Kapitel 5 /7 Schuldgefühle und erster Blick auf Luca

Lorenz öffnete die Tür und schob sie auf.
Er sah mich an und hielt mir die Tür auf. Ich ging hindurch und sie schwang hinter mir zu.
Leicht zuckte ich zusammen, als Lorenzos Hand sich auf meine Schulter legte.
„Alles in Ordnung? Bist du bereit, Luca zu sehen? Was hat er dir angetan, als du in Rayns Gewalt warst?“, fragte der Graf.
„Ich fühle mich schrecklich. Ein Halbvampir hat nur wegen mir leiden müssen. Ich habe meine Qual praktisch weitergegeben, Lorenzo! Vielleicht hätte ich Adam nie treffen sollen!“, schluchzte ich und  Tränen liefen über meine Wangen.
Lorenzo umarmte mich und gab mir einen Kuss auf meine Haare.
„Du hast keine Schuld! Du hast dein Leid nicht weitergegeben. Du hast nichts von Milano gewusst. Du hast Lio nicht gesagt, er soll ihn quälen. Nur der Verursacher ist Schuld. Kein Anderer! Verstehst du?“, erklärte Lorenzo.
„Aber ich... wenn ich nicht..“ wollte ich sagen, doch Lorenzos Schrei lies mich stocken.
„Sub Jasper! Aufhören damit! Sofort!“, schrie der Sadist mich mit dunkler Stimme an.
Der Graf strahlte nun eine enorm einschüchternde Dominanz aus.
Ich klappte meinen Mund sofort zu und sagte kein Wort mehr.
„Wirst du dich weiter in diesen völlig unbegründeten Schuldgefühlen suhlen, Signore Fagio?“, fauchte mein vorübergehender Dom.
„Nein, Meister!“, sagte ich kleinlaut und senkte den Kopf.
Eine Hand legte sich unter mein Kinn und hob es an.
Lorenzos braune Augen sahen mich besorgt an.
„Entschuldige, aber ohne den Dom, hättest du immer weiter gemacht“, meint er.
Er war nun wieder aus dem Dom-Modus, wie ich das bei Adam nannte, herausgetreten.
„Ist schon gut! Ich werde nicht mehr daran denken. Aber kannst du Milano nicht freilassen? Warum ist er überhaupt in einer Zelle?“, fragte ich.
„Bei einer Razzia ist es schwer zwischen Opfer und Täter zu unterscheiden. Meine Befehle lautet niemanden, außer wenn sie sich zu Wehr setzten, zu töten und alle zu verhaften. Das Aussortieren, wer Mafiosi ist und wer nicht, sollte später stattfinden. Doch ich will erst alle verhören, bis ich Freilassungen durchführen lasse. Wir hatten in den letzten Stunden sechs Halbvampire, die sich als Lustsklaven betitelt haben. In Wirklichkeit haben sie ihres Gleichen gnadenlos entführt und waren für die Essensbeschaffung zuständig“, erklärte Lorenzo.
„Ich glaube Milano!“, empörte ich mich.
„Darum geht es nicht, Jasper! Wenn ich ihn ohne Verhör freilasse, wirft das ein schlechtes Licht auf unsere Justiz. Er könnte trotzdem an Verbrechen beteiligt sein, auch wenn er ein Lustsklave ist. Das muss erst geklärt werden“, klärte er mich auf.
„Ich verstehe. Aber lass ihn nicht allzu lange in der Zelle“, bat ich.
Lorenzo nickte und ging auf ein riesiges Glasfenster vor uns zu.
Langsam folgte ich ihm und sah hinein.
Ich erkannte Luca in dem Raum hinter dem Glas.

Er hatte mehrere Schnitte im Gesicht und einer blutete noch.
Sein Körper steckte in einem blauen Anzug. Ich sah mehrere Einschusslöcher an seinen Armen. Er saß mit der Seite zu mir und schien, den Bewegungen seines Mundes zu schließen, unentwegt zu sprechen.
Durch das Glas konnte ich jedoch kein Wort hören.
Er trug schulterlanges schwarzes Haar und sein berühmter Federgummi zog es zu einem Zopf zusammen. Der Gummi hatte eine schwarze Rabenfeder drauf gestickt, das Zeichen von Lio.
„Komm mit! Aber bleibe in meiner Nähe“, verlangte Lorenzo und trat an dem Fenster vorbei und durch einen Gang mit schwarzen Kacheln an der Wand. Ich entdeckte eine silberne Tür über der ein Lämpchen rot leuchtete.
Lorenzo trat vor die Tür und gab einen Zahlencode auf den Tastenfeld an der Tür ein. Dann wiederholte er den Vorgang an einen anderen Tastenfeld, welches sich neben der Tür an der Wand befand.
Das Lämpchen wechselte zu grün und es gab ein leises Piepen.
Der Graf öffnete die Tür und lies mir den Vortritt.
Ich zögerte und holte tief Luft. Luca konnte mir nichts tun. Nicht wie damals.
Ich war ihnen für immer entkommen.
Langsam betrat ich den Raum.
„Chara, nu mala tu Chirakaron Donkari! Laho mat!“, rief Luca in einer mir fremden Sprache.
Lorenzo kam herein und sein Blick lag wütend auf Luca.
„Seko rij fej mahu Maupfo!“, antwortete Lorenzo kalt.
„Was  hast du  ihm gesagt? Was ist das für eine Sprache? “, fragte ich Lorenzo.
„Ich sagte Luca, dass er italienisch sprechen soll und das war die Sprache des Darokari-Stammes, einem indigenen Stamm aus Vampiren.", antwortete der Graf.
"Sind diese Darokari Vampire?", fragte ich.
"Ja, sie sind sie. Aber sie stammen nicht von uns ab. Es sind Urvampire aus Amerika. Vampire der Indigenen.“, teilte mir Lorenzo mit.
Ich starrte entsetzt auf Luca.
Er, ein Indianer? Oder warum sprach er  diese Sprache  sonst? Das konnte ich nicht glauben.
„Glaube es ruhig, Jasper. Ich war eines das ältesten Mitglieder in der la familia“, meinte Luca auf italienisch und sah mich lächelnd an.
Er hatte einfach meine Gedanken gelesen.
Rasch aktivierte sich in mir eine Reaktion, die ich nicht verhindern konnte.
Ich betete in meinem Kopf ein Gedicht herunter.

Als unseres Lebens Mitte ich erklommen,
befand ich mich in einem dunklen Wald,
Da ich vom rechten Wege abgekommen.
Wie schwer ist's, zu beschreiben die Gestalt
Der dichten, wilden dornigen Waldeshallen
Die, denk ich dran, erneurn der Furcht Gewalt!

– Dante Alighieri, Die göttliche Komödie (La Divina Commedia), entstanden ca. 1307-1321; Erstdruck 1472-


„Höre auf mit dem Scheiß! Das hat damals schon genervt“, fauchte mich Luca an.
„Jasper! Ich habe deinen Geist vor ihm verschlossen. Er kommt nicht mehr in deine Gedanken“, unterbrach mich Lorenzo ebenfalls.
„Oh, danke!“, meine ich verlegen. Es war peinlich, dass ich so reagiert hatte. Wann konnte ich den gequälten kleinen Jungen, der ums Überleben kämpfte, endlich hinter mir lassen?
Lorenzo schmunzelte und trat an Luca heran.
Er blieb einen Meter von ihm entfernt stehen.
„Was ist denn?“, erkundigte ich mich nach seinem Schmunzeln
„Dante? Ehrlich?“, meinte Lorenzo amüsiert. „Ich hätte was weniger altes erwartet.“
„Schule! Mein Lehrer hat Dante rauf und  runter  zitiert.“, gab ich als Antwort und sah mich im Raum um.
„Ja Mister Saleri war einer von uns und ein Lyrik Liebhaber. Jedenfalls fälschte er uns Unterlagen. Er war ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter der italienischen Regierung  der Menschen. Rayn fand es witzig, einen Polizisten zu verwandeln“, erklärte Luca und lachte.

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