Kapitel 13.2
Wie vereinbart fand Lina zur Dämmerung an der Scheune wieder, als Kivan ihr auch schon entgegenkam. Anscheinend war er noch in der Mühle beschäftigt gewesen, denn er klopfte sich mehrere Male die Hose ab, um kleine Mehlschwaden aus ihnen emporsteigen zu lassen.
Lina musterte ihn eingängig. „Vielleicht sollte ich dir ein paar neue Kleidungsstücken besorgen, damit du etwas zum Umziehen hast", begrüßte sie ihn neckend, meinte es aber nicht böse. Er sah selbst so überraschend anziehend aus.
Abwehrend hob er die Arme und seufzte, als er über die Brücke ging, um vor ihr innezuhalten. „Keine Almosen bitte. Sowas fällt immer auf."
Lina lachte leise. „Dann eben nicht", sagte sie gut gelaunt und blieb ebenfalls stehen. Sie schenkte Kivan ein aufgeregtes Lächeln. „Bereit? Oder willst du dich doch noch umziehen?"
Stirnrunzelnd blickte dieser an sich herab und dann wieder zu Lina. „Sollte ich mich denn umziehen?"
„Wäre vielleicht besser. Sofern du etwas hast. Du musst aber nicht", versicherte sie abwinkend. „Die Taverne liegt etwas außerhalb und wird eher von der Mittelschicht besucht."
Er zuckte die Schultern und ging nur mit einem schelmischen Schmunzeln an ihr vorbei, um ihr zu deuten, dass sie aufbrechen konnten. „Wird schon schiefgehen. Sagen wir einfach die Aufmachung gehört zum Erlebnis."
Lina lachte leise und schüttelte dabei den Kopf. Kivan war ganz anders als Rathan oder der Prinz. Es war eine Freude sich mit ihm zu necken, weil er zurück neckte und sich scheinbar für nichts zu schade war.
Gemeinsam liefen sie durch die Stadt und Lina führte ihn so weit außerhalb, dass sie bald eine Taverne erreichten, die wohl eher von Reisenden genutzt wurde. Von außen schlicht und auch drinnen nicht das Eleganteste.
Musternd blickte sich Kivan um, als sie weiter ins Innere vordrangen. Er wirkte recht neutral gegenüber der Einrichtung zu sein. Besser als eine Scheune war es alle Male. Jedoch arbeitete er immerhin im Schloss. Vermutlich hatte er auch schon Prächtigeres gesehen.
Lina mochte es. Es war gemütlich und auch nicht zu teuer.
Sie lief auf die Theke zu, wo sie um den Schlüssel für das Zimmer bat, den sie sofort ausgehändigt bekam. Irgendwie war sie nervös, als sie Kivan ein Lächeln schenkte. „Willst du vorher noch essen?", fragte sie leise.
„Hm?", machte er fragend und blickte zu Lina, bevor er mit einem leichten Lächeln die Schultern zuckte. „Gern. Wenn Ihr das wünscht. Ich hatte noch nichts."
Lina lachte leise und ließ ihre Hand über seinen Arm wandern. „Nicht so förmlich", hauchte sie leise, bevor sie ihm zu einen Tisch zog.
Von dieser Geste doch recht überrascht, ließ sich der Stallbursche von Lina an einen Tisch führen, wo er sich niederließ.
„Was würdet Ihr denn bevorzugen, wie ich Euch nenne?", fragte er dann zögerlich und blickte sie abwartend an.
„Lina. Einfach Lina. Das reicht mir", sagte sie gut gelaunt und wartete, dass jemand kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Eines der Schankmädchen war auch schon unterwegs, wurde aber bei einem anderen Tisch abgefangen.
„Klingt aber nicht gerade nach einer gängigen Abkürzung für Arelia ... oder?"
„Das ist auch der Sinn dahinter", lachte sie leise. „Immerhin sollte genau dieser Name nicht fallen, wenn wir so weit unbemerkt bleiben sollen, oder?", fragte sie, auch wenn das alles eine Lüge war. Er hatte natürlich Recht, doch sie wollte nicht immer diese Rolle spielen.
Kivan lächelte leicht und lehnte die Arme gegen die hölzerne Tischplatte und nickte bestätigend. „Da habt ... hast du wohl recht, Lina. Den Namen hast du schon bei Maari benutzt. Hat der irgendeine Bedeutung?"
„Arelia wird kurz Lia genannt, aber eine Kindheitsfreundin konnte Lia nie aussprechen und hat immer Lina draus gemacht", log sie. Es war eine gut Erklärung. Wie gut, dass sie darin geübt war, solche Dinge zu erfinden, um nicht aufzufallen. Sie musste nur aufpassen, dass sie sich nicht darin verstrickte. Was auf Kurz oder Lang definitiv passieren würde.
„Klingt schlüssig", gestand er und musterte Lina eingängig. Ob er etwas ahnte? Nein, sicher nicht. Vermutlich hatte er nur Interesse an ihr entwickelt. Zumindest hoffte Lina, dass es genauso war. Alles andere würde sie in Schwierigkeiten bringen.
Das Schankmädchen hatte es endlich geschafft, sich zu ihnen vorzukämpfen. „Was kann ich für Euch tun?", fragte sie höflich. Es war eine der Tavernen, wo sie bedient wurden. Das war nicht überall gängig.
„Einen genomischen Wein und eine Tagessuppe bitte", bestellte Lina, da sie sich bereits erkundig hatte, was es hier alles gab.
Ein wenig überfordert hob Kivan die Hände und schien kurz zu rätseln. „Das Gleiche für mich auch, danke", meinte er dann nur mit einem entschuldigenden Lächeln.
Die Frau nickte, bevor sie wieder verschwand.
Lina musste leicht schmunzeln. „Trinkst du oft Alkohol? Der Wein ist eher ... süß", sagte sie, um ihn darauf vorzubereiten.
Er presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. „Nein, absolut nicht. Ich habe das letzte Mal vor Ewigkeiten getrunken", gestand er mit einem schiefen Lächeln. „Aber man gönnt sich ja sonst nichts."
Lina lachte leise. „Dann solltest du es genießen. Ich hoffe nur, er schmeckt dir", bemerkte sie gut gelaunt. Sie hatte das Gefühl sich endlich etwas entspannen zu können. „Hast du beim Essen eigentlich Vorlieben?"
„Inwiefern?", fragte er verwirrt und strich gelangweilt an der Maserung des Holztisches entlang.
„Gibt es Dinge, die du gern isst oder welche, die du nicht verträgst?", fragte Lina direkt heraus, denn sie wollte ihn näher kennenlernen.
Einen Moment lang schien er auf diese Frage hin in Gedanken versunken, bevor er langsam den Kopf schüttelte. „Nein, ich esse eigentlich alles. Ich bin da recht anspruchslos."
„Nun, das macht es einfach", sagte sie, wobei sie versuchte, die Enttäuschung zu verbergen. Sie hatte gehofft daraus einen Vorteil zu gewinnen.
Das Schankmädchen kam zu ihnen und stellte Wein und Suppe auf den Tisch. Es war ein recht einfacher Eintopf, doch mit viel Fleisch und allerlei Gemüse.
Der herbe Duft des Eintopfes und die süßliche Note des Weines stiegen Kivan in die Nase und verleiteten ihn zu einem warmen Lächeln. Ein Lächeln, das irgendwie bedeutungsvoller wirkte, als einfach nur die Freude darüber endlich essen zu können. „Guten Appetit."
„Lass es dir schmecken", erwiderte Lina, die begann mit Genuss zu essen. „Das Essen im Schloss ist zwar wirklich gut, aber ich vermisste doch manchmal diese Art der Eintöpfe", gestand sie. Sie wusste nicht warum, doch die Küche hatte eine ganz eigene Art, die Gerichte zuzubereiten. Ganz anders als bei ihr zuhause. Dieses Essen hingegen kam diesem deutlich näher.
„Das ist überraschend", gestand er ruhig und aß ebenfalls einige Löffel der Suppe.
„Wieso?", fragte Lina neugierig nach.
Kivan zuckte die Schultern und nahm sein Weinglas in die Hand, um es sachte zu schwenken. „Ich dachte nicht, dass sich der Adel mit simpler Suppe oder Eintopf zufriedengibt."
„Sie ähneln dem Geschmack, der in meiner Heimat vertreten ist", erklärte sie schief lächelnd. „Ich vermisste sie sehr."
„Ach ja?", fragte er mit einem Anflug von Skepsis, ging jedoch nicht weiter darauf ein, sondern nahm einen weiteren Löffel Suppe. „Wie gefällt es dir denn hier so? Karakams ist immerhin ziemlich weit weg."
„Es ist in Ordnung, aber nicht zuhause", seufzte Lina und rührte etwas in ihrem Eintopf, bevor sie das Brot nahm und eintauchte. „Es ist so anders. Andere Flora und Fauna, aber auch die Kultur."
„Kann ich mir vorstellen", murmelte er und rührte im Rest seiner Portion herum, bevor er auch diese in seinem Mund verschwinden ließ und sich mit einem zufriedenen Seufzen zurücklehnte. „Bereust du es denn hergekommen zu sein?"
„Nein. Bereuen tue ich es nicht", sagte sie und leerte ihre Schüssel. Sie konnte es nicht bereuen, denn sie war wegen eines Auftrages hier und nicht aus dem Grund, den Kivan annahm. „Trotzdem werde ich froh sein, wenn ich wieder zuhause bin. Bei meiner Familie."
Nachdenklich blickte Kivan sie einfach nur an und griff nach seinem Weinglas, um einen langsamen Schluck zu nehmen. „Ich dachte, du bist unglücklich in deiner Ehe."
Lina lachte. „Ja. Das bin ich auch, aber das heißt nicht, dass der Rest meiner Familie ebenfalls ... schlecht ist."
„Der Rest?", wiederholte er fragend und zog ein wenig die Augenbrauen zusammen.
„Eltern, Onkel, Tanten", zählte sie auf und musste grinsen. Eigentlich war sie mit niemanden im Magierorden verwandt, doch sie bezeichnete die meisten trotzdem als Onkel und Tanten.
Kivan schmunzelte als er Lina so lächeln sah. Die Gedanken an ihre Familie schienen sie wirklich glücklich zu machen. Es war beinahe beneidenswert.
„Hat dir das Essen geschmeckt?", fragte sie und ertappte sich dabei, dass sie versuchte das Unvermeidliche hinauszuzögern.
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