Kapitel 24 - Unfreiwillige Bootstour
Kaycie
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Wir freuen uns für dich – das ist alles, hallte es immer wieder in meinen Gedanken. Ich kriegte diesen Satz einfach nicht mehr aus dem Kopf. Was zur Hölle sollte das? Ganz sicher war das nicht nett gemeint. Zoey führte etwas im Schilde. Das zeigte mir allein schon die Art, wie sie mich anlächelte: Hinterhältig und aufgesetzt, auch wenn es noch so freundlich wirken sollte – es war eindeutig falsch.
»Wann ist das denn passiert?«, wollte Mom wissen.
Ich stocherte in meinem Essen herum. »Keine Ahnung ... vor ein paar Tagen«, antwortete ich. »Mom, ich will jetzt nicht darüber reden«, fügte ich ausweichend hinzu.
Sie lächelte wissend. »Na gut. Anderes Thema.« Fragend sah sie in die Runde.
Zoeys Mundwinkel verzogen sich weiterhin nach oben. »Wie war der Test in Englisch bei dir?« Sie klang mehr als selbstzufrieden.
Ich seufzte. Wurde das jetzt ein Verhör? »Ich weiß nicht ... kann ich nicht genau einschätzen«, gab ich patzig zurück.
»Kaycie! Was ist denn los? Zoey hat dir eine ganz normale Frage gestellt. Warum bist du so zickig zu ihr?«, fuhr Mom dazwischen, bevor Zoey etwas erwidern konnte.
Zum ersten Mal ließ ich mein Besteck auf den Teller fallen und stand auf. Mir war der Appetit vergangen.
Entsetzt rief Mom mir nach: »Kaycie? Wo willst du hin?«
Wütend stapfte ich die Treppen nach oben und verkroch mich in mein Zimmer.
Ein paar Stunden später hörte ich, wie sich Zoey von Mom verabschiedete. Wo ging sie denn um diese Uhrzeit noch hin? Ich lugte aus meinem Fenster. Zoey wandte sich in Richtung Hafen. Da fiel es mir wieder ein: Oscar hatte doch erwähnt, dass er sie gestern Abend ein Boot hatte mieten sehen. Fuhr sie etwa jetzt noch zur Insel? Ich überlegte nicht lang und entschloss mich dazu, ihr zu folgen. Irgendwie musste ich sie von der Grotte fernhalten.
Mom hielt mich auf, als ich mich möglichst unauffällig an der Küche vorbeischleichen wollte. »Kaycie? Du gehst auch weg?«
Ertappt blieb ich stehen. »Äh ... ja. Ich gehe noch kurz zu Oscar. Ist das in Ordnung?« Möglichst lässig versuchte ich mich an der Theke abzustützen.
Mom zwinkerte mir zu. »Klar, viel Spaß.«
Erleichtert verließ ich das Haus. Dann ging mir auf, dass ich Mom auch zur Rede hätte stellen können. Zoey war nicht da – es wäre also der perfekte Zeitpunkt gewesen. Andererseits musste ich wissen, was Zoey vorhatte ... es mit eigenen Augen sehen ... Ich hasste es, mich entscheiden zu müssen, vor allem wenn es so schwierig war. Unschlüssig stand ich also vor der Tür und überlegte fieberhaft, was ich nun tun sollte.
»Hey!«, riss mich Oscar aus meinen Gedanken. Er kam gerade auf mich zu und lächelte mich strahlend an.
»Hi! Was machst du hier?«, fragte ich überrascht.
»Ich glaube, dir bei deiner Entscheidung helfen.«
»Ist das etwa so offensichtlich?«, brummte ich und fuhr mir durch die Haare.
Er nickte. »Oh, ja! Du bist mindestens fünf Minuten hin und her gelaufen und hast vor dich hingemurmelt.« Er schüttelte den Kopf. »Übrigens habe ich Zoey zum Hafen laufen sehen.«
Das brachte mich endlich dazu, mich zu bewegen. »Komm, wir müssen sie einholen, bevor sie etwas Dummes macht!« Ich eilte los und zog Oscar am Arm hinter mir her.
Wir erreichten den Hafen, als Zoey gerade in ein kleines Motorboot stieg.
»Ich versuche Zoey abzulenken«, flüsterte Oscar.
Verwirrt sah ich in seine Richtung. »Und wie willst du das anstellen?«
Oscar gab keine Antwort. Er drückte mir nur einen Kuss auf die Wange und lief auf Zoey zu. Damit sie mich nicht gleich entdeckte, versteckte ich mich hinter einer etwas größeren Yacht.
»Hey!« Oscar kam bei Zoey an, die den Motor ihres Bootes anschmeißen wollte.
Überrascht fuhr sie herum, dann verfinsterte sich ihre Miene. »Oscar. Was willst du?«, fragte sie und ließ ihren scharfen Blick über die vielen Schiffe gleiten. Anscheinend dachte sie, ich wäre in der Nähe.
Lässig verschränkte Oscar die Arme vor der Brust. »Du willst zur Insel fahren, stimmt's?«
»Ja, warum?« Ihrer Stimme nach zu urteilen, war sie sehr misstrauisch Oscar gegenüber. »Ist das verboten?«
Oscar ging nicht auf ihre bissige Bemerkung ein. »Ganz allein? Es wird bald dunkel«, versuchte er ihr ins Gewissen zu reden. Das war eine wirklich gute Idee. Wenn er sie begleitete, konnte er sie genauer im Auge behalten als ich. Ich grinste in mich hinein.
»Ich kenne mich aus, was willst du also noch hier?« Zoey wollte ihn abwimmeln.
»Ich schätze, ich habe gerade nichts zu tun ... und ich wollte demnächst auch zur Insel fahren, also dachte ich mir, dass ...«
»... du mit mir fährst?«, fuhr Zoey schnippisch dazwischen. Sie lachte auf. »Verkauf mich nicht für blöd. Und jetzt mach nen Abgang!«, rief sie und warf den Motor an, der laut aufheulte.
Ohne sich noch einmal umzudrehen, lenkte sie den Kahn vom Steg weg. Doch das war ihr Fehler. Oscar nahm Anlauf und sprang zu ihr in das Innere. Wie eine Nussschale kam das Boot gefährlich ins Wanken, sodass ich mir eine Hand vor die Augen hielt und gerade noch ein angstvolles Quietschen unterdrücken konnte, das mich vielleicht verraten hätte. Oscar behielt glücklicherweise das Gleichgewicht bei.
Dafür stieß Zoey einen überraschten Laut aus. »Bist du verrückt!?«, kreischte sie.
Meine Schwester wollte ihn schubsen, Oscar reagierte zu ihrem Pech schneller und packte sie eisern an den Handgelenken. »Komm schon, ich werde dir nichts tun. Das wird bestimmt lustig.« Er grinste hämisch.
Frustriert seufzte Zoey auf, konnte aber nichts anderes tun, als ihm zu gewähren – sie würde wohl kaum in aller Öffentlichkeit ihre Fähigkeiten zur Schau stellen. »Schön! Du hast gewonnen ... aber ich warne dich: Ein dummer Spruch und du fliegst!«, keifte sie und setzte sich dann wieder, um das Gefährt vom Hafen auf den offenen Ozean zu dirigieren.
Während sie sich nach vorn drehte, sah Oscar zurück, und als sich unsere Blicke trafen, grinste er von einem Ohr zum anderen. Triumphierend reckte er einen Daumen nach oben. Leise lachend streckte ich ihm meinerseits einen Daumen entgegen. Anschließend sprang ich möglichst unauffällig ins Wasser und schwamm den beiden nach.
Das Motorboot war zwar ziemlich schnell auf dem Wasser, ich gelangte hingegen viel eher zum Ziel. So blieb ich in einiger Entfernung, bis sie die Insel erreicht hatten. Die Dämmerung setzte bald ein und Unterwasser wurde es düster, jedoch konnte ich immer noch perfekt sehen. Hinter einem Felsen versteckt, beobachtete ich wie Zoey und Oscar am Strand aus dem Boot stiegen.
»So, wir sind da«, stellte Oscar trocken fest. Er sah sich um, vermutlich suchte er nach mir. »Und es ist fast dunkel.«
Zoey ging nicht darauf ein. Lieber hüllte sie sich in Schweigen. Sie schulterte ihren Rucksack, den sie im Fußraum verstaut hatte, und lief in Richtung Landesinnere.
Oscar folgte ihr. »Du willst doch nicht etwa über Nacht hierbleiben?«, fragte er.
»Wenn es sein muss, schon«, gab Zoey zurück.
»Nach was suchen wir denn?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber wenn ich es gefunden habe, dann werde ich es schon wissen.«
Das klang ja mal nach einem tollen Plan.
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