7. Kapitel Let go of what drags you down.


Ich blicke mit gerunzelter Stirn auf die Unterlagen vor mir. Bilder und Texte verschwimmen zu einem Geflecht der Gedanken in dunkler Tinte und gekritzelten Linien. Meine Hände umklammern die Lehne des Sessels vor mir fester.

„Okay", setze ich an, „Also, wir wissen, wo zwei der letzten drei Horkruxe sich befinden?"

„Ja", erwidert Regulus dunkle Stimme, „Das Medaillon ist in der Höhle in den Meeres Klippen in der Nähe des kleinen Dorfes, in dem das Heim in dem Du-weißt-schon-wer untergebracht war ihre Exkursionen verbracht haben."

Ich nicke nachdenklich. Sein Ton klingt so bestimmt, so zielgerichtet. Oder bilde ich mir das nur ein, weil ich weiß was passieren wird. Kann ich es überhaupt noch ändern? Könnten wir Reg retten?

„Und der Kelch sollte zurzeit in Lestranges Kerker sein", meint Juliet ruhig, ihr Blick düster, „aber wie sollen wir da bitte hineinkommen? Eine Höhle ist das eine, aber ein Verlies in Gringotts, noch dazu eines der ältesten Zaubererfamilien ist das andere."

„Das stimmt", murmle ich, „aber wir haben noch etwas Zeit. Wir müssen nicht alles jetzt schaffen. Wie denn auch. Wir können nicht als siebzehnjährige einfach in Gringotts einbrechen. Das funktioniert nie." Harry hat es geschafft, flüstert mir eine kleine Stimme ins Ohr.

„Was für „wir haben noch Zeit"?", höre ich Sirius knurren.

Ich sehe ihn ruhig an: „Was meinst du?" Ich kann die Blicke spüren, die auf uns ruhen, doch ich weigere den meinen von seinen grauen Augen - tobend und voller Sturm - abzuwenden.

„Emmi, genau das ist das Problem, uns läuft die Zeit davon. Während wir hier drinnen von Dumbledor und der Magie beschützt werden, sterben da draußen täglich Menschen. Muggel, Zauberer, egal. Die machen keinen Halt vor irgendwem. Mit jedem Tag, den wir länger brauchen, sterben da draußen Menschen."

„Ja, ich verstehe das", beginne ich ruhig, „Aber wir tun hier alles, was wir können. Wir verwenden all unsere Kraft und unsere Mittel, um das zu schaffen, was in unserem Rahmen hier drinnen möglich ist."

„Ja, wow, das ist ja sonderlich viel."

„Sirius. Wir haben bereits zwei Horkruxe zerstört. Zwei. Und was sollen wir denn machen? Die Schule abbrechen und auf eigener Faust suchen und dabei draufgehen? Das hilft keinem. Der Großteil hier ist noch nicht mal volljährig. Wir haben noch die Spur auf uns. Wie stellst du dir das vor?"

Ich kann die Schärfe, die sich in meine Stimme geschlichen hat nicht verhindern.

Seine Augen blitzen frustriert und er wendet den Blick ab.

„Ich versteh dich Sirius. Mir geht es auch nicht schnell genug, aber ich kann nicht mehr machen. Wir können im Moment nicht mehr machen, als wir tun." Er seufzt tief, seine Miene düster und nickt.

"Sorry", murmelt er, "Das geht nicht gegen dich und das weißt du."

„Ja, ich weiß. Keine Sorge." Ich sehe auf. „Okay. Wir brauchen einen Plan."

Also beginnen wir - das Edelsteinorchester, auch wenn Nat fehlt, die immer noch mit ihrer Familie in Amerika Zuflucht sucht - einen Plan gegen Voldemort zu schmieden. Ein riesiges Pergament ist auf der dunklen Tischplatte ausgebreitet, Ideen werden hin und hergeworfen, sodass es sich fast schon wie eine dieser Gruppenarbeiten im Gymnasium anfühlt (Sammelt gemeinsam Dinge, die euch zur Französischen Revolution einfallen!) und Strategien werden abgewägt. Als Mary die Prophezeiung vom Nachtwolf aufbringt, leise, neben mir, sodass ich es fast überhört hätte, lege ich ihr beschwichtigend meine Hand auf die Schulter.

„Ich arbeite daran", versichere ich den fragenden, verdunkelten Augen, „ich kümmere mich darum, okay?"

Zögernd nickt sie: „Und du schaffst das?" Ihr Gesicht spiegelt das, was ich tief in mir aufsteigen fühle. Zweifel. Und die Wahrheit, die ich mit mir herumtrage, seitdem ich bei Goldbart war, kriecht meinen Rachen hinauf.

„Ich weiß es nicht", antworte ich ehrlich, „Aber ich gebe mein bestes." Ich meine, ich habe es fertiggebracht mit 15 ein Animagus zu werden, habe mit einer Moire verhandelt, mich mit Todessern duelliert, die Zukunft gesehen. Ich sollte das schaffen. Nein. Ich schaffe das.

Mary schenkt mir ein ermutigendes Lächeln. „Ich weiß. Wenn das jemand schafft, dann du."

„Danke", murmle ich ehrlich, bevor ich mich wieder dem Pergament zu wende, das sich vor mir ausbreitet. Ich kann das schaffen, auch wenn sich alles in mir gegen diese Annahme wehrt. „Okay, was haben wir bis jetzt?"

oOo

Ich falle erschöpft auf mein Bett. Der Tag hat einiges von mir gefordert. Unterricht und Hausübungen, das Edelsteinorchester, das geschlagene vier Stunden in Anspruch genommen hat. Nun ist die Sonne schon fast in glühendem Gold hinter den Hügeln Schottland untergegangen und die Nacht hat sich die ersten Teile des Himmels einverleibt. Ich reibe müde meine Augen. Mein Tag endet hier leider nicht. Wie gerne würde ich nicht schlafen. Aber vielleicht entkomme ich so meinen Alpträumen. Ich beuge mich nach vorne, um das Buch aus meiner Nachttischlade zu holen, das mir Goldbart aufgeschrieben hat. Ich bin gerade mal zu einem Drittel durch damit. Die Zeit ist dafür einfach kaum da. Ich vermisse Benj. Am liebsten würde ich mich einfach in seinen Armen zusammenrollen und mir den ein oder anderen Kuss stehlen, bevor ich meine Lider niedersinken lassen und schlafen kann. Klar, manchmal brennt auch Verlangen in mir und ich verfluche die Distanz zwischen uns, die mich davon abhält ihn zu berühren und zu spüren, aber in solchen Momenten wie jetzt sehne ich mich einfach nur nach Wärme und Geborgenheit.

Ich widme meine Aufmerksamkeit wieder dem Buch, dass ich vermutlich diese Nacht – beziehungsweise einen Teil von ihr – lesen werde. Ich schlage daneben noch mein Notizheft auf, um die verschiedenen Übungen zu notieren. Sorge steigt in mir auf. Den Autoren zufolge, sind öfter Visionen zu erwarten, als ich sie je hatte. Ich halte nachdenklich inne. Es ist wirklich schon lange her, dass ich überhaupt einen Traum oder eine Vision hatte. Ja, als Nushkins das Schloss heimgesucht hat, hatte ich zwar Ansätze von Visionen, doch sie waren bei Weitem nicht so klar wie jene, die mir Morsira gezeigt haben, als sie hinter uns her war. Warum verstehe ich immer noch nicht. Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger Sinn scheint es zu machen. Was wollte sie eigentlich wirklich von uns? Was hatte sie von unserem Blutschwur? Super, sie hat unser Blut getrunken, aber wir haben ihr doch nicht mal irgendetwas geschworen. Das macht alles keinen Sinn. Und jetzt hatte ich seit dem Geschehnis mit dem angegriffenen Erstklässler weder Träume noch Visionen. Ein Schauer läuft meinen Rücken hinab, als sein Blick, diese schwarzen Löcher vor meinem geistigen Auge auftauchen. Ich sehe instinktiv zu Marl hinüber. Sie ist hier. Es ist alles gut. Sie ist hier und am Leben.

Ich lasse müde meinen Kopf sinken und versuche meine Aufmerksamkeit wieder den Zeilen zuzuwenden. Die nächsten Stunden verbringe ich mit überkreuzten Beinen, bis sie mir einschlafen und ich mich ächzend aus dem Schneidersitz erhebe und die Position ändere. Die Muskelstränge, die meinen Nacken stützen und sich schließlich durch meinen gesamten Rücken ziehen, schmerzen, als hätte ich ein intensives Quidditchtraining hinter mir. Ich muss echt mehr Sport machen. Ich kann nicht mal mehr ein Buch lesen, ohne dass mir mein Körper weh tut. Ich strecke mich kurz. Mein Blick fällt auf die Uhr. Bitte was? Ich sehe mich ungläubig um. Draußen vor den Gläsern meines Fensters erstreckt sich die Dunkelheit unerbittlich, die unersättlich sämtliche Gestalten und Umrisse verschlungen hat. Der Schlafsaal schimmert fahl im Licht meiner Kerze und dem Bisschen, das mein Zauberstab ausstrahlt. Flackernde Schatten tanzen die Vorhänge der Himmelbetten entlang, während außer den tiefen Atemzügen meiner Freundinnen und dem leisen Geschnarche - vermutlich Mary - nichts zu hören ist. Es ist schon dreiviertel drei? Wie ist das überhaupt passiert? Wie kann ich das nicht bemerkt haben? Wobei... das war auch früher schon so. Ich habe gelesen, während meine Mutter ins Zimmer gekommen ist und ich habe sie nicht mal gehört, als sie mit mir geredet hat. Ich denke an den letzten Brief zurück, den ich meiner Familie geschickt habe. Das war der, wo ich vom Austausch erzählt habe. Ich sollte mich wieder mal melden. Es ist irgendwie gut, dass meine Eltern vor allem so wenig von der Zauberwelt wissen und das alles so abstrakt für sie ist, dass sie nicht wirklich mitbekommen, was ich in den letzten Jahren für Blödsinn gemacht und in welche Gefahren ich mich begeben habe.

Mein Blick fällt zurück auf das Buch auf meinem Bett. Die Seiten meines Notizheftes sind vollbeschrieben, übersäht mit dunklen Tintenkleksen und Skizzen, während ich fast schon am Ende des Buches angelangt bin. „Ich glaub zwar weniger dran, aber du hast Recht, wenn es sowas gibt, dann ist das sicher ganz cool." Benjs Worte kommen mir wieder in den Sinn. Ich vermisse ihn. Ich seufze tief und wische mir über meine Augen. Wie kann es sein, dass ich schon vor fast sechs Stunden so müde war, dass ich schlafen wollte und jetzt noch wach bin? Ich klappe das Buch zu und lege Federkiel und Notizen zur Seite. Vorsichtig blase ich die flackernde Flamme der Kerze aus, bevor ich mich in meine Bettlaken kuschle und meinen Zauberstab zum Erlöschen bringe. Ich muss dringend schlafen. Meine Augen brennen. Ich schaffe das schon irgendwie.

oOo

Am nächsten Abend beende ich das Buch und beginne die täglichen Übungen. Meditieren, Gedanken lenken, sich anfälliger für den Strom der Zukunft machen. Meine Fähigkeiten in Wahrsagen scheinen sich einem Höhepunkt zu nähern. Was wir im Unterricht durchmachen, wirkt wie eine Belanglosigkeit für mich. Goldbart blickt mich mit diesem zufriedenen Gesichtsausdruck an, wenn ich meine abgegebenen Aufgaben zurückbekommen. Zaubertränke ist ein bisschen anstrengender als normalerweise, da Slughorn offenbar bemerkt hat, dass er mit uns Gas geben muss, wenn er uns auf das UTZ Level bringen will. Meine Gedanken beginnen wieder zu rasen. Ich war immer noch nicht bei Dumbledor, obwohl ich das sollte. Der Plan und alles ist ja schon fertig. Aber ich kann mich nicht dazu bringen zu seinem Büro zu gehen. Ich hab so viel um die Ohren. Ich überlege aus dem Quidditchteam auszusteigen. James weigert sich vehement mich gehen zu lassen.

„James, ich kann nicht mehr!", erkläre ich ihm in einem verzweifelten Versuch ihn verstehen zu lassen, „Es ist zu viel, ich hab keine Ahnung mehr, wo mir der Kopf steht. Ich muss schauen, dass ich das Jahr überhaupt gescheit hinbekomme."

Schnauben. „Emmi, wenn eine Person das Jahr gescheit „hinbekommt", dann bist das sowie so du. Dein Gehirn ist viel zu weit fortgeschritten, als dass du es nicht schaffen würdest." Dieselben Argumente wie vor Hogwarts.

„Es geht nicht darum, wie klug oder aufnahmefähig ich bin", seufze ich frustriert, als ich die ausgeborgten Bücher wieder an ihren angestammten Platz in den Regalen der Bibliothek stelle, „Es geht psychisch nicht. Nicht wenn ich das Edelsteinorchester und Horkuxe und Prophezeiungen auch noch auf meinem Teller hab. Noch dazu sind die Austauschschüler da, die wir auch nicht vernachlässigen können."

„Emmi, das ist der einzige Sport, den du im Moment machst", James verschränkt seine Arme vor der Brust, die braunen Augen hinter den runden Brillengläsern mustern mich besorgt.

„Ja und?", will ich wissen, während ich fragend zu ihm aufschaue.

„Selbst Muggel wissen, dass Sport wichtig für den Körper ist, oder?"

„Ja, wissen wir, aber ich... es geht sich nicht aus James. Es geht sich gar nix aus im Moment. Ich mach gern noch anders Sport, aber mit dem Quidditchtraining dreimal die Woche – es geht nicht."

„Du nimmst dir halt generell zu viel vor", grummelt er und fährt sich mit der Hand durch die dunklen Haare.

Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu: „Sorry, du Mr. Quidditch-obsessed."

Ein amüsiertes Grinsen, das er zu verstecken versucht, umspielt seine Mundwinkel. „Es ist ja so."

„Es ist nicht wirklich absichtlich?", versuche ich ihm zu erklären.

„Ja, ich weiß und das ist auch das Problem. Du gibst nämlich den ganzen Scheiß, der sich ansammelt, nicht wieder ab, weißt du was ich mein?"

Ich schüttle verwirrt den Kopf.

„Edelsteinorchester kann auch jeder einzeln machen und dran arbeiten", er senkt seine Stimme bei der Erwähnung der Prophezeiungen, „Schulzeug, ja, musst du ja nicht perfekt machen oder teilweise überhaupt machen, bei deiner Mitarbeit und alles."

„Ja, eh aber..."

„Ja, eh aber...", äfft er mich nach, „gibt Sachen einfach ab."

„Aber es gibt Dinge, die kann nur ich mit meinen Fähigkeiten machen."

„Ja, dann mach die, aber nicht den ganzen anderen Blödsinn. Die Austauschschüler kommen auch – nicht bös gemeint – den Großteil der Zeit ohne dich aus."

Ich grummle leise, als ich das letzte Buch zurückstelle. Ich will nicht zugeben, dass er recht hat, aber er hat halt schon recht.

„Hab ich gewonnen?", will James mit einem triumphierenden Grinsen wissen.

„Ja, hast du", murmle ich genervt, „jetzt hör auf so blöd zu grinsen." Doch das führt nur dazu, dass sich seine Mundwinkel noch weiter in die Höhe heben, wobei ich nicht dachte, dass das möglich ist. „Wie geht es Lily?" Ein Versuch ist es wert.

Das Grinsen verblasst etwas und wird von einem nervösen Lächeln ersetzt. „Gut, denke ich mal."

„Und?", hake ich neugierig nach, ein schelmischer Ausdruck auf meinem Gesicht.

„Was und?"

„Naja, und? Hat sich irgendwas getan?"

„Abgesehen von der Tatsache, dass sie mich nicht mehr mit ihren Blicken erdolchen will und mich bei meinem Vornamen nennt, nichts denke ich."

„Naja, das ist ja mal ein Fortschritt", grinse ich.

„Schon, oder?"

Seine Unsicherheit lässt mein Lächeln noch breiter werden. „Ja, definitiv."

Also bleibe ich vorerst im Quidditchteam, einfach aus dem Grund, dass mein Captain sich geweigert hat, mich gehen zu lassen. Da wir aber generell ein zweites Set an Spielern für die Kampfmannschaft aufgestellt haben, ist mein Fehlen einmal die Woche nicht so schlimm, aber irgendwer muss ja für uns spielen, wenn wir in Frankreich und China sind. Ich versuche mich Schritt für Schritt an meine Aufgaben vorzutasten und James Rat anzunehmen. Sachen weglassen. Also sind meine Aufsätze in VgddK kürzer als sonst und die Skizzen für Kräuterkunde schlampig und unvollständig. Und es wird tatsächlich leichter. Dumbledor habe ich schließlich einen Besuch abgestattet und ihm unsere Informationen über die Horkruxe weitergegeben. Mit rauer Stimme hat er sich bedankt und mir ernst mitgeteilt, dass er die Suche für eine Weile stoppen muss. Die Lage sei zu gefährlich, um das Schloss öfter als notwendig ohne Schutz zu lassen. Er arbeite an einer Lösung, an einer Gegenwehr gegen die Todesser. Auch wenn er es mir nicht sagt, weiß ich, dass er den Orden des Phönix meint. Ich konnte nur nicken. On hold. Das ist nicht gerade das, was ich mir erwartet hatte, aber ich muss es einfach so hinnehmen wie es ist. Seine Argumente waren gut, waren verständlich und ließen kaum Platz, um zu protestieren. So gerne ich Voldemort gleich morgen stürzten würde, geht unsere Sicherheit und die derjenigen, die sich nicht verteidigen können, vor. 

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