11. Freundschaftswunsch

Zwei Wochen sind vergangen. In dieser Zeit habe ich mein Bestes getan, um mich auszuruhen und alles zu vergessen. Das hat natürlich nicht ganz geklappt, aber ich konnte mit meiner Situation einigermaßen zufrieden sein. Mein Verhältnis zu Stefan ist etwas besser geworden. Nach unserem Gespräch hat er sich mir gegenüber mehr geöffnet und mir mehr von seinen Erfahrungen erzählt. Ich muss zugeben, dass es mir gut getan hat, seinen Worten zuzuhören und einfach abzuschalten. Er redete drauf los und konnte kaum aufhören. Es fühlte sich normal an, aber natürlich ist hier nichts ganz normal. Meine Wunden sind auch verheilt, obwohl man noch einige Flecken sehen kann.

Im Moment stehe ich vor dem Büro meines Chefs. Eigentlich war ich nur einmal in diesem Raum. Und das war der Tag, an dem ich einen Vertrag unterschrieben habe. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht einmal, was ich genau unterschrieben habe. Ich habe mich von der Angst leiten lassen und habe alles unterschrieben, was er mir vorgelegt hat.

Heute möchte mein Chef mit mir sprechen und ich habe keine Ahnung, worüber. Ich muss hinein, aber wie soll ich mich bemerkbar machen? Ich stehe vor einer massiven dunklen Holztür, die mich von meinem Chef trennt. Meine Hand hebt sich und ist ein paar Zentimeter von der Tür entfernt. Ich muss klopfen. Also los. Klopfen! Ich versuche, mich zu zwingen, aber immer wenn ich meine geschlossenen Hände näher an die Tür bringe, hält meine Hand inne.

,,Verdammt...", fluche ich leise und schaue auf meine nutzlose Hand. Warum kann ich es nicht tun? Die Antwort ist einfach. Ich habe Angst vor ihm.

Plötzlich öffnet sich die Tür. Ich erstarre und schaue direkt in sein Gesicht. Er sitzt an seinem Schreibtisch, nur wenige Meter von mir entfernt. Seine blauen Augen glänzen. Er hebt die Hand und macht eine Handbewegung, damit ich hereinkommen kann. Aber ich kann nicht. Diese Situation überfordert mich. Er seufzt genervt.

Plötzlich spüre ich eine unglaubliche Kälte, die meinen Körper umgibt. Ich bekomme eine Gänsehaut am ganzen Körper. Ich streiche über meine Arme und halte mich fest. Und dann passiert etwas... Ich kann meine Beine nicht mehr spüren. Ich verliere die Kontrolle! Erschrocken schaue ich auf meine Füße hinunter.

Ich gehe in den Raum. Aber wie? Warum betrete ich den Raum? Panik steigt in mir auf. Ich sehe mich hilfesuchend um, bis mein Blick auf ihm verweilt. Ich lasse meine Schulter fallen. Er ist es wieder.

Ich stehe vor seinem Schreibtisch. Die Tür schließt sich, als würde ein Windzug die Tür schließen. Mein Blick bleibt auf ihm haften. Er gibt mir eine Geste, damit ich mich auf einen der beiden Stühle vor dem Schreibtisch setze. Seine Kontrolle verschwindet. Ich habe wieder die volle Kontrolle über mich. Ich atme laut aus.

,,Das Anklopfen scheint dir sehr schwer zu fallen. Aber ich bin froh, dass du den Mut hattest, wenigstens vor meine Tür zu kommen." Ich versteife mich.

,,Heute wollen wir über deinen Wunsch sprechen. Was wünschst du dir? Ich habe dir Unrecht getan. Heute hast du die Gelegenheit, dir etwas zu wünschen", sagt er gelangweilt und starrt mich an. Ich weiche seinem Blick aus.

Was will er damit sagen? Will er sich dafür entschuldigen, dass er mich bestraft hat? Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und sehe ihn wieder an.

,,Ich verstehe das nicht", erwidere ich ehrlich. Seine Gesichtszüge verändern sich nicht. Er wirkt so kalt. So unerreichbar. Eine unsichtbare Mauer scheint ihn zu umgeben. Ich kann ihn einfach nicht verstehen.

,,Ich habe einen Fehler gemacht. Und ich werde es nicht wieder tun. Also noch einmal, was wünschst du dir?"

Ich verstehe ihn einfach nicht. Warum ändert er seine Meinung und erlaubt mir, mir etwas zu wünschen? Er muss es nicht tun, aber er tut es trotzdem. Versucht er, sich damit zu entschuldigen? Wenn ja, warum? Er hat uns verletzt und uns schlecht behandelt. Ich weiß, dass wir für ihn leichte Opfer sind und schnell ersetzt werden können, aber muss er uns so abscheulich behandeln?

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ich muss jetzt klar denken und eine gute Entscheidung treffen. Soll ich mir etwas wünschen? Ja, ich muss es tun. Ich kann diese Chance nicht verstreichen lassen!

Aber was soll ich mir wünschen? Ich weiß, dass ich es nicht übertreiben darf. Er würde es nicht zulassen, wenn ich mir wünschte, nach Hause zu gehen. Doch was könnte ich mir dann wünschen? Ich denke darüber nach.

Meine Gedanken werden unterbrochen, als eine schwarze Katze vor meinen Füßen auftaucht und sich an meine Beine schmiegt. Mein Blick wandert zu dieser niedlichen Katze. Ich lächle. Ich streichle das Fell und werde mit einem Knurren belohnt. Wie süß!

Ich schaue auf und sehe ihn. Er wartet geduldig auf meine Antwort. Ich frage mich, was für ein Wesen er ist? Er scheint Katzen zu mögen... aber warum behandelt er Menschen so schrecklich? Was ist in seinem Leben passiert, dass er so geworden ist? So kalt...

,,Du kannst dir deinen Wunsch nicht für einen anderen Tag aufheben. Heute oder gar nicht", sagt er kalt, als ich nichts sage. Ich schlucke und meine Augen werden groß.

,,Ich weiß, was ich mir wünsche!" sage ich laut. Ich straffe meine Schultern.

,,Stefan ist immer noch verletzt und muss sich ausruhen. Ich will nicht, dass er arbeitet. Zumindest für ein paar Tage...", antworte ich zögernd und balle meine Hände zu Fäusten.

Er sieht mich ein paar Sekunden lang an, bevor er langsam nickt. Ein leichtes Grinsen umspielt seine Lippen. Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. Habe ich einen dummen Wunsch geäußert?

,,Bist du sicher, dass du das willst?", fragt er. Diesmal klingt er ein wenig weicher. Ich nicke energisch. Mein Entschluss steht fest. Stefan ist im Moment viel zu schwach. Er braucht Zeit.

,,Alles klar. Ich werde deinen Wunsch respektieren und akzeptieren. Du kannst jetzt gehen."

,,Ich habe noch eine Frage", sage ich zögernd. Ich weiß, es ist besser, wenn ich einfach gehe, aber ich muss es wissen. ,,Warum?"

Es ist still. Ich lasse ihm Zeit zu antworten.

,,Ich mag es nicht, wenn man mich hintergeht und vor allem belügt.

,,Das verstehe ich nicht. Ich habe Sie nicht hintergangen und ich habe nichts getan, was als falsch angesehen werden könnte. Ich habe alle Regeln befolgt, so gut ich konnte. Würden Sie mir helfen, es zu verstehen? Ich weiß, dass ich nicht das Recht habe, Sie um so etwas zu bitten, aber ich möchte keine Fehler machen", sage ich aufrichtig.

,,Gehorche einfach. Befolge die Regeln. Das ist alles, was ihr tun müsst."

,,Ich möchte wirklich keine Fehler machen...", erwidere ich eindringlicher.

Er schüttelt den Kopf.

,,Weißt du", er hält inne, nimmt einen Schluck Wasser und sagt dann, "manchmal ist es besser, wenn man nicht zu viel nachdenkt."

Ich nicke.

,,Diese Informationen dürfte für dich ausreichend sein. Ich werde nichts weiter dazu sagen. Du kannst jetzt gehen."

Bevor ich aufstehe, streichle ich noch die Katze und verlasse dann sein Büro. Ich atme laut ein und aus, als ich die Tür hinter mir schließe. Ich habe es geschafft!

Ich kehre zur Kundschaft zurück. Stefan kommt zu mir und fragt mich, wo ich hingegangen sei. Ich antworte ihm.

,,Ich habe mir etwas gewünscht", sage ich mit einem Lächeln im Gesicht, während ich die Teller zur Spüle bringe und Stefan mir folgt.

,,Ich habe mir vor ein paar Tagen auch etwas gewünscht", gibt er zu.

,,Ich-", sagt er, aber ich halte ihn auf.

,,Sprich deinen Wunsch nicht aus. Komm wieder zu Kräften, ok?", erwidere ich und lächle ihn an. Ich bin mir sicher, dass unser Chef bald mit Stefan reden wird.

,,Ich habe mir gewünscht, dass du dich erst einmal ausruhen kannst. Ich weiß, dass du vorgibst, stark zu sein, aber du bist selbst noch viel zu schwach. Ich hoffe, die Zeit wird dir ein wenig helfen. Ich bin dir noch etwas schuldig. Sieh es als Entschuldigung", er zuckt mit den Schultern. Dabei versucht er zu lächeln. Ich sehe ihn an und kämpfe mit den Tränen. Ich bin schockiert.

Er ist nervös.

,,Es tut mir leid. Ich weiß, du willst es nicht hören. Ich hoffe, du bist nicht böse", sagt er. Ich laufe zu ihm und umarme ihn.

,,Ich habe mir dasselbe für dich gewünscht." Ich entferne mich wieder von ihm. Wir sehen uns beide an. Und dann lachen wir.


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