Kapitel 5 - Das Problem mit Wasser

Ich wollte mir ein entspannendes Bad genehmigen. Schließlich konnte ich mir Zeit lassen: Mom ging zu ihrer Therapeutin und wollte danach einkaufen. Und Zoey schmollte weiter. Aus ihrem Zimmer erklang laute Musik, die sich verdächtig nach Heavy Metal anhörte.

Manchmal musste selbst ich staunen, wie verschieden Zoey und ich uns waren. Für Außenstehende war das sicher nicht zu begreifen, ich meine, wir sahen ja eigentlich gleich aus. Hätte ich meine langen, rotbraunen Haare nicht mit ein paar violetten Strähnen versehen, könnte man uns wirklich nicht auseinanderhalten. Lediglich Mom vermochte das ... und Oscar, mein bester Freund.

Mom, zum Beispiel, wusste allein von den Stimmungen her, mit wem sie es gerade zu tun hatte. So war Zoey meistens still und genervt, ihre Miene verkniffen. Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich immer gut gelaunt war, aber mit mir konnte man noch den ein oder anderen albernen Scherz machen.

Nachdrücklich schloss ich die Badezimmertür hinter mir und ließ warmes Wasser in die Badewanne einlaufen. Ich steckte meine Haare nach oben und drehte das Radio so laut auf, dass dieses Zoeys Musik übertönte. Wohlig seufzend ließ ich mich anschließend ins Wasser gleiten. Ich schloss die Augen, doch irgendwie fühlte ich mich seltsam, irgendetwas stimmte nicht.

Als ich die Augen aufschlug, sah ich auch was nicht stimmte: Lichtpunkte tanzten um mich herum, genau wie in der Nacht am See. Dann hatte ich plötzlich keine Beine mehr – sondern einen Fischschwanz. Was. Zum. Teufel. War. Hier. Los?

Verlor ich jetzt etwa den Verstand?

Mit angehaltenem Atem und zitternden Händen fuhr ich von der Hüfte abwärts über die schuppige Haut. Leider fühlte sich diese mehr als real an. Was darauf schließen ließ, dass das hier kein Traum oder Einbildung war. Aber wie konnte das sein? Was war gerade mit mir passiert?

Verzweifelt versuchte ich meine Beine zu spüren, doch da war nur dieses ... Ding, das einen glänzenden, beigen Ton aufwies und in verschiedenen Perlmuttfarben schimmerte. Es war beängstigend und wunderschön zugleich.

Um einigermaßen klar denken zu können, versuchte ich tief durchzuatmen. Hyperventilieren brachte mich in dieser Lage auch nicht weiter. Zuerst musste ich schleunigst aus der Wanne und die Tür verriegeln, bevor Zoey auf die Idee kam, ins Bad zu stürmen und mich dann mitsamt diesem Fischschwanz sah. Es reichte, dass ich allein damit fertig wurde, auch wenn ich nicht verstand, was hier eigentlich abging. Nur wie sollte das funktionieren? Ich konnte schlecht einfach aus der Badewanne steigen, so ganz ohne Füße.

»Okay, Kaycie, du kriegst das hin. Wird doch nicht so schwer sein, sich selbst aus der Wanne zu ziehen«, sprach ich mir selbst Mut zu.

Nach mehreren Anläufen, in denen ich an der glatten Wanne abrutschte, gelang es mir, mich am Rand hochzuziehen und unsanft auf den gefliesten Boden zu rollen. Anschließend robbte ich auf dem Bauch Stück für Stück zur Tür, die auf einmal mehrere Meter weit entfernt zu sein schien. So lang hatte ich noch nie bis dorthin gebraucht. Und als ich schließlich den Schlüssel umdrehte, war ich völlig fertig. Ich spürte Muskeln an den Armen, die ich zuvor nur vermutet hatte.

Der Fischschwanz war allerdings immer noch da. Ich hatte es bis jetzt nur geschafft, dass Zoey nichts davon zu Gesicht bekommen würde.

Nach einer weiteren Bedenkzeit fiel mir auf, dass ich vorhin kein einziges Mal in Kontakt mit Wasser gekommen war und sich dieser Fischschwanz erst in der Badewanne zeigte – also erst, nachdem Wasser auf meine Haut traf. Logischerweise musste er verschwinden, sobald ich wieder trocken war. Und da ploppte der Gedanke von vorhin in meinem Hirn auf, das mit dem Fisch auf dem Trockenen – wie wahr. Deshalb schwitzte ich auch nicht mehr, denn das Wasser würde mich sofort in einen halben Fisch verwandeln. Außerdem konnten Fische doch gar nicht schwitzen, oder?

Ich schüttelte den Kopf. Was für seltsame Gedankengänge. Viel wahrscheinlicher hatte ich eine zu rege Fantasie. Aber da ich nicht einfach tatenlos herumliegen wollte, um darauf zu warten, dass etwas passierte, konnte ich doch wenigstens meine Theorie austesten.

Deshalb schnappte ich mir ein Handtuch, rubbelte den Fischschwanz vom Anfang bis zum Ende, und den Rest meiner noch feuchten Haut, trocken. Als ich schließlich den letzten Tropfen weggewischt hatte, kamen wieder diese seltsamen Lichtpartikel zum Vorschein. Sie schlängelten sich hinauf zu meinem Kopf, umhüllten mich mit ihrem seltsamen, mysteriösen Licht und einen Wimpernschlag später lag ich nackt auf dem Fußboden. Vor Freude meine beiden Beine wiederzusehen, stieß ich einen erleichterten Schrei aus.

Da hörte ich die genervte Stimme meiner Schwester: »Was treibst du eigentlich da drinnen?« Sie stand direkt vor der Badezimmertür.

Verdammt.

»Äh ... nichts?«, antwortete ich möglichst unschuldig. Was hätte ich denn sagen sollen? Dass ich zu einem Fisch wurde, sobald ich in Berührung mit Wasser kam? Und gerade herausgefunden hatte, dass ich deshalb lieber trocken bleiben sollte? Das klang, meiner Meinungen nach, etwas zu schräg.

Ich rappelte mich auf und warf mir ein Handtuch über, dann schlüpfte ich aus dem Bad. Zoeys verwirrten Blick beachtete ich einfach nicht. In meinem Zimmer zog ich mir etwas an. Okay, damit würde ich nun zur nächsten Frage kommen ...

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