6. Kapitel Um die Nacht sehen zu können


We write our own future. Don't let anyone else take over the fucking pen.

„Emmi!?", laute Stimmen lassen mich aus meinem Schlaf hochschrecken. Ich stöhne, als scharfer Schmerz meinen Nacken hinaufschießt. ich sitze in demselben Stuhl wie gestern Nacht. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, hier eingeschlafen zu sein. Die beiden beschriebenen Pergamente vor mit und das verbrannte Papier rufen die Geschehnisse letzter Nacht wieder hervor. Ich höre jemanden die Leiter hinaufklettern.

„Emily?", es ist Alices Stimme, die nach mir sucht.

„Ich bin hier", krächze ich. Ich klinge schon wieder wie ein Kettenraucher. Ich stemme mich hoch und wische mir meine Strähnen aus dem Gesicht. Fuck. Es ist ja Unterricht. Ich muss los. Hab ich überhaupt meine Hausübung gemacht? Ich hab keine Ahnung. Ich greife nach meinem Zauberstab und eile auf Alice zu, die ihren Kopf durch die Luke steckt.

„Ach, da bist du! Komm, wir sind spät dran."

„Ja, ich beeil mich", meine ich entschuldigend und klettere hinunter in den Schlafsaal. Wie durch ein Wunder sind wir sogar noch pünktlich, als wir uns ins Klassenzimmer platzen. Ich lasse meinen Rucksack erschöpft neben Mena fallen.

„Da bist du", meint sie nur. Ich nicke außer Atem. „Merlin sei Dank."

In VgddK nehmen wir die Kreaturen der Dunkelheit durch, zu denen auch Werwölfe zählen. Wir sind die schon so oft durchgegangen, dass ich nicht verstehe, was wir noch Neues lernen sollten. Schließlich habe ich die beste Informationsquelle überhaupt. Es hat doch auch einen Vorteil, wenn ein guter Freund ein Werwolf ist. Auch wenn ich natürlich niemandem wünschen würde, infiziert zu werden. Ich blättere also gelangweilt das Buch durch, Seite für Seite durch das Kapitel und halte inne, als ich über einen Begriff stolpere. Weißer Nachtwolf. Das ist neu?

Der weiße Nachtwolf.

Diese Art des Werwolfes wird durch eine Mutation in einem spezifischen Bereich des menschlichen Erbgutes ausgelöst. Der Nachtwolf gleicht dem typischen Werwolf in seiner Erscheinung, abgesehen von seinem strahlend weißen Fell. Auch wenn normalerweise Verlust über Körper und Gedanken die Folge der Verwandlung ist, behält der ‚lupus lucis' (lat.: Wolf des Lichtes) Kontrolle über seine Handlungen und Gedankengänge. Ein weiteres Merkmal ist die Beibehaltung der Augenfarbe des Menschen. Alter Literatur zu Folge ist dieser Form des Werwolfes es möglich, einen anderen, verwandelten Menschen zu leiten und mit ihm zu kommunizieren.

Der kleine Textabschnitt ist in die untere Ecke der Seite gezwängt worden. Ich halte inne. Wie ist das Verhältnis von Infektion zu Mutation. 1 zu 10? 1 zu 100? 1 zu 100 000? Das Risiko ist zu hoch. Es sei denn man könnte die Anwesenheit der Mutation genau bestimmen, aber dafür reichen die Mittel der Zeit bei Weitem noch nicht. Selbst in meiner Zeit wäre es schwierig es genau zu bestimmen. Wir können dieses Risiko nicht einfach eingehen. Ich denke an Heilkunde zurück. Das war richtig gutes, nützliches Wissen, doch auch dort wurde deutlich betont, dass Zufälle und Dinge, die man nicht voraussehen kann, immer passieren können. Es sei denn... Meine Augen werden groß, als ich erkenne, wie wir die Prophezeiung erfüllen könnten, ohne Mary in Gefahr zu bringen.

Ich kann die nächste Wahrsagenstunde kaum abwarten. Nur abwesend vernehme ich Lilys genervte Stimme, als sie vom Schulsprechertreffen zurückkommt und nur verschwommen höre ich Marl dabei zu, wie sie mit Juliet über sämtliche Zauberbands spricht, die ihnen in den Sinn kommen. Wir können es schaffen. Wir können es schaffen einen weiteren Schritt in die richtige Richtung zu machen. Ein Geräusch am Fenster lässt mich hochschrecken. Ich erkenne Destys dunkle Schemen in der nächtlichen Schwärze. Ich rapple mich auf, um sie herein zu lassen. Das Wetter draußen ist wirklich grauslich gerade. Der Wind heult laut auf, als er sich zwischen den Mauern des Schlosses hindurchzwängt, Regentropfen klatschen gegen die Fensterscheibe. Ich öffne das Fenster einen Spalt, um sie zu mir hinein zu holen. Mit einem sanften Schuhu lässt sie zwei Briefe in meinen Schoß fallen, bevor sie ihre Flügel ausbreitet und ihr Gefieder schüttelt. Ich ziehe sie mit einer sanften Bewegung meiner Hand näher zu mir und beginne ihren Kopf zu kraulen. Vorsichtig lehnt sich Desty in meine hohle Handfläche. Es war ein weiter Flug für sie. Sie ist sicher komplett kaputt. Ein zufriedenes Gurren verlässt ihren Schnabel als sie die Augen schließt. Ich widme mich den beiden Briefen, ohne jedoch von meiner Tätigkeit als professionelle Eulenkraulerin abzulassen. Einer ist von Benj, während das andere Kuvert Dumbledors geschwungene Handschrift trägt. Aufregung erfasst meinen Körper, schießt durch meine Adern. Heißt das? Ich reiße schnell das Pergament auf und hole den Brief hervor. In Windeseile huschen meine Augen über die Zeilen.

Liebe Emily,

Ich danke dir vielmals für deine großzügige Spende bezüglich des Austausches dieses Jahres. Ihre Empfänger werden sich ihrer sicherlich dankbar erweisen. Doch das ist nicht der Grund, warum ich diese Zeilen verfasse.

Ich habe getan, worum du mich letztes Jahr gebeten hast und ich kann dir mit Freuden versichern, dass ich das Schmuckstück gefunden, von seinen Flüchen befreit und zerstört habe. Das bedeutet, dass uns nur noch drei der grauenvollen Artefakte fehlen. Solltest du in den folgenden Tagen etwas Zeit erübrigen können, um weiteres Vorgehen aufeinander abzustimmen, würde mich deine Anwesenheit sehr erfreuen.

A.P.W.B. Dumbledor

Mein Kiefer klappt nach unten, bevor eine Welle der unbändigen Erleichterung meinen Rücken hinabläuft, die meine Haare zu Bergen stehen lässt. Er hat es geschafft. Uns fehlen nur noch drei Horkruxe, bevor Voldemort seine Sterblichkeit zurückerlangt. Drei! Mein Herz zittert aufgeregt, als ich meine Stimme erhebe. „Leute?"

Das Geplapper verstummt, als sie sich zu mir umdrehen und mein Gesicht erblicken. Es müsste eine Mischung aus Freude, Erleichterung, Sprachlosigkeit und Verwirrung sein, doch ich weiß nicht mal, ob meine Züge überhaupt die Stimmung in meinem Innern spiegeln. Mena setzt sich auf.

„Was ist los?", will sie alarmiert wissen.

„Dumbledor... er", ich suche nach Worten, „Er hat mir diesen Brief geschrieben." Ich wedle mit dem Pergament in meiner Hand herum. Alice kneift die Augen zu Schlitzen zusammen, um etwas zu erkennen. Lilys Haltung ist abwartend als wappne sie sich für das Schlimmste.

„Er hat den Ring gefunden und zerstört", bringe ich heraus, „der Horkux, er ist weg."

Marys Augen werden groß, während Juliet erleichtert zu grinsen beginnt. Mena starrt mich sprachlos an.

„Wirklich? So ganz weg?" Ich nicke.

„Und der Fluch?"

„Auch. Dumbledor ist unversehrt." Lily atmet laut auf.

„Das heißt wir brauchen nur noch", sie hält kurz inne, „Drei? Nur noch drei Horkruxe?"

Ich nicke mit einem schwachen Lächeln und fahre fort: „Das Medaillon, das Tagebuch und der Kelch sind noch übrig. Wir müssen wieder ein Edelsteinorchestertreffen einberufen."

„Machen wir, keine Sorge", meint die Französin mit den hellen Locken, die sich wie Rosenranken an einer Hausmauer ihre Schulter hinab kringeln. Der ganze Schlafsaal vibriert voll Tatendrang, doch Müdigkeit und Erschöpfung hängt träge wie Morgennebel über den Ländereien in der Luft. Mary nickt. „Ja, wir machen das morgen. Heute hat das wenig Sinn, denke ich. Wir sollten einfach schlafen gehen. Uns ausruhen. Morgen ist auch noch ein Tag." I

ch nicke, als meine Augen vor Müdigkeit brennen. Morgen ist auch noch ein Tag. Ich krabble also zurück in mein Bett, wo Desty mit großen Augen auf mich wartet. Ich streichle sanft ihr gefiedertes Haupt, bevor ich ihr das Fenster öffne und sie mit der Schwärze der Nacht verschwimmt. Meine Finger umklammern das zweite Kuvert als wäre es mein Rettungsanker auf hoher See. Benj. Seine Schrift schimmert im Licht der Kerzen und Zauberstäbe, die unseren Schlafsaal erhellen. Vorsichtig entfalte ich das herausgezogene Pergament und beginne zu lesen.

Hey Emmi,

erstens, ich weiß und zweitens, ich liebe dich. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht und nicht gut ging die vergangenen Jahre, ich wäre blind, wenn nicht, ich weiß, dass die Beziehung zwischen Toby und dir nicht perfekt gelaufen ist, aber um ehrlich zu sein, welche Beziehung tut das schon? Aber wtf? Als ob ich dich jemals loswerden wollen würde. Selbst wenn du mich verletzen solltest, wäre das immer noch besser als ohne dich zu sein. Jetzt im Ernst. Ich mache Fehler, du machst Fehler und wir arbeiten daran. Gemeinsam. So ist das eben, wenn man einander liebt. Also ja, ich verspreche dir zu sagen, wenn mich was stört, wenn du mir wehtust, obwohl du das nicht wolltest. Ich bin bei dir und ich habe nicht vor das den ganzen weiteren Weg zu ändern. Wir schaffen das schon. Also nein, unsere Beziehung fühlt sich nicht so an als würde ich „Asche atmen". Es fühlt sich an als wäre jeder Tag in Glück getaucht. Es fühlt sich jeder Tag mit dir besonders an. Ich freue mich über jeden Brief, den ich von dir zurückbekomme und ich zähle die Tage, bis ich dich wieder in meinen Armen halten darf.

Also ja, zweitens, ich liebe dich und keine Sorge, ich will dich bestimmt nicht loswerden. Ich mein ja, manchmal gehst du mir auf den Keks, vor allem dann, wenn du den Rest meines Essens aufisst oder mir die Bettdecke in der Nacht wegnimmst,

Ein Schmunzeln schleicht sich auf meine Lippen und verdrängt das Brennen in meinen Augen, als das Meer in ihnen loszubrechen versucht.

aber ich habe lieber das in meinem Leben als die Leere, die ohne dich zurückbleiben würde. Also ja, nein so sehr ich mich auch über meine vollständigen Mahlzeiten freue, ich vermisse es trotzdem, dass du nicht da bist, um etwas zu stibitzen. Ich liebe dich.

Aber nun zu einem anderen Thema. Die Aurorenausbildung ist soo cool! ...

Ich muss grinsen, als er von neugewonnenen Freundschaften und Hoppalas zwischen den Mentoren erzählt und Stolz schwillt in meiner Brust an, als er von Lob und erreichten Zielen spricht.

Die Nacht ist schneller vorüber, als ich denken kann und obwohl ich genug Schlaf bekommen habe, komme ich nicht umhin zu gähnen. Die nächsten Tage werden anstrengend. Juliet ist zu den Jungs hinübergeflitzt, um die freudige Botschaft zu verkünden, während Lily Gwen und Alice Regulus informiert. Wir brauchen schnellstmöglich einen Plan. Ich reibe meine Augen wie ein müder Waschbär, bevor ich meine Haare in einen Pferdeschwanz fasse. Ich muss sie mal wieder schneiden. Sie sind schon so lang, dass sie mir auf die Nerven gehen. Meine Gedanken schwirren in meinem Kopf, als ich mich zum Frühstückstisch setze, auf dem sich bereits Eigerichte, Gebäck und Aufstriche türmen. Der Duft von Kaffee schwebt mir entgegen und ich atme zufrieden ein, auch wenn der Sturm in meinem Kopf immer noch tobt. Kaffee ist immer eine gute Idee. Mit müden Fingern umklammere ich schließlich meine Tasse und lasse meinen Blick durch die große Halle schweifen. Die Asiaten am Slytherintisch lachen laut auf, während ein Beauxbatonschüler neben ihnen nur die Augen verdreht. Ich spüre brennende Augen auf uns. Mit gerunzelter Stirn suche ich die Menge ab und fühle mein Herz vor Mitleid kontrahieren, als ich sehe, dass es sich um Lukas handelt, der mit starrer Miene und tiefen Ringen unter den Augen zu uns hinüberblickt. Marl scheint ihn nicht mal zu bemerken. Die Trennung nimmt ihn stärker mit als sie, auch wenn sie sich genauso manchmal in den Schlaf weint. Ich höre es, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob das gänzlich Lukas Schuld ist.

Ich wende mich mit einem tiefen, innerlichen Seufzen wieder meinem Frühstück zu. Ein Donnern lässt mich hochschrecken, die Augen weit, der Puls hoch. Sirius Hand ruht auf der hölzernen Tischplatte, während er sich vor Lachen kringelt. Juliet ist im Gegenüber, Kichern entkommt ihren Lippen. Ihr Gesicht spiegelt Vergnügen wider.

„Miss Stone!", bringt der junge Black heraus und schafft es gespielte Empörung in seine Stimme zu legen.

„Was denn? Du hast auf den Tisch geschlagen!"

Die Anspannung, von der mir nicht bewusst war, dass sie mich in einer Art Schockstarre gehalten hat, fällt von mir ab. Er prustet erneut los und ich komme nicht umhin die Augen zu rollen. Die zwei Turteltauben. Also wenn die nicht in dem Jahr zusammenkommen, dann weiß ich auch nicht. Wieder beginnen meine Gedanken zu rasen. Ein Jahr. Wir haben noch ein Jahr hier. Noch drei Horkruxe zu finden. Der Nachtwolf aus der Prophezeiung kann sich bewahrheiten. Es kann alles wahr werden. Ich zwinge mich ruhig zu atmen. Ein durch die Nase, aus durch den Mund. Und nochmal. Ich brauche Luft.

Vorsichtig setze ich meine Tasse ab, greife nach einem Apfel, bevor herausbringe: „Leute, ich geh kurz frische Luft schnappen."

Ich bemühe mich, ruhig und kontrolliert einen Fuß vor den anderen zu setzen, nicht wieder wegzusprinten, wie schon so oft. Ich verlasse die große Halle, als ich Schritte hinter mir wahrnehme. In meiner Brust beginnt mein Herz zu rasen, als sei ich wieder im Verbotenen Wald und als würden die Flammen nach mir greifen. Meine Augen flackern zur Seite.

„Es bin nur ich", vernehme ich Remus sanfte Stimme. Ich zwinge mich tief auszuatmen. Es ist alles gut. Es gibt hier keine Bedrohung.

„Okay", höre ich mich flüstern. Am Ende des Korridors angekommen, stoße ich die hohe, schwere Flügeltüre auf und schlüpfe nach draußen. Ich schnappe nach Atem und inhaliere erleichtert die kühle Herbstluft. Ein Hauch von gefallenem, nassen Laub kitzelt meine Nase, während am hellen Himmel weiße Wattebausche um die Wette laufen.

Mit weichen Knien lasse ich mich auf die steinernen Stufen sinken, den Apfel immer noch in der Hand. Der Brunnen im von Säulen umrahmten Hof gluckert vor sich hin, während einzelne Sonnenstrahlen mit seinen Wasserstrahlen spielen. Das Rascheln eines Umhangs sagt mir, dass Remus neben mir Platz genommen hat. Für eine Weile sitzen wir so da, ich mich um einen normalen Atemrhythmus bemühend, er wartend. Nach etwas, dass sich wie eine Ewigkeit anfühlt und dann auch wieder nicht, räuspert sich der Junge neben mir.

„Magst du drüber reden?"

Nicht das „Alles okay?" oder das „Was ist los?", das ich erwartet habe.

Ich zögere für einen Moment, bevor ich beginne, meine Stimme leise: „Es... es ist einfach wieder viel. Jetzt schon. Mit den Horkruxen und den Prophezeiungen und ich hab einen neuen Hinweis gefunden, den ich verfolgen sollte und auch werde. Es ist einfach so laut in meinem Kopf."

Er nickt und schlingt seinen Arm um meine Schulter. Dankbar lehne ich mich gegen ihn.

„Mhm", brummt er, „Ich verstehe das. Aber weißt du was?"

„Was?"

„Du gehst damit schon viel besser um, als die anderen Jahre, weißt du?"

Ich probiere ein Lächeln. „Ja, vermutlich."

„Ganz sicher", meint Rem mit einem leichten Grinsen in seiner Stimme, „du warst so ein Hitzkopf."

Ich schnaube amüsiert. „True."

„Aber ich bin stolz auf dich. Das ist eine immense Verbesserung."

„Danke", murmle ich, „ich denke, ich muss einfach beginnen besser zu werden. Mit dem dealing-with-all-this-shit. Wie soll man denn so einen klaren Gedanken fassen?"

Er nickt zustimmend. Schweigen legt sich wieder über uns. Meine Augen folgenden Ameisen, die vor uns den Kies entlang wuseln und langsam die grauen Steinklippen der Stiegen erklimmen. Wie winzige schwarze, zusammengeklebte Knöpfe krabbeln sie so schnell sie können los, um ihre Arbeit zu verrichten. Arbeit. Ich seufze.

„Wir sollten wieder rein. Der Unterricht beginnt bald." Er nickt. Mit einem Räuspern erhebt er sich, sein Arm gleitet von meiner Schulter, und putzt seinen Umhang ab, bevor ich mich ebenfalls aufrichte, ein letzter Blick zu den kleinen Wesen vor mir und wir wieder ins Schloss spazieren.

In Zaubertränke fülle ich eine, zwei, drei Seiten mit meinen Gedanken und versuche sie zu strukturieren, in Blöcke zu unterteilen, damit ich mir einen nach dem anderen vornehmen kann. Das Fehlen meiner Aufmerksamkeit führt dazu, dass mein Zaubertrank anstatt von leuchtend blau, eine stumpfe graue Farbe angenommen hat, doch ich kann es nicht wirklich ändern, denn schon ist die Stunde um und wir müssen die fertigen Tränke abgeben.

„Nicht Ihr Tag heute, Miss Haimerl?", fragt Slughorn mit einem wissenden, versöhnenden Lächeln, als ich mein Fläschchen abgebe.

„Nicht wirklich", antworte ich mit einem entschuldigenden Blick. Er winkt nur ab, bevor ich mich auf den Weg zu Wahrsagen mache. Ich fühle Nervosität in mir aufsteigen, tief in meiner Magengrube, als ich die Strickleiter nach oben klettere und in Goldbarts Kurs Platz nehme. Eine weitere Stunde, die ich warten muss, bevor ich an meinen Rat kommen kann. Zu Jackson habe ich einfach gehen können, mit egal welchen Sorgen und hab mit ihr über die Sterne, Prophezeiungen und einfach generell die Zukunft reden können, aber mit Goldbart? Ich kenne ihn kaum und jetzt muss ich auf sein Können vertrauen, nein – eigentlich muss ich auf mein Können vertrauen und seinem Wissen folgen und hoffen, dass es richtig ist. Ich hole meine Kristallkugel heraus, versuche dem Unterricht zu folgen und warte. Die Zeit scheint sich unendlich in die Länge zu ziehen, als würden Sekunden Minuten und Minuten Stunden werden und mir dabei höhnisch ins Gesicht lachen. Mein Magen zieht sich unruhig zusammen. Nicht mehr lang.

Als die Stunde endlich beendet ist und die restlichen fünf Schüler den Raum hoch oben im Turm verlassen, sammle ich meine Fragen in meinem Kopf und trete vor. „Professor?"

„Ja?", verwundert blickt er auf als wundere er sich, warum ich noch hier sei.

„Kann ich Sie etwas fragen? Es geht um Vorhersagungen."

„Ja, natürlich, immer doch. Ich beantworte die Fragen meiner Schüler immer gerne."

Ich schlucke. Gut zu wissen. „Wenn man an einen kritischen Punkt kommt und eine Entscheidung fällen muss, eine wichtige Entscheidung, die so gut wie über Leben und Tod bestimmt, ist es dann möglich, dass man diesen einen Punkt vorrausehen kann? Dass man eben das Resultat sehen kann?"

Seine Augen liegen interessiert auf mir, er streicht nachdenklich seinen Bart, bevor er ansetzt: „Nun, in manchen, wenigen Fällen, ist das möglich. Die wahrsten Seher unserer Zeit sind in der Lage ihre Gedankengänge so zu beeinflussen, dass sie, wenn sie eine Vision bekommen, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor oder zurückspringen können. Das benötigt einiges an Vorbereitung und Praxis und ist eine der kompliziertesten und herausforderndsten Wahrsagetechniken."

„Okay, aber prinzipiell ist es möglich?"

„Ja, das ist es."

Mein Gedanken rasen für einen Moment, dann frage ich: „Gibt es in der Bibliothek ein Buch dazu, dass Sie mir empfehlen können? Ich finde das wirklich faszinierend."

„Oh, ja natürlich. Moment, ich schreibe es Ihnen auf."

„Vielen Dank."

Er wendet sich zu seinem Pult zu, kleiner und ordentlicher als der von Jackson je war, zückt seine Feder und kritzelt etwas auf ein Stück Pergament.

Mit Schwung dreht er sich zu mir zurück. „Here you go."

„Danke", lächle ich und nehme es entgegen.

„Warum die Frage eigentlich, wenn ich fragen darf?" Neugier in seinem Blick.

„Aus Interesse. Mir ist der Gedanke letztens gekommen und hat mich nicht losgelassen." Das ist nicht gelogen.

Er nickt und deutet charmant zur Tür: „Damit Sie nicht zu spät in den nächsten Unterricht kommen."

Ich grinse ihn an: „Danke, da haben Sie wohl recht. Auf Wiedersehen."

„Bis zur nächsten Stunde, Miss Haimerl. Und vergessen Sie nicht, dass ich Ihnen gerne jederzeit zur Beantwortung jeglicher Fragen zur Verfügung stehe."

„Ich werde darauf zurückkommen", sage ich noch, bevor ich in der Luke verschwinde und die Leiter hinabklettere. Jetzt heißt es quer durch ganz Hogwarts rennen, denn die Gewächshäuser sind am anderen Ende des Schulgeländes. Yey. Mit einem tiefen Seufzer suche ich nach dem nächsten Geheimgang und mache mich auf den Weg nach unten.

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