Kapitel 6 / 4 Die Villa Vinogia
„Signore...soll ich.....Ach du meine Güte!“, rief Maurizio und schlug die Hand vor den Mund.
Ich musste also ziemlich miserabel aussehen.
Langsam sah ich ihn an und ging dann an ihm vorbei durch den Gang.
„Signore? Was habt ihr? Mit wem habt ihr telefoniert?“, löcherte mich Maurizio.
Ich ignorierte ihn und schaute mich um.
Der Gang war gesäumt von Bildern mit dem Kreuzweg. Der rote Teppich auf dem ich lief, wirbelte eine Menge Staub in die Luft.
Dieser Ort musste bereits seit mehreren Jahren unbewohnt sein.
Ich kam bei einer großen Treppe an und stieg sie herunter.
Die Treppe war leicht geschwungen und ich sah Bilder von Jagdhunden und Weinflaschen an den Wänden. Ich kam in einem riesigen Saal . An der Decke waren Weinfässer gemalt und an jedem Weinfass stand ein Name.
Ich suchte die Namen ab und fand den Namen Leandro Liberta. Über dem Namen stand Lisandro Avido-Liberta.
Ich starrte irritiert auf den Namen.
Liberta hatte ich irgendwo schon mal gehört. Und die Avidos waren eine der Herrscherfamilien von Florenz gewesen. Die Avidoalee war nach dieser Familie benannt.
Langsam schritt ich durch den Saal und sah mich nach einem Ausgang um. Doch es gab sechs Türen, die alle gleich aussahen.
Während ich mich noch umschaute und das Bild von einem Brunnen auf dem gefliesten Boden kurz betrachtete, kam Maurizio Capachi die Treppe herunter.
„Graf, ich habe nachgedacht. Wenn ihr schon eurem Gesprächspartner am Telefon nichts sagen wolltet, dann werde ich euch auch nicht drängen, mir etwas zu verraten.“, meinte der Bischof.
Er hatte also gelauscht. Wie viel hatte er gehört?
„Alles, aber ich habe nicht verstanden, worum es euren Feinden geht.“, antwortete Maurizio auf meine Gedanken.
„Lasst das! Meine Gedanken gehen nur mich was an. Er will mich fertig machen.“, knurrte ich.
„Wer?“, hakte mein Zögling nach.
„Mein Erzfeind!“, schrie ich ihn an.
Maurizio zog es vor etwas zurückzuweichen und seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen.
Er hatte offenbar Angst, ich könnte ihn angreifen.
„Entschuldigt! Ich bin etwas gereizt.“, meine ich zu ihm und gehe zur Tür, die mir am nächsten ist.
Der Türknauf lässt sich herunter drücken und ich öffne die Tür.
Zum Vorschein kommt ein Gang, der ziemlich nach einem SM-Clup aussieht.
Peitschen und Netze säumen die Wände. An der Wand neben der Tür hängt ein Schild. Es zeigt die Worte:
Willkommen im santo vino nero
Dem Treffpunkt der schwarzen Lust des BDSM
Das hier war ein Privatclub. Lio besaß einen Club!
Ich ging ein paar Schritte in den Gang hinein. Da fällt mir ein Blattpapier ins Auge.
Langsam greife ich danach und hebe es vom Boden auf. Es ist ein Halsband darauf zusehen, mit dem Schriftzug: „Jasper Fagio Besitz von Don Lio Cossa – il mio per Sempre – du bist auf ewig Mein“
Ich starre es entsetzt an. Hatte Lio vor sich Jasper zu hohlen?
„Signore? Wir sollten gehen! Der Verlag wartet auf sie.“, erinnerte Maurizio.
„Ja, gleich!“, meine ich, als mir etwas im hinteren Teil des Ganges auffällt. Ich gehe durch den Gang und komme an einem imposanten Schwert an. Der Name Vincenzo Moroni stand über dem Schwert in schwarzen Holzbuchstaben an der Wand.
Darunter war ein Zettel auf die Tapete gepinnt. Es stand nur ein Name darauf, der zich mal durchgestrichen war. Ich versuchte ihn zu erkennen.
Meine Augen weiteten sich.
„Was ist das? Da steht...Rodrigo Borgia!“.
Maurizio starrte entsetzt die Wand an.
„ Alexander der VI. Was hat das zu bedeuten?“, fragte der Bischof.
„Ich habe keine Ahnung! Aber Lio scheint total sauer auf ihn zu sein.“. , erwiderte ich und wandte mich von der Wand ab.
Maurizio blieb stehen und starrte weiter auf das Schwert.
Ich ging zurück zur Tür und sah dann noch einmal auf das Blatt in meiner Hand. "An V.O.: Gabriel ist zurück und weiß von Jaspers Kellnerarbeit. Wir müssen Kontakt verhindern.
Dein L.C.", las ich den Zettel.
Adam musste das wissen. Jasper war wahrscheinlich in Gefahr. Wer war Gabriel?
Lio hatte gesagt, dass er auch nach ihm suchte. Ich kannte nur einen Gabriel, aber der war schon lange tot.
Maurizio kam mir hinterher, ich zog mein Handy heraus und photographierte das Blatt mit dem Halsband und legte es dann zurück auf den Boden.
„Graf, wir sollten gehen.“, sprach Maurizio mich an.
Ich nickte und ging aus dem Gang zurück in den Saal.
Die Türen waren alle gleich, aber ich versuchte meinem Gefühl zu folgen und nahm die Zweite von rechts und stieß sie auf.
Ich sah das offenstehende Portal der Villa und es war als würde ich direkt in eine andere Zeit blicken. Der riesige toskanische Garten war wunderschön gepflegt. Am Horizont zogen sich die Weinberge entlang.
Ich konnte nur erahnen welche Pracht mal von diesem Anwesen ausgegangen war.
Ich ging nun auf das Portal zu. Dann entdeckte ich einige aufgeschichtete Holzscheite neben dem Portal. Auf diesen Lag eine Stoffpuppe und ein Kästchen mit Streichhölzern lag daneben.
Ich sah das Gebilde verwundert an und fragte mich, wer sich die Mühe machte, dies hier zu deponieren.
„Dies weißt auf Leandro Vinogias Hexenverbrennung hin. Es gehört zum Fest „Lebe Vinogia – vivere Vinogia“. Sie ziehen jedes mal von hier aus zum Hexenhügel.“, erklärte Maurizio.
Ich ignorierte seine Worte, und hatte aber verstanden, worum es hier ging.
Warum besaß Lio diese Villa? War er ein Vinogia?
Ich ging raus und betrat die große Steintreppe. Während dem ich sie herunter stieg sah ich auf mein Handy.
Was sollte ich Lorenzo sagen? Ich musste ihn irgendwie aufhalten. Wie sollte ich das anstellen?
Aber ich würde es versuchen. Ich konnte Aleena nicht dem Schmerz aussetzten.
Ich wählte nun Adams Handynummer und wartete.
„Bonjour! Der Prinz ist nicht hier, meine Name ist Cedric de Nuit. Dauphin Xaviere ist gerade sehr mit...auspeitschen und fesseln beschäftigt.“, ertönte eine Stimme.
„Gut, richten sie ihm nicht aus, dass ich angerufen habe. Ich werde es später noch mal probieren. Nur eines sollte er wissen....“, ich brach ab.
Nein, dass konnte ich nur Adam selbst sagen.
„Was soll ich dem Dauphin sagen. Mit wem spreche ich überhaupt?“, fragte mich der Sohn Bardes.
„Alessandro Drago, bin ich. Ich werde ihm es selbst sagen.“, meinte ich und legte auf.
Jasper war sicher. Er war bei Lorenzo und niemand würde es wagen, den großen Sadistenkönig an zu greifen. Ich machte mir nur unnötig sorgen.
Aleena hingegen brauchte mich jetzt.
Ich wählte mit zitternden Fingern Lorenzos Nummer.
Er ging nicht ran.
Ich hatte also noch mal Zeit gewonnen, mir eine Strategie zu überlegen, wie ich ihn dazu bewegen konnte in Rom zu bleiben.
Auf einmal legte sich eine Hand auf meine Schulter.
„Herr, wir sollten gehen. Ich habe einen Wagen und kann euch nach Florenz bringen, wenn ihr möchtet.“, meinte Maurizio besorgt.
Er musste spüren, dass es mir nicht gut ging.
Ich nickte und er ging nun voran und führte mich zum Gartentor.
Dort stand ein blauer BMW. Maurizio öffnete die Beifahrertür und bat mich einzusteigen.
Ich musterte kurz die eingedellte Vorderseite.
„ Was ist passiert?“, fragte ich meinen Zögling.
„Als ich euren Ruf hörte, bin ich in ein anders Auto gerast, Graf.“, antwortete Maurizio.
„OH!“, brachte ich nur heraus und der Florentiner begann zu lachen.
„Ja, es war das Auto eines Vampirs. Ich habe ihn einfach entschädigt und habe mich hier her aufgemacht“.
„Wie habt ihr mich eigentlich so schnell gefunden?“
„Ich habe euch gespürt , Padre!“
„Ist die Verwandlungslinie so stark?“
Maurizio lächelte nur und wies mich an einzusteigen.
Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und er verschwand hinter dem Wagen.
Die Tür des Wagens wurde nun von mir geschlossen und ich sah auf die Villa zurück.
Was hatte Rodrigo getan, dass Leandro so sauer war? Waren Lio und Leandro ein und die Selbe Person?
Der Wagen fuhr los und ich musste wieder an das Video denken. Ich würde alles tun um meinen Engel vor einer Vergewaltigung zu bewahren.
Noch einmal rief ich Lorenzo an. Er ging immer noch nicht ran.
Der Wagen fuhr eine ganze Weile. Maurizio schwieg, denn er spürte wahrscheinlich meine tiefe Verzweiflung.
Ich musste an Anja denken. Wenn sie nur hier wäre. Sie könnte mich trösten.
Aleena war immerhin auch ihre Tochter.
Völlig teilnahmslos sah ich aus dem Fenster und dachte an die vielen glücklichen Momente mit Aleena.
Sie war ein wundervolles Kind gewesen. Trotz des Krieges, hatte sie einen immer zum Lachen gebracht. In ihrer Jugend hatte sie stets gegen die DDR gehetzt und hatte versucht Kinder über die Grenze zu schmuggeln.
Als Erwachsene in Rom, hatte sie sich derart für meine Heimat interessiert, dass keine Spur mehr von einer Deutschen an ihr zu sehen war. Ihre englischen Wurzeln hatte sie von klein auf abgelehnt. Sie hatte mich geliebt. Nur mich!
Als ich sie nach Frankreich holte und ich ihr Arek vorstellte, war sie unglaublich neugierig gewesen. Sie hatte ihn sofort als Bruder angenommen.
Die beiden waren wie Pech und Schwefel.
Arek musste sich riesen Vorwürfe machen, weil er Aleena nicht retten konnte. Er konnte aber nichts für die Entführung.
Das Hupen eines Autos riss mich aus meinen Gedanken und ich sah, dass wir bereits an einer Ampel in Florenz standen und sogar schon fast den Verlag erreicht hatten.
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