Kapitel 8 / 4 Lorenzos Vergangenheit
„Du kannst deine Vergangenheit nur hinter dir lassen, wenn du dich ihr stellst. Nach dem Tod meines Vaters und als die Alpträume nach unserer Rückkehr aus Venedig schlimmer wurden, hat mich Vladimir zu meinem alten Zuhause mitgenommen. Er sagte mir nicht wo wir hingingen.
Ich kannte da Alessandro noch gar nicht. Er war noch sterblich. Seine kleine Tochter ist in den Ruinen herum gesprungen und Vladimir hat mir an Hand von Aurora erklärt, wie ein glückliches Kind aussieht. Hätte ich mir damals jemand gesagt, dass ich ein Jahr später ihren Vater Bruder nennen würde, hätte ich ihm nichts böses unterstellt.“, fing Lorenzo an zu erzählen und seine Augen leuchteten jedes mal, wenn er Vladimir erwähnte.
Alle drei Dragos hatten so eine tiefe Verbindung zu ihrem Erzeuger, dass ich mich manchmal wunderte, warum sie immer noch weiter machten. Warum sie sich nicht umbrachten um bei Vladimir in der Hölle zu sein.
„Der Auftrag muss erfüllt werden, Jasper. Wir sind die Bewahrer der Unsterblichen. Wir werden dies immer sein. Es waren seine letzten Worte, Jasper. Schützt meine Rasse, helft meinen Kindern. Seit für die Welt da und lasst nicht zu, dass wir untergehen. Dass die Menschheit uns verdrängt, sagte er. Diesen Auftrag werden Pietro, Alessandro und ich immer ausführen. Ich leugne nicht, dass diese Worte mich mehrmals davon abhielten, mir das Leben zu nehmen, wobei das als Urvampir sehr sehr schwer ist. Selbst Marchio hat diesen Worten nie abgeschworen, selbst dann nicht, als er den Blutbund verließ.“, erklärte Lorenzo.
„ Was hast du denn Alessandro vorgeworfen?“, fragte ich.
„Ich warf ihm vor, Aurora zu schlagen. Meine Vampir Sinne waren damals noch sensibler als Heute. Ich habe es zumindest so empfunden, weil ich es ja nicht kannte, so zu fühlen. Ich sah die Blutergüsse an ihrem Rücken und wusste, dass sie geschlagen wurde. Später erfuhr ich von Alessandro, dass es sein Schwiegervater war. Ich wollte sogar los, Alessandro töten, so wütend war ich darüber. Vladmir musste mich pfählen um mich zu beruhigen.“
Er lachte ein helles warmes Lachen.
Ich schmunzelte und lies ihn weiter erzählen.
„Nach dem Aurora weg war, vermisste ich sie. Aber es war nur der Hunger. Vladimir hatte mir von Anfang an beigebracht von Kindern die Finger zu lassen. Er selbst empfand es stets als widerlich, sich an Kinderblut zu vergreifen. Das ist einer der Gründe, warum wir das Gesetzt zum Schutz der Minderjährigen Menschen erließen und das Schänden und ausbluten eines Kindes mit dem Tod am Pfahl bestraft wird. Ich weigerte mich dann, wie du eben in mein Elternhaus zu gehen.
Ich hatte schon an der Tür an der Halluzination von Vater und erlebte den Abend meiner ...ja was war es...hmm. Im Dorf nannten sie es Entführung. Ich werde es mal auch so nennen, obwohl ich völlig freiwillig ins Schloss kam. Also, ich erlebte den Abend meiner Entführung noch einmal. Sah das Bild von Mutter, für Alessandros Hochzeit. Ich hörte meinen Vater schreien und verteidigte meine Leidenschaft fürs Schreiben. Dann trat ich zur der Schmiede und sah mich förmlich bei dem Amboss und sah wie mir der rechte Zeigefinger abgeschnitten wurde.“
„Dein Vater hat dir... den Finger! Warum? Der ist ja grausam!“, stotterte ich und starrte Lorenzo an.
„ Ich habe Körperteile verloren und du deine Unschuld. Ich würde sagen, wir haben ähnliche Väter gehabt.“, grinste Lorenzo und fuhr dann fort:
„Ich bin zusammen gebrochen, habe den Schmerz gespürt. Habe das Blut gespürt. Ich habe geweint, fürchterlich geweint, doch dann war da die Hand. Vladimirs Hand legte sich auf meine Schulter. Ich konnte plötzlich aufstehen. Konnte mich von dem 25 Jährigen Schmiedssohn lösen und distanzierter auf meine Vergangenheit blicken. Es gab keine Qual mehr. Ich fühlte die Gefühle von damals nicht mehr. So erkundete ich die Ruine meiner menschlichen Existenz und jeder Schmerz trat heftig auf, doch danach war es immer besser. Ich fühlte mich wundervoll frei. Aus den tiefsten Löchern musste mich Vladimir raus ziehen. Ich versuchte mich einmal zu erdolchen und hatte völlig vergessen, dass ich ja mittlerweile unsterblich war. Es war die Nacht, nach dem ich zum Manne wurde, an die ich da dachte. Verstehst du, was ich dir sagen will? Ich wurde zwar nicht auf die Weiße gequält, wie du. Aber ich habe das durchgemacht was Rosso dir geraten hat. Du wirst durch den Schmerz durch müssen, aber das ist es Wert. Es wird dir Freiheit schenken. Es kann dich befreien. Aber ich fürchte, dass du, einfach aufgrund der Härte und der vielen Jahre deiner Hölle, erst in eine Depression fallen wirst. Aber ich werde da sein. Ich werde dich auffangen, Jasper. Ich werde dir helfen. Ich werde dich von jedem weiteren Suizid abhalten und wenn ich dich einsperren muss, wie einst meinen Sohn. Für die Freiheit ist es das Wert. Ich weiß, was Vladimir alles für mich danach getan hat.“
„Klappt das wirklich?“, fragte ich misstrauisch.
Lorenzo lächelte und strich mir durch meinen Haarschopf.
„Es wird immer noch Alpträume geben. Aber du kannst dir dann sagen, es ist Vergangenheit. Es wird nie weggehen. Es ist Teil deines Lebens. Ich wache noch heute auf und liege mit dem Geräusch des Schmiedehammers im Ohr in meiner Truhe. Aber es ist nicht mehr so schmerzhaft.“, erwiderte Lorenzo.
Ich sah ihn immer noch an und wusste nicht was ich tun sollte.
Wenn er wirklich recht hatte? Wenn ich dadurch Rayn los wurde, war es das Wert.
Ich musste es versuchen, auch wenn es nur eine kleine Chance auf Freiheit gab.
Ich lächelte ihn an und legte meinen Kopf auf seine Brust.
„Ich gehe zur Villa. Aber du musst mit kommen.“, meinte ich flüsternd.
„Natürlich komme ich mit, ein gewisser französischer Prinz wird mir den Hintern versohlen, wenn ich dich alleine in eine Stadt voller Mafia und so nahe an die Cossas heran gehen lasse.“, meinte Lorenzo und setzte sich etwas aufrechter hin.
Ich löste mich seufzend von Lorenzo und stand auf.
Die Tür ging auf und Rosso kam herein.
„Na ihr zwei? Wie hast du ihn beruhigt?“, fragte der Therapeut erstaunt.
„Es geht doch nichts über eine Geschichte von Tepes.“, antwortete der Graf nur lächelnd.
„Vlad Draculea?“, fragte Rosso erstaunt.
„Ja, aber dieses Geheimnis behalte ich für mich. Und ich bin sicher Jasper wird dir auch nichts von unserem Fürsten von Siebenbürgen erzählen. Nicht wahr, Jasper!“
Lorenzo sah mich eindringlich an.
Ich nickte. Offenbar war das Lied etwas sehr Persönliches zwischen ihm und seinem Erzeuger gewesen und er wollte nicht, dass Jeder davon wusste.
Der Urvampir stand ebenfalls auf und legte seinen Arm um mich.
Dann führte mich Lorenzo aus meinem Zimmer.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich Struppino immer noch in der Hand hielt und warf ihn auf das Bett.
Lorenzo lächelte und ich wurde von ihm nun endgültig aus meinen Zimmer geführt.
Rosso blieb im Zimmer zurück und nahm das Kissen in die Hand.
Vielleicht wollte er es entsorgen? Da es nun ein Erinnerungsleiter für mich werden konnte.
Das taten sie mit allem was mit irgendeinem meiner Suizide zu tun hatte.
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