Kapitel 25 - Bei Nacht und Mondschein

Kaycie

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Während die anderen beiden losmarschierten, zog ich mich an Land und wartete eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich wieder trocknete. Wenn die Sonne unterging, wurde diese Angelegenheit zur Zerreißprobe: Die Luft kühlte ab und nahm an Feuchtigkeit zu, was das Ganze ungemein erschwerte. Zu allem Übel machte ich auch noch Bekanntschaft mit dem aufgehenden Vollmond. Verdammt. Heute passte aber auch wirklich alles zusammen.

Dann waren meine Sinne auch schon vernebelt. Dämlich grinsend lag ich im Sand und starrte verträumt in den Himmel, hinauf zum Mond. Er strahlte eine starke und unwiderstehliche Kraft aus, die mich anzog. Ich wollte zurück ins Wasser, ich wollte schwimmen, den Mondschein auf meiner nassen Haut genießen. Und ich wollte zum Mondsee – mehr als alles andere. Um diese Gedanken zu vertreiben, schüttelte ich den Kopf. Ich durfte jetzt nicht dem Mond verfallen, sondern musste einen klaren Kopf bewahren.

In genau diesem Moment flogen die Lichtpunkte um mich herum und verwandelten mich wieder in einen Menschen. Hastig sprang ich auf und zog meine Kleidung an. Es wurde zunehmend dunkler, als ich im Wald verschwand und mich durch das Geäst kämpfte. Mücken schwirrten um mich herum und surrten mir grell ins Ohr. Ich fuchtelte wild mit den Armen, doch die blöden Viecher waren einfach überall und zu hartnäckig.

Im dämmrigen Zwielicht stolperte ich etliche Male über einen Ast oder einen größeren Stein. Und gerade leise war ich dabei nicht. Kurz gesagt: ich stellte mich wie der letzte Depp an. Als ich meine Hand kaum mehr vor Augen sehen konnte, knallte ich beinahe gegen einen Baum, doch die Stimmen von Zoey und Oscar hielten mich gerade noch davon ab. Mein Herz pochte wilder vor Aufregung. Endlich hatte ich sie gefunden. Allerdings machte sich mein benebelter Verstand rasant bemerkbar. Es wurde immer schwerer diesen Zustand abzuschütteln.

»Aua! Kannst du nicht aufpassen, wo du hintrittst?«, rief Zoey etwa zehn Meter von mir entfernt.

Es raschelte im Geäst. »Sorry, es ist verdammt dunkel hier, und ich habe nun mal keine Taschenlampe bei mir«, kam es von Oscar zurück.

Zoey schnaubte gereizt auf. »Es war deine Idee, mich zu begleiten – nicht meine«, giftete sie weiter.

»Wollen wir nicht umdrehen? Oder uns wenigstens einen ruhigen Platz suchen? Das wird doch nichts«, schlug Oscar vernünftigerweise vor.

»Nein, ich werde nicht aufgeben, nur weil du so ein Weichei bist!« Mit schweren Schritten stapfte sie weiter.

Ich folgte ihnen möglichst unauffällig, was eine ziemliche Herausforderung darstellte: Die Blätter unter meinen Füßen waren staubtrocken und raschelten bei jedem noch so vorsichtigen Schritt.

»Hörst du das?«, zischte Zoey.

Abrupt blieb ich stehen.

»Was?«, fragte Oscar gespielt verwirrt. Er wusste, dass ich ihnen folgte.

»Hört sich an, als wäre noch jemand hier.« Sie schwenkte ihre Taschenlampe umher. Zum Glück erwischte mich der Lichtkegel nicht. Dennoch stand ich stocksteif da und rührte mich nicht vom Fleck. Mein Puls geriet aus dem Takt. Das Pochen hörte sich unnatürlich laut in meinen Ohren an. Ein Wunder, dass Oscar und Zoey das nicht mitbekamen.

»Da ist niemand«, versicherte er ihr, »gehen wir weiter.«

Erleichtert holte ich wieder Luft. Da verspürte ich ein seltsames Kribbeln an meinem Arm. Ich wollte darüberstreichen, doch dann sah ich, wie etwas Fettes, Schwarzes meine Haut hinaufkroch. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Kurz darauf konnte ich mich nicht länger beherrschen. Ich begann hysterisch zu schreien und fuchtelte hektisch mit den Armen, in der Hoffnung die dicke Spinne würde endlich von mir ablassen und zu Boden gehen. Die krabbelte aber einst weiter.

»Das ist doch Kaycie!«, rief Zoey von ihrem Standpunkt aus, während Oscar schon auf mich zu rannte.

»Kaycie, was ist denn?«, wollte er wissen.

Kreischend versuchte ich das Viech weiter von mir wegzubekommen. »Mach das weg! Schnell! Iiiihhh!«

Oscar packte meinen Arm und wischte das Krabbeltier grob beiseite. Schwer atmend fiel ich ihm um den Hals. In diesem Moment verabschiedete sich mein Verstand endgültig. Haltlos fing ich an zu Lachen. Mein Bauch schmerzte schon nach wenigen Minuten.

»Was zum Teufel hast du hier zu suchen?« Zoey baute sich breitbeinig und mit den Händen in die Hüften gestützt vor mir auf.

Oscar seufzte schwer. »Auch das noch.«

»Was ist denn mit ihr?«, wandte sich Zoey an Oscar, als ich nicht antwortete. Ich starrte nach oben, durch das Blätterdach der Bäume. Der Mond strahlte nun hell auf uns herab und man konnte mehr von der Umgebung erkennen. »Oscar, warum seid ihr hier?« Zoey ballte die Hände zu Fäusten.

Oscar, der mich aufrecht hielt, lächelte zerknirscht. »Na ja ...«

»Vergiss es! Du wirst mir doch sowieso nicht die Wahrheit sagen!«, unterbrach sie ihn barsch.

Ich kicherte vor mich hin. »Der Mond scheint sooooo heeelllll!«, sagte ich entzückt und deutete übertrieben nach oben.

Zoey hob eine Augenbraue. »Entwickelst du dich jetzt wieder zurück?«

»Hihi, hast du Fisch?«

»Was?«

Oscar drängte sich zwischen uns. »Äh, Zoey ... Ich glaube, wir sollten tatsächlich zurück. Vielleicht hat die Spinne sie gebissen.«

»Nein! Ich gehe nirgendwohin!« Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust.

»Zoey, sie ist deine Schwester! Wenn ihr etwas zustößt? Wir müssen sofort zum Festland und sie in ein Krankenhaus bringen«, warf Oscar fast schon glaubwürdig panisch ein.

Ich kicherte erneut. »Wirklich guter Plan«, brabbelte ich, mein Mund fühlte sich an, als wäre er mit Zuckerwatte ausgestopft.

»Die hat nichts. Ich werde jetzt weitersuchen.« Zoey setzte sich wieder in Bewegung.

»Zoey! Das ist nicht dein Ernst, oder?«, rief Oscar ihr wütend nach.

Meine Schwester drehte sich daraufhin um und stapfte direkt auf ihn zu. Dann stieß sie ihn mit Gewalt gegen einen Baumstamm. »Du hast mir nicht zu sagen, was ich tun soll! Verpiss dich, ehe ich dich in Stücke reiße!«, keifte sie und drückte ihm – wie mir heute Mittag – die Luftröhre zu. »Ihr sollt mich ein für alle Mal in Ruhe lassen, kapiert

Oscar nickte, rang keuchend nach Atem und hob seine Hände zum Zeichen, dass er sich ergab. Unterdessen versuchte ich verzweifelt ein Kichern zu unterdrücken, obwohl diese Situation alles andere als lustig war. Zoey wirbelte zu mir herum und hob einen Arm. Eine elektrisierend knisternde Flamme schoss aus ihren Fingern und verfehlte mich nur um Haaresbreite. Sie traf den Baum neben mir laut zischend, der einen Wimpernaufschlag später lichterloh brannte.

Zornig funkelte Zoey uns an. »Ich habe euch gewarnt. Kommt mir nicht noch einmal in die Quere!« Damit tauchte sie in die Dunkelheit des Waldes ein und wurde von ihr regelrecht verschluckt.

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