vorne zur Theke. Ich setze mich auf den Sitz und warte. Ein paar Sekunden später kommt eine Mitarbeiterin und sieht mich mit großen Augen an. Sie wirkt eingeschüchtert und verunsichert.
,,Hallo, was möchten Sie bestellen?", stottert sie. Ich lächle sie freundlich an. Es ist seltsam, auf der anderen Seite zu stehen. Jetzt bin ich der Kunde.
,,Ich würde gerne mit Noe sprechen, wenn das in Ordnung ist", antworte ich. Ihre Augen werden groß und ich merke, dass sie nicht weiß, was sie tun soll. Sie ist genauso wie ich gewesen. Ich berühre ihre Hand und zwinkere ihr zu.
,,Dein Chef. Mach dir keine Sorgen. Er kennt mich. Sag ihm einfach, dass er Besuch hat", sage ich und zeige mit dem Finger nach oben, wo sich sein Büro befindet. Sie nickt und verschwindet wieder. Ich stehe auf und gehe zu der Linie, die den Kundenbereich vom Mitarbeiterbereich trennt. Das ist genau die Stelle, an der ich früher gestanden habe.
Plötzlich öffnet sich das kleine Fenster der Küche und der Koch stellt das Essen auf den Tisch. Ich grinse.
,,Das Essen soll-"
Er hält mitten im Satz inne, als er mich bemerkt. Er sieht mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Ich laufe zu ihm und bücke mich ein wenig. Die Hitze prallt von meinem Gesicht ab und der Gestank ist immer noch furchtbar.
,,Schön, dich zu sehen. Es sieht so aus, als würdest du immer noch gerne kochen. Ich dachte, du würdest eines Tages dein eigenes Restaurant eröffnen. Immerhin hast du das Talent dazu", sage ich und sehe, wie er sich entspannt. Ich habe ihn sogar vermisst.
,,Natürlich habe ich das Talent, aber das Biest kann ohne mich kein Restaurant führen. Ohne mich wäre dieses Restaurant nichts wert", erwider er und presst dann seine Lippen zu einer Linie.
,,Da kann ich dir zustimmen. Und-"
,,Ihr dürft diesen Bereich nicht betreten. Bitte gehen Sie zurück!", ruft die Mitarbeiterin, als sie zurückkehrt.Ich höre die Panik in ihrer Stimme.
,,Bleib still, Mädel. Sie darf das."
Seine Stimme klingt anders. Ein bisschen weicher. Ich schaue ihn wieder an, aber er wendet den Blick ab. Er schließt nun das Fenster, das uns trennt.
,,Er wird wütend werden, wenn er hierher kommt", sagt sie verzweifelt. Ich fasse sie am Arm und versuche, sie zu beruhigen. Das ist der entscheidende Moment.
,,Mach dir keine Sorgen. Ich komme schon zurecht. Ich bin ja nicht zum ersten Mal hier", erwidere ich. Ich lächle sie an und zeige auf die neuen Kunden, die reinkommen. Sie nickt leicht, lässt mich in Ruhe und macht sich wieder an die Arbeit.
Als ich meinen Blick durch das Restaurant schweifen lasse, werden alte Erinnerungen wach. Mein Herz rast und ich spüre die Spannung im Raum. Ich bekomme eine Gänsehaut. Ich frage mich, was jetzt passieren wird. Aber ich bekomme die Antwort in wenigen Sekunden.
Ich verliere die Kontrolle über meine Beine. Egal was ich tue, es ist nutzlos. Meine Beine gehen zum Flur, von dort zur Treppe, bis ich vor dem Büro stehen. Er lässt mich los.
Ich streiche durch mein Haar und über mein Kleid, damit alles perfekt aussieht. Ich klopfe an die Tür und drücke dann die Klinke herunter. Ich trete ein und schließe dann die Tür.
Er sitzt in seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch und sieht mich kalt an. Eigentlich habe ich mir diese Situation anders vorgestellt. Ich habe tausendmal von dieser Situation geträumt, in der er mich mit einem Lächeln begrüßt, aber mir wird wieder klar, dass dieser Mann kein Romantiker ist. Selbst nach so langer Zeit hätte ich ihn überall wiedererkannt. Er bleibt immer derselbe Mann, den ich lieben gelernt habe.
Je näher ich zu ihm gehe, desto langsamer werde ich. Ich straffe meine Schultern und schaue ihn selbstbewusst an. Er weiß, wie ich hierher gekommen bin. Er weiß, dass er mir eine Menge Antworten schuldet. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Ich will ihn wütend machen.
,,Du elender Mistkerl! Wie konntest du mir das antun? Ich habe dir geholfen und du hast mich einfach verlassen, ohne dich zu verabschieden. Weißt du, wie schlecht es mir ging? Wie sehr ich deinetwegen gelitten habe?" Ich spreche etwas lauter und betone das "wegen dir" sehr deutlich, damit er versteht, was er getan hat.
Er bewegt sich nicht. Keine Reaktion. Okay. Also muss ich einen Schritt weiter gehen.
,,Du bist ein Feigling. Du läufst weg, wenn du nicht weißt, was du tun sollst. Alle versuchen, dir zu helfen, aber du schottest dich von anderen ab. Du tust so, als wärst du etwas Besonderes, aber in Wirklichkeit bist du einfach nur seltsam und nervig. Alle warten auf deine Entscheidungen, aber du scheinst auch keine Ahnung zu haben, was du tust. Du kannst keine klare Entscheidung treffen. Warum diese verdammten Regeln? Warum bringst du mich zurück und löschst meine Erinnerungen, wenn du mir eine Halskette als Erinnerung gibst? Warum machst du diesen ganzen Scheiß? Du hättest das alles nicht tun müssen. Du hättest mich töten können. Dann wäre ich für dich nützlich gewesen. Immerhin hättest du mein Fleisch für deine Kunden servieren können. Du Mistkerl!", schreie ich ihn an. Ich laufe zu seinem Schreibtisch und werfe alles um. Seine Katzen und seine Hunde rennen zur Seite. Vielleicht ist es besser so.
Er steht auf und durchbohrt mich mit seinem Blick. So kalt, so eindringlich. Bin ich etwa zu weit gegangen? Ich bekomme eine Gänsehaut.
Die Wut, die ich seit langem in mir trage, sprudelt nur so aus mir heraus.
,,Du bist ein nutzloser Versager. Ein Feigling. Ein Arsch-"
Ich kann meinen Satz nicht mehr beenden. Er kontrolliert wieder meinen Körper. Ich spüre die Spannung wie zuvor, doch diesmal scheint sie stärker zu sein. Mit langsamen Schritten läuft er auf mich zu und bleibt vor mir stehen.
,,Du hast wirklich keine Ahnung, was du hier tust", sagt er bedrohlich. Nach langer Zeit höre ich endlich seine Stimme. Ich habe ihn so sehr vermisst. Er atmet laut aus.
,,Ich sehe, wir spielen auf diesem Niveau." Seine Finger berühren leicht meine Wange.
,,Ich konnte dich nicht hier behalten. Du bist nicht stark genug, um hier zu überleben. Ich musste dich gehen lassen, damit du nicht stirbst. Und was machst du jetzt? Verstehst du denn nicht? Die Menschen werden hier gejagt und sogar gegessen. Selbst jetzt ist es zu gefährlich für dich. Und du wagst es, hierher zu kommen. Bist du verrückt geworden? Weißt du wirklich nicht, was du da tust?" Er hält inne und kommt mit seinem Gesicht näher. Ich versuche verzweifelt, nach Luft zu schnappen. Mein Brustkorb hebt und senkt sich stark.
,,Ich hätte nie gedacht, dass du jemals hierher kommen würdest. Ich dachte, dass du mich einfach vergessen würdest. Es war ja auch gar nicht so schwer, weil ich deine Erinnerungen unterdrückt habe. Ich bin überrascht, dass du hier stehst und dich sogar mit mir streitest. Nach all dieser Zeit hätte ich nicht gedacht, dass du so mit mir reden würdest. Schließlich war ich dein Chef", sagt er und streicht die Haare, die mir ins Gesicht gefallen sind, zur Seite.
,,Ich hasse dich, weißt du das? Du bist schlimmer als jede andere Kreatur auf dieser Welt." Er hält für einen Moment inne. Sein Gesichtsausdruck wird wärmer.
,,Ich habe dich wirklich vermisst, Amelie." Mein Herz pocht schneller. Ich habe so lange auf diesen Moment gewartet. Und endlich geschieht es.
,,Du kannst immer noch zurückgehen und deine Meinung ändern. Geh, bitte", flüstert er. Ich will nicht gehen und ihn verlassen. Dieser Gedanke quält mich so sehr.
Er kommt näher an mich heran. Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut, und ein paar Sekunden später spüre ich seine Lippen. Seine Lippen sind rau. Er küsst mich zum ersten Mal. Ein Kribbeln breitet sich in meinem Bauch aus.
Langsam lässt die Kontrolle nach. Einen Moment lang vergesse ich alles um mich herum und lasse mich von diesen Gefühlen überwältigen. Ich lehne mich an seinen Körper.
Wir unterbrechen den Kuss. Sein warmer Atem streicht über mein Gesicht. Ich schaue in seine blauen Augen. Noe lässt mich nicht aus den Augen.
,,Erwarte einfach nicht viel von mir. Ich werde nicht in der Lage sein, dir zu geben, was du verlangst. Du wirst es bereuen. Dessen bin ich mir sehr sicher. Und ich werde auf den Moment warten, in dem ich dir sagen kann, dass du einen Fehler gemacht hast."
Ich schüttle den Kopf und schenke ihm ein ehrliches Lächeln. ,,Ich werde nichts bereuen. Ich will an deiner Seite sein. Ich werde nicht so schnell aufgeben."
Er bleibt stehen und sieht mir tief in die Augen. Nach so langer Zeit lächelt er mich endlich an.
,,Ich liebe dich. Das bin ich dir noch schuldig."
ENDE
Anmerkung:
• Diese Geschichte wurde noch nicht bearbeitet.
~~~~~
Ich hoffe ihr mochtet meine Geschichte. :)
Außerdem würde ich mich freuen, wenn ihr einen Kommentar oder Votes hinterlassen würdet; ob euch die Geschichte gefallen hat oder nicht. Verbesserungsvorschläge wären auch toll.
Danke fürs Lesen. :)
20. September 2022 - 9. November 2022
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top