29. Vergangenheit
Wütend renne ich nach Hause und versuche die ganze Situation zu begreifen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass er mir meine Erinnerungen genommen und mich dann hierher gebracht hat, als wäre nie etwas passiert.
Ich möchte Noe anschreien, ihn schlagen und sagen, dass er mein Leben ruiniert hat. Aber ich kann nicht, weil ich nicht mehr in seiner Welt bin. Er ist so weit weg von mir und ich weiß, dass ich ihm nicht mehr nahe sein kann.
Und das führt zu einem weiteren Problem. Ein Problem, das nur mich betrifft. Ein Schmerz, den ich noch nie so intensiv gespürt habe. Trauer.
Noe hat mich verlassen!
Er hat mich gehen lassen, obwohl er wusste, dass ich ihn liebe. Ich habe ihm mein Blut gegeben, damit er gesund wird, aber er bringt mich einfach zurück zu meinen Eltern zurück. Er hat mich nicht einmal gefrag. Er hat es einfach getan und mich aus meinem neuen Leben gerissen. Ich konnte mich nicht einmal von Leonie verabschieden. Ich hatte da nichts zu sagen. Ich wische mir die Tränen weg und lege mich auf mein Bett.
Ich hasse ihn. Ich hasse ihn so sehr.
Mein Kopf kann diese Gedanken einfach nicht loswerden. Wie konnte er mir das antun? Warum konnte ich nicht in seiner Nähe sein? Warum hat er mich weggeschickt? Ich fahre mir mit der Hand über die Augen. Bin ich nicht wichtig genug für ihn gewesen? Ich schlucke.
Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, was in meinem Leben fehlt, und jetzt weiß ich, was es ist. Mein Leben, meine Freundschaft, sogar meine Liebe ist in dieser seltsamen Welt voller Monster. Ein Teil von mir ist nicht mehr im Hier und Jetzt, sondern dort, wo er ist.
Ein paar Stunden vergehen. Ich konnte ein paar Stunden schlafen, aber als ich wieder aufgewacht bin, sind die Gedanken zurückgekehrt. Diesmal jedoch nicht so dramatisch.
Hat er es getan, weil er Angst um mich hatte? Liegt es am Krieg? Wollte er deshalb, dass ich gehe? Wollte er es mir leicht machen, indem er mir das Gedächtnis nimmt? Wovor hat er solche Angst?
Auch in den nächsten Wochen beschäftigen mich diese Fragen. An einem Tag bin ich verzweifelt, am nächsten Tag bin ich glücklich, weil er es wahrscheinlich für mich getan hat. Am nächsten Tag glaube ich, dass er zurückkommen wird. Zu spät habe ich gemerkt, dass wieder zwei Monate vergangen sind.
Jetzt sitze ich vor dem Spiegel und betrachte mich. Dunkle Schatten liegen unter meinen Augen. Verzweifelte Augen blicken mich an. Mein Haar verdeckt mein Gesicht. Meine Lippen sind trocken. Ich sehe so blass und verzweifelt aus. Mir geht es schlecht und man kann es an meinem Aussehen erkennen.
Nevörs kaue ich an meiner Lippe und versuche die ganze Situation zu verstehen.
Haben mich meine Eltern nicht einmal vermisst, als ich weg war? Haben sie meine Abwesenheit nicht bemerkt? Nein, sie haben mich genaus behandelt, wie sie es immer tun. Traurigkeit überkommt mich. Ich bin meinen Eltern nicht wichtig gewesen. Vorsichtig streiche ich meine Haare aus meinem Gesicht.
Warum hat Noe mich hierher gebracht, wenn er weiß, dass ich mein Leben hier hasse? Warum hat er mich nicht einfach umgebracht? Ich versuche, die aufsteigenden Tränen wegzublinzeln.
Langsam streiche ich über meine Oberschenkel. Auf und ab. Ich darf nicht schreien. Ich muss mich konzentrieren. Wollte ich am Anfang nicht in meine eigene Welt gehen? Als ich mit Noe zusammen war, wollte ich da nicht so sehr nach Hause? Und all das hat sich geändert, weil ich mich verliebt habe. Ich schüttele mein Kopf.
Vorsichtig schaue ich auf und betrachte mich wieder. Ich habe ihn geküsst. Ich habe ihn umarmt. Ich war ihm nahe, und jetzt ist all das in einem Augenblick verschwunden. Mein Blick wandert nach unten und dann fällt mir die Halskette auf, die ich trage. Ich runzle die Stirn.
Seit wann habe ich so eine Halskette?
Blau. Wie seine Augen. Laut atme ich aus.
Kann das wirklich sein? Habe ich mich vielleicht geirrt? Ist das die Antwort auf alle meine Fragen?
Plötzlich ist es klarer als je zuvor. Wie konnte ich das alles nur übersehen? Geblendet von meinen Gefühlen...
Das war sein Geschenk an mich. Er hat mich nicht einfach vergessen. Er hat mir eine Nachricht hinterlassen. Tränen laufen mir über die Wange. Mein Herz rast heftig in meiner Brust. Die Erkenntnis trifft mich hart.
Er liebt mich auch.
Ich schließe meine Augen und versuche, mich zu beruhigen. Aber dann taucht der nächste Gedanke auf. Was bedeutet das für mich? Ich schaue wieder auf die Kette. Mein Mund wird trocken. Ist es wirklich das, was ich denke? Es muss genau das sein, was der Koch gesagt hat.
,,Der Schlüssel zu seiner Welt...", flüstere ich, während sich ein Lächeln auf meinen Lippen bildet.
Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich stark. Ich weiß, dass dieser Tag mein ganzes Leben verändern wird und das ich eine gute Entscheidung treffen muss, damit ich glücklich werden kann.
Ich laufe in mein Schrank, hole mein Koffer unter mein Bett und fange an zu packen. Heute wird sich mein Leben komplett ändern und ich bin diejenige, die entscheiden wird, was passieren wird.
Nach einer langen Zeit bin ich endlich glücklich.
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